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Die Stadt-Deputierten gestehen ihre Liebe zu Stalin

Die Volksdeputierten des Stadtrats schreiben eine Abhandlung zum Thema: „Warum ich Stalin liebe?“

Wie Sie bereits wissen, haben die besten Leute der Stadt Krasnojarsk, Deputierte des Stadtrats, insgesamt 16 an der Zahl, einen Appell an den Gouverneur der Region Walerij Rewkuz unterzeichnet – mit der Bitte, in Krasnojarsk einen Platz für die Errichtung einer Stalin-Büste zuzuweisen.

Hier die Namen der Deputierten-Stalinisten; die Einwohner sollen wissen, wer ihre Helden sind: Wladimir Anatoljewitsch Pjastolow,Genadij Gregoriewitsch Torgunakow, Iwan Aleksandrowitsch Serebrjakow, Wjatscheslaw Igorjewitsch Gordejew, Tatjana Jewgenjewna Rykunowa, Wladimir Wladimirowitsch Wladimirow, Walerij Gennadjewitsch Bykow, Jurij Wassiljewitsch Turow, Wladimir Wladimirowitsch Jegorow, Arkadij Sergejewitsch Wolkow, Sergej Nikolajewitsch Surtajew, Wladimir Terowitsch Kondraschew, Nikolaj Iwanowitsch Schewtschuk, Nina Iwanowna Michalewa, Irina Remowna Antipina, Walentina Wenediktowna Schewelewa.

Es ist total komisch, einen Stadtrat mit einem Deputierten aus der kommunistischen Partei zu wählen, damit das Parlament anschließend 16 Unterschriften für die Aufstellung einer Stalin-Büste sammelt. Einschließlich zweier Autogramme von Angehörigen der Partei „Gerechtes Russland“ (einem Bankier und dem Eigentümer einer großen Baufirma) sowie einer von der Bürger-Plattform (Besitzer einer riesigen Baufirma, Milliardär).

All diese würdevollen Auserwählten des Volkes verwirklichen ihre Aktivitäten auf Kosten des Budgets der Stadt Krasnojarsk. Ich persönlich möchte allzu gern wissen, was sie eigentlich zur Unterschrift unten den besagten Appell bewegt hat. In diesem Zusammenhang habe ich eine offizielle schriftliche Anfrage an jeden einzelnen von ihnen gerichtet – mit folgendem Text:

„Ich bitte um Mitteilung, ob Sie den Aufruf mit der Bitte um Zuweisung eines Platzes für die Errichtung einer Stalin-Büste unterzeichnet haben. Für den Fall, dass sie das betreffende Dokument tatsächlich unterschrieben haben, bitte ich Sie als verantwortungsvollen Deputierten, mir einige Frage zu beantworten.

Wie Ihnen aus dem Verlauf der Geschichte Russlands sowie auch aus beliebigen anderen öffentlichen zugänglichen Quellen bekannt sein sollte, wurde während der Regierungszeit Stalins die Kollektivierung mit Enteignung der Bevölkerung vollzogen. Insgesamt wurden in den Jahren 1930 und 1931, wie in der Bescheinigung der Abteilung für Sonderansiedlungen des GULAG der OGPU ausgewiesen, 381026 Familien mit einer Gesamtzahl von 1803392 Personen zur Sonderansiedlung verschickt. In den Jahren 1932-1940 trafen weitere 489822 Enteignete in Sondersiedlungen ein. Hunderttausende kamen in der Verbannung ums Leben.

Die Massenrepressionen waren die Hauptform der Lenkung von Staat und Gesellschaft zu Stalins Zeit. Persönlich wurden von Stalin und seinen nächsten Mitstreitern aus dem Politbüro des Zentralkomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken) allein in den Jahren 1936-1938 Listen für die Verurteilung von43768 Menschen unterzeichnet – in der überwiegenden Mehrheit lautete das Urteil „Tod durch Erschießen“ -, welche die Bezeichnung „Stalins Erschießungslisten“ erhielten. In der Zeit des Großen Terrors legte das Oberhaupt des NKWD, Nikolai Jeschow, Stalin zur Begutachtung Zuteilungslisten für jede Region vor – mit Vorgaben über die Zahl der vorzunehmenden Erschießungen oder Verbannung ins GULAG, und Stalin legte dann den statistischen „Säuberungsplan“ fest.

Im Zeitraum der sowjetischen Geschichte wurden 4,5 bis 4,8 Millionen Menschen aufgrund politischer Motive verurteilt, davon wurden etwa 1,1 Millionen erschossen, die verbleibenden gerieten ins GULAG; nicht weniger als 6,5 Millionen waren der Deportation ausgesetzt; etwa 4 Millionen wurden die Wahlrechte nach der Konstitution der RSFSR des Jahres 1918 und der Resolution von 1925 entzogen; circa 400-500 Tausend wurden auf Grundlage unterschiedlicher Dekrete und Verordnungen verfolgt; 6-7 Millionen kamen in der Hungerperiode 1932-1933 um; 17 Millionen 961 Tausend Menschen wurden Opfer der sogenannten Arbeitsdekrete. Auf diese Weise wurden nach Angaben der „Memorial“-Organisation, in Abhängigkeit von den Berechnungsmethoden, zwischen 11 und 12 bis zu 38-39 Millionen Menschen zu Opfern des Terrors.

In den Jahren 1937-1938 wurden umfangreiche politische Verfolgungsmaßnahmen in Bezug auf das Führungs- und Befehlspersonal der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee (RKKA) und der Roten Arbeiter- und Bauern-Flotte durchgeführt, welche von den Forschern als eine der Erscheinungen der Politik des Großen Terrors in der UdSSR gekennzeichnet gemacht werden.

Die Stalin-Repressionen in der RKKA richteten erheblichen Schaden bei der Verteidigungsfähigkeit des Landes an und führten, zusammen mit anderen Fakten, zu beträchtlichen Verlusten der Sowjettruppen in der Anfangsphase des Großen Vaterländischen Krieges.

Unter die Verfolgten fielen in diesen Jahren drei von fünf Marschällen der Sowjetunion, 20 Kommandeure 1. Und 2. Ranges, 5 Flaggoffiziere der Flotte 1. Und 2. Ranges, 6 Flaggoffiziere 1. Ranges, 69 Korpskommandeure, 153 Divisionskommandeure, 247 Brigadekommandeure.

Im Frühjahr 1940 wurden von Mitarbeitern des NKWD der UdSSR 21857 polnische Gefangene erschossen. In der UdSSR waren eine Vielzahl von Völkern der totalen Deportation ausgesetzt, unter ihnen Koreaner, Deutsche, Finnen- Ingermanländer, Karatschewo-Tscherkessen, Kalmücken, Tschetschenen, Inguschen, Balkarier, Krim-Tataren und Türk-Mescheten.

Ausgehend von all diesen zahlreichen bestätigten historischen Angaben – was meinen Sie: ist es da richtig, ein Denkmal für einen Mann aufzustellen, der diese Massen-Hinrichtungen organisiert hat? Sind Sie nicht der Ansicht, dass dies die Erinnerung an hunderttausende, während der Stalinzeit ermordete Menschen beleidigt?

Ich bitte Sie, so ausführlich wie möglich auf die angegebenen Fragen zu antworten“.

Ich hoffe, dass jeder der aufgezählten Deputierten in seinem gedrängten Arbeitsplan Zeit findet, seine Antworten auf den vorliegenden Aufruf in Form eines kurzen Aufsatzes zum Thema „Warum ich Stalin liebe“ niederzuschreiben. Gemäß Vorschriften des Föderalen Gesetzes vom 02.05.2006 N° 59 „Über die Art und Weise der Behandlung von Anfragen von Bürgern der Russischen Föderation sind „Schreiben, die dem Stadtrat zugestellte werden, innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Eingangsregistrierung zu beantworten. Wenn man die Arbeitsweise der Post berücksichtigt, könnte man die ersten Aufsätze der Deputierten-Stalinisten Ende April 2015 zu lesen bekommen. Ich halte es für meine Pflicht, sie in der Reihenfolge ihres Eingangs zu veröffentlichen.

Dass man im Kampf um das Glück der Veteranen die Veteranen selbst längst vergessen hat, ist eine bekannte Geschichte. Je weniger es werden, desto größer wird die Versuchung, sich ihre Heldentaten für die eigenen politischen Ziele zunutze zu machen. Umso mehr sind die Bemühungen auf die Emporhebung, die Lobpreisung Stalins als Symbol der Massenrepressionen, als Symbol des GULAG, gerichtet.

Der Krieg und die Verfolgungen haben jede Familie im Lande berührt, und es ist die Pflicht der heutigen Generation das Gedenken daran zu wahren, das Gedenken an Menschen, die gekämpft haben und verfolgt wurden, die an der Front fielen und in Lagern umkamen. Sie alle haben eine schreckliche Tragödie durchlaufen und das historische Schicksal unserer Heimat geteilt.

Diese Menschen haben eine wahre Heldentat begangen, und die sollte nicht vergessen werden. Es erscheint einleuchtend, dass die Bemühungen der vom Volk Gewählten sich auf die Verbesserung des Lebens der Kriegsveteranen, die Wahrung der Erinnerung an die Kriegsteilnehmer richten, und nicht darauf, das Gedenken an die Repressionsopfer in den Schmutz zu treten.

Denis Saprygin

MK-Krasnojarsk, 25.03.15


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