Aleksej Babij über die Teilnahme Krasnojarsks an der Schaffung eines elektronischen Memorial-Archivs.
Der Mathematiker und Programmierer Aleksej Babij ist – Vorsitzender der Krasnojarsker „Memorial-Gesellschaft. Er ist seit Ende 1987 in der Memorial-Bewegung. Die wesentliche Interessensphäre ist auch bei „Memorial“ professionell organisiert – es handelt sich um die Anwendung von Informationstechnologien innerhalb des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft: die Datenbase über Repressionsopfer, die Webseite (HTTPS://memorial.krsk.ru), elektronische Archive u.a. Aleksej unterhält auch den Blog «Çàïèñêè ñòàðïåðà» („Aufzeichnungen eines komischen alten Kauzes“; Anm. d. Übers.) bei livejournal.com. Soeben ist in Krasnojarsk Aleksej Babijs neues Buch „Das Internet als Instrument der gesellschaftlichen Organisationen“.
Seit 2011 wirkt das Krasnojarsker „Memorial“ an der Schaffung eines öffentlichen, elektronischen Memorial-Archivs mit. Vom 7.-9. Juli nah, Aleksej am Seminar „Perspektiven der Entwicklung eines elektronischen Memorial-Archivs teil. Über den Sinn der Schaffung eines solchen Archivs und die Mitwirkung des Krasnojarsker Memorial daran sprach Aleksej mit Êîãèòà!ðó (Kogita!ru).
Aleksej Babij: „Der Sinn ist ein ganz einfacher. Das, was wir in den vergangenen fünfzehn Jahren in Krasnojarsk gemacht haben, ist hier – genau das Gleiche, nur auf einem höheren Niveau, auf einer vollendeteren technologischen Plattform, aber der Vektor zeigt in dieselbe Richtung. Ich fühle mich absolut in diesem Vektorbereich – es ist exakt das, was Memorial jetzt, in der heutigen Situation, tun muss; sonst wird all das, was Menschen jahrelang hingebungsvoll gesammelt haben, zugrunde gehen – und das war’s dann. Wozu wurde all das gemacht? Es ergab ursprünglich gar keinen Sinn, wohl aber für die Memorial-Bewegung. Natürlich scheiden irgendwelche „Memorialer“ aus Alters- oder anderen Gründen aus. Aber sie hatten ihre Archive.
Ein neuer Sinn – die Heranziehung neuer Menschen zu dieser Arbeit, Nicht-Memorilaern, die ebenfalls darin einen Sinn sehen. Möglicherweise ist das noch viel wertvoller. Eine gesellschaftliche Organisation – das ist nicht unbedingt etwas, das über eine Satzung, einen Mitgliedsstempel usw. verfügen muss, sie kann nämlich heute auch in ganz anderen Formen existieren. Ich meine Netzwerk-Organisationen, welche die Rolle gesellschaftlicher Organisationen keineswegs schlechter ausüben. Vielleicht ist diese neue Form eine Wandlung hin zu einer neuen Qualität der Memorial-Arbeit, genauer gesagt – dem Teil der Memorial-Arbeit, der sich auf den Erhalt von Erinnerungen bezieht. Höchstwahrscheinlich wird sich die Sache auch dahin entwickeln.
Was Krasnojarsk betrifft, so haben wir all diese Dinge bereits vor fünfzehn Jahren begriffen.
Ganz konkret haben wir 1998 mit der Realisierung begonnen. Seit der Zeit digitalisieren wir alles, was wir haben, veröffentlichen, pflegen unser elektronisches Archiv und doublieren, Kopien unserer Datenbase befinden sich an vielen Orten, einschließlich eines Archivs im Ausland. Jetzt fließen wir einfach in dieses Projekt mit ein, beginnen damit, unsere Dokumente in der allgemeinen Datenbase unterzubringen. In technologischer Hinsicht werden wir das tun, was wir auch vorher schon getan haben. Es muss nur genügend Zeit freigesetzt werden, denn die Zahl unserer Mitkämpfer wird immer geringer. Es gibt wohl junge Leute, aber ihr Interesse gilt anderen Dingen.. Oder es gibt Menschen, die das tun könnten, aber sie befinden sich in den Außenbezirken und nicht in Krasnojarsk; sie haben einstweilen keinen Zugang zu diesem Archiv und können sich seine Struktur auch nicht besonders gut vorstellen. Es gibt nur wenige, die im Archiv sind, und auch ihre Zahl wird immer weniger. Aber wir werden weiterarbeiten. Besonders unter den Bedingungen und Gegebenheiten, die sich derzeit in unserer Politik abspielen, sehe ich die Schaffung eines elektronischen Archivs als eine der wichtigsten Aufgaben. In Krasnojarsk haben wir uns Ende 1987 zusammengetan und uns Anfang 1988 organisiert. 25 Jahre lang haben wir all das gesammelt, und soll das jetzt, wie man so schön sagt, alles für die Katz sein? Schade um ein Viertel Jahrhundert des Lebens. Deswegen gefällt mir dieses Projekt ausgesprochen gut. Wir werden arbeiten“.
Kogita!ru, 11.07.2012