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Der verbindende Faden der Erinnerung

Am 8. Mai fand in Krasnoturansk die feierliche Eröffnung des Denkmals für die Opfer politischer Repressionen statt.

Zur Eröffnung kamen etwa hundert Menschen, unter ihnen auch Opfer der politischen Repressionen, ihre Verwandten, Vertreter der regionalen Vereinigung der Opfer politischer Repressionen, der „Memorial“-Organisation sowie der Land-, Bezirks- und Regionalbehörden.

Die Menschen kamen lange vor der feierlichen Einweihung zur Zeitungsredaktion, neben der das Denkmal errichtet wurde, sprachen miteinander, erinnerten sich der Ereignisse jener tragischen Jahre. Ganze Familien hatten sich eingefunden. Unter ihnen die Schwestern Irma Miller, Rosa Plotnikowa, Jekaterina Gafner (Hafner, Mädchenname Miller): „Unsere Eltern wurden im August 1941 aus der Ortschaft Kano im Gebiet Saratow deportiert. Zum Packen gab man ihnen 24 Stunden. Nur das Allernötigste konnten sie zusammensuchen und mitnehmen – Windeln, Kleidung, ein wenig Essen. Als wir in der Ortschaft Nikolajewka eintrafen, war die Schwester gerade etwas mehr als einen Monat alt. Viele Menschen, unter ihnen auch Kinder, starben unterwegs an Hunger. Unsere Eltern hatten, Gott sei Dank, Glück. Sie arbeiteten in einer Sowchose. 1956 wurden alle rehabilitiert. Wenngleich sie unschuldig waren. Wir sind zutiefst überzeugt, dass die Errichtung dieses Denkmals eine nützliche Sache ist. Wir wollen jedes Jahr hierher kommen, um Blumen zum Gedenken an diejenigen niederzulegen, die unter den Verfolgungen zu leiden hatten, die gestorben sind und keine eigene Grabstätte haben. Für sie wollen wir beten“.

Eröffnet wurde die feierliche Zeremonie vom Bezirksoberhaupt Michail Kapturow. Vor den Versammelten sprachen auch Deputierte der Gesetzgebenden Versammlung der Region - Nikolai Trikman und Oleg Paschtschenko, der Vorsitzende der Memorial“-Organisation - Aleksej Babij, die Leiterin der Archiv-Abteilung – Tatjana Scharikowa. Die Redner merkten an, dass die Einweihung dieses Memorials ein bedeutsames Ereignis im Leben des Krasnoturansker Bezirks sei. Es sei ein Tribut der Erinnerung an diejenigen, die in den Jahren der Verfolgungen unschuldig gelitten hätten; diese Erinnerung dürfe niemals zum Belieben irgendwelcher politischen Ansichten ausgelöscht werden. In der Geschichte eines jeden Landes, meinten sie, gäbe es tragische Seiten, doch seien sie ein Teil unserer Geschichte, die nicht in Vergessenheit geraten dürfe und über die die heutige Generation alles erfahren müsse.

Aleksej Babij, der ebenfalls anlässlich der Eröffnung des Denkmals eine Rede hielt, sagte: „In den 26 Jahren des Bestehens der „Memorial“-Organisation wurde Material über eine Million Menschen gesammelt. Leider gibt es immer noch keine genauen Listen der Repressionsopfer. Nach Angaben der Staatlichen Verwaltung für innere Angelegenheiten (GUWD) wurden in der Region mehr als eine halbe Million Sonderumsiedler rehabilitiert. Aber es sind viel mehr, denn jede siebte Bauernfamilie wurde unterdrückt. 50000 Nachnamen haben bereits Eingang ins „Buch der Erinnerung“ gefunden, dessen Herausgabe von der Verwaltung der Region Krasnojarsk finanziell unterstützt wird. Insgesamt wurden 120 Schicksale einst Verfolgter rekonstruiert, und schon bald wird diese Arbeit im Krasnoturansker Archiv beginnen; dann werden wir die Akten der enteigneten Großbauern einsehen. Die Tragödie der Unterdrückten besteht nicht nur darin, dass sie unschuldig leiden mussten, sondern darin, dass man sich später an viele von ihnen überhaupt nicht mehr erinnerte. Und unsere Aufgabe ist es, diese Erinnerung für die Nachkommen zu verewigen. Viele der Verurteilten liegen in namenlosen Gräbern. Jetzt haben sie einen Ort, an dem Sie sich vor ihrem Denkmal verneigen, wo sie Blumen niederlegen können“. Mit Hilfe der Zeitungsredaktion wendet er sich an die Bewohner des Bezirks mit der Bitte, Materialien aus den Familienarchiven über ihre unterdrückten Verwandten zu schicken, und mit dem Aufruf an die Kinder – aktiv beim Wettbewerb „Der Mensch in der Geschichte des 20. Jahrhunderts“ mitzuwirken und ihre Arbeiten einzusenden.

Die Initiatorin für die Entstehung des Denkmals, Frieda Ludwigowna Schtschukina, deren Eltern zu den deportierten Sonderumsiedlern von der Wolga gehörten, dankte allen, die bei der Errichtung des Denkmals ihre moralische und materielle Unterstützung eingebracht hatten. „Ganze zwei Jahre waren nötig, um den Traum Wirklichkeit werden zu lassen, - sagte sie. – Aber alle haben sich zusammengetan, wie es in der Rus immer der Fall gewesen ist. Ein riesiges Dankeschön an alle; ich verneige mich vor Ihnen bis zur Erde!“

Von denen, die in den Jahren der Verfolgungen selber gelitten haben, sprach Makar Antonowitsch Michalewitsch. Für ihn, wie auch für andere, welche die Lager überlebten und ebenfalls aus ihren Heimatorten deportiert wurden, wurde Sibirien zur zweiten Heimat. Mit Tränen in den Augen sagte er: „Wir sind zusammen gekommen, um ein bescheidenes Denkmal für die Opfer der politischen Repressionen einzuweihen und ihr Andenken zu ehren. Ich will nicht, dass sich so etwas wiederholt. Ich stamme selber aus einer enteigneten Großbauernfamilie und wurde im Alter von 10 Jahren hierher fortgebracht. Ich wurde rehabilitiert. Hier habe ich gearbeitet, geheiratet, mir meine Rente erarbeitet. Ich bin froh, dass ich mich in diesem Lande befinde, im neuen Russland. Möge dieses Denkmal die Generationen durch die Erinnerung an due unschuldigen Opfer der Repressionen miteinander verbinden“.

Die feierliche Zeremonie endete mit einer Schweigeminute und dem Niederlegen von Blumen am Fuß des Obelisken, der sich als meterhoher Steinblock von grauer Farbe darstellt. In die schwarze Oberfläche der Gedenkplatte sind die Worte „Den Opfern der politischen Repressionen“ eingemeißelt. Und ein Stück weiter unten – Zeilen aus einem Gedicht des verfolgten Poeten und Prosaikers Anatolij Schigulin:

Oh, Menschen! Menschen mit Nummern!
Ihr wart Menschen, nicht Sklaven.
Ihr wart erhaben und unnachgiebig
Über euer tragisches Schicksal…“.

Jekaterina Lobowa

„Turaner Echo“ (Krasnoturansk), 13.05.2014


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