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L.O. Petri, V.T. Petri . Wahre Begebenheiten aus dem Tajmyr-Gebiet

Anhang 3. Dr. Leo Petri. “ALEXANDER FRIEDMAN und sein wissenschaftliches Erbe

DAMU-Seminar, 23. Oktober 2003, Berlin

Der bekannte russische Gelehrte, Mathematiker, Physiker, Meteorologe, Kosmologe und wissenschaftliche Organisator, aber auch Kriegsoffizier und Mann der Luftschifffahrt, der Professor der Petersburger Universität – Alexander Alexandrowitsch Friedman (1888-1925) befaßte sich in seinem kurzen, nur 37 Jahre dauernden Leben, lediglich 15 Jahre mit aktiven wisenschaftlichen Tätigkeiten. Aber dieser kurze Zeitraum reichte aus, um zu einem berühmten Gelehrten von Weltbedeutung zu werden. Sein Name ist seit nunmehr 80 Jahren von den Seiten der wissenschaftlichen Weltliteratur nicht mehr wegzudenken. Unter seinen Lehrmeistern und Kollegen in Rußland sowie im Ausland waren bekannte Gelehrte wie: P. Ehrenfest, E. von der Pahlen, L. Prandl, G. Fikker, W. Frederiks, E. Freindlich und viele mehr, unter anderem auch der große Einstein, dem A.A. Friedmann nie begegnete; allerdings führten ihre Diskussionen zur Entstehung der heutigen Kosmologie, als dessen Begründer Einstein A.A. Friedman nannte.

Das am 23. Oktober 2003 in Berlin durchgeführte Seminar zum Thema „Alexander Friedman und sein wissenschaftliches Erbe“ zog die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Öffentlichkeit der Stadt und der Universitäten des Landes auf sich. Der vorliegende Artikel stellt den Text meines Referats auf diesem wissenschaftlichen Seminar dar, das sich auf Materialien zur Biographie A.A. Friedmans bezieht, inklusive Archivmaterialien.

Insgesamt gesehen war Dr. Anatoliy Aginskiy (Hameln) der Leiter des Seminar-Projekts über A.A. Friedman, die Moderation des Seminars oblag Prof. Viktor Mairanowski (Berlin).

Während seiner Gymnasialzeit (1897-1906) befaßte sich A. Friedman aktiv mit Öffentlichkeitsarbeit; er war Mitglied einer petersburger sozial-demokratischen Organisation. Darüber schreibt S.A. Dianin in seiner Arbeit „Petersburger Revolutionäre von 1897-1917“ in der Ausgabe von 1912, dass das Polizeidepartement in Petersburg über A.A. Friedman eine Meldekarte führte: „Polizeidepartement, Formular N° 102 00, 1912. Stadt Petersbrug. Diverser Schriftverkehr A, Agentenangaben B“, welche ich im Russischen Staatsarchiv (in Moskau) entdeckte. Jedoch gibt es auf dieser Karte keinerlei Hinweise auf öffentliche Verstöße oder politische Äußerungen – sie bestätigt lediglich A.A. Friedmans politischen Aktivitäten während seiner Jugendzeit. A.A. Friedmans Militärdienst begann in der Luftfahrt – mit einem Telegramm des Großfürsten Alexander Michailowitsch an den Kommandanten der Festung Rowno vom 14. November 1914 über die „dringende Abkommandierung nach Petrograd .... der freiwilligen Sonder-Fliegereinheit Friedmans“. Alexander Michailowitsch (1866-1933) – Großfürst, vierter Sohn des Großfürsten Michail Nikolajewitsch, Enkel Nikolaus I, im Gefolge Seiner kaiserlichen Hoheit, Konteradmiral. Er war mit Großfürstin Xenia, der Tochter des Imperators Alexander III, verheiratet und besaß sieben Kinder. Nach 1917 lebte er in Frankreich, der Schweiz und den USA, wo er Vorlesungen abhielt. Warum ist Alexander Michailowitsch für unser Thema so interessant? Er stand am Ursprung der Organisation der militarisierten Luftfahrt in Rußland. Dank seiner Initiative verfügte Rußland in den Jahren 1914-1918 über eine Ausrüstung von 230 Kriegsflugzeugen. Auf seine Initiative wurden wissenschaftliche Forschungen über den Luftraum in den westlichen Landesbezirken betrieben. Deswegen fiel seine Aufmerksamkeit auch nicht zufällig auf den talentierten, arrivierten, jungen Gelehrten. Bereits im Alter von 26 Jahren war A.A. Friedman am Zarenhof als hochqualifizierter Mathematiker, Physiker und Experimentator bekannt. Zur Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten durch die Sonder-Fliegereinheit der Militärbehörde entwickelte der freiwillige Gefreite und Magistrant der Petrograder Universität, A. Friedman, eine Beobachtungsmethode zur Feststellung der Geschwindigkeit und der Richtung des Windes in unterschiedlichen Höhen und erarbeitete eine Liste aller dafür notwendigen Ausrüstungsgegenstände und Apparate (Theodolit, mit Wasserstoff gefüllte Ballons, Aneroidbarometer u.a.). A. Friedmans Methodik ermöglichten die Bestimmung der Wolkenhöhe, die Beobachtung des Fluges eines Flugzeugs bis zu 45 km sowie die Durchführung anderer physikalischer und aerologischer Forschungen. Berechnungen und Versuchsdaten gestatteten einen außergewöhnlich exakten Bombenabwurf. „Heute ist Friedman in der Luft“, - sagten die Soldaten. Seinen Militärdienst beendete Friedman 1917 im Rang eines Unter-Offiziers. (Russisches Staatliches Militärhistorisches Archiv, Fond 2008, Verzeichnis 1, Akte 2166, Friedman, Moskau).

Am 12. August 1923 teilt A.A. Friedman aus Hamburg in einem Brief an seine Frau Malinina mit, dass er sich hier vom 8. bis 12. August aufgehalten und am 10. August mit dem Professor für Geophysik und Meteorologie A.Wegner (1880-1930) sowie dem Mathematiker D. Hilpert (1862-1943) zusammengetroffen sei, wenngleich über die letztgenannte Begegnung keinerlei Angaben erhalten sind. Die Hamburger Forscherin Barabara Dufner stellte 1997, nachdem sie sich im Hamburger Stadtarchiv mit allen im Jahre 1923 herausgegebenen Zeitungen (Hamburger Volkszeitung, Hamburger Echo, Hamburgischer Correspondent, Hamburger Anzeiger, Wandsbeker Bote, Wilhelmsburger Zeitung) vertraut gemacht hatte, fest, dass A.A. Friedmans Besuch in Hamburg im August 1923 in der Presse nicht vermeldet wurde. Auch im Archiv des Observatoriums Bergedorf (Hamburg) existieren darüber keine Angaben. Bekannt ist nur, dass A. Friedman von Hamburg über Berlin nach Norwegen weiterreiste, und anschließend nach Göttingen. Ein Jahr später wurde A. Friedman nach Holland (in die Stadt Delft) eingeladen, um an einem internationalen Kongreß für angewandte Mechanik teilzunehmen. Wie L.S. Polak mitteilt, schrieb A. Friedman damals an seinen Lehremeister W.A. Steklow: „Der Kongreß ist sehr gut verlaufen, das Verhältnis gegenüber den Russen war hervorragend: insbesondere hat man mich, im Hinblick auf die Einberufung des nächsten Kongreßes, ins Mitglieder-Komitee aufgenommen. Für meine Arbeiten und die meiner Mitarbeiter interessierten sich Blumenthal, Karman, Levi-Civita“.

In den Personalien teilt L.S. Polak mit, dass A.A. Friedman bei der Organisierung der Luftverkehrsflotte des Landes mitwirkte, wobei er Fragen der Aeronavigation und der Aerologie aufgriff. Aus diesem Grunde nahm er im Juli 1925, gemeinsam mit dem Piloten P. Fedosejenko an einem Ballonflug teil, bei dem die damalige Rekordhöhe von 7400 m erreicht wurde und man gleichzeitig verschiedene beabsichtigte Forschungsarbeiten durchführte. Allerdings ereignete sich während des Fluges ein Unglück – A.A. Friedman zerriß versehentlich zwei der mit Sauerstoff gefüllten Ballons, so dass dessen Vorrat sich im Nu um 50-60 Liter verringerte. Der „Schuldige“ an dem Unheil fand folgenden Ausweg: „Der Pilot war kräftiger als ich und mußte den Ballon lenken; deswegen wird der Sauerstoff in erster Linie vom Piloten benötigt und nicht von mir. Aber Fedosejenko drohte mir und zwang mich, den Sauerstoff zu „tanken“, wodurch ich ihm in einem nicht unerheblichenMaße mein Leben verdanke“. Der Flug ging in der Abgeschiedenheit des Nowgoroder Gouvernements glücklich zuende. In dieser kritischen Situation hatte sich das ganze hohe Niveau der Sittlichkeit und des moralischen Empfindens dieses bemerkenswerten Gelehrten und Experimentators A. Friedman gezeigt.

A.A. Friedman hinterließ nach seinem plötzlichen Tod (16. September 1925) in seinen Aktivitäten, und besonders in seiner „Korrespondenten“-Tätigkeit, eine Menge „weißer Flecken“, wie man an dieser Stelle anmerken sollte, deren Erforschung erst noch von den heutigen wissenschaftlichen Forschern in Angriff genommen werden muß: da wäre das Archiv des Paul Ehrenfest (1880-1933) in der Stadt Leiden (Holland), in dem der Schriftwechsel von A. Friedman verwahrt ist, und ebenso das Archiv der Russischen Akademie der Wissenschaften – die Sant-Petersburger Filiale, in der sich Dokumente über Leben und Tätigkeit A. Friedmans in den Jahren 1913-1925 und Akten aus dem Zentral-Observatorium für Physik befinden; besonderes Interesse könnten die geschäftlichen und persönlichen „neuen“ Dokumente wecken, die eine Verwandte A. Friedmans vor einigen Jahren ans Archiv abgegeben hat, und viele andere.

Die wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten A.A. Friedmans und Publikationen darüber zeugen von seiner hervorragenden wissenschaftlichen Begabung, seiner „Liebe zur Arbeit“, einem Gelehrten mit breitem Profil, der in seinem kurzen Leben einen unemeßlich wertvollen Beitrag zur Wissenschaft geleistet hat. Wie Dr. A. Aginskiy anmerkt, „bestätigt sich Friedmans Theorie in den neuen Forschungen, unter denen die Theorie des „heißen Weltalls“, die von Friedmans Schüler – G.A. Ganow, erarbeitet wurde, den wichtigsten Platz einnimmt, sowie die im Jahre 1965 eröffnete sog. „Hintergrund-Strahlung“, die wiederum Gamows Theorie bekräftigt, und demzufolge auch die Friedmans. Der „kuriose Tatbestand“ der Entstehung des Weltalls aus dem „Nichts“ wurde mit Hilfe der Elementarteilchen-Theorie zum wissenschaftlichen Tatbestand. In der Gegenwart kommt keine ernstgemeinte Arbeit auf dem Gebiet der Kosmologie ohne die Erwähnung des Namens A. Friedmans aus. So findet sich auch in der letzten Novemberausgabe des Jahres 2000 der Zeitschrift „Physikalische Blätter“ der Deutschen Gesellschaft für Physik ein Artikel der Mitarbeiter des Instituts für theoretische Physik der Universität Zürich – D. Giulini und N. Straumann -, in dem der Theorie Friedmans ein bedeutender Platz eingeräumt wird. Das Schicksal der Ideen Friedmans erwies sich als glücklich. Wie Galiläo Galilei die Erde „zwang“ sich zu drehen, so „zwang“ Friedman das Weltall sich auszudehnen. Wir merken an, dass sich unter Friedmans Lehrmeistern, Kollegen und Freunden zahlreiche deutsche Gelehrte befanden. Unter ihnen sollte man den berühmten Physiker P. Ehrenfest erwähnen, bei dem Friedman an der Petersburger Universität studierte und zu dem er bis an sein Lebensende freundschaftliche Beziehungen pflegte (übrigens war Ehrenfest auch ein nahestehender Freund Einsteins), des weiteren den Astronomen E. Pahlen, als dieser am Potsdamer Observatorium der Meteorologen tätig war, A. Wegener, G. Fikker, G. Fesselberg und noch viele andere.

Das Studium und Propagieren der Arbeiten bedeutender Gelehrter – das ist die Aufgabe unserer Zeitgenossen“.

„Alexander Alexandrowitsch Friedman gehörte zu meinen besten Schülern. Er starb in der Blüte seiner Kräfte und seines Talents....“ W.A. Steklow, Vize-Präsident der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Das Seminar-Programm beinhaltete folgende Vorträge:

1. Kontroverse zwischen Friedman und Einstein über die Möglichkeit einer nichtstatischen Welt. Studiendirektor Georg Singer, Weiden.
2. Die philosophische Bedeutung der Friedmanschen Kosmologie: von Friedman bis Hawking. Ingenieurin Henrietta Ljachowizkaja, WIGB, Berlin.
3. Warum dehnt sich das Weltall mit Beschleunigung aus? Dr. Jurij Gribow, WIGB, Berlin.
4. Alexander Friedman und die Meteorologie. Professor Dr. Karl-Heinz Bernhardt, Berlin.


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