Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Русский

Bericht von Daniel Friedrichowitsch Eisner

Daniel Friedrichowitsch Eisner (geb. 1953)

Vater Friedrich Genrichowitsch (geb. 1925) wurde zur Arbeitsarmee nach Turuchansk deportiert. Dort hatte eine Bäckersfrau Mitleid mit ihm und beherbergte ihn bei sich. Sie hieß Jelena Artemowna Djurjagina (Duragina), geb. 1919, die später seine Ehefrau wurde. Sie gab ihm zu essen. Sie hatte einen Sohn. Ihren ersten Mann hatten sie zur Front einberufen, er kehrte aus dem Krieg nicht wieder zurück.

Der Vater arbeitete beim Fischfang; in der Brigade gab es zahlreiche innen. Auch vor der Deportation hatte er schon beim Fischfang gearbeitet. Da war er also zum Fischfang losgefahren, und als er nach Hause zurückkam, war die Familie nicht mehr da. Erst in Sibirien fand er sie wieder.

1956 fuhren sie nach Sagaiskoje und mussten alles, was sie sich nach und nach angeschafft hatten, in Turuchansk zurücklassen. In der Familie gab es sieben Kinder (eines war der Stiefbruder, der schon früh verstarb, sowie sechs gemeinsame): Arthur und Fjodor (geb. 1947), Tamara (geb. 1950), Alexander (geb. 1951), Jekaterina (geb. 1952), Daniel (geb. 1953).

Sie lebten in einer Holzhütte in einer entlegenen kleinen Siedlung. Neben dem Haus legten sie einen Garten mit Ranetki (weiche Apfelsorte; Anm. d. Übers.) an; sie hoben selber die Gruben für die Pfähle aus, damit bei ihnen elektrische Kabel verlegt werden konnten. Daniel Friedrichowitsch erinnert sich noch an die lauten, fröhlichen Abende vor ihrem Haus. Später zogen sie nach Sagaiskoje. Die Mutter arbeitete auf einer Tabakfarm. Die Kinder ernteten ebenfalls Tabak. Die zusammengebundenen Blätter gaben sie ab und erhielten dafür ein paar Kopeken.

Der Vater trat in die Partei ein und war in seinem nachfolgenden Leben ein leidenschaftlicher Kommunist. Er konnte lesen und schreiben und hatte noch vor der Deportation eine Bescheinigung über den Abschluss der unvollständigen Oberschule in der Ortschaft Straub erhalten. Er war als Leiter der Farm tätig. Ein Jahr lebten sie in Motorsk, denn der Vater hatte die Ehre eines Kommunisten „besudelt“. Danach kehrten sie zurück.

Die Großmutter (Karolina, die Mutter des Vaters) wollte ihren Enkelkindern die deutsche Sprache beibringen, aber der Vater war kategorisch dagegen. Vater hatte eine Schwester namens Jekaterina (Katharina, Ehename Staitz/Steitz, ihr Sohn hieß Daniel); sie wohnte in Taschkent, später zog ihre Mutter zu ihr. Die Schwester reiste 1990 mit der Familie nach Deutschland aus; sie lud auch den Bruder ein. Aber Friedrich Genrichowitsch hat seine Heimat schon gefunden – in Sibirien.

Er selber sprach Deutsch und sang auch deutsche Lieder.

Die Bevölkerung verhielt sich freundlich. Es gab viele Deutsche dort. Es kam ein ganzes Kollektiv zusammen.

Das Interview wurde geführt von Darja Swirina.


Verabschiedung von Daniel Friedrichowitsch in die Armee. In der Mitte sitzen die Mutter, Daniel und der Vater, 1972

Forschungsreise der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astafjew-Universität Krasnojarsk und der Krasnojarsker „Memorial“-Organisation zum Projekt „Anthropologische Wende in den sozial-humanitären Wissenschaften: die Methodik der Feld-Forschung und Praxis der Verwirklichung narrativer Interviews“ (gefördert durch den Michail-Prochorow-Fond).


Zum Seitenanfang