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Befristete Verbannung bis Mitte der dreißiger Jahre


Fälle von Verurteilungen zu befristeter Verbannung in unsere Region vor 1930 sind uns nicht bekannt. Dafür begann man zumindest ab 1923 (und das fing bereits "unter Lenin" an) mit den Verschleppungen von Verbannten aus dem europäischen Teil der UdSSR und aus West-Sibirien in unsere Region, zum großen Teil ins Turuchansker Gebiet. Die typische und "gängigste" Verbannungsfrist wurde damals auf 2-3 Jahre festgesetzt.

In den zwanziger Jahren setzte sich ein beträchtlicher Teil der befristet Verbannten aus Geistlichen und Mitgliedern der sozialistischen Parteien (hauptsächlich Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre) zusammen, in den dreißiger Jahren Bauern und unerwünschte kommu-nistische Spitzenmitglieder der WKP/b, der Allrussischen Kommunistischen Partei der Bolschewiken (diese wurden allesamt den "Trotzkisten" zugerechnet, obwohl viele von ihnen meinten, daß Trotzki durchaus nicht besser war als Stalin). Beispielsweise geriet in den zwan-ziger Jahren der berühmte Chirurg Wojno-Jassenezkij (Bischof von Luk) in "turuchansker" Verbannung, und Anfang der dreißiger Jahre befand sich in Minussinsk der in Ungnade gefallene Kommunistenbonze L.B. Kamenjew in der Verbannung.

1928 sind Verbannungen (oder "Verschickungen") von Geistlichen sowie mit der Kirche verbundenen Tutoren aus Leningrad und den angrenzenden Kreisen in die Region Turuchansk festgehalten, und aus der Ost-Ukraine, einschließlich Charkow, in den Kreis Keschma an den mittleren Lauf der Angara. Solchen Verbannten stellte ein Sonder-Kollegium in der Regel bei Beendigung der Frist sofort eine neue Verbannungs- oder "Verschickungs"-Frist aus, ohne jegliche Aussicht auf eine neue "gerichtliche Untersuchung".

Befristete Verbannungen von Geistlichen in unsere Region hielten bis Mitte der dreißiger Jahre an. Damals verschleppte man sie nicht nur in den Norden, sondern auch in die Taiga-Kreise des Gebietes Atschinsk (möglicherweise auch ins Kansker Gebiet).

Ab 1930 herrschten jedoch in der Masse der befristet Verbannten die Bauern vor. In unserer Region kam es auch vor, daß die "Sondertrojka" den verhafteten Bauern keine Lager-, sondern eine Verbannungsfrist ausschrieb - wenn sich die Akte als dermaßen gefälscht erwies, daß es sogar den Straforgane irgendwie peinlich wurde. In der Regel wurden diese Verurteilten zusammen mit ihren Familien verbannt, und bei Ende der Verbannungsfrist verlegte man sie einfach in "Arbeitssiedlungen" (s. Abschnitt 1,3).Diese Verbannung war gewöhnlich innerhalb der Grenzen unserer Region lokalisiert.

Der erste "kompakte" Strom von befristet Verbannten in unsere Region bezieht sich auf das Jahr 1929. Es war die Verbannung aus Weißrußland (überwiegend aus den Gebieten Minsk und Witebsk) "in polnischer Sache", obwohl sich unter den Verbannten nicht nur Polen befanden, sondern auch viele russische Familien. Den Familien (formell - den Ehefrauen) erteilte man ebenfalls eine Verbannungsfrist, 2 oder 3 Jahre. Einen beträchtlichen Teil dieser Verbannten schickte man aus Krasnojarsk den Jenissej abwärts, Richtung Norden, in den Kreis Kasatschinskoje. Dort lud man sie in Galanino und Momotowo aus. Möglicherweise gelangte ein Teil dieses Stroms unverzüglich in die Siedlung Steklosawod (= Glasfabrik, 50 km westlich von Krasnojarsk). Nach Beendigung der Frist wurden die Verbannten in die Freiheit entlassen.

Analog (zu den "polnischen Angelegenheiten") ist ein Verbannungsstrom aus Weißrußland für Ende des Jahres 1932 festgehalten. Einige dieser Verbannten gerieten ebenfalls in die Siedlung Steklosawod. Auch sie wurden nach Ablauf der Frist freigelassen.

In dem riesigen Strom der Bauern-Verbannungen aus Transbaikalien in unsere Region (1931, s. Abschnitt 4.1) gab es auch befristet Verbannte. In diesem Fall gestaltete sich der Entste-hungsmechanismus von Verbannungsfristen analog zu den oben beschriebenen, die unsere Region betrafen.

In den dreißiger Jahren wurden auch Minussinsk und Chakassien Orte für eine befristete Verbannung in unserer Region (s. oben), besonders im Falle von Verbannung aufgrund politischer Aktivitäten. So wurde bereits 1935 eine Gruppe von "Trotzkisten" aus Charkow nach Chakassien (nach Schira) verschleppt.

Ohne die "befristete Variante" der Bauern-Verbannungen zu berücksichtigen, besaßen in unserer Region die Fälle von Verurteilungen zu befristeten Verbannungen offenbar keinen Massen-Charakter. Aus dem Jahre 1932 ist uns ein Fall befristeter Verbannung aus Uschur (Bezirk Atschinsk) nach Narym bekannt. In jenen Jahren lassen sich Fälle von zu Verbannung verurteilten Arbeitern aus dem Krasnojarsker Lokomotiven-Reparaturwerk Nr. 3 feststellen, - man verschleppte sie für drei Jahre nach Mittelasien (möglicherweise nach Samarkand). Das war eine der vergleichsweise frühen Episoden im Kampf der kommunistischen Mächte gegen die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, die im Lokomotiven-Reparaturwerk Nr. 3 tiefe Wurzeln besaß.


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