Die Jahrhundertbauten kehren zurück: Reanimation der Stalin-Projekts im Polargebiet
Eine verlassene Lager-Baracke. In der Ecke – Überreste von Pritschen, darauf zwei Bonbons und ein paar Rubelscheine. Die Angehörigen ehemaliger Häftlinge und einfach Neugierige führt es bisweilen an diesen Ort, wo inmitten der Tundra sowohl Stacheldraht, als auch mehrere niedrige Gebäude erhalten geblieben sind.
Vor 60 Jahren wurde hier eine der nördlichsten Eisenbahnlinien der Welt verlegt – fast 1500 km durch ewigen Frost, mit höchsten Minus-Temperaturen im Winter und blutsaugenden Stechmücken im Sommer. Wozu man diese Bahnlinie am Polarkreis brauchte, wusste nur Stalin. Nach dem Tod des Führers wurde die Strecke in ein paar Wochen stillgelegt. Genauer gesagt - Gleise, Waggons und sogar Lokomotiven ließ man in der Tundra im Stich. Die Bilanz daraus – ein Schaden für die Wirtschaft in Höhe von 42 Milliarden Sowjet-Rubeln (mehr als 90 Milliarden Dollar nach heutigen Preisen!) und tausende von Menschen, die beim Bau ums Leben kamen. Und nun wollen sie dort, wo einst die „Stalin-Magistrale“ entlang führte, die Nordbreiten-Bahn bauen.
Das nächste Transport-Megaprojekt hat einen Wert von 135 Milliarden Rubeln. Aber wird es nicht das Schicksal seines Vorgängers wiederholen?
Ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn International empört sich lautstark: bereits zum zweiten Mal sieht er auf der Baustelle einen Mann ohne Sicherung. „Dieses technische Audit hat mir die Glatze zernagt!“ – ruft ein anderer Teilnehmer der operativen Versammlung voller Herz als Antwort aus. Das Ganze geschieht im Stabsquartier – einem kleinen Haus am Ufer des fest zugefrorenen Flusses Nadym. Aus dem Eis ragen Betonpfeiler hervor, von der anderen Seite kriechen erste Brückenbogen an ihnen hoch. Die moderne – 1,3 km lange - Eisenbahn- und Automobil-Brücke wird von der Firma „Mostostroi-12“ gebaut, und ihr Sub-Unternehmer, die Deutsche Bahn International, beaufsichtigt die Einhaltung der technischen Normen. Es ist das erste und einstweilen einzige Objekt im Rahmen des grandiosen Projekts der „Nordbreiten-Bahn“.
Die Bahnlinie, die dazu bestimmt ist, die Stationen Obskaja (nahe der Stadt Salechard) und Korotschajewo (unwei Nowyi Urengoi) zu verbinden, beginnt hinter dem Polarkreis. Weiter 700 km durch die Tundra, davon sollen 400 km neue Gleise verlegt und 300 km existierende verstärkt und erneuert werden. Wozu das alles? Das Hauptziel ist – die Abkürzung der Entfernung, welche Fracht aus dem erdöl- und erdgasreichen Autonomen Jamal-Nenzen-Gebiet bis in die russischen Häfen transportiert wird. Heute fahren die Waggons, um beispielsweise von Nowyi Urengoi nach Ust-Luga im Gebiet Leningrad zu gelangen, über Tjumen. Würden sie die Nordbreiten-Bahn nutzen, könnten sie 700 km einsparen.
Die vorläufigen Kosten des Projekts belaufen sich auf 135,6 Milliarden Rubel. Verantwortlich für die Arbeit ist die Kapitalgesellschaft für Entwicklung, die von den Behörden der Regionen des Ural-Föderationskreises gegründet wurde. Die Tarife für den Frachtverkehr auf der Magistrale werden um 60-65% höher liegen, als die russischen Durchschnittstarife (voraussichtliche Preisliste 10-01 der Russischen Eisenbahn-Gesellschaft); es ist anzunehmen, dass somit die eingebrachten Geldmittel sich in etwa 12 Jahren amortisiert haben. Nach Berechnungen von Vertretern der Kapitalgesellschaft für Entwicklung werden die Einnahmen der neuen Bahnlinie bei einem Güterumschlag von 20 Millionen Tonnen etwa 35 Milliarden Rubel pro Jahr ausmachen.
Bei Weitem nicht alle Experten und nicht einmal die Beamten teilen eine derart positive Stimmung. Es verhält sich nämlich so, dass die existierende Bahnlinie westlich der Station Obskaja für ein zusätzliches Frachtaufkommen nicht bereit ist. Um 15 Millionen Tonnen von der neuen Bahnlinie zu „verdauen“, sind Investitionen in Höhe von 35 Milliarden Rubel erforderlich – die Zahl nennt jedenfalls der stellvertretende Leiter der Abteilung für Investitionen der Russischen Eisenbahn – Aleksej Wjatkin. Und falls das Volumen auf 24 Millionen Tonnen steigt, dann sind bereits 50 Milliarden Rubel nötig. Demzufolge werden die vollen Kosten für das ambitionierte Projekt sich auf 185 Milliarden belaufen. Und das auch nur im „Papier-Stadium“. Während der Bauphase „verstehen es“ die Kostenvoranschläge ja bekanntlich immer in die Höhe zu schnellen.
Der stellvertretende Minister für Transportwesen Sergej Aristow erklärte kürzlich, dass das Projekt der Nordbreiten-Bahn als Grundlage ökonomischer Effektivität notwendig wäre. „Diese Idee ist nicht für heutige Realitäten gedacht: das Land wird es nicht packen, - meinte der Professor am Lehrstuhl für Verwaltung logistischer Infrastrukturen an der Wissenschaftlichen Forschungsuniversität für höhere Ökonomie, einer der Autoren der ergänzten Fassung der „Transport-Strategie Russlands bis 2030“, Anatolij Fedorenko. Und erst recht beim Fehlen positiver wirtschaftlicher Perspektiven. Herr Fedorenko mahnt: im Januar 2013 reduzierte sich der Güterumschlag um 6% im Vergleich zum Januar 2012.
Werden jene 20 Millionen Tonnen im Jahr zusammenkommen, über die man in derKapital-gesellschaft für Entwicklung so überzeugend redet?
Schließlich existieren in den Bezirken, in denen die zukünftige Bahnlinie verlaufen soll bereits Erdöl- und Gasleitungen, beziehungsweise werden sie gerade verlegt. Die Initiatoren des Projekts beharren darauf, dass auf der Magistrale vor allem Gaskondensate befördert werden sollen, und sie führen sogar schon ganz konkrete Mengen an: wieviel aus dem Autonomen Jamal-Nenzen-Gebiet die Firmen NOWATEK, THK-BP, LUKOIL und andere abtransportieren werden. Aber wenn man die Dokumente der potentiellen Frachtversender eingehend studiert hat, dann begreift man, dass die Prognosen für die Nordbreiten-Bahn von einem großen Optimisten aufgestellt worden sein müssen. So werden die „Arktikgas“ (eine „Tochter“ von NOWATEK, „Gasprom Nefti“ und ein paar andere ausländische Gesellschaften), wenn man der Kapitalgesellschaft für Entwicklung Glauben schenkt, zum Jahr 2020 sechs Millionen Tonnen Gaskondensat für den Transport benötigt. Und was schreiben sie in der Firma selbst? Sie arbeitet an zwei verschiedenen Fundstätten – der Samburgsker und der Jewo-Jachinsker. Die erste begann man erst 2012 auszubeuten, das zu erwartende Niveau der uns interessierenden Rohstoffmenge – etwas mehr als 400 Tonnen pro Jahr. Die zweite soll 2017 in Gang gesetzt werden, genauere Zahlen dazu gibt es noch nicht. Woher also hat man diese potentiellen 600 Tonnen genommen? Weder bei „Gasprom Nefti“ noch bei NOWATEK hat man auf die Fragen der Zeitschrift „RBK“ geantwortet.
Ein anderes Beispiel – THK-BP. Wie man in der Kapitalgesellschaft für Entwicklung bestätigt, wird die Holding im Jahre 2020 5,9 Millionen Tonnen Gaskondensat und flüssiges Kohlehydratgas (Erdöl-Begleitgas) befördern. Jedoch will die Förderfirma die Förderung des Kondensats zu diesem Zeitpunkt lediglich auf 4,2 Millionen Tonnen steigern (zum Erdöl-Begleitgas liegen keine Zahlen vor), aber, wie man bei der THK-BP unterstreicht, wird eine Menge von der Situation am Markt abhängen. Und bei KUKOIL teilte man uns mit, dass, wenngleich es noch zu früh dafür sie, auch sie Interesse an der Nordbreiten-Bahn hätten, derzeit sei dies jedoch noch nicht aktuell.
„Transneft“ baut eine Erdölleitung im Polargebiet, durch sie beabsichtigen wir Erdöl und Gaskondensat fließen zu lassen, - sagt der Vorsitzende von LUKOIL Wladimir Semakow. – Das ist erheblich billiger, als die genannten Produkte mit der Eisenbahn zu befördern“.
Auch im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung verbirgt man seine Skepsis nicht. „Im gegenwärtigen Augenblick fehlt eine garantierte Frachtgrundlage für das Projekt, - stellt Jaroslaw Mandron , der stellvertretende Direktor der Fachabteilung der Behörde fest. – Deswegen ist eine kurzfristige Realisierung mit guten Perspektiven wenig wahrscheinlich“.
Der Titel für die nördlichste in Betrieb befindliche Eisenbahnlinie der Welt gehört einer Zweiglinie mit einer Länge von beinahe 600 km, die von „Gasprom“ auf der Halbinsel Jamal gebaut wurde. Aber im Rücken strömen bereits die Kanadier ihren warmen Atem aus: sie haben mit der Verlegung einer 150 km Linie begonnen, welche den Hafen von Stinsby mit den Eisenbergwerken auf der Baffininsel zusammenführen soll. Auch auf wirtschaftlicher Ebene haben die Ausländer uns den Rang abgelaufen. Der Preis für die Zweiglinie beträgt etwa 2 Millionen Dollar, transportiert werden sollen auf ihr zwischen 18 und 21 Millionen Tonnen pro Jahr. Man vermutet, dass auf der Bahnlinie drei Züge zu jeweils 110-130 Waggons verkehren werden, wobei täglich zwei Züge hin und zurück fahren. Aber die „Gasprom“-Zweiglinie befördert nach den Berechnungen des Generaldirektors der Jamal-Eisenbahn-Gesellschaft, Jakob Kraft, nicht mehr als 1 Million Tonnen Fracht pro Jahr. Vermutlich ist das Projekt unrentabel. Jedenfalls hat der Kopf der Staatlichen Monopol-Gesellschaft Aleksej Miller versucht, diese Zweigbahn zum Selbstkostenpreis an die Russische Bahn zu verkaufen – für 130 Millionen Rubel.
Das Frachtvolumen besitzt eine Schlüsselbedeutung für nördliche Bahnlinien. Zum Beispiel ist jetzt, unter der Leitung der Jamal-Eisenbahn-Gesellschaft, die Zweilinie Korotschajewo- Nadym in Betrieb (und die will man im Rahmen der Nordbreiten-Bahn rekonstruieren). Nach den Worten von Generaldirektor Kraft werden dort jährlich 4 Millionen Tonnen Fracht befördert, und die durchschnittlichen Kosten belaufen sich auf genau 6,45 Rubel pro Tonnen-Kilometer. Insgesamt gesehen liegt bei unseren Eisenbahnen der vorliegende Index bei 44 Kopeken, also beinahe um das 15-Fache niedriger! Natürlich wird mit der Nordbreiten-Bahn alles anders werden, bekräftigen die Initiatoren des Projekts. Dank eines Volumens von 20 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr, werden die Bahn-Betriebskosten 60-65 Kopeken pro Tonnen-Kilometer ausmachen. Doch allein mit den berüchtigten 20 Millionen Tonnen gibt es, wie wir bereits sagten, noch längst keine Gewissheit.
Wie sieht es heute mit der Finanzierung der Nordbreiten-Bahn aus? Die Russische Eisenbahn und „Gasprom“, aber auch regionale Budgets, stellen eine Gesamtsumme von 55 Milliarden Rubel bereit. Weitere 80 Milliarden gibt im Grunde genommen der Staat dazu, allerdings nach einem sehr listigen System. So gewährt die Ceska Exportni Banka einen Kredit über 800 Millionen Euro, der Rest, so plant man, soll von russischen Kreditoren kommen. Dabei erhält die Bank eine Garantie, sagen wir einmal, über einen Konzessionsvertrag mit dem Autonomen Jamal-Gebiet. „Die Finanzierung mit Hilfe dieses Modells besteht darin, dass, sofern über die neue Bahnstrecke weniger Frachten transportiert werden als geplant, sich die ausfallenden Erträge in eine Abfindung zu Gunsten des regionalen Budgets verwandeln und zur Tilgung des Kredits dienen“, - erklärt die Beraterin des Generaldirektors der Kapitalgesellschaft für Entwicklung Olga Kriwowa. Später, wenn das Projekt dann seine geplante Kapazität erreicht, sollen die Gelder aus dem Budget zurückfließen. Eine andere Variante, die derzeit auf den Korridoren der Machtorgane diskutiert wird, ist die – Staatsgarantie. Das bedeutet, dass mit den Bankmitteln im Falle eines Misserfolgs nicht das regionale, sondern das föderale Budget wieder aufgefüllt wird.
Man transportierte sie unter unmenschlichen Bedingungen über den Jenisej, bis zu 2000 Mann hatte man auf einen einzigen Lastkahn gestopft. Anfang 1950 hatte man in unserem Lande bereits mit der Arbeitskraft von Gefangenen die polare Eisenbahn-Magistrale verlegt. Historiker können bis heute nicht eindeutig auf die Frage antworten, weshalb Stalin diese Bahn eigentlich benötigte. Die Einen zeichnen ein nahezu fantastisches Projekt für die Verlegung der Schienen bis nach Tschuchotka, andere sprechen von der Notwendigkeit, das ganze Jahr hindurch, ohne Unterbrechungen, Produkte des Norilsker Bergbau- und Metallurgie-Kombinats abzutransportieren, die Dritten wiederum reden von ewiger Kriegsbedrohung, die Vierten vom Akademiker Gubkin, der bereits 1930 die Existenz reicher Erdöl- und Gas-Lager im Norden von Tjumen voraussagte. Und manch einer glaubt dagegen nicht an die strategischen Talente des Führers aller Völker. „Anfangs planten sie den Bau eines Hafens in Mys-Kamennij an der Kara-See, - erzählt der Vorsitzende der Krasnojarsker „Memorial“-Organisation - Aleksej Babij.
- Sie peitschen einen Haufen Geld in das Vorhaben, vergeudeten etwa zwei Jahre, verlegten Bahnschienen, und dann entdeckten sie plötzlich, dass der Ob-Meerbusen an dieser Stelle für Seeschiffe einfach zu klein ist“. Da entschieden sie sich dafür, auch eine Bahnlinie zum Jenisej zu verlegen.
Wie dem auch sei, 1949 war die Arbeit in vollstem Gange. Es klingt unwahrscheinlich, aber all das geschah praktisch ohne vorausgegangene Erkundungen, ohne Projektierung und sogar ohne Kostenvoranschlag. Man finanzierte alles anhand der tatsächlichen Ausgaben. Die Gleise wurden von bis zu 100.000 Häftlingen verlegt. Das schnelle Tempo gab einen Anreiz; in vielen Bauabschnitten zählte ein Tag wie drei, an manchen Stellen sogar wie sieben Tage, wodurch die Haftstrafe verkürzt wurde, aber es gab keine Bagger und so gut wie keine anderen technischen Hilfsmittel. 1952 stellte eine Kommission aus Moskau fest, dass die Güte der ausgeführten Arbeiten nicht den „vorgewiesenen Anforderungen“ entsprach. Übrigens wurde auf manchen Teilstrecken dennoch der Bahnbetrieb eröffnet. Stalin starb am 5. März 1953, und bereits am 21. März sandte Lawrentij Berija ein Schreiben an den Ministerrat, in dem er vorschlug, die Finanzierung der Transpolar-Magistrale einzustellen. Ihr Nutzwert konnte noch nicht einmal die Ausgaben für die Fertigstellung des Baus decken. Zu dem Zeitpunkt war bereits mehr als die Hälfte der geplanten, 1500 km langen, Strecke vollendet. Wie sich herausstellte, befand sich ein Teil davon in einem derart beweinenswerten Zustand, dass es nicht einmal mehr möglich war, die einst dorthin gelieferten technischen Gerätschaften wieder ins Mutterland zurückzuholen.
In der Tundra wurden über ein Dutzend Lokomotiven sowie etwa 80 Waggons im Stich gelassen, und aus sanitären Beweggründen erschoss man mehr als 2000 Pferde.
Für den Bau der Transport-Magistrale, den Unterhalt der Lager und der Infrastruktur wurden mehr als 42 Milliarden Rubel aufgebracht. Wie viel ist das nach heutigen Maßstäben wert?
Nach internationalen Berechnungen war 1953 ein sowjetischer Rubel 4 Dollar wert. Und 10,5 Milliarden Dollar damaliger Zeit entsprechen 93 Milliarden Dollar im Jahre 2013. Eine wahnsinnige Summe, und der wirtschaftliche Gewinn aus der „Stalinka“ war gleich Null. Als sie später den Abzweiger Korotschajewo – Nadym bauten, berührten sie die Überreste der Transpolar-Magistrale schon nicht mehr. Der Bahndamm, die hölzernen Brücken, die Lager-Baracken waren fast überall zwischen Salechard und Igarka erhalten geblieben. Wie ein gigantisches Museum unter freiem Himmel. Oder ein Denkmal menschlicher Dummheit.
Ähnliche Geschichten gibt es auch in unserer heutigen Zeit. Anatolij Fedorenko erzählt von der Eisenbahn-Zweiglinie von Tschita zu den Udokansker Kupfervorkommen, übrigens den größten in Russland. „Dort waren 100 km Bahnlinie elektrifiziert, - präzisiert der Experte. – Aber mit den Arbeiten für die Erschließung des Gebiets wurde lange Zeit nicht begonnen. Jetzt verfällt die Strecke langsam, die Leute haben nach und nach das ganze Metall fortgeschleppt“.
Aber erwartet die Nordbreiten-Bahn nicht das gleiche Schicksal wie die „Stalinka“? Die örtlichen Behörden vertreten das Projekt ganz aktiv, denn die Infrastruktur im Autonomen Kamal-Nenzen Gebiet ist tatsächlich nicht entwickelt, - merkt der ausführende Direktor der WDO-Gruppe in Russland, Ali Brundukow, an. – Inwieweit man die Bahnlinie benötigt, ist eine andere Frage, aber die Regierung kann nicht einfach den Wunsch einer der größten Spender-Regionen ignorieren“. Außerdem konkurriert Russland mit anderen Ländern um arktische Territorien, und dafür muss man das nördliche Hinterland entwickeln. Schließlich ist die Tundra reich an Bodenschätzen. So machen allein die erkundeten Eisenerz-Vorkommen im Jamal-Nenzen-Gebiet 60 Millionen Tonnen aus. Doch all diese Projekte sind für die ferne Zukunft gedacht. Aber schließlich hat es ja auch für die Transpolar-Magistarale irgendwelche Perspektiven gegeben….
„Meiner Ansicht nach sollte die Modernisierung der bestehenden Gleise Priorität haben, aber nicht der Bau einer Zweiglinie“, - lautet Anatolij Fedorenkos Überzeugung.
Heute gibt es auf Russlands Bahnlinien 7200 km Engstellen – dort müssen die Züge ihre Fahrt verlangsamen oder sogar stehenbleiben. Deswegen bewältigt ein Güterzug in 24 Stunden insgesamt 247 km, seine mittlere Geschwindigkeit beträgt etwas mehr als 10 km/h. In den USA fahren sie mit 45 km/h, in Deutschland und China mit 50-60 km/h.
Zur Liquidierung der Engstellen benötigt die Russische Bahn 600 Milliarden Rubel und warnt: 2015 wird es das Doppelte sein. „Aufgrund des Schneckentempos, mit dem die Züge fahren, gibt es keinen Anreiz die Produktion zu steigern, denn sie kann so lange nicht abtransportiert werden, bis die Waggons zurückgekehrt sind“, resümiert General-Direktor Fedorenko. Der Anteil an Frachtaufwendungen in den Kosten der fertigen Produkte übersteigt bei uns die 20%-Marke, obwohl der Welt-Durchschnittsindex bei 9-10% liegt. Letztendlich lassen die schlechten Schienenstrecken es nicht zu, dass Russland sich in eine Transitmacht zwischen Europa und Asien verwandelt.
Die Nordbreiten-Bahn ist nicht das einzige Projekt mit düsteren Perspektiven.
Es gibt noch die BAM (Baikal-Amur-Magistrale; Anm. d. Übers.) mit ihrer
Rekonstruktion für 1 Trilliarde Rubel und die berüchtigte Olympiade, zusammen
mit dem Ausbau von Sotschi, mit 1,5 Trilliarden …. Und all das ist angeblich
notwendig. Wie der Liederautor und Sänger Timur Schaow ironisiert: „Wir sehen am
Horizont unser Glück, und wer es dort nicht sieht, der soll
gefälligst seine Brille putzen!“
Natalia Telegina
„RBK – Daily“, 22.03.2013