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Norilsker „Memorial“, Ausgabe 5-6, Oktober 2010

Tun, was getan werden muss

Diese Ausgabe unseres Sammelbandes ist der zwanzigjährigen Tätigkeit der Norilsker „Memorial“-Organisation und dem 20. Jahrestag der ersten Ausgabe des „Norilsker Memorial“ gewidmet, dessen Verzeichnis als Grundlage für die Vorbereitung der Nummern 5-6 verwendet wurde.

Nicht zufällig wurden neben neuen Materialien von Forschern der Geschichte des Norillag auch Erinnerungen sowie Organisation in den 1980er und 1990er Jahren an die Adresse des Museums und der „Memorial“-Organisation gerichtete Briefe mit aufgenommen, denn sie charakterisieren zum Teil die Tätigkeit von „Memorial“ in der damaligen Zeit.

Wenn man den alten Schriftverkehr liest, die Seiten des vorherigen Sammelbandes des „Norilsker Memorials“ durchblättert, erinnert man sich ganz unfreiwillig daran, wie alles begann, wovon die Norilsker Geschichtsaufklärungsgesellschaft „Memorial“ lebte, die im November 1989 gegründet wurde.

Zum von der Gründungsversammlung gewählten Vorstand gehörten 37 Personen, un ihnen einige berühmte Norilsker: der Journalist und Schriftsteller A. L. Lwow, der Journalist und Poet L.I. Winogradskij (einer der allerersten Initiatoren der Schaffung des „Komitees zur Verewigung der Erinnerung an die Opfer der stalinistischen Repressionen in den 1930er bis 1950er Jahren“ un, darauf aufbauend, der Gesellschaft „Memorial“), die Dozentin am Lehrstuhl für Humanwissenschaften des Norilsker Industrie-Instituts O.N. Chakimulina, der Sekretär des Stadtkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion G.D. Tscheburaschkin (ich kann mich nicht entsinnen, dass Georgij Dmitrijewitsch an den Versammlungen der Memorialer teilnahm, aber ich weiß, wie er mit uns gemeinsam die Überreste vom entweihten Friedhof am Fuße des Schmidt-Berges einsammelte und uns immer mit administrativen Ressourcen unterstützte), der Direktor des Instituts „Norilsk-Projekt“ A.I. Kosjura, der Ingenieur der Norilsker Geologischen Expedition I G.I. Saprykin, der Direktor der Maschinenbaufabrik W.W. Schpakowskij (die Maschinenbaufabrik ist nach wie vor ein ständiger Helfer und wahre Freund des Museums), der Prior der Kirche „Allen Trauernden zur Freude“ Vater Sergij, die Ingenieurin und Erbauerin Bera Konstantinowna Pauser, die Ingenieurin des Versuchs- und Forschungszentrums für Bergbau und Metallurgie Larissa Nikolajewna Kowalenko, die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Museums Alla Borisowna Makarowa, Nina Semjonowna Dsjubenko und andere, die ehemaligen politischen Häftlinge des Norillag Iwan Terentjewitsch Sidorow, Serafim Wassiljewitsch Snamenskij, Andrej Michailowitsch Ljubenko, Gunar Robertowitsch Kroders, Dmitrij Iwanowitsch Michailow, Igor Borisowitsch Panschin, Willis Karlowitsch Traubergs, Matwej Matwejewitsch Dudutis, Jadwiga Wikentjewna Malewitsch, Olga Grigorjewna Jaremtschuk, Aleksander Artemwoitsch Moroschenko u.a.

Erste Vorsitzende der städtischen Gesellschaft „Memorial“ war die Direktorin des Museums Lilia Grigorjewna Petscherskaja, und gerade deswegen ist wohl auch die gesamte weitere und auch heutige Tätigkeit des Museums mit der Memorial-Bewegung verknüpft, mit jener riesengroßen Verantwortung, die das Museum auf sich genommen hat – für die vollständige Wiederherstellung der Wahrheit über die tragische Vergangenheit von Norilsk, für die Verewigung der Erinnerung an die Opfer der politischen Repressionen.

Keines der oben aufgezählten ersten Mitglieder von „Memorial“ befindet sich heute noch in Norilsk, manch einer ist aufs „Festland“ umgezogen, doch die meisten von ihnen haben sich – von dieser Welt verabschiedet. Sie alle verdienen unsere unermessliche Dankbarkeit für das, was sie mit ihren Taten Norilsk in Bewegung gebracht haben, für den vor der Barbarei geretteten Friedhof am Fuße des Schmidt-Berges, für die ersten Zeichen des Gedenkens mit reuevollen Aufschriften, für die ersten Tage der Er8innerung, die inzwischen zur Tradition geworden sind, für das zurückeroberte Recht auf ein Denkmal „der Opfer des Norillag“…

Seit dem Jahr 2000 existiert die städtische Organisation „Memorial“ juristisch nicht mehr, doch die Memorial-Arbeit ist eine der Hauptrichtungen der Aktivitäten des Museums – mit denselben Zielen und Aufgaben, die schon im Jahre 1989 definiert wurden, und alle Mitarbeiter des Museums dürfen sich rechtmäßig zu den Mitgliedern der „Memorial“-Organisation zählen.

Wir befassen uns wie eh und je mit Such-Tätigkeiten und wissenschaftlicher Forschungsarbeit zur Geschichte des Norillag, deren Resultate in eigenen Museumsausgaben veröffentlicht und von Journalisten und Forschern in Artikeln, Büchern, elektronischen Ausgaben (Norilsk, Krasnojarsk, Moskau, Sankt-Petersburg, Norwegen, Deutschland usw.) Verwendung finden; die Museumsstiftung „Geschichte des Norillag“ wird fortlaufend durch neue Themen vervollständigt, unter anderem auch aus den privaten Aktiven ehemaliger Norilsker, mit denen wir in einem umfangreichen Briefwechsel stehen; wir arbeiten an der Webseite „Kartothek des Norillag“; die Hilfeleistungen bei der Rehabilitation sowie bei der Suche nach politisch verfolgten Angehörigen werden fortgesetzt; seit nunmehr zwanzig Jahren wird jedes Jahr zum Tag des Gedenkens an die Opfer politischer Repressionen im Museum eine Ausstellung eröffnet, darunter auch gemeinsame Projekte mit der Stiftung des Erbes von J.A. Kersnowskaja, dem A.S. Sacharow-Museum, dem Zentral-Museum der Kriegsgefangenen in Lamsdorf und Oppeln (Polen); auch die Mitarbeit mit dem wissenschaftlichen Informationszentrum „Memorial“ (Sankt Petersburg), der Internationalen „Memorial“-Organisation (Moskau) und der Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft läuft weiter; ferner stehen wir in Kontakt mit der Gesellschaft für Geschichte und Literatur „Heimkehr“ (Moskau) sowie anderen regionalen Organisationen.

Auch die Arbeit an der Herausbildung und Bewahrung eines historischen Milieus der Region wird fortgeführt; es werden ständig Arbeiten zum Aufbau des Memorial-Komplexes „Norilsker Golgatha“ initiiert, man repariert und restauriert Denkmäler und Gedenkzeichen mit Unterstützung der Norilsker Stadt-Verwaltung, der Polar-Filiale der Offenen Aktionärsgesellschaft „Bergbau- und Metallurgie-Kombinat Norilsker Nickel“ und anderer freiwilliger Helfer.

Jedes Jahr wird in Norilsk zum Tag des Gedenkens an die Opfer der politischen Repressionen in Norilsk eine Woche der Erinnerung auf verschiedenen städtischen Plätzen durchgeführt, die mit einer Versammlung und einem Gebet am Memorial-Komplex „Norilsker Golgatha“ beendet wird. Alle öffentlich-städtischen Maßnahmen bereitet das Museum gemeinsam mit der öffentlichen Organisation „Schutz der Opfer politischer Repressionen“ vor, welche von Jelisaweta Josifowna Obst gleitet wird, sowie der Kommission zur Wiederherstellung der Rechte rehabilitierter Bürger bei der Norilsker Stadt-Verwaltung, deren Mitglied der Direktor des Museums ist.

In letzter Zeit höre ich, unter anderem von Journalisten, die Fragen: „Sind Sie dessen denn noch nicht überdrüssig? Seien Sie doch positiv! Sie müssen doch nicht immer über die Lager reden!“ – „Wer braucht diese Tage – ist das kollektibe4 Selbstmisshandlung?“ Wie soll man nur erwachsenen und gebildeten Leuten erklären, dass Nicht-Bewusstsein den Verlust der menschlichen Würde bedeutet.

Aber trotzdem finden die Gedenk-Tätigkeiten bei den Norilskern Unterstützung – bei der Jugend, bei der künstlerischen und technischen Intelligenz, bei allen, die die Wahrheit für unabdingbar halten und unsere Arbeit selbst für notwendig, sozial bedeutsam, die sich mit uns gemeinsam um die Bewahrung des historischen Erbes kümmern und unsere Zielsetzungen teilen: Natalia Butorowa, Michail Wolgin, Swetlana Gergart, Tatjana Grischajewa, Nadeschda Gussewa, Jelena Istratowa, Michail Karpow, Tatjana Lobanowa, Jelena Martynowa, Viktor Maskin, Gennadij Poltorychin, Jelena Semjonowa, Stanislaw und Larissa Strjutschkow, Larissa Fedischina, Aleksander Charitonow, Tatjana Schajbulatowa und zweifellos Jelisaweta Josifowna Obst sind unsere Mitgenossen … man kann sie eigentlich gar nicht alle aufzählen – danke!

Ist denn der juristische Status der städtischen „Memorial“-Gesellschaft da so wichtig, wenn man sein Gewissen lebt und das tut, was getan werden muss?!

Swetlana Slessarewa
erfüllt die Pflichten einer Vorsitzenden der städtischen „Memorial“-Gesellschaft
Direktor des „Museums der Geschichte des Norilsker Industriegebiets“

Norilsker „Memorial“, Ausgabe 5.6, Oktober 2010
Ausgabe des Museums der Erschließung und Entwicklung des Norilsker Industriegebiets und der Norilsker Memorial“-Gesellschaft


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