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Heimatkunde-Museum des Autonomen Gebietes Tajmyr. „Museumsbote“. Ausgabe 1.

Elsa Iwanowna Grischko (Karchu). Der Vater war mit uns in der Verbannung

Geboren 1929 in einer finnischen Familie im Dorf Sjargi, Gebiet Leningrad. Lebt heute in der Siedlung Potapowo.

Карху Егор Иванович 1942... Es geschah im März des Jahres 1942. Zwei Männer kamen in unser Haus und sagten: „Macht euch fertig zur Abfahrt. Aber ihr dürft nicht mehr als 30 kg Gepäck mitnehmen.“ Während der Fahrt nach Sibirien verkauften wir nach und nach all unsere Sachen. Völlig unerwartet hatten sie uns aus unseren Heimatorten vertrieben, auf Fuhrwerke verladen und uns fort gebracht. Während wir noch in Fahrzeugen über den Ladogasee fuhren, kam ein deutsches Flugzeug und fing an, uns unter Bombenbeschuß zu nehmen.

Auch unser Vater Jegor Iwanowitsch Karchu, geboren 1905, entging der Verbannung nicht, obwohl er 1939 im Finnischen Krieg gegen die Finnen gekämpft hatte. Wohin und weshalb sie uns nun verschleppten, das sagte uns kein Mensch. Schließlich kamen wir in der Region Krasnojarsk, im Kansker Bezirk, an. Der Vater wurde zwar unterwegs krank, überlebte jedoch.

In Sibirien kam uns alles sehr still vor. Männer gab es nicht, sie waren alle an der Front. Sie gaben uns ein sehr schönes Haus mit Grundstück, Vater und Mutter gingen zur Arbeit und bekamen dafür ihre Essensration. Im Sommer wurden wir in den Norden abtransportiert. Mutter weinte, daß sie von dort wegfahren sollten, denn sie mußten dort im Garten viele Blumen zurücklassen und durften auch keine Sachen mitnehmen. In unserem Wohnort waren Soldaten zu Übungszwecken – die überließen uns ihre Pullover.

Man brachte uns unverzüglich in die Siedlung Potapowo im Bezirk Dudinka. Wir waren zu viert: Mama, Papa, Bruder William und ich. Unser jüngster Bruder starb im Alter von nur eineinhalb Jahren auf der Fahrt nach Sibirien.

In Potapowo gab es damals noch keine weiteren Verbannten. Früher hatten hier die Kaufleute Iwanow sowie die Familien Mirgunow und Grischko gelebt. In Potapowo arbeitete der Vater in der Ziegelei. Die Ziegel waren von guter Qualität, man transportierte sie in die Stadt und den Bezirk Dudinka. Mama arbeitete als Melkerin in der Sowchose, der Vater war ein guter Zimmermann.

Im Winter besuchte ich die Schule. Im Alter von vierzehn Jahren begann ich zu arbeiten. Ich salzte Zwiebeln ein, die in Fässern lagerten; aber ich arbeitete auch in der Ziegelfabrik und erledigte verschiedene Arbeiten auf der Sowchose. Es gab nur wenig Gutes, aber wir hatten bei allem trotzdem Glück, denn wir durften gemeinsam mit dem Vater in der Verbannung leben. Er verstand, wie alles gemacht werden mußte, und deshalb gelang es uns auch.zu überleben.

Aufgezeichnet in der Siedlung Potapowo im Jahre 1992.


William Jegorowitsch Karchu mit seiner
Ehefrau Lydia Koch, Potapowo 1960er Jahre

 


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