Früher diente als Motor der Rehabilitation Stalins die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, heute sind es – die „Patrioten Russlands“ zusammen mit dem Geschäftsmann Anatolij Bykow
Vertreter der Krasnojarsker Öffentlichkeit beschlossen die historische Erinnerung des Volkes und die heutige Politik zu ordnen: zum 9. Mai eine bereits fertig gegossene Stalin-Büste aufzustellen, die für den 28. April beabsichtigte Aufstellung eines Denkmals für General Lebedew abzusagen und Präsident Putin das Recht zu erteilen, lebenslänglich über Russland zu herrschen.
Früher diente als Motor der Rehabilitation Stalins die Kommunistische Partei der Russischen Föderation, heute sind es – die „Patrioten Russlands“, mit dem Deputierten und „Helden“ der Aluminiumkriege der 1990-er Jahre, Anatolij Bykow, an der Spitze. Für die Aufstellung der Büste traten 16 von 36 Deputierten des Stadtrats, Bankiers und Geschäftsleute ein, wobei sie entsprechende Unterlagen an den Gouverneur und den Bürgermeister sandten. Analoge Briefe unterzeichnete auch ein Teil der Abgeordneten der regionalen Gesetzgebenden Versammlung. Die Präsentation der besagten Bronze-Büste fand bereits am 6. Mai 2005 im Zentrum von Krasnojarsk ein. Ausgeschmückt wurde die Veranstaltung durch eine Abstrafung des Vorsitzenden der „Memorial“-Organisation Valerij Khvostenko. Er hatte vorgeschlagen, neben der Büste eine Stele mit den Namen der Erschossenen und Opfer der Repressionen, aber Rentner vertrieben den Opponenten mit Rempeln und Anspucken. Eine alternative Siegesparade an dem 350 kg schweren Standbild kam damals nicht zustande: die Behörden sanktionierten das Aufstellen nicht, und gegen Abend desselben Tages wurde die Büste mit einem Tuch abgedeckt und entfernt.
Zur Information: in der Region Krasnojarsk, gab es nicht weniger als eine Million Menschen, die Opfer der Stalinistischen Repressionen wurden – jeder Zweite. Diese Zahl ist den Angaben der FSB-Bezirksverwaltung, der regionalen Staatsanwaltschaft und dem Staatsarchiv entnommen. Allein in den Jahren 1937-1938 wurden in der Region nach „Limit-Regelungen der 1. Kategorie“ mehr als 12.000 Personen erschossen. Die Limits wurden für die gesamte Region mit Stalins persönlicher Unterschrift herausgegeben. Als die Listen abgearbeitet waren, bat die Krasnojarsker Parteileitung darum sie aufzustocken. Dieser Bitte brachte man Verständnis entgegen: „Für die Region Krasnojarsk sind ergänzend 6.600 Personen im Rahmen der Limit-Regelung der 1. Kategorie zu bewilligen. J. Stalin, W. Molotow”. Insgesamt wurden 50.000 Menschen gemäß §58 verhaftet und 18.000 erschossen.. All diese Menschen sind nach ihren Familiennamen in den Büchern der Erinnerung aufgezählt, die vom Krasnojarsker „Memorial“ auf Grundlage der Archiv-Ermittlungsakten vorbereitet wurden.
In Sonderansiedlung befanden sich hier laut Angaben des Informationszentrums der Staatlichen Verwaltung des MWD der Region Krasnojarsk nicht weniger als 550.000 Personen – ebenso viele Rehabilitationsbescheinigungen wurden ausgestellt. In Wirklichkeit, sagt Aleksej Babij, Vorsitzender des Krasnojarsker „Memorial“ sind es noch erheblich mehr: die Rehabilitationsbescheinigungen wurden lediglich auf Antrag ausgestellt (demzufolge sind Familien, aus denen keine Gesuche um Rehabilitation eingingen, in dieser Zeit auch nicht berücksichtigt). Mehr noch, selbst auf Antrag wurden in der Regel nicht alle Familienmitglieder rehabilitiert, sondern nur der Antragsteller und seine Eltern. Die Übrigen, wenngleich sie ebenfalls zweifellos zu rehabilitieren sind, befinden sich ebenfalls nicht innerhalb der 550.000.
Und nun – zu den Häftlingen. In der Region befanden sich nach Babijs Angaben mindestens 400.000 Häftlinge nach §58 und Zwangsarbeiter der Trud-Armee (allein das Norillag weist nicht weniger als 100.000 aus). „Doch weil zu dieser Kategorie keine systematische Arbeit durchgeführt wird (d.h. Erstellung von Listen, Rehabilitationsbestätigen usw.), ist diese Ziffer höchst vage“.
Was das Denkmal für Aleksander Lebedew betrifft – er hat unter anderem versucht, die „Gesellschaft von Anatolij Bykow“ auseinanderzutreiben, - so ist dieses ebenfalls bereits fertig gegossen. Und es war geplant, es zu seinem 13. Todestag neben dem Sammelpunkt der Rekruten aufzustellen. Als Initiator trat der örtliche Generalsklub in Erscheinung (der von Lebedew geschaffen worden war), er fand das Geld dafür. Allerdings trat jetzt, auf einer Sitzung der regionalen Gesetzgebenden Versammlung ein Teil der Abgeordneten, unter ihnen auch Bykow, scharf dagegen ein.
Neben dem Generalsclub in Krasnojarsk gibt es seit geraumer Zeit auch eine Adelsversammlung. Ihr Anführer Sergej Gonjuchow teilte dem Portal Sibnet mit, dass Wladimir Putin es verdient hätte Russland lebenslänglich zu regieren. „Nach meiner tiefsten Überzeugung ist Russland ein – monarchistisches Land“. Aber um im Lande den Zarismus zu restaurieren, muss das Volk nach Ansicht des Adelsanführers „ein wenig anders geboren“ werden. „Wenn man mir jetzt sagte, dass Putin ein Monarch wäre, würde ich mit beiden Händen „dafür“ stimmen. Er ist der Mann, der es verdient hat, Russland zu lenken, und zwar nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern lebenslänglich“ – erklärte Gonjuchow.
In Krasnojarsk gibt es nach seinen Worten 12 Adelige. Sowohl erbliche, als auch „per Orden“, wie er selbst: er erzählt, dass er den Orden des Geheiligten Wunderheilers Nikolaj aus den Händen der Großfürstin Maria Wladimirowna erhalten habe, und das gäbe ihm das Recht auf persönlichen Adelsstand.
Gonjuchow diente in der Armee; nach seiner Entlassung arbeitete er im Institut des MWD, sich selber bezeichnet er als fünffachen Oberst: „der Armee, der Miliz, der Kosaken, der Amerikaner und Aserbeidschaner“. Aber ich bin – Monarchist. Obwohl in meinem Fall mein Großvater den Winterpalast eingenommen hat und seit 1918 Parteimitglied war“. Vor einem Jahr organsierten die Adeligen ein Autorennen von Krasnojarsk auf die Krim, wobei sie in Sewastopol die imperialistische Flagge hissten – „als Symbol der Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit“.
Wie bei Galitsch in der „Nachtstreife“ („Parade der Unholde“)? „Am Morgen sieht unsere Heimat – rosafarben aus“.
Aleksej Tarassow.
Neue Zeitung, 23.03.2015