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Denkmäler der Zwietracht. Wozu braucht Krasnojarsk Stalin und Lebed

Mit Einsetzen des Frühlings haben sich unter den Krasnojarskern die Diskussionen darüber verschärft, ob es sich lohnt, für die beiden streitbaren Persönlichkeiten der Geschichte ein Denkmal zu errichten.

Krasnojarsker Abgeordnete kamen mit der Initiative, in der Regionshauptstadt ein Denkmal für Stalin zu errichten. Und ins Regional-Parlament wurde der Vorschlag über das Aufstellen einer Büste des Ex-Gouverneurs der Region Aleksander Lebed eingebracht. Beide Empfehlungen lösten bei den Bürgern vollkommen uneinheitliche Meinungen aus.

Für die Heimat, für Stalin

Bereits vor zehn Jahren wurde von den Kommunisten der Vorschlag unterbreitet, den Führer zu verewigen. Doch damals entschied Aleksander Lebed über das Schicksal des Denkmals, indem er verkündete, dass eine Büste nicht aufgestellt werden dürfe. Und er fügte hinzu, dass er damit nur unter der Voraussetzung einverstanden wäre, wenn man es in einer Reihe mit so großartigen Regimentsführern wie Schukow, Rokossowskij und Konjew zu sehen bekäme.

In der vergangenen Woche wandten sich Abgeordnete des Stadtrats (16 von 36) an die Führungskräfte der Region und der Stadt mit der Bitte, einen Platz für die Aufstellung einer Stalinbüste zuzuweisen.

„Ich begreife nicht, weshalb wir unsere Geschichte schlecht machen sollen, indem wir Lenin-, Dserschinskij-, Stalin-Denkmäler niederreißen, - meint der Deputierte Gennadij Torgunakow. – Mein Großvater – ein Held wie andere auch, zog in den Kampf „für die Heimat, für Stalin“. Das Land wurde Stalin nach dem Bürgerkrieg zuteil, als es sich praktisch noch „unter dem Hakenpflug“ befand. Er musste seine Politik unter schwierigsten Bedingungen führen. Ja, sie war unbarmherzig, doch das war bedingt durch die Zeit. Und die Nachfahren haben heute nicht das Recht zu sagen, dass dieser Mann einer Büste nicht würdig ist, umso mehr als dies zu Ehren des 70. Jahrestages des Sieges geschehen soll.

Aber die Meinung derer, die das Dokument nicht unterzeichnet haben, sieht hart aus.

„Mir haben sie das Papier auch untergeschoben, aber ich habe es nicht unterschrieben, - erzählte der Abgeordnete Sergej Tolmatschow. - Im Stadtrat gibt es viele andere, wichtigere Dinge zu tun. Man kann sich endlos auf Diskussionen über die Rolle einer Persönlichkeit in der Geschichte einlassen. Ich sehe in all dem keinen Sinn, genauso wenig wie in der Realisierung einer derartigen Initiative, und erst recht nicht in der heutigen Zeit“.

Der Vorsitzende der „Memorial“-Organisation, Aleksej Babij, trat ebenfalls gegen die Aufstellung eines Denkmals für den „Führer der Völker“ ein, indem er 12 Bände des „Buches der Erinnerung“ ins Bürgermeisteramt der Stadt Krasnojarsk brachte – begleitet von einer Mitteilung, in der es hieß, dass sich in diesem Buch die Namen von mehr als 600.000 Personen befänden, die während des Stalinismus verhaftet und erschossen worden waren, und dass man auch ihre Meinung berücksichtigen müsse, weil sie „mit ihrem Tod bereits ihre Stimme gegen die Errichtung eines Stalin-Denkmals abgegeben hätten“.

Nichts Persönliches

Darüber, ob man in Krasnojarsk ein Denkmal zu Ehren von Aleksander Lebed errichten soll, gehen die Ansichten ebenfalls auseinander. Auf der letzten Sitzung der Region West-Sibirien wurde diese Frage bereits äußerst stürmisch von den Regional-Parlamenten erörtert.

„Zwischen 1999 und 2002 hat die Region Krasnojarsk fast alle Groß-Unternehmen (Mono-Städte) verloren, - brachte der Deputierte Anatolij Bykow seine Position zum Ausdruck. – Die Region hat sich in eine Kolonie verwandelt, weiter braucht man über dieses Thema nicht zu reden – nichts Persönliches“.

Die Abgeordneten versuchten zu streiten, denn ein Denkmal ist nicht für den ehemaligen Gouverneur, sondern für den General beabsichtigt.

„Diese Neuigkeit brach wie eine Schneelawine über dem Kopf zusammen, - gab der Deputierte Oleg Paschtschenko zu. – Dass das Denkmal bereits fertiggestellt ist, erfuhren wir aus den Massenmedien. Das war ein Gefühl, als ob alles heimlich gemacht wird, indem man die Meinung von zehntausenden von Staatsbürgern einfach umgeht“.

Seinen Standpunkt in dem Streit lieferte Viktor Tolokonskij, der Gouverneur der Region:

„Jede Errichtung eines Denkmals verlangt die Durchführung einer bestimmten Verfahrensweise. In diesem Fall ist dies nicht geschehen. Und das bedeutet: das Denkmal darf nicht aufgestellt werden. Es gibt eine öffentliche Anhörung, eine Kommission, die diese Situation unter Berücksichtigung der Meinung der Krasnojarsker bewertet. Und eine Entscheidung trifft“.

In den Jahren der Repressionen in der Region Krasnojarsk

wurden 50.000 Personen verhaftet,
18.000 Personen erschossen (darunter 12.000 allein in den Jahren 1937-1938),
550.000 befanden sich in Sondersiedlung.
Später wurden sie alle rehabilitiert.

Wir interessierten uns bei ganz gewöhnlichen Krasnojarskern, was sie von der Aufstellung eines Stalin-Denkmals in der Stadt halten.

Wladimir Burakow, Rentner:
„Was für ein Denkmal denn?! Man muss ihn vom erbarmungslosesten Gericht verurteilen lassen, warum hat bis heute noch kein Mensch das geäußert?“

Veronika Schapowalowa, Mathematik-Lehrerin:
„Einfach schockierend; können erwachsene Menschen das denn nicht vernünftig besprechen?“

Sergej Dubinin, arbeitslos:
„ Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie ich das meinem Enkel erklären sollte. Er weiß, was dieser Stalin für einer war, was er getan hat, unter anderem auch mit unserer Familie. Wir sind Wolga-Deutsche, haben all die Gräuel der Deportation überlebt; ich habe meine Mutter verloren, mein jüngeres Schwesterchen, habe selber nur mit Mühe überlebt“.

Tatjana Kolessowa, kinderreiche Mutter:
„Ein Denkmal aufstellen heißt – zugeben, dass er im Recht war. Na, dann mal los, Politiker! Das macht mal mit den Unzufrieden und Nichteiverstandenen. Wohin das alles führen kann, mag man sich gar nicht ausmalen“.

Viktor Grischtschuk, Busfahrer:
„Lenins Denkmal steht noch – und niemand macht Anstalten es niederzureißen. Obwohl seine Rolle in der Geschichte sich schon längst von weiß in schwarz verwandelt hat. Was ist an Stalin schlechter oder besser?“

Margarita Ilina, Rentnerin:
Man kann sagen, was man will, aber Ordnung hat bei Stalin geherrscht. Ich kann mich gut daran erinnern, was sie in der Kolchose wegen gestohlener Ähren gemacht haben. Heute schleppen sie sie tonnenweise weg, klauen wie die Raben und kommen ungestraft davon. Für solche Diebe wäre die Stalin-Büste bestimmt eine gehörige Abschreckung“.

Swetlana Hustik

Argumente und Fakten am Jenissei, 25.03.2015


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