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Die politischen Repressionen: ein Führer durch die blutigsten Orte von Krasnojarsk

Heute ist der Tag des Gedenkens an die Opfer der politischen Repressionen; aus diesem Grunde haben wir uns entschieden, der Orte in Krasnojarsk zu gedenken, die unmittelbar, im Zusammenhang mit diesen düsteren Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts stehen. Für die Mithilfe bei der Erarbeitung des Materials danken wir der „Memorial“-Organisation und ganz persönlich Aleksej Babij.

Das Zentrale Isolationsgefängnis ¹1

Zu jener Zeit lag die heutige Straße der Republik ganz am Rande der Stadt, und deswegen ist es nicht verwunderlich, dass man beschloss, das wichtigste städtische Gefängnis genau dort unterzubringen. Das bis heute dort stehende steinerne Gebäude wurde bereits 1863 erbaut. Zu Zeiten der Sowjetmacht wurden nicht wenige Berühmtheiten dort inhaftiert, wie beispielsweise die Schriftsteller Nikolaj Tschernyschewskij und Wladimir Korolenko oder der zukünftige Revolutionsführer Wladimir Lenin.

In den 1930er Jahren stieg die Zahl der Untermieter im ersten Krasnojarsker Gefängnis jäh an. Die Zahl der Gefangenen nahm derart zu, dass eine Gelass schon nicht mehr ausreichte und man gezwungen war, in aller Eile einige Durchgangspunkte am rechten Ufer des Flusses Jenissei zu organisieren. Insgesamt kamen in den Repressionsjahren mehr als eine halbe Million Gefangene durch Krasnojarsk. Augenzeugen erinnern sich, dass die Schlange für die Übergabe an das künftige Zentrale Isolationsgefängnis N° 1 an der Straße des Friedens ihren Anfang nahm und die Menschen sich dort bereits in der Nacht angestellt hatten.

Neben gewöhnlichen Gefängnisaufgaben erfüllte das Gebäude an der Straße der Republik auch noch andere Funktionen. Hier befand sich das Technische Sonderbüro N° 1 (OTB-1), oder in der Häftlingssprache ausgedrückt — die Scharaschka, ein wissenschaftliches Forschungsinstitut, an dem Gelehrte, die ihre Gefängnis-Haftstrafe verbüßt hatten, tätig waren. Sie befassten sich mit Fragen zum Erhalt der chemischen Reinheit von Antimon, nahmen am „Uran-Projekt“ teil.

Derschinskij-Straße 18

Bis zur Revolution gehörte das Gebäude den Kaufleuten Sawelew, wurde jedoch 1920 an die Tscheka übertragen, und seitdem steht seine Geschichte ohne Unterbrechung mit den Machtbehörden im Zusammenhang. In ihm waren der Reihe nach OGPU, NKWD, MGB, KGB untergebracht. Heute befindet sich hier die russische FSB-Behörde der Region Krasnojarsk.

1937 musste das Gebäude erweitert werden, denn für das zunehmende Personal reichte der Platz in den drei Etagen nicht mehr aus: ein weiteres Gebäude musste errichtet werden. Außerdem wurden die Keller des Hauses umgerüstet, in der sich die Zellen befanden; in einer von ihnen wurde übrigens der ehemalige Besitzer der Villa, der Kaufmann Saweljew gehalten. Hier wurden Erschießungen vorgenommen. Im Hinblick auf die ersten Erschießungen in den 1920er Jahren erinnert sich der stellvertretende Vorsitzende des Sibirischen Revolutionskomitees Sokolow an folgendes:
„Das Blut steht dort in riesigen schwarzen Pfützen, es sickert nicht in den Boden ein, lediglich die Wände werden mit Kalk abgespritzt. Widerlicher Geruch... ein Berg von Dreck und Schlieren, unten liegen Exkremente. Die Leichen werden nachts von betrunkenen Malern hinausgeschafft. Es gab Fälle von Prügeln vor der Hinrichtung im Keller, die von Mitarbeitern der Tscheka aus einem Fenster beobachtet wurden“.

Wohin die Leichen kamen, ist nicht mit Sicherheit bekannt, es gibt Angaben, nach denen sie auf dem Troitzker Friedhof in Massengräbern verscharrt worden sein sollen. Zur Zeit des Großen Terrors wurden jedoch immer mehr Menschen erschossen, und man musste ihre Körper in extra ausgehobenen Gräben außerhalb der Stadt beerdigen.

Das Militärstädtchen (Krasnodarskaja, Malinowsker)

Hier befand sich zu Beginn des Jahrhunderts das erste Konzentrationslager auf Krasnojarsker Territorium. Ursprünglich wurden hier an den Fronten des Ersten Weltkriegs gefangen genommene Österreicher gehalten, und die Haftbedingungen waren noch recht mild. Zur Arbeit wurden nur diejenigen geschickt, die auch arbeiten wollten, die Häftlinge durften sich auf dem Gelände frei bewegen und wurden äußerst auskömmlich ernährt.

Aber bereits 1926 wurde das Arbeiten zur Pflicht, und in den 1920 er Jahren kamen anstelle von Österreichern diejenigen, welche die neue Macht für konterrevolutionär hielt. Außerdem wurden hier gefangene Koltschak-Anhänher inhaftiert, einige von ihnen erschossen, andere eingesperrt, aber selbst die Freigelassenen blieben registriert und wurden gleichermaßen „entsorgt“.

Der Bauplatz der Krasnojarsker Aluminiumfabrik

Dass in Krasnojarsk Massen-Erschießungen durchgeführt wurden, ist eine zuverlässige Tatsache, aber wo die Erschossenen bestattet wurden, ist bis heute nicht mit Sicherheit bekannt. Die meisten Zeugnisse über vermutliche Stätten von Massengräbern beziehen sich auf das Gelände des Krasnojarsker Aluminium-Werks. So hat beispielsweise ein Bulldozer nach Aussage der Dispatcherin Lidia Woronowa im Oktober 1959 hundert Meter von der Stelle entfernt, an der sich heute die Kantine des KrAW befindet, aus der 20-30 cm dicken, aufgeworfenen Erdschicht menschliche Überreste hochgehoben. Augenzeugen zählten ungefähr 38 männlich und weibliche Skelette.

Später berichteten Bauarbeiter, dass eine andere Begräbnisstätte an der Stelle einer der ersten Blocks des KrAW gefunden worden sei. Ein weiteres Massengrab wurde beim Ausheben der Baugrube für das Metallurgie-Technikum entdeckt.

Der Bezirk um die Station „Jenissei“

Wie bereits gesagt, erwies sich in den dreißiger Jahren das einzige vorhandene Krasnojarsker Gefängnis als nicht ausreichend für die Unterbringung des zunehmenden Häftlingsstroms, und so entstanden in der Stadt Durchgangslager. Eines von ihnen befand sich an der Station „Jenissei“ — übrigens befinden sich hier auch heute Strafeinrichtungen: die Besserungs-/Arbeitskolonien ¹6 und ¹22. Damals waren hier diejenigen inhaftiert, die in naher Zukunft in den Norden oder Süden der Region weitergeleitet werden sollten, in die Norilsker Lager und nach Chakassien.

An die Verfahrensweisen, die in jenen Lagern herrschten, erinnert sich der Arrestant Walter Ruge.

„Für einen zivilisierten Menschen ist es schwer zu verstehen, was so ein Durchgangsgefängnis eigentlich ist. Es handelt sich dabei um einen riesigen, brodelnden Kessel, in dem sich ein Meer von Menschen von einem zum anderen Ende bewegt. Die Leute treiben Handel, stehlen, prügeln sich, trinken Schnaps, spielen mitselbstgebastelten Karten, wofür man sie in den Karzer oder die Baracke mit verschärftem Regime steckt. Wir, die Politischen, die hier einfach als Fraier bezeichnet wurden (unter Häftlingen = unfähige, verachtungswürdige Person; Personen bezeichnet, die nicht zur Welt der Kriminellen gehören, die von diesen jedoch gern beraubt, betrogen usw. werden; Anm. d. Übers.), saßen auf unseren Bündeln, in denen unsere Sachen verstaut waren, zitterten, hatten Angst und schauten uns ständig nach allen Seiten um.

Mir klaute innerhalb der ersten drei Stunden eine Horde Krimineller buchstäblich alles: Ersatz-Schnürschuhe, den Beutel mit Unterwäsche, bescheidene medizinische Literatur „über Rauchwaren“, den gesamten Vorrat an Trockenzwieback, ein kleines Kissen, welches das medizinische Personal mir in Omsk zum Abschied geschenkt hatte. Der umfangreiche Kleidungsraub ereignete sich im Badehaus. Alle Kleidungsstücke mussten zur „Dampf-Desinfizierung“ abgegeben werden und als ich aus der Dampfkammer kam, stellte sich heraus, dass deine Sachen „abhanden“ gekommen waren. Du bliebst splitternackt zurück. Als Ersatz bekam man irgendwelche Lumpen (schon vorher von zwei anderen Häftlingen getragen), und von nun an gehörtest du zu den „Promotern“ von Staatseigentum. Ich fand mich schließlich in einem Wams auf dem ansonsten nackten Körper wieder, in wattierten Hosen und irgendwelchen Halbschuhen, die mir das Gesindel im Austausch für meine eigenen zuwarf“.

Die Baracke des „Jenisstroj“ (zwischen Êóòóçîâ- und Schors-Straße)

Es ist für niemanden ein Geheimnis, dass in den 1930er Jahren in der UdSSR zahlreiche Industrie-Objekte mit den Händen von Gefangenen gebaut wurden. Die Fabriken in Krasnojarsk bildeten da keine Ausnahme. In erster Linie gehörten dazu das heute nicht mehr existierende Zellulose- und Papier-Kombinat und das vollständig gesunde „KrasZwetMet“ (Krasnojarsker Buntmetall-Werk; Anm. d. Übers.).

Letzteres nannte sich damals Metallhüttenwerk. Es war zur Verarbeitung von Metallen der Platingruppe erbaut worden, die aus dem Norilsker Kombinat stammten, das zu der damaligen Zeit ebenfalls als eine der Unterabteilungen des GULAG fungierte. Die Arbeiter lebten in Baracken, die erst in den 2000er Jahren abgerissen wurden, aber eine von ihnen stand noch bis 2010 an der Schors-Straße. Heute steht an dieser Stelle ein Haus mit mehreren Stockwerken.

Wassilij Prokuschew
Prospekt Mira, 26.10.2017


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