Elsa Iwanowna Wlasowa, geborene Schwenk, geb. 1955.
Eltern:Maria Jakowlewna Schwenk (geborene Schreder /Schröder oder Schreide), geb. 1927, und Iwan Iwanowitsch Schwenk, geb. 1927.
Maria Jakowlewna lebte in der Ortschaft Bauer, Gebiet Saratow, Iwan Iwanowitsch in einem Dorf (oder Vorwerk) sechs Kilometer von Bauer entfernt. Bauernfamilie.
Von der geplanten Ausweisung erfuhren sie am 21. August 1941; ihre Deportation fand dann am 23. August 1941 statt (Anm. von A. Babij& das ist äußerst merkwürdig, da der Ukas über due Deportation erst am 28. August verabschiedet wurde, aber Elsa Iwanowna bekräftigt, dass es genau so war: die Eltern von Maria Jakowlewna waren nach Saratow gefahren, um Lehrbücher das neue Schujahre zu besorgen; sie kauften dort einen ganzen Korb voll Bücher, und als sie zurückkamen wurden sigleich abtransportiert). 1941 war ein ausgezeichnetes Erntejahr; es bestand Hoffnung darauf, dass wenigstens in diesem Jahr niemand Hunger leiden mußte.
Außer Maria gab es noch zwei weitere Kinder – Ewa und Walja, sowie ein drei Monate altes Kind, welches unterwegs verstarb. Man transportierte sie in Viehwaggons, es gab keine Pritschen. Die Waggons waren vom letzten Viehtransport nicht gereinigt worden; man hatte lediglich jede Menge Stroh hineingeworfen, und darauf mußten, kreuz und quer durcheinander, mehr als 100 Menschen schlafen. An jeder Bahnstation trugen sie die Toten hinaus.
Sie hatten nichts weiter als etwas Leibwäsche und ein paar Lebensmittel mitgenommen. Bei der Aussiedlung händigte man ihnen Bescheinigungen über den konfiszierten Besitz aus: Haus, Vieh, usw. Bei der Ankunft am neuen Wohnort nahm man ihnen die Quittungen, zusammen mit allen persönlichen Papieren, wieder ab; ersetzt bekamen sie nichts.
Maria Jakowlewnas Vater wurde zur Trudarmee in die Region Kemerowo geholt, wo er beinahe ums Leben gekommen wäre – er wurde entlassen, allerdings gelang es ihm danach nur bis in den Bezirk Kuragino zu kommen, wo er Verwandte besaß. Nachdem er sich gerade ein wenig erholt hatte, wurde er erneut in die Trudarmee einberufen, nach einiger Zeit jedoch endgültig freigestellt; er kehrte zu seiner Familie zurück.
Die restliche Familie (darunter auch Maria Jakowlewna) wurde mit einem Lastkahn nach Sergejewo gebracht (Insel zwischen Nasimowo und Nischneschadrino). 1942 verlegte man sie nach Fomka. Dort lebten sie in Erdhütten, später bauten sie Wohnbaracken. In einem Zimmer (ungefähr 15 qm groß) hausten vier Familien (18 Personen). Sie schliefen auf Pritschen: für die Kinder bauten sie eine zweite Etage; die Erwachsenen schliefen unten.
Anfangs wurden sie als Faschisten beschimpft, aber dann kam das Leben in Ordnung. Als allerdings (um schon vorwegzugreifen) Ende der 1970er Jahre Elsa Iwanownas Schwester einen Russen heiraten wollte (das Hochzeitskleid war bereits genäht), erhob die Großmutter des Bräutigams heftigen Widerspruch: entweder ich oder die Faschistin. Aus der Hochzeit wurde nichts. Bis in die 1970er Jahre wurden Deutsche auch nicht in die Armee aufgenommen, was eine große Demütigung bedeutete.Und verschiedene andere Dinge waren den Deutschen auch versagt – sogar nach 1956.
In Fomka arbeiteten sie in der Holzfällerei. Lohn bekamen sie nicht, sie schufteten für ihre tägliche Essensartion. Man rechnete nach „Strichen“ – einer Art Tagesarbeitseinheit. Die Ortsansässigen gaben ihnen gebrauchte Kleidung, und diejenigen, die bei Waldarbeiten beschäftigt waren, bekamen Fausthandschuhe und wattierte Hosen.
Die Frauen machten Handarbeiten, bleichten, wuschen – um sich das tägliche Brot zu verdienen. Mit Stricken und Häkeln versuchten sie etwas hinzu zu verdienen.
Maria Jakowlewnas Bruder, die bereits in Sibirien geboren wurde, starb in der Kindheit.
In Fomka lebten auch verbannte Kalmücken, Finnen, Letten, Ukrainer. Besonders schlecht vertrugen die Kalmücken die Deportation – sie kamen alle um.
Elsa Iwanowna nannte folgende Nachnamen von Sonderumsiedlern, die in Fomka lebten:
Iwan Iwanowitsch Schwenk geriet nach Sotino (unterhalb von Nikulino).Aber kurz darauf floh er mit ein paar anderen auf einem Dampfer (sie bestachen den Kapitän). Das Geld reichte nur bis Jarzewo. Dort wurden sie von der Kommandantur aufgegriffen; die schickte ihn jedoch nicht nach Sotino, sondern nach Fomka. Vater und Mutter heirateten 1952. Sie lebten bis 1978 in Fomka und zogen dann nach Ust-Kem um. Der Vater starb 1990, Mutter und Tochter von Elsa Iwanowna leben in Deutschland. Elsa Iwanowna und ihr Ehemann wohnten ebenfalls sechs Jahre (bis 2004) in Deutschland, aber sie fühlten sich dort nicht wohl: die Sprache ist ihnen fremd, es gibt keine Arbeit. Sie kehrten nach Ust-Kem zurück (das Haus hatten sie nicht verkauft, so dass Wohnraum vorhanden war).
Die Befragung erfolgte durch Aleksej Babij
(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“)
Vierte Expedition für Geschichte und Menschenrechte, Ust-Kem 2007