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Wann wird unsere Verbannung beendet sein?

Lange schon ist der Große Vaterländische Krieg – ein verheerender Vernichtungskrieg - zu Ende. Diejenigen, die am Leben geblieben sind, wurden mit dem Wohlwollen unseres Staates überhäuft. Manch einer hat sowohl eine hohe Rente als auch eine große Wohnung usw. bekommen. Aber in jedem Krieg sterben viel mehr Menschen aus der friedlichen Bevölkerung, als Soldaten und Offiziere. Was haben die Kinder des Krieges erhalten, die ebenfalls vernichtet wurden und zusammen mit den Erwachsenen ins Verderben stürzten?

Nein, In Sibirien sind keine Bomben und Geschosse auf sie herabgefallen. Sie, die Kinder, starben vor Entkräftung, an Hunger und aufgrund von Krankheiten. Denn alles war für die Front bestimmt – alles war für den Sieg! Und die Staatsbeamten sagten immer wieder: „Front und Hinterland sind – ein einheitliches Ganzes“. Das gesamte Land litt.

Viele Kinder wurden aus dem Baltikum nach Sibirien verschleppt, aus Polen, aber auch aus Deutschland – zusammen mit ihren Eltern. Mit den Kindern haben wir, die russischen Kinder, uns angefreundet. Und wir führten auch alle das gleiche Leben, nur halb bekleidet, barfuß und hungrig. Nach dem Krieg begann man die zerstörte Wirtschaft wieder aufzubauen.

Nun sind wir schon längst keine Kinder mehr, sondern vollkommen erwachsene und sogar schon betagte Menschen. Allerdings haben die deutschen Kriegskinder einen fest definierten Status erhalten und damit einen materiellen Unterhalt. Die russischen Kinder in der Region Krasnojarsk haben nichts bekommen. Die Deputierten der Gesetzgebenden Versammlung und der Regierung der Region Krasnojarsk haben wir Kriegskinder kein Geld. Und ich finde – sie haben kein Gewissen.

Sie, die Deputierten haben nie den Alptraum erfahren, den man Krieg nennt. Sie kennen den Krieg höchstens vom Salutschießen und aus Filmen. Für sie, die Deputierten, gab es den Großen Vaterländischen Krieg schlicht und ergreifend nicht. Und jedes Mal, wenn die großen Beamten das Volk zum Siegesfeiertag beglückwünschen, möchte ich ihnen nur zu gern sagen: „Steckt Euch Eure Glückwünsche doch sonst wo hin … in Eure Brusttaschen, damit der Glückwunsch dort Eure patriotischen Herzen erwärmt“.

Als man nach dem Kriege die Wirtschaft wieder aufbaute, waren alle verpflichtet mitzuarbeiten. Und diejenigen, die dieser Arbeit aus dem Wege gingen, nannte man Nichtstuer und verschleppte sie nach Sibirien. Ich möchte ein Beispiel anführen. Wir waren gerade beim Verladen von Säge- und Schnittholz für Reparaturarbeiten an der Schule, da meinte einer der Verbannten: „Im Sommer läuft meine Haftfrist ab, dann fahre ich wieder nach Moskau“. Der ehemalige Vorsitzende der Kolchose, Pjotr Michailowitsch Tjurin lachte: „Wolkow, und wann wird unsere Verbannung beendet sein?“ – Ich erwiderte: „Wir sind ewige Siedler, wir haben ja keinen anderen Status.“

W. WOLKOW, Kulichnikowo, Sajan-Bezirk

„Krasnojarsker Arbeiter“, 26.04.2012


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