Es ist an der Zeit, sich zu erinnern.
Es scheint mir heute
Dass du und ich einst hatten
Zwei Länder in einem Land.
Das erste Land, erhob sich
Vor den Augen der ganzen Welt, frohe Kunde tuend.
Und das zweite wurde fortgetragen.
Die Wurzeln wurden blitzschnell abgeschnitten,
Der Zug raste durch die Felder,
Und alle im Wagen,
"Einhundert und sechzehn in zwei Hälften..."
Robert Roschdestwenskij
Es ist nicht schwer zu erraten, dass die Rede in diesen Zeilen von einer dunklen
Seite in der Geschichte unseres Vaterlandes handelt - von den politischen
Repressionen in den 30-50er Jahren des letzten Jahrhunderts.
In dieser schrecklichen Zeit wurden Menschen ohne Gerichtsverfahren zu "Volksfeinden"
erklärt, in unbewohnte Gebiete verbannt, in Gefängnisse und Lager gesteckt, die
sich in der Regel in der Nähe von Großbaustellen und Bergbaugebieten befanden (billige
Arbeitskräfte wurden dringend benötigt). Und schließlich wurden auch unschuldige
Bürger erschossen.
Sogar Pläne der ersten und zweiten Kategorie, die von der ruhigen Hand der Spitzenbeamten des Kremls unterzeichnet waren, wurden an alle Republiken der riesigen UdSSR, Gebiete und Regionen verschickt. In der ersten Kategorie wurde die Zahl der Erschießungen angegeben, in der zweiten die Zahl der Verbannten und der in Lager Eingesperrten. Zu den Verfolgten gehörten auch unsere Landsleute - die Jermakower.
Das im Zentrum des Bezirks errichtete Denkmal für die Opfer politischer Repressionen besagt, dass in den 30-50er Jahren des 20. Jahrhunderts mehr als 1500 Einwohner des Bezirks Jermakowo durch Repressionen ums Leben kamen, 700 von ihnen wurden erschossen. Die Einwohner von Jermakowo haben insgesamt alle Arten von Repressionen erlebt. Unter den Opfern sind Kulaken, die unter das Schwungrad des Großen Terrors gerieten, die aus anderen Republiken nach Sibirien deportiert wurden und die, die von wachsamen Böswilligen denunziert wurden.
Die Entkulakisierung (Enteignung der Großbauern; Anm. d. Übers.) und die damit verbundenen Repressionen fallen hauptsächlich auf den Zeitraum von 1929 bis 1932. Die Umsetzung der Enteignungspolitik-Politik fiel mit einer maßlosen Übertreibung bei der Beschaffung von Getreide und der Kollektivierung zusammen. Wohlhabende Kulaken und ihre Familien wurden in spezielle Siedlungen in unbewohnten oder dünn besiedelten Gebieten Sibiriens und des Nordens verbannt.
Manchmal kamen nur Ehefrauen und Kinder dorthin, da das Familienoberhaupt erschossen oder als "konterrevolutionäres Element" in ein Lager geschickt wurde.
Der Rest, die so genannten "Podkulachniki" (Bauern, die im Interesse der Kulaken (Großbauern) arbeiteten; Anm. d. Übers.), die Menschen mittleren Alters, wurden meist außerhalb ihres Dorfes im selben Bezirk vertrieben, wobei ihnen Grundstücke zugewiesen wurden, die für den Anbau nicht geeignet waren. Die Entkulakisierung ging einher mit der Beschlagnahmung von Eigentum, Lebensmitteln, Futtermitteln und Saatgut, der Übergabe von Vieh und Geflügel an die Kolchosen. Das willkürliche Verhalten der lokalen Behörden gegenüber der Bauernschaft wurde zur Norm.
Der Beginn der Politik der Entkulakisierung wurde durch die Resolution des Politbüros des Zentralkomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiki) vom 30. Januar 1930 festgelegt. "Über Maßnahmen zur Beseitigung der Kulaken-Wirtschaften in den Gebieten der kontinuierlichen Kollektivierung". Bald darauf folgte der Befehl Nr. 4421 des stellvertretenden Vorsitzenden der OGPU Jagoda "Über die Beteiligung der OGPU an der Durchführung der Kollektivierung, der Verhaftungen und der rücksichtslosen Unterdrückung jeglichen Widerstands gegen die durchgeführten Maßnahmen". In diesem Zusammenhang erschien eine Sonder- Resolution, in der unter anderem die Notwendigkeit einer Aufstockung des OGPU-Personals um 800 Personen und einer Aufstockung der OGPU-Truppen um 1.000 Bajonette und Säbel festgestellt wurde. Der Historiker W.N. Semskij schätzt, dass insgesamt 4 Millionen Kulaken enteignet wurden. 2.176.600 Menschen wurden in Kulaken-Verbannungsorte geschickt, 230.238 wurden in Sonder-Siedlungen geboren.
Im Bezirk Jermakowo begann die Entkulakisierung im Mai 1928.
In dem Artikel "Beunruhigende Tage der Jahre 1928-1936" (2. Teil des Buches "Schmerz
und Erinnerung") schreibt die Leiterin der Archivabteilung der Verwaltung des
Bezirks Jermakowo, N. A. Tschechowskaja, dass allein im Jahr 1929 500 Familien
im Bezirk unter die Kulakenenteignungen fielen. Im Jahr 1931 waren es etwa 327
Familien. In der Regel wurden die Menschen aus Jermakowo aus dem Bezirk
vertrieben.
Das Jermakowsker Archiv verwahrt auch Dokumente, die die Exzesse während der Entkulakisierung bezeugen. In demselben Artikel lesen wir: "In der Resolution des Plenums des Bezirkskomitees und im Brief des Minussinsker Bezirkskomitees vom 7. April 1930 wurde festgestellt, dass im Bezirk "grobe Fehler bei der Liquidierung der Kulaken als sozialer Klasse gemacht wurden".
Hier ist ein Beispiel. "In Wosnessenskoje gibt es keine Kolchose, dennoch wurde die Entkulakisierung nach der Methode der Erstellung einer zusätzlichen Kulaken-Liste in einer Verwaltungsanordnung durchgeführt; die Vorlage dieser Liste erforderte eine individuelle Besteuerung innerhalb von 24 Stunden. Der Beschlagnahmungsprozess selbst wurde ohne ordnungsgemäße Inventarisierung und mit der Konfiszierung von Haushaltsgegenständen - Hemden, Kleidern, Hosen usw. - auf unsachgemäße Weise durchgeführt. Auf dem Weg nach Wosnessenskoje erstellte eine Brigade des Bezirksexekutivkomitees auf dem Verwaltungswege eine Liste der zu enteignenden Personen und veräußerte deren Eigentum innerhalb weniger Stunden. Es gibt irrtümliche Fälle von Enteignungen".
Es ist bezeichnend, dass viele der Bauern zweimal unterdrückt wurden - als die NKWD-Dienste während des Großen Terrors den Auftrag hinsichtlich der "Volksfeinde" der ersten und zweiten Kategorie erfüllen mussten, fand man sie unter den ehemaligen "Kulaken".
Die Familien der Bektjaschews, der Glubokows, der Sassuchins, der Awetesians, der Stepanows, der Starantschukows, der Kolodkins, der Petrus, der Piskunows, der Soldatows, der Burlatschenkos, der Prossekows, der Putinzews, der Subarews, der Schtukarins, der Filipjews, der Michailows, der Gatilows, der Skladtschikows und anderer erfuhren das bittere Schicksal der Kulaken-Enteignung.
Die Jahre 1937-1938… In dieser Zeit erreichte die Repression in unserem Land einen noch nie dagewesenen Höhepunkt. Mit der leichten Hand des englischen Historikers Robert Conquest wurden diese Jahre als der Große Terror bezeichnet. In einer Zeit, in der jeder, ob klein oder groß, sang: "Ich kenne kein anderes Land, in dem der Mensch so frei atmet", konnten die gerichtlichen und häufiger noch die außergerichtlichen Instanzen, die Urteile fällten, den Strom der Fälle nicht bewältigen. Die Gefängnisse und Untersuchungsgefängnisse waren überfüllt.
Es musste eine Technologie entwickelt werden, mit der die Gefängnisse entlastet, die Überführung der Verurteilten in die Lager beschleunigt und das Hinrichtungsverfahren vereinfacht werden konnte.
Der Ausweg war gefunden - am 2. Juli 1937 verabschiedete das Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Bolschewiki (B) die Resolution "Über antisowjetische Elemente". Diese Resolution legitimierte die Entscheidung, in den republikanischen und regionalen NKWD-Abteilungen Troikas mit weitreichenden Befugnissen zu schaffen. Bald gab es auch Zweiergruppen, in denen die Prozesse von einem Vertreter des NKWD und einem Staatsanwalt geführt wurden. Es wurden auch Beschränkungen für die Kategorien beschlossen: I - Erschießungskommando, II - Inhaftierung in einem Lager.
Die Region Krasnojarsk erhielt durch den Beschluss des Politbüros des Zentralkomitees vom 31.07.1937 einen Plan zur Verfolgung von 750 Personen in Kategorie I und 2500 in Kategorie II (insgesamt 3200). Im November desselben Jahres wurde durch ein Telegramm von Stalin und Molotow die Erschießungsgrenze in der Region um 6600 Personen erhöht. Im Januar 1938 legte das Politbüro des Zentralkomitees für die Region die Obergrenze für die Kategorie I auf 1500 Personen fest, für die Kategorie II auf 500 (insgesamt also 2000), und bereits im April kam "von oben" die Entscheidung, die Erschießungen auf 3000 Personen zu erhöhen.
Die Jermakowsker bildeten keine Ausnahme. Auch sie wurden in diese
unerbittlichen Limits einbezogen. Einige kamen in Lager, die über das ganze Land
verstreut waren, und wurden als billige Arbeitskräfte auf den "großen Baustellen",
in der Forstwirtschaft, in den Bergwerken und in den Mineralienlagerstätten
eingesetzt. Andere wurden vor das Erschießungskommando gebracht, indem man
falsche konterrevolutionäre Fälle fabrizierte und ihnen unter Folter
Schuldgeständnisse entlockte. Mehr als 700 Menschen aus dem Bezirk Jermakowskoje
wurden zur Todesstrafe, d. h. zur Erschießung durch ein Exekutionskommando,
verurteilt. Ihre Listen sind im ersten, zweiten und dritten Teil des Buches "Schmerz
und Erinnerung" zu finden.
In den Jahren 1937 und 1938 litten die Familien der Busunows, Witowskis, Sorins,
Tschichatschews, Lukjanows, Payus, Chudonogows und andere unter grausamen
Repressionen. In denselben Jahren widerfuhren den Familien der Bogatows,
Jewdokimows, Kibanows, Meschtscherows und Roschupkins Denunziationen. Praktisch
alle Familien verloren ihre Ehemänner und Väter, die erschossen wurden. Einige
von ihnen in Krasnojarsk, andere ganz in der Nähe, in den Außenbezirken von
Minusinsk.
Deportationen sind eine der Formen der politischen Repression in unserem Land. Ihre Hauptmerkmale waren der außergerichtliche Charakter, die Kontingentierung und die Umsiedlung großer Menschenmassen in ein abgelegenes, ungewohntes und oft riskantes Lebensumfeld. Fast alle Völker der Sowjetunion waren von Deportationen betroffen, darunter Deutsche, Finnen, Kalmücken, Letten, Litauer, Esten, Weißrussen, Griechen, Krimtataren, Inguschen, Tschetschenen, Ukrainer, Abchasen, Kurden und andere. Gleichzeitig verloren sie alle ihre nationalen Territorien.
Im Gesetz der Russischen Föderation vom 26. April 1991 «Über die Rehabilitierung der unterdrückten Völker“ heißt es, dass in Bezug auf Völker, Nationen, Staatsangehörigkeiten, ethnische Gruppen auf staatlicher Ebene eine «Politik der Verleumdungen und des Genozids durchgeführt wurde, welche mit Zwangsumsiedlungen, der Abschaffung nationaler Einheiten, der Umgestaltung von Grenzen und der Errichtunge eines Regimes von Terror und Gewalt an den Orten der Sonderansiedlungen einhergingen».
Nach Angaben des Generalstaatsanwalts A.J. Wyschinskij wurden im Zeitraum von November 19439 bis Juni 1941 389382 Personen deportiert, von denen 52 Prozent Frauen und Kinder ausmachten. Unterwegs und an den jeweiligen Orten starben innerhalb des ersten Jahres 10 Prozent der Gesamtzahl der Deportierten.
Die Deportationen wurden auch in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges
fortgesetzt, hauptsächlich um verräterische Aktivitäten zu vermeiden. In den
erhaltenen Archiven, selbst in der internen Korrespondenz der Behörden, konnte
jedoch kein einziges Dokument gefunden werden, das darauf hinweist, dass die
sowjetischen Behörden diese Völker ernsthaft des Verrats verdächtigten.
Der Deportation nach Sibirien, in die nördlichen Territorien, die Familien Bens
(Benz), Borinetz, Grasmik (Grasmück), Kapis, Friedrich, Schlottauer, Jakobi,
Jung, Lorenz, Vogel, Miller und andere ausgesetzt.
Auf dem Weg
Verladung der Deportierten in Waggons
L. Golub,
Vorsitzender der Jermakowsker Abteilung der Vereinigung Rehabilitierter der
Region Krasnojarsk
Niva, 26.10.2023