Die Basis der Aktivitäten von MEMORIAL ist das Sammeln von Informationen über politische Repressalien aus der "Sowjet"-Periode unserer Geschichte.
Als Informationsquellen dienen behördliche (UWD, UFCB, Gerichts-) und staatliche Archive, Veröffentlichungen, Mitteilungen von Zeugen und Teilnehmern an Ereignissen, die in Zusammenhang mit den Massenrepressalien stehen (von Unterdrückten selbst oder von ihren Familienmitgliedern). Es werden Expeditionen zu Verbannungsorten und Konzentrationslagern erfolgen (Kraslag, 503).
Alle auf diese Weise erhaltenen Informationen werden fixiert durch die Zusammenstellung von Informationsmeldungen, Eintragen in Katotheken und Datenbasen beim Polit-Komitee, Kopien der Dokumente, Fotografien, Briefe aus den Lagern und Gefängnissen und andere historische Materialien sind inventarisiert und untergebracht im Archiv von MEMORIAL.
Zur Zeit bestehen die Kartotheken und Archive der Krasnojarsker Filiale aus Materialien von mehr als 20.000 Personen, die politischen Verfolgungen unter dem kommunistischen Regime unterworden waren. Im wesentlichen Personen, die Repressalien auf dem Gebiet unseres Gebietes ausgesetzt waren oder sich hier in Gefängnishaft oder Verbannung befanden. Die gesammelten Infomationen und historischen Dokumente dienen uns zu Aufklärungsarbeiten und Vorträgen, zur Durchführung von Ausstellungen und Veröffentlichungen in der Presse.
In den vergangenen sieben Jahren konnten durch unsere Hilfe mehrere Hundert ehemalige Häftlinge und Verbannte Dokumente über ihre Rehabilitierung erhalten.
Zur Zeit wenden sich an unshauptsächlich ehemalige Verbannte und Kinder von Repressionsopfern.
Im Durchschnitt senden wir pro Monat etwa 50 - 70 Anfragen oder Gesuche an verschiedene Instanzen und Regionen (nicht eingeschlossen Gesuche an den Gebiets-prokurator zur Anerkennung von Geschädigten, für die wir Vordrucke ausstellen, die im Jahre 1993 erarbeitet und mit dem Staatsanwalt abgestimmt wurden.
Ziel des Projektes ist die Leistung praktischer Hilfe für Repressionsopfer und deren Familienmitglieder bei der Wiederherstellung ihrer Rechte in Übereinstimmung mit dem Gesetz der RF "über die Rehabilitation von Opfern politischer Repressalien".Zum Begriff der Wiederherstellung der Rechte von Repressionsopfern und deren Familienmitgliedern gehört demnach der Erhalt von Dokumenten über die Rehabilitation oder über die Anerkennung als Geschädigte von politischen Repressalien, die Gewährleistung ihrer Rechte (Sondervergünstigungen), aufgestellt im Gesetz "über Rehabilitationen", von denen sie Gebrauch machen aufgrund der Dokumente über Rehabilitation oder Anerkennung als Geschädigte von politischen Repressalien, Zahlung von Entschädigungen für Vermögen, das ihnen oder ihren Familien als Folge der Repressalien abhanden gekommen ist und ebenso Zahlungen an ehemalige Gefangene zur Kompensation für die tatsächliche Dauer ihrer Gefangenschaft.
Die Notwendigkeit einer derartigen Hilfeleistung ist dadurch entstanden, daß vielen Repressionsopfern und deren Familienangehörigen alle Dokumente fehlen, die zum Erhalt von Auskünften über Rehabilitation und Schadensanerkennung erforderlich sind. In vielen Fällen erfahren sie Schwierigkeiten bei der Beschaffung der nötigen Dokumente, weil sie nicht wissen, an wen man sich wie wendet. Für Appelle in Sachen
Rehabilitation oder Geschädigten-Anerkennung, ebenso wie Entschädigungen im Zusammenhang mit dem Verlust von Vermögen, ist es unbedingt wichtig, von den vorhandenen Dokumenten Kopien in ausreichender Anzahl zu besitzen.
In einigen Fällen, bei Leuten, die das Recht auf Sondervergünstigungen erhalten haben in Übereinstimmung mit dem Gesetz "über Rehabilitationen", sehen diese sich in Schwierigkeiten bei der Nutzung dieser Sonderrechte, gewöhnlich wegen unzureichender Kompetenzen der Wohlfahrtsorganisationen.
un der kommunalen Behörden, aber manchmal auch wegen offensichtlich fehlender Bereitschaft der kommunalen Mächte, die Gesetze zu erfüllen. In solchen Situationen wird es notwendig, Erläuterungen zu den erlassenen Sondergesetzen zu geben (sowohl denen, die ihre Rechte geltend machen, als auch den entsprechenden Behörden), und im Falle eines unmittelbaren Gesetzesverstoßes von Seiten der Macht ist es geboten, sich an die Organe der staatsanwaltlichen Aufsicht zu wenden.
1) Feststellung des Personenkreises, der Hilfe von Seiten der "Memorial" braucht.
Seit Beginn der Arbeit von "Memorial Krasnojarsk", d.h. seit 1988, haben Opfer verschiedener Repressalien sich teils persönlich, teils in schriftlicher Form, an uns gewandt: die in Lagern ihre Zeit abgesessen haben, Verbannte, Verschickte, in Gefängnissen Festgehaltene (ohne Verurteilung) und andere, ebenso Kinder (oder andere Verwandte) von Repressionsopfern, darunter Erschossenen, und Menschen, die in Gefängnissen, Lagern und während der Verbannung umgekommen sind.
Die Mehrheit der Repressionsopfer, die sich an uns gewendet haben, besaß zu dieser Zeit aus verschiedenen Gründen noch keinerlei Dokumente über Rehabilitation, jedoch im wesentlich deshalb, weil sie einfach nicht wußten, an wen sie sich zur Durchsetzung der Rehabilitation wenden sollten und wie.
Analog sah die Situation mit den Kindern der Opfer aus, die in der Mehrheit der Fälle überhaupt nichts über das Schicksal ihrer Eltern nach deren Verhaftung wußten (selbst wenn sie irgendwann einmal eine Auskunft über deren Rehabilitation erhalten hatten).
Durch jene, die sich an uns gewendet haben, gelingt es uns gewöhnlich andere Menschen zu finden, die Hilfe bei den erwähnten Fragen brauchen.
Seit Anfang 1994 hat die Zahl der Anfragen wesentlich zugenommen, denn im Zusammenhang mit der Verabschiedung des 2. Gesetzes "Zur Rehabilitation" begann die Staatsanwaltschaft mit der Herausgabe von Auskünften zur Anerkennung von Geschä-digten politischer Repressionen. Zur Zeit wenden sich an uns jeden Monat 100 - 120 Menschen (30 - 40 davon, die erstmalig so eine Anfrage verfassen). Ungefähr die Hälfte von ihnen wird von der Kreis-Staatsanwaltschaft an uns verwiesen.
2) Suche nach Dokumenten, die zum Erlangen der Rehabilitation oder (für die Kinder der Opfer) zur Anerkennung als Geschädigte erforderlich sind.
Falls die Person, die Repressalien erlitten hat oder durch solche zu Schaden gekommen ist keine Dokumente über die Rehabilitation (die eigene oder die der Eltern) besitzt, dann sind in der Regel weder Daten über die Verurteilung noch über die Organe bekannt, die die Entscheidung über die Anwendung von Repressalien gefällt haben. Ebenso ist nicht bekannt, ob die genannte Entscheidung vorher noch einmal geprüft wurde.
Die größten Schwierigkeiten treten in dem Fall auf, wenn das Opfer während der Zeit des Militärdienstes verhaftet wurde. In diesem Fall ist es schwierig herauszufinden, in welchem Verbrecherarchiv sich die Akten befinden, die in den übrigen Fällen gewöhnlich am Verhaftungsort aufbewahrt werden.
Es kann sich herausstellen, daß die Aufbewahrung im Geburtsort des Opfers erfolgte, dort, wo er einberufen wurde, am Verhaftungsort oder auch in einem der Archive des Verteidigungsministeriums.
Deswegen muß man zur Beschleunigung der Suche die Anfragen "fächerartig" ausrichten. Zum Erhalt von Schadensersatzleistungen für die Zeit der Haft (Abs. 15 des Gesetzes zur Rehabilitation) und zur Neuberechnung der Renten sind auch Archivnachfragen erforderlich (bezüglich der tatsächlichen Haftdauer), oft sogar, bei Vorhandensein, Lagerbescheinigungen über die Freilassung, denn in den Lagerauskünften sind keine Verhaftungsdaten eingetragen (außer im Retsch-Lag und im Dubrav-Lag).
In dieser Frage ergibt sich die größte Schwierigkeit dann, wenn das Opfer nach dem Lageraufenthalt nicht in der Verbannung war und er selbst nicht genau weiß, in welchem Lager er einsaß (offizielle Lagerbezeichnungen waren den Gefangenen nirgends bekannt).
In solchen Fällen muß ebenfalls mittels "fächerförmig" ausgerichteter Anfragen vorgegangen werden.
In Fällen, wo der Lagerhaft die Verbannung folgte, ist es am einfachsten, Archivauskünfte vom UWD des Verbannungsortes zu erhalten.
Analoge (aber viel ernsthaftere) Schwierigkeiten entstehen bei der Suche nach Dokumenten darüber, daß die betreffende Person im Lager umkam.
Diese Dokumente sind unerläßlich für die Anerkennung der Kinder als Geschädigte von Repressionsopfern, wenn im Augenblick der Verhaftung der Vater (oder die Mutter) bereits die Volljährigkeit erreicht hatten.
Einen erheblichen Aufwand an Zeit und Kraft (im Zusammenhang mit wiederholten Anfragen) erfordern nicht selten Fälle, wenn in Verbrecherakten oder Lagerarchiven verfälschte Familiennamen von Opfern eingetragen sind (manchmal auch andere festgestellte Angaben). Die Art der Fälschung ist völlig unvorhersehbar, sogar bei einfachen russischen Familiennamen, ganz zu schweigen von fremdsprachigen (ukrainischen, usw.).
Der Erhalt von Dokumenten, die in Zusammenhang mit den Deportationen der 30er Jahre stehen ("Bauern-Verbannung", "Kirow-Affäre" und andere), ist deswegen äußerst schwierig, weil die Archive der Sonderkommandanturen für die erwähnten Repressionskategorien Mitte der 50er Jahre beseitigt wurden, in Übereinkunft mit den Direktiven des "Zentrums". Die Feststellung tatsächlicher Repressionsmaßnahmen kann vor Gericht erfolgen, doch dazu muß man Zeugen finden. Manchmal gelingt es uns, ehemaligen Verbannten bei der Suche nach Zeugen zu helfen. Wir stellen auch Suchanfragen ans Gericht zur Feststellung von Repressionsfakten.
Archivmaterialien über Deportationen in den 40er und 50er Jahren aus den Ländern des Baltikums, der Westukraine und West-Weißrußlands wurden 1965 aus den Gebieten der Sondersiedlungen an die Verbannungsorte gesendet.
In diesen Fällen kommen sowohl Dokumente über die Rehabilitierung, als auch Archivauskünfte über Zeiten der Verbannung dementsprechend aus den Ländern des Baltikums, der Ukraine und Weißrußlands.
Bei der Arbeit mit Opfern chruschtschowscher Verbannungen (in diesem Fall durch die "Nichtstuer-Verordnung", als sich Verfolgungen von Aktivisten verschiedener religiöser Konfessionen verstärkten), stellt sich gewöhnlich heraus, daß ein einziges erhaltenes Dokument, welches die Anwendung von Repressalien bestätigt - das ist die Entscheidung des Gebietspolitkommittees - im Staatsarchiv aufbewahrt wird. Es erfordert erhebliche Mühen, die Rechtsorgane dann davon zu überzeugen, daß auf diese Kategorie von Repressionsopfern das Gesetz über Rehabilitation ausgeweitet werden muß.
3) Erhalt von Dokumenten zur Rehabilitation oder zur Geschädigtenanerkennung
Nach Ermittlung der Aufbewahrungsorte der Archiv-Verbrecherakten und nach Erhalt von Auskünften oder übersichtlichen Briefen von der entsprechenden Verwaltung des KGB / FSB stellt sich heraus, ob die Akte bereits überprüft wurde und, wenn ja, von wo aus die Anfrage nach einer Rehabilitation gerichtet werden muß.
Wurde die Akte noch nicht geprüft, erfolgt die Anfrage nach Rehabilitierung in Übereinstimmung mit §§ 7, 8, 9 des Rehabilitationsgesetzes.
Das Gesuch zur Geschädigtenanerkennung gemäß Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft der RF erfolgt am Wohnort des Antragstellers (der Kinder des Opfers), jedoch, in Anbetracht unüberlegter (unserer Ansicht nach) Formulierungen im § 8 des Rehabilitationsgesetzes, hat nur der Staats-anwalt am Aufbewahrungsort der Archiv-Verbrecherakten das Recht, das Gesuch auszuhändigen.
Das führte dazu, daß die Staatsanwälte anfingen, die Annahme derartiger Gesuche aus "fremden" Gebieten zu verweigern.
Die Person des zu Rehabilitierenden (wegen Lagerhaft oder Verbannung) muß gemäß ukrainischer und baltischer Gesetzgebung, wenn er in der RF wohnt, den Organen der Sozialhilfe die Dokumente in der Amtssprache, d.h. Russisch, vorlegen. In diesen Fällen übernehmen wir die Anfertigung der Übersetzungskopien sowie deren notarielle Beglaubigung (denn, laut Notariatsgesetz, kann sich in der Eigenschaft des Übersetzers nicht die Person ausdrücken, die unmittelbar dieses übersetzte Dokument betrifft).
In unserer Praxis treffen wir (obwohl verhältnismäßig selten) auf abgelehnte Rehabilitationsfälle (in der Regel offensichtlich unzureichend begründete).
In diesen Fällen werden Maßnahmen eingeleitet, die im Gesetz zur Rehabilitation im Hinblick auf die Beschwerdeordnung vorgesehen sind.