Vor 80 Jahren, am 19. September 1941, um 12 Uhr mittags, legte ein mit Passagieren beladener Lastkahn in Atamanowo an. Verängstigte und verwirrte Menschen luden ihre Habseligkeiten am Ufer ab. Die Einwohner von Atamanowo waren verblüfft, als sie die Bootsankömmlinge Deutsch sprechen hörten.
Man sah, dass sie mit großen Familien angekommen waren - mit kleinen Kindern und alten Männern. Sie verbrachten die Nacht unter freiem Himmel. Am Morgen kamen Karren von verschiedenen Kolchosen des Suchobusimsker Bezirks, um die Zwangsumsiedler abzuholen. Ihre Habseligkeiten wurden aufgeladen, Kinder und alte Menschen ebenfalls. Die anderen begaben sich zu Fuß an ihren neuen Wohnort. Einige Personen wurden mit Autos transportiert, die vorübergehend von der Sowchose "Tajoschny", der Minderlinsker Landwirtschaftskolonie, den Krasnogorsker und Minderlinsker Maschinen- und Traktoren-Stationen sowie den Kononovsker und Pawlowsker Winterhafen-Anlagen bereitgestellt worden waren.
Der Zustrom an Menschen war ungewöhnlich groß, und es gab keine freien Wohnungen. Die Neuankömmlinge wurden in Clubs, Viehzuchtgebäudenen, Ställen, Scheunen und Lagerhäusern untergebracht. In der zweiten Abteilung wurde die Scheune, in der die Kartoffeln keimten, ihr Zuhause. Viele wurden bei Einheimischen untergebracht, die den Neuankömmlingen zunächst misstrauisch, ja sogar feindselig gegenüberstanden. Wie könnte es anders sein, angesichts des blutigen Krieges mit den Nazi-Invasoren. Erst später erkannten die Sibirer, dass eine äußerst friedfertige Bevölkerung zu ihnen gekommen war, die zuvor in der Republik der Wolgadeutschen gelebt hatte und nichts mit den Eindringlingen zu tun haben wollte.
Am 28. August 1941 wurde der Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR über die Umsiedlung der in der Wolgaregion lebenden Deutschen erlassen. Man begründete die Massendeportation mit der Tatsache begründet, dass: "Nach zuverlässigen Informationen, die die Militärbehörden erhalten haben, gibt es unter der deutschen Bevölkerung in den Gebieten der Wolgaregion Tausende und Zehntausende von Saboteuren und Spionen, die auf ein von Deutschland gegebenes Signal hin in den von Wolgadeutschen bewohnten Gebieten Explosionen durchführen sollen. Um solche unerwünschten Erscheinungen zu vermeiden und ein schweres Blutvergießen zu verhindern, hielt es das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR für notwendig, die gesamte deutsche Bevölkerung, die im Wolgagebiet lebte, in andere Gebiete umzusiedeln, so dass die umgesiedelte Bevölkerung Land erhalten und vom Staat bei der Ansiedlung in den neuen Gebieten unterstützt werden würde. Wie so oft basierte die Anschuldigung nicht auf gesicherten Fakten, sondern auf "Informationen", die lediglich auf Vermutungen bezüglich einer möglichen Situation beruhten.
Die Abschiebeaktion wurde sehr schnell und organisiert durchgeführt. Vom 3. bis 20. September 1941 wurden 446.480 Menschen aus den Gebieten der ASSR der Wolgadeutschen, den Gebieten Saratow und Stalingrad nach Sibirien und Kasachstan deportiert. In die Region Krasnojarsk kamen 70.262 von ihnen.
In unserem Bezirk wurden die Umsiedler in die Stationen des staatlichen Landwirtschaftsbetriebs "Tajoschnij" und in die Minderlinsker Landwirtschaftskolonie, nach Bolschaja Baltschug, Podsopki, Worobino, Nachwalskoje, Tatarskaja, Kekur, Sedelnikowo, Bereg-Taskino, Kowrigino und andere Dörfer und Siedlungen gebracht. Wahrscheinlich wurden absolut alle Siedlungen zu Refigien. Beim Dorfrat Bolschebaltschug waren es 100 Personen, in der Gemeinde Podsopki 68 und beim Minderlinsker Dorfrat 69.
Das Staatsarchiv der Region Krasnojarsk (Fond R. 2137. Verz. 1. Dos.94.) verwahrt "Listen der evakuierten Bürger deutscher Nationalität, die in den Bejsker, Beresowsker, Bolschemurtinsker, Krasnoturansker, Suchobusimsker und Taschtypsker Bezirken 1941-1942 untergebracht wurden". Es gibt Hunderte von Namen von Fahrgästen des Güterzuges Nr. 839, der am 6. September um 16.15 Uhr den Bahnhof Pallasovka verließ und im Suchobusimsker Bezirk Endstation machte.
Die Umsiedler sind namentlich, nach Familie, Geburtsjahr und -ort, Beruf und Arbeitsort vor der Evakuierung aufgeführt. Weber, Heidelbach, Hoffmann, Pflaumer, Rau, Günter, Gelver (Helver?) - meistens gebürtig und wohnhaft in der Gemeinde Straßburg. Aber auch andere Dörfer des Kantons Pallasowka sind erfasst. Nach Karymskaja, zum Beispiel, kamen vorwiegend Einwohner aus dem Dorf Alt Weimar. Es gibt mehrere Listen. Insgesamt trafen im September 1941 457 Familien mit 2306 Personen ein. Die Listen wurden vom Exekutivausschuss des Suchobusimsker Bezirksrats zusammengestellt, beglaubigt, unterzeichnet und an den regionalen Exekutivausschuss geschickt.
Die meisten der Familien hatten viele Kinder. Samuel Heinrichowitsch und Emma Karlowna Meyer hatten beispielsweise einen Sohn und fünf Töchter, Jakow Jakowlewitsch und Jekaterina Heinrichowna Gerdt hatten sieben Kinder und einen Neffen dabei, Johannes Johannesowitsch Schwab und seine Frau Maria Andrejewna hatten vier Söhne, Adam Davidowitsch Schubert hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Unter den Kindern befanden sich auch Kleinstkinder, die 1941 geboren worden waren - Alexander Gelver (Helver?), Johannes Schwab, Arthur Schultz, Maria Schneider, Arnold Fritzler und andere.
Männer und Frauen im arbeitsfähigen Alter - hauptsächlich Arbeiter in Kolchosen. Richard Iwanowitsch Fuchs, David Heinrichowitsch Rau, Iwan Alexandrowitsch Klauser, Alexander Alexandrowitsch Graf, Felix Davidowitsch und Heinrich Davidowitsch Schlotgauer (Schlothauer?) waren Traktorfahrer. Frieda Andrejewna Repp - Milchmädchen, Karl Andrejewitsch Saibel - Schmied, Iwan Jegorowitsch Wiesner - Tischler, Adam Kondratjewitsch Kulmann (Kolmann?) - Böttcher. Unter ihnen befanden sich sowohl Fach- als auch Führungskräfte. Jakob Jakowlewitsch Fritzler (geb. 1912) war stellvertretender Vorsitzender des Exekutivkomitees des Pallasowsker Bezirksrats, seine Frau Bertha Eduardowna Kromm - technische Sekretärin des Pallasowsker-Bezirkskomitees der Kommunistischen Partei, Maria Jakowlewna Fritzler (geb. 1919) - Sekretärin des Pallasowsker Bezirkskomitees des Komsomol, Lija Fritzewna Lichtenwald arbeitete auch im Bezirkskomitee des Komsomol. Pawel Eduardowitsch Kromm und Jakow Jakowlewitsch Fromm waren literarische Mitarbeiter in der Redaktion der Zeitung, Lidija Gottfriedowna Rusch war Schriftsetzerin. Es gab auch viele Erzieher - die Kromms (Eduard Iwanowitsch, Maria Christianowna) und die Schuberts (Adam Davidowitsch, Irina Adamowna, Alexander Adamowitsch). Zu Hause wurden die Kinder von Magda Petrowna Wegelin, Leonid Iwanowitsch Nikolaisen, Franziska Iwanowna Schönfeld, Emilie Heinrichowna Boseler und Frieda Dawidowna Herzog unterrichtet.
Paulina Georgiewna Gerdt - Krankenschwester, David Davidovich Bauer - Buchhalter, Emmanuel Christianowitsch Heinze - Fahrer, Viktor Emmanuelowitsch Mayer - Käsemeister.
Für die Kolchosen war es wichtig, landwirtschaftliche Fachkräfte zu bekommen. Diese waren Alexander Heinrichowitsch Peils, Georg Georgiewitsch Leimann (Mechaniker), Maria Petrowna Kober (Zootechnikerin), David Davidowitsch Sped und Joseph Josephowitsch Zich (Agronomen), Alexander Davidowitsch Schultz - Veterinärmediziner.
In den Kolchosen war die Ernte im Gange, und die Neuankömmlinge arbeiteten sofort mit. Sie ersetzten die Männer, die an die Front gegangen waren.
Doch im Februar 1942 wurden die meisten arbeitsfähigen Männer und einige Frauen ohne Kinder in die Arbeitsarmee eingezogen. Die Familien blieben nun ohne ihren Haupternährer zurück. Die deutschen Frauen mussten, ebenso wie ihre russischen Freundinnen, die Härten des Krieges und der Nachkriegszeit ertragen.
Weitere deportierte Deutsche aus Leningrad, Moskau, Tula, Rostow und anderen Regionen des europäischen Teils des Landes, den Regionen Krasnodar und Ordschonikidse, den transkaukasischen Republiken und der Ukraine kamen in den Bezirk.
Nach groben Schätzungen verblieben etwa 310.000 Deutsche in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten der UdSSR, die nicht in den Osten deportiert wurden. Sie lebten hauptsächlich in der Ukraine, aber auch im Nordkaukasus, in Weißrussland, in den westlichen Regionen der RSFSR und in der Nähe von Leningrad.
Zwischen 1943 und 1944 siedelten die Reichsbehörden Sowjetdeutsche aus den besetzten sowjetischen Gebieten nach Ostdeutschland und in den Warthe-Gau (Westpolen) um, wo sie den Status von "Verwaltungsumsiedlern" erhielten. Nach Kriegsende, zwischen 1945 und 1946, wurden mehr als 200.000 Sowjetdeutsche von deutschem Gebiet in die UdSSR repatriiert. Sie wurden alle in Umsiedlungsgebiete geschickt. Die Repatriierten landeten in den staatlichen Farmen Tajoschnij und Minderla des Innenministeriums. Wie alle deportierten Deutschen waren sie an bestimmte Orte gebunden, die sie nicht verlassen durften. Die gesetzlichen Beschränkungen wurden erst am 13. Dezember 1955 aufgehoben. Die Deutschen wurden aus der Umsiedlung, aus der administrativen Aufsicht des Innenministeriums entlassen und erhielten ab diesem Zeitpunkt einen Reisepass. Und am 29. August 1964 erkannten die Behörden schließlich an, dass die "pauschalen Anschuldigungen der aktiven Unterstützung und Kollaboration mit den Nazi-Invasoren", die im Dekret vom 28. August 1941 gegen die Sowjetdeutschen erhoben wurden, unbegründet waren... Tatsächlich trug die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung während des Großen Vaterländischen Krieges zusammen mit dem gesamten sowjetischen Volk zum Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland bei und beteiligte sich in den Nachkriegsjahren aktiv am kommunistischen Aufbau".
Mit ihrem unerschöpflichen Fleiß, ihrer Geschicklichkeit, ihrem Verantwortungsbewusstsein und ihrer Sauberkeit hatten die deportierten Deutschen bereits in den Kriegsjahren die Sympathie der sibirischen Bevölkerung gewonnen.
Die Zeit würde vergehen, sie würden sich an die örtliche Bevölkerung anpassen,
und niemand würde sie mehr unverdientermaßen beschimpfen. Im Laufe der Jahre kam
es immer häufiger zu interethnischen Eheschließungen, und die Unterscheidung
zwischen Deutschen, Russen und Ukrainern wurde schließlich aufgehoben, obwohl
die deutsche Bevölkerung nach wie vor besonders auf Sauberkeit und Ordnung
achtet.
Die Deutschen zeigten oft Beispiele für aufopferungsvolle Arbeit. Sie wurden in
allen Arbeitskollektiven geschätzt. Wenn ein weiterer Erlass des Präsidiums des
Obersten Sowjets der UdSSR über staatliche Auszeichnungen herausgegeben wurde,
fanden sich immer viele deutsche Namen in der Liste der besten Arbeiter in der
Landwirtschaft des Suchobusimsker Bezirks. 1966 wurde der Orden des Roten
Banners der Arbeit an Frieda Jakowlewna Kirjanowa, Melkerin in der tatarischen
Zweigstelle des Suchobusimsker Staatsbetriebs, 1971 an Ella Jegorowna Sped,
Melkerin desselben Betriebs, 1972 an den Traktorfahrer des Betriebs "Tajoschnoje"
Arthur Adamowitsch Klauser und den Maschinenführer der Schilinsker Sowchose Iwan
Dawidowitsch Zich verliehen. Der Orden des Ehrenzeichens wurde Viktor
Karlowitsch Günter, Iwan Iwanovich Fritzler, Andrej Alexandrowitsch Miller,
Alexander Viktorowitsch Weber verliehen, Medaillen erhielten Fjodor
Alexandrowitsch Opfer, Konstantin Pawlowitsch Leib, Emma Iwanowna Repp, Viktor
Heinrichowich Wulf, Konstantin Konradowitsch Mayer. Die Deutschen haben einen
wertvollen Beitrag zur Entwicklung des Bezirks Suchobusimsk geleistet, ihre
Leistungen in verschiedenen Bereichen sind auch heute noch bedeutend.
Nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repressionen wurden Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit rehabilitiert. Später wurde ihren Kindern der gleiche Status gewährt. Sie haben bestimmte Vorteile und erhalten einen Zuschlag zu ihrer Rente.
In den 1980er- und 1990er-Jahren zogen viele Familien als Daueraufenthalter nach Deutschland und hinterließen viele gute Erinnerungen. Die Häuser, die sie bauten, und die Gärten, die sie anlegten, dienen den Menschen noch heute. Andere Nachkommen der während des Krieges deportierten Deutschen leben noch unter uns. Nicht alle ihre Enkel und Urenkel kennen die Geschichte ihrer Familien, viele glauben, dass Sibirien die einzige Heimat ihrer Vorfahren war.
Olga WAWILENKO
Ländliches Leben (Suchobusimo), 29. Oktober 2021
Foto
Foto aus der VCorkriegszeit. Die Ernte in der Kolchose Straßburg in der Republik
der Deutschen ist in vollem Gange. Das Foto stellte Lilija Paramonowa zur
Verfügung
Anna Bengel arbeitete in der Minderlinsker Sowchose, sie war
Produktionsbestarbeiterin, ihr Foto befand sich an der Ehrentafel. Das Foto
entstammt dem Album von Aleksej Pawlidi
Iwan Iwanowitsch Geidelbach (Heidelbach?) arbeitete in der Sowchose «Тajoschnij»
als Mechaniker und war ein hervorragender Rationalisator. Das Foto wurde dem
Bestand des Suchobusimsker Bezirks-Heimatkundemuseums entnommen
Die Konfirmationsbescheinigung in deutscher Sprache brachten Verwandte mit in
die Verbannung. Lilija Paramonowa
Mehr als in den anderen Dörfern lebten Deutsche in der Dritten Abteilung der
Sowchose «Таjoschnij». Foto: Viktor Günter