Im Zentrum von Krasnojarsk gibt es eine ungewöhnliche kulturelle Sehenswürdigkeit. Ein echtes Museum in einem .... echten Gefängnis.
Der Korridor und einige Zellen wurden hier, unmittelbar im Gebäude des Untersuchungsgefängnisses, vom Museum „Krasnojarsker Gefängnisschloß“ zur Verfügung gestellt. Das Gefängnis dient seit dem vorletzten Jahrhundert bis heute ununterbrochen seiner eigentlichen Betimmung. Dieselben Gitter in den dicken Wänden, dieselben Zellen, dieselben Korridore mit Bodendecken, dieselbe Kanalisation. Ein paar kosmetische, alltägliche und technische Unterschiede gibt es inzwischen schon – das Wenige, das diesen Gebäudekomplex des 19. Jahrhunderts von einem des 21. unterscheidet.
In dieses Museum können nicht alle Interessierten gelangen. Im Prinzip ist
noch nicht bekannt, wohin man leichter geraten kann, falls einen der Wunsch
einmal überkommen sollte – in die Zellen des Museums oder in die des realen
Zentralen Isoliergefängnisses N° 1. Einstweilen werden durch das Museum auch nur
„Sonderkontingente“ geführt – nämlich schwer erziehbare Minderjährige zwecks
Abschreckungseffekt, Studenten zur Erweiterung ihrer Kenntnisse, Journalisten,
na ja, und andere Besucher-Kategorien.
Die unerschütterliche Regel „nicht mehr als drei“ gilt auch in Bezug auf die
Museumsbesucher, genauso wie im Hinblick auf alle anderen Individuen, die
innerhalb des Gefängnisses von einer verschlossenen Tür bis zur nächsten gehen (und
davon gibt es hier eine Unmenge). Nachdem man die Genehmigung von der Leitung
des Haftvollstreckungssystems erhalten und am Eingang seinen Paß, sein
Mobiltelefon sowie andere verbotene Gegenstände abgegeben und durch die
Gefängnislabyrinthe, kleinen Zwischenhöfe und „Postenketten“ hindurchgegangen
ist, befindet man sich endlich an der Eingangstür zum Museum – alles in allem
ein kleiner Korridor mit einigen Zellen. Und drum herum – das tatsächliche
Gefängnisterritorium, wo es, wie man selber verstehen wird, nur wenig
Erfreuliches gibt.
Jedes Mal, wenn man diesen „architektonischen Komplex“ an der Straße der Republik verläßt, erfährt man unfreiwillig eine große Erleichterung. Trotz der Tatsache, dass man nach den juristischen und sittlich-moralichen Gesetzen lebt, prinzipiell alle kriminellen Methoden zur Erlangung dieser oder jener Ziele ablehnt, darf man doch nach wie vor in dem Land, das den Namen Rußland trägt, vor Gefängnis und leeren Taschen niemals sicher sein.
Ilja Najmuschin
Foto des Autors
„Krasnojarsker Arbeiter“, 07.08.2010