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Mitteilung von Wladimir Nikolajewitsch Korbmacher

Geboren 1953 in der Ortschaft Nikolajewo, Altai-Gebiet. Und selbstverständlich konnte der von uns Befragte uns aufgrund seines Alters nichts über den Mechanismus der Umsiedlung sowie die Besonderheiten des Lebens vor der Deportation erzählen. W.N. sagt, dass alles so war, wie bei den anderen auch: es wurde befohlen, man schickte sie fort und sie fuhren ab... Zunächst wurde seine Familie ins Altai-Gebiet deportiert, anschließend nach Kasachstan. 1955, nachdem das Verbot der Reisefreiheit aufgehoben worden war, begaben sie sich ins Gebiet Saratow in ihre historische Heimat zurück, wo sie 8 Jahre lebten. Dann fuhren sie von dort wieder fort und gerieten auf diese Weise nach Sibirien. W.N. reiste 3 Jahre hintereinander ins Gebiet Saratow und wollte dort sogar bleiben, doch es zog ihn dann doch wieder nach Sibirien. Aus heutiger Position ist es für W.N. schwierig, über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Deportation der Wolga-Deutschen nach Sibirien zu urteilen. «Wer weiß schon, ob das nun nötig war oder nicht, ich habe nicht in ihrer Haut gesteckt, ich bin ja schon hier geboren und aufgewachsen»…

Meine Mutter war reinrassige Deutsche, mein Vater Ukrainer. Und ich, wer bin ich? Was für ein Deutscher bin ich denn? Ich bin ein Mischling, weiß der Geier, wer ich bin. Mit der betreffenden Nation bin ich nicht wirklich verbunden, aber in unserer Familie wurden früher, und das ist auch noch heute der Fall (meine Frau ist Deutsche), manche deutschen Traditionen gewahrt. In einem größeren Maße betrifft das die traditionelle deutsche Küche: Krebli, Resbrati, Schmorbraten, Schnitzel.

W.N. hat in Deutschland seine leibliche Schwester wohnen, die aus Kirgisien dorthin umgezogen ist, doch unterhält W.N. keinerlei Verbindungen zu ihr, irgendwie sind sie ganz still auseinander geraten, obwohl sie sich nicht im Bösen getrennt haben. Ich habe den Eindruck, dass sie Angst haben, ich könnte von ihnen irgendeine Hilfe erbitten. Dass ich nach Deutschland fahre? Ich brauche hier niemanden, wozu auch. Und überhaupt gibt es für mich keine schlechten und keine guten Nationen, sie sind alle gleich. Aber ich sage, dass die Deutschen die ruhigste und gesetzestreueste Nation sind. Außer dem zeichnen sich die Deutschen durch Sauberkeit und Fleiß aus. Das sage ich über die alten Deutschen; die neuen Deutschen – das ist bereits eine ganz andere Generation, sie sind schon ganz anders. Da ist einmal ein Lehrer der deutschen Sprache nach Deutschland abgefahren, auch seine Ehefrau, seine Kinder und alle Verwandten reisten mit aus – er konnte nicht wieder zurückkehren. Dort „sammelt er Zigarettenstummel“, aber hier kennen und respektieren ihn alle. Hier ist alles ganz einfach: er ging einfach zum Nachbarn, bat ihn um irgendetwas, unterhielt sich ein wenig mit ihm…Aber dort muss man von den eigenen Verwandten erst auf eine Einladung warten.

Das Interview wurde geführt von Anastasia Dawidowa.

(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft ) Neunte Expedition des Krasnjarsker "Memorial“ und des Pädagogischen College in Jenisseisk, Worokowka-Kasatschinskoje-Roschdestwenskoje 2014 .


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