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Es bewahrheiten sich die schlimmsten Erwartungen im Hinblick auf das Schicksal der nichtstaatlichen Organisationen (NROs) in Rußland

Es bewahrheiten sich die schlimmsten Erwartungen im Hinblick auf das Schicksal der nicht-staatlichen Organisationen (NROs) in Rußland.

Pläne zur Verabschiedung von Gesetzesakten, die die Aktivitäten der NROs betreffen, wurden im Präsidentenrat der Russischen Föderation für die Unterstützung bei der Entwicklung von Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft sowie der Menschenrechtsorganisationen erörtert.

Im Präsidentenrat der Russischen Föderation für die Unterstützung bei der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft sowie der Menschenrechtsorganisationen wurden Dokumente besprochen, die von der Regierung der RF zum Zwecke der Durchsetzung des Föderalen Gesetzes (No. 18 – Föderale Gesetzgebung) vom 10. Januar 2006 „Über das Einbringen von Änderungen in verschiedene Gesetzesakte der Russischen Föderation“ erörtert.

Das vorliegende Gesetz, in dem grundlegende Änderungen von Gesetzesnormen vorgenommen wurden, die die Tätigkeiten gesellschaftlicher Vereinigungen und anderer nichtkommerzieller Organisationen auf russischem Territorium erheblich reglementieren, hat in Rußland und der gesamten Welt entschiedene Proteste hervorgerufen, weil es in ungerechtfertigter Weise die Unabhängigkeit der bürgerlichen Gesellschaft einschränkt.

Das Gesetz tritt am 18. April 2006 inkraft. Bis zu diesem Termin soll die russische Regierung durch eine entsprechende Verordnung einer großen Anzahl unterschiedlicher Dokumente zustimmen, die für die reale Wirksamkeit des Gesetzes unabdingbar sind.

Im Verlauf von zweieinhalb Monaten wurden die Schriftstücke in den innersten Kreisen der Regierung, in einer Atmosphäre voller Heimlichkeiten und unter vollständigem Ausschluß der Öffentlichkeit vorbereitet.

Kein einziger Vertreter der Öffentlichkeit wurde zur Mitwirkung an dieser Arbeit zugelassen.

Sogar die Bürger-Kammer, ein Organ, das eigens zu dem Zweck geschaffen wurde, ein angeblich hohes Maß an Offenheit seitens der russischen Behörden für gesellschaftliche Kontrolle zu demonstrieren, konnte weder ihre Vertreter zur Teilnahme an diesem Vorhaben schicken, noch gelang es ihr, die Entwürfe für die Schriftstücke zu erhalten.

Erst Anfang April, als der Entwurf einer entsprechenden Regierungsverordnung „Über Maßnahmen zur Realisierung der Artikel 2, 3 und 6 des Föderalen Gesetzes (No. 18 – Föderale Gesetzgebung) vom 10. Januar 2006 „Über das Einbringen von Änderungen in verschiedene Gesetzesakte der Russischen Föderation“ und ein ganzes Paket von beigefügten Schriftstücken fertiggestellt war, wurden die Mitglieder des Präsidentenrates für die Unterstützung bei der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft sowie Menschenrechts-organisationen damit bekanntgemacht.

An der Erörterung der Entwürfe, die im April stattfand, nahmen, außer den Mitgliedern des Rates, auch einige Mitglieder der Bürger-Kammer, eingeladene Experten sowie Vertreter des Justizministeriums der RF, der Steuerbehörden und der Föderalen Registrierungsbehörde teil.

Es muß unterstrichen werden, dass den Ratsmitgliedern und Experten für eine detaillierte Analyse des von der Regierung vorgelegten, äußerst umfangreichen Paketes an Schriftstücken viel zu wenig Zeit zur Verfügung stand. Daher wurden alle Fragen und Probleme, die bei den Vertretern der NROs entstanden waren, bereits bei der ersten Bekanntmachung erörtert.

Dabei wurde klar, dass die vorgelegten Entwürfe lediglich die staatliche Registrierung und Rechenschaftslegung der NROs betreffen (Rechenschaftslegung über ihre Aktivitäten, den Personalbestand ihrer leitenden Organe, Nachweise über die Art der Verwendung ihrer Geldmittel sowie die Nutzung anderweitigen Vermögens). Die Entwürfe zur Durchführung einer jährlichen Kontrolle der Aktivitäten von nichtstaatlichen Organisationen durch die russischen Registrierungsbehörden sind bislang noch nicht fertig.

Im Verlauf der Diskussion über den Entwurf der Regierungsverordnung und der entsprechenden Schriftstücke zur Registrierung von NROs wurden keine besonderen Fragen aufgeworden. Im Gegensatz dazu riefen die Dokumentenentwürfe bezüglich der Rechenschaftslegung der NROs grundlegende Widersprüche bei den Ratsmitgliedern, Experten sowie den Mitgliedern der Bürger-Kammer hervor, die an der Erörterung teilnahmen.

Es bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen, die bereits vor einigen Monaten von Vertretern ausländischer NROs geäußert wurden, als die Staatsduma der RF das betreffende Gesetz bereits diskutierte.

Dieser Mitteilung fügen wir lediglich ein einziges Dokument bei: den Plan für den Anhang Nr. 3 zur Regierungsverordnung:

„Rechenschaftsbericht über die Tätigkeiten nichtkommerzieller Organisationen und Angaben zum Personalbestand ihrer leitenden Organe für das Jahr ______ (pdf-Format 1,2 MB).

Gemäß diesem Dokument werden die NROs nun umfangreiche Rechenschaftsberichte an die russischen Registrierungsbehörden abgeben müssen, in denen nicht nur sämtliche, in die Realität umgesetzte Punkte ihres Tätigkeitsprogrammes, anstehende Projekte, deren Ziel und Zweck, die Herkunft vorhandenen Vermögens aufgeführt und Nachweise über die Durchführung allgemeiner Versammlungen oder Konferenzen, Vorstandssitzungen, Sitzungen der ausführenden und der Revisisionsorgane erbracht werden, sondern auch noch Nachweise über DURCHGEFÜHRTE VERANSTALTUNGEN.

Ebenso ist es völlig unverständlich, wozu die Regierung von den NROs Informationen und Angaben darüber zu erhalten wünscht, wie diese Organisationen ihre Tätigkeiten in den Masseninformationsmitteln und sogar im Internet darstellen.

Solche Forderungen rufen sowohl bei den Mitgliedern der NROs, als auch bei jeder beliebigen Einzelperson, die an ihren Aktivitäten regen Anteil nimmt, Entrüstung hervor. Die Notwendigkeit Angaben über durchgeführte Veranstaltungen zu machen folgt keineswegs aus dem Gesetzestext – es handelt sich um eine „schöpferische Entwicklung“ von Gesetzesnormen durch Beamte der russischen Regierung.

Wie konnten derartige Forderungen zustande kommen? Zwei Gründe lassen sich vermuten. Entweder sind sie das Ergebnis von Inkompetenz und Unfähigkeit, geboren im Kopfe eines Bürokraten, der sich mit dem realen Leben der NROs überhaupt nicht auskennt und der nicht begreift, was eine lebendige bürgerliche Gesellschaft eigentlich bedeutet. Oder sie sind , was das genaue Gegenteil wäre, die Frucht von Überlegungen vollkommen kompetenter Menschen, die ganz bewußt Methoden zur psychischen Unterdrückung der bürgerlichen Gesellschaft erarbeitet haben.

Jeder, der auch nur ein kleines Fünkchen Ahnung von den tatsächlichen Aktivitäten der Mitarbeiter einer NRO hat, muß begreifen, dass die Forderung nach detaillierten Angaben über alle durchgeführten Veranstaltungen, einschließlich Nachweise über deren Beginn und Beendingung, Auskünfte über Anzahl und Art der Teilnehmer, für die Organisation einen immensen Aufwand und eine erhebliche zusätzliche Belastung bedeutet.

Die bereits bestehenden, verschiedenartigsten Rechenschaftsverpflichtungen der NROs gegenüber den staatlichen Organen machen die Bereitstellung erheblicher Finanzmittel und das Abziehen von Personal aus dem Bereich erforderlich, der sich eigentlich ausschließlich auf die reale Hilfe an den Menschen konzentrieren soll. Die Notwendigkeit, umfangreiche Auflistungen und Nachweise über die während eines Jahres durchgeführten Veranstaltungen vorzulegen, zwingt die NRO in noch größerem Maße „unnütz herumzuwirbeln“ und nicht mehr in erster Linie für das Wohl der Menschen zu arbeiten, sondern vielmehr für die Rechenschaftsberichte gegenüber den Beamten.

Derartige Forderungen der Bürokraten, wie sie der rege tätigen, lebenswichtigen bürgerlichen Gesellschaft auferlegt werden, führen unausweichlich zu einer Bürokratisierung innerhalb ihrer - von der Definition her - keineswegs bürokratischen Strukturen.

Eine solche Bürokratisierung kann dazu führen, dass die NRO sich aus einer Vereinigung freier Menschen in eine hirarchisch aufgebaute Struktur verwandelt, in der die internen Bürokraten mit nichts anderem mehr beschäftigt sind, als an Rechenschaftsberichten für die staatlichen Bürokraten zu arbeiten. Aber genau das wollen letztere ja möglicherweise auch?!

Die Begriffe, die in dem vorliegenden Schriftstück verwendet werden, sind unklar, undeutlich und teilweise rätselhaft. Was soll beispielsweise eine „Veranstaltung“ sein? Ist das ein von der NRO organisiertes Beisammensein von Opfern politischer Repressionen mit Teetrinken, bei dem gleichzeitig über das Gesetz zur Umwandlung von Vergünstigungen in Bargeld-Zahlungen diskutiert wird? Oder meint man damit ein Treffen von NRO-Mitgliedern mit Wehrpflichtigen? Oder vielleicht das Verteilen von durch NRO-Mitglieder gesammelten Kleidungsstücken an Wohnungslose? Über jede kleinste Maßnahme soll man Rechenschaft ablegen? Und wodurch unterscheidet sich eine „grundlegende Maßnahme oder Veranstaltung“ von einer einfachen „Maßnahme“?

Derartige Ungenauigkeiten und unzureichende definierte Begriffe eröffnen schon von vornherein einen riesigen Freiraum für die Willkür der örtlichen Beamten. Die zu hoch gesteckten Forderungen und die Undeutlichkeit der Schriftstücke im Hinblick auf die Rechenschaftslegung können dazu führen, dass die NROs notgedrungen vergessen, die eine oder andere „Veranstaltung“ im Rechenschaftsbericht aufzuführen. Ganz nach Belieben kann der Beamte dann Meldung über eine Verletzung der verlangten Rechenschaftslegung machen und anschließend sogar die Anwendung von Sanktionen gegen die eine oder andere NRO erwägen (ganz nach dem Gutdünken der Behörden).

Und womit läßt sich letztendlich überhaupt der Wunsch der Behörden rechtfertigen, von den NROs praktisch über jeden einzigen Schritt ihrer Tätigkeiten einen Nachweis zu erhalten? Selbst der Europarat bezeichnet „die Kontrolle des Staates über die Aktivitäten der NROs als ungerechtfertigt“.

Den Mitgliedern des Rates liegen ernstzunehmende Hinweise auch auf andere Dokumente in puncto Rechenschaftslegung von NROs vor.

So unterscheidet sich beispielsweise der Vordruck für den buchhalterischen Rechenschaftsbericht, der an die russische Registrationsbehörde zu schicken ist, von dem, der aus dem gleichen Grund derzeit von den NROs an verschiedene andere Prüfungsorgane gesendet werden muß. Daraus folgt, dass die Buchhalter der NROs in Zukunft gleichzeitig zwei Rechenschaftsberichte führen müssen. Und das macht das Leben der großen NROs erheblich komplizierter, und die kleineren wird es zugrunde richten.

Die strukturellen Gliederungen der ausländischen NROs im Hinblick auf die Rechenschaftslegung wurden im Vergleich mit den russischen NROs ganz bewußt in einen noch schärferen Rahmen gezwängt.

Daher entspricht die Behauptung zahlreicher russischer Amtspersonen, dass es gegenüber ausländischen NROs keinerlei diskriminierende Maßnahmen geben wird, absolut nicht der Wirklichkeit.

Praktisch auf keine ihrer Fragen erhielten die Mitglieder des Rates in irgendeiner Weise eine klare Antwort von den Vertretern der Staatsorgane.

Die zur Erörterung der Dokumentenentwürfe gekommenen Vertreter der staatlichen Behörden erklärten ihre Bereitschaft, alle Anmerkungen und Vorschläge für eine Abänderung der Schriftstücke, die der Rat formulieren wird, unverzüglich an die Regierung der Russischen Föderation weiterzuleiten.

Im übrigen konnten sie natürlich keine Garantie dafür abzugeben, dass die Vorschläge auch Berücksichtigung finden. Zudem gibt es ihrer Meinung nach zum Einbringen der Änderungsvorschläge genügend Zeit, da Rechenschaftsberichte nach den neuen NRO-Formularen erst zum 15. April 2007 in Erscheinung treten werden.

Außerdem wurde den Ratsmitgliedern vorgeschlagen, Arbeitsgruppen zur Erarbeitung methodischer Empfehlungen zu bilden, auf deren Grundlage die Beamten dann künftig auch

ihre Arbeit an NRO-Rechenschaftsberichten durchführen werden.

Der Präsidentenrat der Russischen Föderation für die Unterstützung bei der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft sowie der Menschenrechtsorganisationen stellt seine ersten Vorschläge zur Änderung der die Rechenschaftslegung der NROs betreffenden Dokumente bereits am 10. April vor.

Dabei besteht laut Meinung des Rates keinerlei Notwendigkeit, bereits im April 2006 NRO-Rechenschaftsdokumente zu billigen, deren Vorlage tatsächlich erst im Jahre 2007 verlangt wird.

Wir erklären, dass sich einstweilen die allerdüstersten Vermutungen bewahrheiten, die bereits von zahlreichen Mitgliedern russischer und ausländischer NROs, gesellschaftlich engagierter Menschen und Politiker anläßlich der Aufnahme von Gesetzesänderungen in die russische Gesetzgebung geäußert wurden – Änderungen, die die Tätigkeiten der NROs in unserem Lande reglementieren.

Sowohl die Art, wie die Regierung Gesetzesakte ausarbeitet, als auch das, was zum Schluß dabei herauskommt, zeigt ganz klar, dass sich die Tätigkeit der Behörden gegen die in Rußland existierende und von den Behörden unabhängige, lebenswichtige bürgerliche Gesellschaft richtet.

Gezeichnet:

die Mitglieder des Präsidentenrates der Russischen Föderation für die Unterstützung bei der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft sowie der Menschenrechtsorganisationen

O.P. Orlow – Vorsitzender des Menschenrechtszentrums „Memorial“

S.A. Gannuschkina – Mitglied des Menschenrechtszentrums „Memorial“, Vorsitzende des Komitees „Bürgerhilfe“

Anhang: „Rechenschaftsbericht über die Tätigkeiten nichtkommerzieller Organisationen und Angaben zum Personalbestand ihrer leitenden Organe für das Jahr ______“ (pdf-Format 1,2 MB) oder jpg-Format (zip-Datei) 1,1 MB.

hro.org