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Luisa Johansowna Felk. Erinnerungen

Felk, Luisa Johansowna (geb. 1927)
zur Zeit der Aussiedlung - Jugendliche

(Die Auskunft wurde anhand der Erinnerung der Tochter, Nina Wassiljewna Tichonowa, zusammengestellt)

1927. — Geboren in der Stadt Engels, Gebiet Saratow, als Tochter ethnischer Deutscher. Vater – Johans Johansowitsch Felk, Fahrer. Mutter – Jekaterina (Katharina) Gottliebowna Felk, Hausfrau.

1941, Juni. — Beendigung der 7-Klassen-Schule.

1941, Herbst. — Deportation der Wolgadeutschen. Verhaftung des Vaters, Verbüßung der Strafe in Krasnojarsk. Einmonatige Etappe der Mutter mit zwei Kindern in Güterwaggons in die Verbannung nach Burjatien, in die Stadt Sakamensk. Die Behörden erteilen Luisa das Verbot die Schule in Sakamensk zu besuchen.

1941–1945. — Luisa und ihre Mutter verrichten alle menschlichen Kräfte übersteigende Arbeiten im Wolfram- und Molybdän-Bergwerk. Verächtliche Haltung der Ortsansässigen gegenüber den Deportierten. Notwendigkeit sich zweimal im Monat bei der Kommandantur zu melden. Entzug der Bewegungsfreiheit auf heimischem Territorium.

1945. — Luisas Heirat. Ehemannж – Wassilij Michailowitsch Iwanow, Frontkämpfer, gebürtig aus Rschew.

1946. — Ankunft des Vaters, J.J. Felk, in Sakamensk, Arbeit als Busfahrer.

1950-er Jahre. — Geburt von Tochter Nina und später - zwei weiteren Kindern.

1960-er Jahre. — Arbeit in Kohlegruben.

1967. — Tochter Nina beendet die städtische technische Berufsfachschule in Klin. Arbeit im Kombinat «Chimbolokno».

Rehabilitiert.


Meine Großeltern mütterlicherseits waren Deutsche. Sie lebten im Gebiet Saratow in der Stadt Engels. Sie hatten zwei Kinder. Großvater Johans Johansowitsch Felk war als Fahrer beim Vorsitzenden des Stadt-Exekutivkomitees tätig, Großmutter Jekaterina (Katharina) Gottliebowna, war Hausfrau.

1941, im Herbst, wurden die im Wolgagebiet lebenden Deutschen deportiert. Und unser Großvater wurde verhaftet. Er verbüßte die Strafe in Krasnojarsk. Großmutter wurde mit den Kindern nach Burjatien verschleppt, in die Stadt Sakamensk. Meine Mutter, Luisa Johansowna Felk, war damals 14 Jahre alt. Sie beendete die nicht vollständige Mittelschule (7 Klassen) in Engels, und als sie nach Sakamensk kamen, verbot man ihr den weiteren Schulbesuch.

Wie Mama berichtete, gingen die Menschen bis zum Sammelpunkt in Saratow 20 Kilometer zu Fuß durch Matsch und Kälte. Anschließend wurden sie auf Güterwaggons verladen und waren mehr als einen Monat lang unterwegs. Es herrschte große Kälte, die Verpflegung war praktisch aufgebraucht. Unterwegs konnten die Menschen während der Zug-Halte, sofern es ihnen möglich war, persönliche Dinge gegen ein Stückchen Brot, Kartoffeln oder, wem es gelang, Graupen einzutauschen, nur konnten sie sie nirgends kochen.

Man brachte sie nach Sakamensk – dort gab es Gruben zur Gewinnung von Wolfram, Molybdän und Kohle. Die Arbeit war sehr schwer, für Frauen beinahe unerträglich. Die Menschen verhielten sich ihnen gegenüber in verächtlicher Art und Weise – sie sagten, die Deutschen sind unsere Feinde. Und als wir sagten, dass wir Russland-Deutsche von der Wolga wären – verstanden die Ortsansässigen das nicht.

Alle, die hierher verschleppt worden waren, besaßen kein Recht auf Bewegungsfreiheit auf heimischem Territorium. Und zweimal im Monat waren sie verpflichtet sich in der Kommandantur zu melden.

So vergingen die schwierigen, beschwerlichen Jahre der Verbannung.

1946 fand der Großvater seine Familie wieder und kam nach Sakamensk, wo er als Busfahrer arbeitete.

Im Alter von 17 Jahren heiratete Mama. Mein Papa ist Wassilij Michailowitsch Iwanow, gebürtig aus Rschew, Gebiet Twer. 1944 war er an der Front verwundet worden, und man schickte ihn ins Hospital nach Nowosibirsk. Dort wurde er ein Jahr lang behandelt, anschließend schickte man ihn nach Burjatien. So kam er nach Sakamensk, bewachte politische Häftlinge. Dort lernten er und Mama sich kennen und heirateten. Sie bekamen vier Kinder: zwei Söhne und zwei Töchter. Ich war das zweite Kind in der Familie (geb. 1950.

Mama arbeitete im Kohlebergwerk, die Kinder wurden größer, besuchten die Schule. Besondere Verachtung und Unannehmlichkeiten erfuhren wir nicht. Die Bevölkerung begann uns anständig zu behandeln. Viele änderten ihren Nachnamen in russische Familiennamen, deswegen hatten wir auch keinen Ärger.

Papas Schwester lebte in Klin. Und da es in Sakamensk keine geeigneten Arbeitsplätze für junge Menschen gab, brachte Papa mich und meine Schwester nach Klein. Ich absolvierte die städtische technische Berufssfachschule-62 in Klin, erhielt 1967 eine technische Ausbildung und nahm eine Arbeit beim «Chimbolokno» auf – als Aufwicklerin in der Viskose-Produktion. Dort war ich 34 Jahre tätig.

Ich heiratete. Ich habe 3 Kinder, Enkelkinder. Jetzt bin ich in Rente.

Ich erhielt Dokumente darüber, dass ich als rehabilitiert anerkannt wurde, denn meine Mama wurde aus nationalen Gründen als Unzuverlässige während des Großen Vaterländischen Krieges deportiert.

Aufgezeichnet mit den Worten von Nina Wassiljewna per Telefon.

 

Tichonowa, N.W. [Erinnerungen] // Buch des Gedenkens und der Erinnerungen an die Opfer der politischen Repressionen im Klinsker Bezirk, Gebiet Moskau. - Klin (Gebiet Moskau), 2005. - S. 248–249.

Die Computer-Datenbank "Erinnerungen ans GULAG und seine Urheber" wurde vom Sacharow-Zentrum erstellt.


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