Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Русский

Das neue Leben der verwahrlosten Magistrale

Seit Anfang 2017 hört man auf regionale und föderaler Ebene gerüchteweise erneut von dem Projekt der geplanten Vollendung der Eisenbahnstrecke von Salechard nach Igarka. Die berühmte Transpolar-Magistrale, die vor mehr als 60 Jahren ihren Betrieb aufnehmen sollte, ist nach wie vor für das gesamte Land aktuell — sie eröffnet neue Wege zur Erschließung der Reichtümer Sibiriens und ermöglicht die Festigung der arktischen Grenzen unserer Heimat in militärischer Hinsicht. Erinnern wir uns, wie dieses Projekt begann und was es unserem Land heute bringen kann.

Am Anfang der Strecke

Das Projekt der Transpolar-Magistrale kam mit der Notwendigkeit auf, die reichen Bodenschätze des hohen Nordens zu erschließen, zudem brauchte die UdSSR rund ums Jahr einen Ersatz für den Nordmeer-Seeweg. Gleich nach dem Krieg fasste die Regierung des Landes den Entschluss, in das Generalschema zur Entwicklung des Bahnnetzes, den bereits Ende der 1920er Jahre erarbeiteten Plan für den Bau einer Magistrale von der Siedlung Tschum in der Republik Komi nach Salechard und Urengoi einzufügen, und anschließend auch bis zur Stadt Igarka. In der kurzfristigen Perspektive sollte die Trasse bis nach Norilsk führen, langfristig durch Irkutsk bis in die Stadt Anadyr auf der Halbinsel Tschukotka.

Für den Bau wurden zehntausende Menschen eingesetzt, der Staat scheute die Ausgaben in Höhe von Milliarden sowjetischer Rubel nicht. Die Gleise wurden gleichzeitig aus zwei Richtungen, aufeinander zu, verlegt – von der Station Tschum und von der Siedlung Jermakowo in der Region Krasnojarsk.

Die Arbeit verlief im Eiltempo, und im Zeitraum von 1947 bis 1953 wurde ein Großteil von beinahe 1,5 Tausend Kilometern der Magistrale verlegt – mit einer Unterbrechung im Abschnitt zwischen den Flüssen Pur und Tas, auf einer Länge von ungefähr 200 km. Es war geplant, die Magistrale bereits 1955 vollständig zu übergeben. Auf ihrer gesamten Länge wurden dauerhafte Telegraphenleitungen verlegt, die Norilsk mit Moskau verbanden.

Die Strecken selbst wurden nach den Standards der Zeit gebaut — mit hölzernen Brücken, mit großem Gefälle, aber Güterzüge verkehrten auf einzelnen Abschnitten bereits. So nahm im Frühjahr 1953 der Güterzugverkehr von Salechard bis zum Fluss Turuchan den Betrieb auf. Genau so wurde nach zeitgemäßen Standards unter Zar Nikolai II auch die Transsib gebaut, die später aufgrund ihrer Inanspruchnahme rekonstruiert und den entsprechenden Anforderungen an Schnelligkeit und Verkehrssicherheit der Züge abgepasst wurde.

Die nördliche Breitenbahn heute

Nach Stalins Tod wurden die Arbeiten am östlichen Teil der Magistrale jäh abgebrochen und der weitere Bau fiel der Vernachlässigung anheim. Und dann wurde zum Jahr 1955 im West-Abschnitt die Linie von der Siedlung Tschum bis zur Stadt Labydnangi – in einer Länge von 195 km – in Betrieb genommen. Sie verband die Petschersker Bahnlinie mit den Häfen am Ob. Schon in den 1960er Jahren war dann der Abschnitt, der nach Nowy Urengoi führte, abrufbereit — er kam bei der Erschließung der reichen Gas-Vorkommen im autonomen Jamal-Nenzen-Kreis sehr zustatten. Übrigens, in vielerlei Hinsicht Dank der Transpolar-Magistrale, wurde Nowy Urengoi auch inmitten der schwach besiedelten Tundra erbaut — das Baumaterial für die zukünftige Gas-Hauptstadt Russlands transportierte man per Eisenbahn heran.

Bis zum heutigen Tag sind also Teilstrecken der im Bau befindlichen Transpolar-Magistrale erfolgreich in Betrieb und spielen eine wichtige Rolle in der Wirtschaft des Landes. Die Frage, ob die Bahnlinie Salechard — Igarka auf ihrer gesamten Länge abgeschlossen werden soll, stellt sich regelmäßig immer wieder. Im November 2008 fasste die Regierung der Russischen Föderation mit Premierminister Wladimir Putin an der Spitze den Beschluss, das Projekt ins Konzepts für die langfristige sozial-ökonomische Entwicklung des Landes für den Zeitraum bis 2020 aufzunehmen. Das Dokument hat seine Aktualität bis heute bewahrt, allerdings hat es die Finanzierung aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht bis zur Planungsebene geschafft.

2016 hat die Russische Bahn mit den Behörden des autonomen Jamal-Nenzen-Kreises ein Abkommen über den Bau einer Zweigbahn von Nowy Urengoi nach Salechard und weiter nach Labytnangi unterzeichnet. Das Projekt beinhaltet auch die Errichtung einer Brücke über den Ob. Die Länge der Bahnstrecke beträgt 707 km (fast die Hälfte der gesamten Transpolar-Magistrale), geschätzte Kosten des Projektes — 240–260 Milliarden Rubel. Die arbeiten sollen 2018 beginnen und 2022 abgeschlossen sein.

2017 fiel dann die endgültige Entscheidung über den Bau eines Seitenzweigs vom westlichen Teil der Transpolar-Magistrale zum neuen Tiefwasserhafen Sabetta im Norden der Halbinsel Jamal, am Ufer des Ob-Busens, an der Kara-See. Die Zweiglinie mit ihrer Länge von 170 km ermöglicht eine Verbindung der gesamten Eisenbahn-Infrastruktur der Polar-Region mit dem Nordmeer-Seeweg.

Die Entwicklung eines derart mächtigen Transport-Knotenpunktes im hohen Norden wird von den Behörden als Teil des Projekts der komplexen Erschließung der Arktis angesehen. Öffentlich ertönt die Erklärung, dass die nächste Etappe die Wiedergeburt des östlichen Teils der Transpolar-Magistrale auf dem Abschnitt zwischen Nowy Urengoi und Igarka mit einer Länge von 604 km sein soll.

Ist ein solcher Bau in Russland im 21. Jahrhundert ohne Schwierigkeiten möglich?

In der Tat handelt es sich um ein umfangreiches Projekt. In den 1990er Jahren hat das Land sich derart gewaltiger Bauten enthalten, aber in letzter Zeit kehren sie nach und nach in unser Leben zurück. Wer hätte noch vor 10 Jahren geglaubt, dass Russland von Null an ein neues Kosmodrom erbaut? Heute führt der Weltraumbahnhof «Wostotschny», ungeachtet aller Schwierigkeiten, erste Raketen-Abschüsse durch. Welcher biedere Bürger hätte noch vor 5 Jahren ernsthaft an die 19 km lange Brücke aus der Region Krasnodar auf die Krim gedacht? Zu ihrer Zeit hatten sowohl Zar Nikolai II, als auch die sowjetische Regierung davon Abstand genommen. Aber heute, nach drei Jahren Bauarbeit, ist die supermoderne Brücke — eine der größten in Europa — schon fast fertig und soll noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden.

Und die Olympiade 2014, für die nicht nur neue Stadien und Ski-Trassen, sondern faktisch auch ein neuer Flughafen, eine Bahnlinie, Hotels und Urlaubswohnungen gebaut wurden? Wir sehen, welche Bauwerke an der Schwelle der russischen Weltmeisterschaften entstanden sind — 2018, wie grundlegend die gesamte Infrastruktur Krasnojarsks zur Universiade 2019 erneuert wird — ein neuer Flughafen wurde gebaut, eine neue Brücke über den Jenissei, Sportwege, Studentenwohnheime. Nach und nach kehren grandiose Bauten in unsere Wirklichkeit zurück.

Man darf nicht vergessen, dass am Bau der Transpolar-Magistrale sowohl die Erdöl- und Gas-Gesellschaften, als auch andere Nutzer von Bodenschätzen, interessiert sind, und zusammen mit ihnen auch die Russische Eisenbahn – und natürlich der Staat selber. Für das Verteidigungsministerium, das aktiv mit der Schaffung einer arktischen Basis am Ufer des Eismeers beschäftigt ist, stellt die neue Bahnlinie im Polargebiet ebenfalls eine große Hilfe dar. Auf diese Weise wird die Frage der Transport-Sicherheit im hohen Norden als Ganzheit entschieden.

Die nächsten Perspektiven des Baus der Bahnlinie nach Igarka lassen sich unterschiedlich bewerten, aber die Tatsache selbst, dass die Behörden Jahr für Jahr wieder auf dieses Projekt zurückkommen, spricht schon für sich. Bereits in den ersten Jahren der Sowjetmacht konzipiert, war die Transpolar-Magistrale damals für das Land notwendig, aber sie wird auch in den kommenden Jahrzehnten aktuell bleiben. Ihre Unerlässligkeit ist sowohl aus militärisch-strategischer Sicht gegeben, als auch aus ökonomischen Gründen. Die Bahnlinie gestattet es, neues Leben in zahlreiche Projekte zu Erschließung der Arktis einzuhauchen, und für die zentralen und nördlichen Bezirke der Region Krasnojarsk wird sie eine intensivere Entwicklung bedeuten und neue Möglichkeiten mit sich bringen – besonders dann, wenn man die vorherigen Pläne einer Verbindung des Abzweigers von Igarka mit der Strecke Dudinka - Norilsk berücksichtigt.

Wadim Denissow
Fotos aus dem Redaktions-Archiv
„Sapoljarnaja Prawda“, 02.02.2018


Zum Seitenanfang