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Verbannungs- / Lagerhaftbericht vonAnna Petrowna Gelrot (Adolf)

Geboren 1926, Geburtsort Warenburg, gebiet Saratow.

Die Familie war arm; außer Anna Petrowna gab es noch zwei Kinder. Sie wurden vom Vater unterrichtet, denn die Mutter verstarb früh; der Vater war von Beruf Hirte. Zur Zeit der Deportationen wat sie 15 Jahre alt. Für die Reisevorbereitungen gab man ihnen einige Tage Zeit. Man erlaubte ihnen Essen mitzunehmen; andere Sachen hatten sie praktisch keine, die sie hätten mitnehmen können. Sie packten Kissen und Decken ein, also nur das Allernötigste.

Anna Petrownas Familie wurde zuerst auf Pferden an die Wolga gebracht; dort blieben sie einige Tage, weil sie auf einen Lastkahn warten mußten. Zu essen gab es nichts. Auf dem Lastkahn schwammen sie nach Engels, wo sie dann auf einen Zug verfrachtet wurden.

Im Zug aßen sie das, was sie mitgenommen hatten, aber man gab ihnen auch etwas andere Nahrung. An irgendeinen Fall von Diebstahl während der Fahrt kann Anna Petrowna sich nicht erinnern. Wieviele Tage sie mit dem Zug unterwegs waren weiß Anna Petrowna nicht mehr. Sie gelangten in die Ortschaft Taskino (Karatussker Kreis) und blieben dort 11 Monate.

Man gab ihnen in einem verfallenen, kalten Gebäude Unterkunft, in dessen Mitte ein Ofen stand. In einem Zimmer lebten mehrere Familien. Die ortsansässige Bevölkerung verhielt sich ihnen gegenüber unterschiedlich. Der Kolchos-Vorsitzende, zum Beispiel, benahm sich ihnen gegenüber gut, half ihnen mit Lebensmitteln aus, gab ihnen Mehl und Kartoffeln; er wußte, dass diese Kinder ohne Mutter aufwuchsen. Aber es gab auch solche, die ihnen gegenüber feindlich gesinnt waren. Das wurde in ständigen Kränkungen und Beleidigungen deutlich, es gab sogar Fälle, dass die ankommenden Deutschen mit Steinen beworfen wurden. Im weiteren Verlauf der Ereignisse wurden sie in die Ortschaft Nasimowo deportiert, wo sie etwa 1 Jahr lebten. Hier benahmen sich die Ortsbewohner ihnen gegenüber praktisch alle schlecht.

Hier, in Nasimowo, heiratet Anna Petrownas Schwester ebenfalls ein Repressionsopfer. Der Ehemann der Schwester wird nach Fomka geschickt, Anna Petrownas Schwester geht mit ihrem Mann dorthin, und Anna Petrowna schließt sich ebenfalls an. In Fomka heiratete Anna Petrowna später den Repressierten Gelrot.

Anna Petrowna erzählt, dass der Lehrer ihre Kinder in der Schule als Faschisten bezeichnete und sie allen möglichen Demütigungen aussetzte. Lange Zeit gab es keine Möglichkeit von dort wegzuziehen; sie ergab sich erst im Jahre 1961. Anna Petrowna kauft mit ihrem mann ein Boot und fährt aus eigener Kraft in die Ortschaft Jarzewo. Beim Erhalt der Rehabilitation half ihr die Frau des Bruders (die eine Zeit lang im Kuraginsker Kreis lebte), und die dafür alle unbedingt erforderlichen Dokumente zusammensuchte.

In ihre kleine Heimat kam Anna Petrowna so auch nicht mehr zurück. Über das Schicksal derer, die nach der Rehabilitation dorthin zurückgingen, ist ihr nichts bekannt. Nach all den Jahren gelang es auch nicht, Elemente ihrer Kultur zu bewahren. Anna Petrowna kann praktisch kein Deutsch mehr. Anna Petrowna macht Gebrauch von den ihr zustehenden Vergünstigungen für Strom und hat sich auch die Möglichkeit einer kostenlosen Ausstattung mit Zahnprothesen zunutze gemacht. Im vergangenen Jahr wurde ihr eine kostenlose Fahrt nach Jenisejsk verweigert.

Die Befragung wurde durchgeführt von O. Pomolotowa, L. Aleksejenko (historische Abteilung der Jenisejsker Fachschule für Pädagogik)

Erste Forschungsexpedition für Geschichte und Menschenrechte


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