Geboren 1928, Geburtsort Ortschaft Grimm, Gebiet Saratow. Die Familie war nicht wohlhabend, die Mutter arbeitet in der Sowchose bei Kolonnenarbeiten, der Vater arbeitete ebenfalls dort, aber als was – das erinnert sie nicht mehr.
Zur Zeit der Deportation war sie 13 Jahre alt, außer ihr gehörten zur Familie noch eine ältere Schwester und ein jüngerer Bruder. Für das Zusammenpacken ihrer Sachen gab man ihnen nicht mehr als 24 Stunden Zeit und erlaubte ihnen nur, das Allernötigste mitzunehmen. Natürlich freuten sie sich nicht über die Deportation, aber an Widerstand war nicht zu denken, denn in den Menschen lebte die blanke Angst. Von ihrer Deportation erfuhren sie durch die Vorsitzenden der Behörde, die zu ihnen nach Hause kamen. Wie viele andere Familien, so wurden auch sie auf Pferden oder mit Autos zum Ufer der Wolga gebracht. Dort mußten sie mehrere Wochen unter freiem Himmel verbringen. Sie ernährten sich von dem, was sie von Zuhause mitgenommen hatten. Nach einiger Zeit verfrachtete man sie auf einen Lastkahn, wobei der Platz für alle gar nicht ausreichte. Einige blieben zurück und mußten warten. Sie schwammen einige Tage auf dem Wasser, wohin genau – daran kann sich Christina Fjodorowna nicht mehr erinnern. Danach setzte nan sie in einen Zug. Sie erhielten nichts zu essen, aßen das, was sie auftreiben konnten. Christina Fjodorowna weiß noch, wie ihre Mutter an einer Bahnstation ihr großes Umschlagtuch gegen einen Laib Brot eintauschte, damit sie den Kindern etwas zu essen geben konnte. Diebstahl kam nach den Worten Christina Fjodorownas während der Fahrt nicht vor. Die Kranken wurden unterwegs nicht ausgesetzt, sondern fuhren gemeinsam mit den Gesunden, nur die Toten wurden an den Stationen ausgeladen. Christina Fjodorowna erinnert sich nicht mehr daran, wie lange die Fahrt nach Sibirien dauerte. Sie erreichten den Kreis Ingasch, die Bevölkerung war ihnen gegenüber nicht wohlgesonnen, nur wenige halfen mit Lebensmitteln und Kleidung aus. In die Schule ging sie nicht, ihre Schulbildung waren 2 Klassen an der deutschen Schule. Später brachte man sie nach Krasnojarsk. Dort lebten sie mit mehreren Familien zusammen in einem Zimmer. Etwa ein Jahr wohnten sie dort. Danach brachte man sie in das Dorf Fomka. In Fomka heiratete Christina Fjodorowna. Sie gebar 9 Kinder, von denen 3 starben. Die deutsche Sprache lernten die Kinder in der Schule gelernt, aber in der Familie haben sie sich in dieser Sprache nicht frei unterhalten. Sofort nach der Ankunft in Sibirien fing Christina Fjodorowna an zu arbeiten. Sie arbeitete im Wald, sägte zusammen mit anderen Frauen mit einer Handsäge Holz. Man zahlte ihnen einen Lohn je nach der geleisteten Arbeit, d.h. je nachdem, wieviel Holz sie zersägt hatten. Sie arbeitete 12-14 Stunden pro Tag. Es gab auch einen Arbeitsanreiz, und viermal am Tag bekamen sie Essen (auch das richtete sich nach der geleisteten Arbeit). Es gab keine Möglichkeit, an einen anderen Ort zu fahren, denn sie hatten keine Pässe; außerdem mußten sie sich einmal im Monat in der Kommandantur melden und registrieren lassen. Erst 1958 bekamen sie die Möglichkeit umzuziehen. In diesem Jahr fuhren die Eltern Christina Fjodorownas ins Altai-Gebiet. Viele Famiien gingen zurück in die Heimat, nach Grimm. Über das weitere Schicksal, die zurückgingen, weiß Christina Fjodorowna nichts. Ihre Familie wollte nicht in die Heimat zurück, nach ihren Worten hatten sie sich schon daran gewöhnt, hier zu leben. Christina Fjodorowna ist nicht mehr in ihrer Heimat gewesen. 1973 zog sie mit ihrem Mann und ihren Kindern von Fomka nach Jarzewo um.
Von allen ihr als Repressionsopfer zustehenden Vergünstigungen nimmt sie nur die Ermäßigung für Stromin Anspruch, so dass sie nur 50% zahlen muß. Das ihr zustehende Brennholz beansprucht sie nicht, denn für dessen Kauf erhalten die Leute Geld, und um das zu beantragen, muß man einen Haufen Papiere zusammensuchen. Von ihrer Rehabilitation hat Christina Fjodorowna durch einen Zeitungsartikel erfahren.
Die Befragung wurde durchgeführt von O. Pomolotowa, L. Aleksejenko (historische Abteilung der Jenisejsker Fachschule für Pädagogik)
Erste Forschungsexpedition für Geschichte und Menschenrechte