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Verbannungs- / Lagerhaftbericht von Ida Christianowna Wolosatsch

Geboren 1940 im 25 km von Odessa entfernten Neuburg (Nowogradowka), Owidiopolsker Bezirk, Gebiet Odessa.

Die Familie wurde im Herbst 1944 deportiert. Über die geplante Umsiedlungsaktion wurden sie zuvor nicht informiert; zum Packen gab man ihnen zwei Stunden. Sie durften pro Person bis zu 50 kg Sachen mitnehmen. Sie entschieden sich für eine Kuh, Kleidung, 5 Federbetten und 4 Kopfkissen.

Bis zur Bahnstation ging es mit Pferden. Dort wurden ihnen Pferde und Kuh weggenommen. Mit dem Zug gelangten sie nach Krasnpjarsk, im Waggon gab es nur ein einziges, winziges Fenster. Frauen, alte Leute und Kinder. Männer waren nicht dabei; manche waren im Krieg, andere waren umgekommen.

Die Verpflegung bestand aus Brot und Kompott ohne Zucker.

Sie waren fast ein Jahr unterwegs, fuhren durch Polen und Deutschland. (AB: vermutlich haben sich hier in der Erinnerung der damals vierjährigen Ida zwei Ereignisse miteinander vermischt: als die Deutschen die Odessa-Deutschen beim Zurückweichen mit sich bis nach Polen nahmen, wo sie sich dann schon von den deutschen Truppen trennten, dann in die sowjetische Zone gerieten, von wo aus sie nach Sibirien deportiert wurden. Die Erwachsenen wahrten wahrscheinlich Schweigen darüber, dass sie damals mit den zurückweichenden deutschen Truppen mitzogen, und deshalb ist in Ida Christianownas Gedächtnis das Bild so hängengeblieben, wie sie es hier schildert).

Unterwegs kam es zu Diebstählen, wenn der Zug anhielt. Manche starben vor Hunger. Während der Zugaufenthalte wurden sie begraben, nachdem man sie in irgendwelche Lumpen gehüllt hatte. Grabkreuze gab es nicht.

In Krasnojarsk lebten sie einen Monat in einem zweigeschossigen Haus. Dort schliefen sie auf dem Fußboden. Sie erhielten Verpflegung; gekocht wurde auf der Straße: sie hoben eine Grube aus, stellten seitlich Ziegelsteine auf, entfachten ein Feuer und stellten dann ihren Kochtopf auf die Ziegel.

Von Krasnojarsk brachte mit sie mit dem Dampfer „Lermontow“ nach Schirokij Log, wo sie zwei Monate lebten. Anschließend wurden sie auf Leiterwagen nach Kargino geschickt. Dort blieben sie über den Winter und wurden danach, erneut mit einem Dampfer, zur Insel Kartotschnij verschickt.

I.Ch.s Schwestern mußten Bäume fällen. 1949 beendete sie die erste Schulklasse.

Später wurden sie erneut nach Schirokij Log transportiert. Dort lebten sie in Baracken. Sie bauten sich selber Tische und hölzerne Bettstellen mit matratzenähnlichen Unterlagen aus Heu. In jeder Baracke hausten 5-6 Familien.

Ihre Sachen tauschten sie gegen Eßbares ein (ein Federbett gegen zwei Eimer Kartoffeln). Die Eltern mußten si jeden Monat einmal in der Kommandantur melden und registrieren lassen. Es war ihnen erlaubt Deutsch zu sprechen.

Mit 16 fing sie an in einer Fabrik für Eisenbahnschwellen zu arbeiten. Mit 18 heiratete sie einen Russen. Seine Eltern waren gegen die Heirat, aber trotzdem lebten sie dann zusammen.

1956 bekam sie einen Personalausweis.

Die Befragung erfolgte durch Swetlana Tschernousowa und Jewdokia Kuruschina

(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“)
Fünfte Expedition für Geschichte und Menschenrechte, Nowokargino 2008


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