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Verbannungs- / Lagerhaftbericht von Lejser Fajwelowitsch Schuldiener (Schuldiner)

Lejser Fajwelowitsch SCHULDIENER (SCHULDINER), geb. 1920, wurde nach dem 22.06.1941 aus Lwow, wo er in einer Fabrik für nichtalkoholische Getränke arbeitete, in die Siedlung Labinskaja, Gebiet Krasnodar evakuiert und im Juli 1941 zur Arbeitsarmee nach TSCHELJABINSK geschickt. Er war dort Hilfsarbeiter in der 8. Arbeitskolonne des 22. Trustes bei den Stalin-Werken.

Am 23.03.1943 verhaftete man ihn, beschlagnahmte seinen Militärpaß, den Komsomol-Ausweis sowie alle Fotografien und steckte ihn in eine Zelle im Kellergeschoß des TSCHELJABINSKER Gefängnisses. Und in der Nacht holten sie ihn und jagten ihn zum Ermittlungsführer. Dort angekommen fragte Lejser Fajwelowitsch zuallererst, weshalb man ihn verhaftet hatte und wie lange man ihn einsperren würde. Als Antwort hörte er: „So lange, wie es erforderlich ist“. Der Untersuchungsführer stellte ein paar Fragen und erklärte Lejser Fajwelowitsch dann, daß er ein Spion sei. Als der Häftlinge das hörte, verlor er das Bewußtsein. Im Karzer, der so eng war, daß man dort nur stehen konnte, kam er wieder zu sich. Am folgenden Tag ließ man ihn heraus und führte ihn erneut dem Ermittlungsführer vor.

Jenem lagen „Zeugenaussagen“ aus der Arbeitskolonne vor, nach denen Lejser Fajwelowitsch das Leben in Polen hochgelobt haben sollte. Und zudem hatte er sich zu jener Zeit in Drogo-bytsche befunden, als dort die Hitler-Truppen standen. Der Ermittlungsführer verlangte, daß er „sich der Spionage schuldig bekennen“ sollte, aber damit erreichte er gar nichts. Dann wurde Lejser Fajwelowitsch in eine andere Zelle verlegt, in der sich bereits 5 Gefangene befanden. Dort setzten sie noch eine „Glucke“ (Spitzel) hinzu, die auf ihn einreden sollte, damit er seine „Schuld eingestand“. Täglich hetzte man ihn zum Verhör. Der Untersuchungs-führer drohte ihm mit Erschießung, aber Lejser Fajwelowitsch gab nicht nach. Er weigerte sich auch, die ihm vorgelegte Anklageschrift zu quittieren. Einen Monat später, und sechs Monate nach seiner Verhaftung, wurde er ins SWERDLOWSKER Durchgangsgefängnis abtransportiert, und dort verkündete man ihm den Beschluß der Trojka vom 08.09.1943:

8 Jahre wegen §58-1a. Vom Durchgangslager gelangte die Etappe weiter ins IWDELLAG.

Lejser Fajwelowitsch kam zum Holzeinschlag. Bei Erfüllung der Norm erhielt man dort eine Brotration von 800 gr, bei Nichterfüllung – Karzer. Lejser Fajwelowitsch litt wie viele andere an Entkräftung und schaffte die festgelegte Norm oft nicht. Er saß hier insgesamt 6 Jahre.

Am 27.01.1949 wurden alle Häftlinge, die nach §58-1a verurteilt worden waren, in ein Lager mit verschärfter Anstaltsordnung geschickt – ins TAISCHETLAG (OSERLAG). Dort wurden Nummern auf die Kleidung genäht. Lejser Fajwelowitsch erhielt die Nummer 502. Das Essen war hier noch viel schlechter als im IWDELLAG. Unter den Gefangenen befand sich auch Fjodor Aksentjewitsch PETROW. Er lebt in Lessosibirsk.

Einmal begann der Begleitsoldat während des Holzeinschlags vor den Augen von Lejser Fajwelowitsch zu zeigen, wieviele Beeren in der Umgebung wuchsen – das hieß doch: sammelt sie! Ein junger Bursche durchquerte die verbotene Zone und wurde ermordet.

Am 15.02.1951 wurde Lejser Fajwelowitsch mit einem Verbannungstransport ins KRASNO-

JARSKER Gefängnis verbracht, wo er einen Monat einsaß; danach kam er mit etwa 50 ande-ren Verbannten via Kansk nach MOTYGINO. Während der Verbannung war er mit Arbeiten auf Bohrtürmen im Kreis UDEREJ (heute Kreis MOTYGINO) beschäftigt. Ein- oder zweimal im Monat mußte er sich in der Kommandantur melden. Am 07.07.1956 wurde er dort aus der Registratur ausgetragen. Als die Motyginsker Abfertigungsstelle geschlossen wurde, kam Lejser Fajwelowitsch in den Turuchansker Einzugsbereich. Von dort begann er Mitte der 1950er Jahre nach Moskau zu schreiben, um seine Rehabilitation zu erhalten. Ein KGB-Oberst kam nach Turuchansk und vernahm Lejser Fajwelowitsch. Am 30.04.1958 wurde er rehabilitiert.

05.08.1991, aufgezeichnet von N.I. Abraschitowa,Gesellschaft „Memorial", Krasnojarsk


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