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Waldemar Karlowitsch Schnaider . Zum Gedenken an die schuldlos umgekommenen Verwandten

Geboren am 06.07.1934. Lebte ein halbes Jahrhundert in der Verbannung (geschrieben in Rußland zwischen 1979 und 1991). Insgesamt 350 ausgewählte Verse.

„Hast du denn alles getan, um dich aus dem eisernen Ring loszureißen“
N. Ostrowskij

Das Buch wurde in Versform geschrieben und ist seinen Verwandten, dem Schicksal der Rußland-Deutschen, der Geschichte der UdSSR, Freunden, großartigen Menschen, der Wolga, Sibirien, dem Kansker Wärmekraftwerk, Kasachstan und verschiedenen Themen, wie dem Naturschutz, gewidmet.

In den Kriegsjahren 1941-1945 kamen 21 seiner Verwandten ums Leben. 10 Personen starben unmittelbar nach der Umsiedlung nach Sibirien, in die Region Krasnojarsk, den Bezirk Jenisejsk, in das Dorf Marilowzewo. 9 Personen kamen in den stalinistischen Lagern um, hinter Stacheldraht, darunter 7 in Reschoty, Region Krasnojarsk, 1 in Krasnoturansk, 1 in Tscheljabinsk, und zwei gelten als im Krieg verschollen.

15 Jahre lang standen sie unter permanenter Polizeiaufsicht – von 1941 bis 1956. Insgesamten verbrachten sie 54 Jahre an ihrem Verbannungsort, bis zur endgültigen Ausreise nach Deutschland im Jahre 1995.

2004 sind 240 Jahre vergangen, seit die ersten Deutschen sich an der Wolga niederließen. Der Autor selbst hat 48 Jahre in der Region Krasnojarsk gelebt; sein Leben widmete er der Energetik.

Liste der schuldlos umgekommenen Verwandten.

1) Schnaider, Anna Elisabeth – Großmutter, Dorf Marilowzowo
2) Schnaider, Karl – Bruder -//-
3) Schnaider, Erna – Schwester -//-
4) Schnaider, Arthur – Bruder -//-
5) Gappel (Happel?), Philipp – Großvater, Ortschaft Grimm
6) Gappel, Friedrich – Onkel, Ortschaft Krasnoturansk
7) Gappel, Karl – Onkel, Station Reschoty
8) Gappel, Jakob – Onkel, Stadt Atschinsk
9) Eiler (Euler?), Maria – Kusine, Dorf Marilowzewa
10) Wolf, Amalia – Tante, Stadt Krasnoturansk
11) Wolf, Anja – Kusine, Dorf Malaja-Belaja
12) Wolf, Kunrad (Konrad) – Onkel, Station Reschoty
13) Wolf, Karl – Onkel -//-
14) Wolf, Alexander – Onkel -//-
15) Wolf,Margaret – Großvaters Schwester, Malaja-Belaja
16) Wolf, Jakob – Onkel, an der Front
17) Adler, Olga – Tante, Station Reschoty
18) Fritzler, Johann – Onkel -//-
19) Schuppi, Friedrich - Onkel -//-
20) Fibig, August – Onkel, an der Front
21) Maisner (Meisner?), Friedrich – Onkel, Stadt Tscheljabinsk

1.
Ich erinnere mich an einen schwarzen Tag,
Obwohl die Sonne ganz hoch am Zenit stand.
Anderthalbtonner, Fuhrwerke, die Menschen schlichen wie Schatten dahin,
Und die anderen chrien uns hinterher: „Beilt euch!“

In jenem Herbst machten wir uns auf den Weg
Und bewegten uns in einer großen Menge über die Wolga.
Seitdem tragen wir das Kreuz der Verbannten,
Obwohl wir schon zu Zeiten Olgas zu Verwandten wurden.

Wir fuhren mit Lastkähnen und Zügen,
Gingen zufuß wie die Dekabristen;
In Rußland mochten sie uns nicht,
Aber wir sind doch Menschen, keine Faschisten.

Kommt doch wenigstens heute zur Besinnung.
Und laßt den Haß, das Böse für immer hinter euch,
Denn der Glaube an den herrn wird siegen,
Sonst hätte ich wohl kaum diese Verse geschrieben.
1990

Der schwarze Tag im Leben meiner Familie war der 20. September 1941, als wir unser Dorf Grimm verließen und aufgrund des Ukas vom 28.08.1941 in die verbannung geschickt wurden.

Olga ist eine russische Fürstin des 10. Jahrhunderts; unter ihrer Herrschaft traf die erste deutsche Delegation an der Spitze ein.

2.
Über der dunklen Wolga vernimmt man Stöhnen und Weinen,
Die Mutter beweint ihre Verwandten;
schon seit hundert Jahren schließt sie sie in ihre Gebete ein
und spricht von Ehre und Gewissen.

Aber die Gebete drangen nicht bis zu Christus durch,
Die Tränen rollten nicht bis an den Verstand heran;
Und trotzdem leben Glaube und Hoffnung,
Und vielleicht werden die Gebete doch noch erhört.

Die leiblichen Kinder wurden wie vom Winde verweht,
Über ganz Rußland haben sie das Gute verstreut;
Da liegen sie – mit Kreutzen oder ohne,
Überall hören wir ihr Stöhnen und ihr Weinen.

Gebete, Tränen und deine Träumereien,
Mama, glaub mir, sie sind nicht umsonst;
Der Verstand hört den Schmerz, das Leid,
schließlich muß das Umherirren doch irgendwann ein Ende haben.

Die Wolga ist erfüllt von Stöhnen und Weinen,
Die Mutter beweint ihre Lieben;
Sie wartet auf sie mit offenen Armen,
Gott, gib sie ihr um all des Kummers und der Tränen willen doch zurück.
1990

3.
Mein ganzes Leben habe ich auf so einen Tag gewartet,
An dem mein Volk erwacht,
An dem es die Freiheit zurückbekommt
Und die Gerechtigkeit hereinbricht.

Ein halbes Jahrhundert Geduld
Hat dem Volk gereicht,
Aber nun ist erneut die Morgendämemrung heraufgezogen,
Um alle an die Wolga zurückzubringen.

Viele haben wir nicht berücksichtigt,
Sie sind auf der ganzen Erde verstreut;
Und andere warten in kümmerlichen Dörfern
Ihr Leben lang aufs Ende.

Mit Kreuzen oder ohne liegen sie da
In Massen- oder Einzelgräbern.
Unter ihnen befinden sich viele Soldaten,
Sie rufen uns aus fernen Welten.

Haben wir uns tatsächlich zu Staub verloren
Und erinnern unsere Vorfahren nicht mehr?
Und trotzdem sieht man in der Ferne
in diesen Ahnen die Morgendämmerung.

Arbeit und Duldsamkeit haben uns das Leben gerettet,
Und der auch der Verstand hat uns beim Überleben geholfen.
Mögen unsere Enkel weiterleben
Und möge auch ihnen der Verstand behilflich sein.
1989

4.
In leidvoller Stunde über einen schändlichen Pfad
Sind wir über Meere gefahren, durch Wälder und Steppen gegangen.
Und keiner der Verwandten hat dich erwartet,
Überall nur Lehmboden und Grabhügel.

Mit deinen runzeligenHänden
Hast du uns großgezogen, und jetzt,
Und jetzt findest du mit deiner vertrockneten Hand
Nicht einmal mehr die eigene Tür.

Du hast alle Kränkungen ertragen,
Die sich ein Mensch auf Erden nur erdenken kann,
uUnd zum Troste hast du stets gesagt:
Glaub nur an Gott, weine, und die Hoffnung kommt im Traum.

In den Lagern hast du mit deinen Tränen
Deinen Mann, die Brüder, deine Schwestern reingewaschen,
Und dann hast du sie mit deinen bitteren Tränen
Noch bis zum Feuer hinbegleitet.

All deine Kinder haben sie begraben,
Niemand weiß, wo ihre Gräber sind;
Des Nachts – da siehst du all die Menschen,
Welche die Schweinehunde ins Verderben gestürzt haben.

Ganz krum geworden sind sie von der alle Kräfte übersteigenden Last,
Deine Handflächen sind so ausgetrocknet;
Wie seid ihr euch doch alle ähnlich,
Es schütze euch die Mutter Werde.
1990

Die Verwandten liegen in Moldawien, in der Stadt Kalarasch, begraben, imUral – in der Stadt Krasnoturinsk, in den Städten Nischnij Tagil, Tscheljabinsk; an der Wolga – in der Ortschaft Grimm, im Gebiet Saratow; in Kasachstan – Koksa und Talda im Kurgansker Gebiet; in den Städten Tjumen und Omsk; in der Region Krasnojarsk – im Dorf Marilowzowo, den Städten Jenisejsk, Hasarowo, Minusinsk, Krasnojarsk, an den Bahnstationen Reschoty und Tinskaja, in Pojma und Tiliget;in Burjatien – in der Siedlung Bajangol; in Deutschland; in den USA.

5.
Der fremde, zugelaufene Sohn der Wolgasteppen
Ist durch den Willen des Schicksals nach Rußland gekommen,
Aus den Küstengebieten Deutschlands;
Dein Vorfahr ist als Bettler aus der Heimat fortgegangen.

Die Feindschaft zwischen Katholiken und Lutheranern,
Und der Siebenjährige Krieg,
Und auch die darauffolgende Bauernarmut –
Dein Vorfahr kam als Christ nach Rußland.

Mit Segelschiffen kamen sie über zwei Meere
bis nach Petersburg geschwommen,
Dann eilig zufuß, mit Booten, weiter
nach Saratow, Engels, Grimm.

Hügel, ausgetrockneter Lehmboden,
Kalmücken trieben in der Nachbarschaft ihr Vieh herum.
Damals haben dich die Kirgisen abgeschlachtet,
Während ihr den Frieden des Zaren geschützt habt.

Von Bach, Heine, Goethe bist du fortgegangen,
In ein Land, das die damals ganz fremd war;
Du dachtest du würdest Ruhe finden,
Aber an ein solches Schicksal hast du nicht gedacht.
1979

Verschleppt, ohne sich irgendeiner Sache schuldig gemacht zu haben, umgekommen infolge der Umsiedlung und in den Lagern: so kamen 400.000 Rußland-Deutscheums Leben.

Ich vermute, dass mein Vorfahr Georg Schnaider 1767 nach Rußland kam, in dem Jahr, als die Ortschaft Grimm gegründet wurde.

Der Siebenjährige Bauernkrieg fand von 1756-1763 statt. Er wählte die schwierigere Variante: über Nord- und Ostsee, Petersburg, Twer, Nowgorod, Pskow, Moskau, Rjasan, Saratow.

Als 1768 der Akademiker Lepechin das Wolgagebiet bereiste, machte er eine Notiz: „Lehmiger, ausgetrockneter Boden und verwüstete Hügel“. Nach den Worten des Vaters gab es alle zwei Jahre eine Mißernte.

Die verarmten Menschen kamen im 18. Jahrhundert nach Rußland, im 20. Jahrhundert kehrten sie verarmt nach Deutschland zurück.

Andere Wege der Umsiedlung: über das Baltikum, über die Ukraine, auf dem Landwege.

Das Großdorf Marienthal wurde zweimal von Nomaden niedergemetzelt.

6.
Ohne Tatsachen vor Augen
Glaube niemandem,
Weder mir noch irgendeinem anderen.
Aber glaubt an mein Volk.

Sagt doch, worin seine Schuld liegt,
Dass sie in Lagern umkommen mußten.
Wem soll man die Schuld zuweisen,
Dass die Zeit sie so gepeinigt hat?

Mit unseren Kindern sind wir zu euch gekommen,
Haben auf den Meeren heftige Stürme erlebt;
Regen und Wind haben der Mutter
All ihre Tränen fortgewaschen.

Nicht zufällig haben sie uns
Saratow als neuen Wohnort gegeben;
Überall in der Umgebung nichts als Trümmer
Und Lehmboden.

Jetzt sind wir in Sibirien
Bereits seit fünf Jahrzehnten,
Ich weiß nicht, ob es in der Welt
Vergleichbares gegeben hat oder nicht.
1989

7.
Einst, in fernen Zeiten,
Unter der Herrschaft der berühmten Katharina.
Als der Bauernkrieg beendet war,
Bewegten wir uns mit unserem Gefolge nach Rußland.

Die Geschichte hat verschiedene Gründe gegeben:
Dass wir durch den Krieg verarmt,
Die Religionen zersplittert waren,
und Katholiken und Lutheraner nicht friedlich miteinander auskommen konnten.

Und unter der Herrschaft Peters kamen wir aus Deutschland,
Um an der künftigen Geschichte Rußlands mitzuhelfen.
Dafür, dass wir angeblich solche Unmenschen waren,
Mußten die Völker so viel Schlimmes ertragen.

Unter dem Schrecklichen lebten wir in Freiheit,
Später dann in der deutschen Straße;
Nicht irgendwo in Moskau.
Und unter den Sowjets sogar wie die Sklaven.

Von Olga gibt es eine Chronik,
Von den Fürsten Swjatoslaw und Wsewolod
Die Vernunft bleibt über tausend Jahre,
Und trotzdem waren früher alle gut.

Im 20. Jahrhundert
Versuchte man, viele Menschen schwer zu kränken,
Die Tyrannen sind dafür verantwortlich, nicht wir,
Dass sie nicht in der Lage waren, die Macht unter sich aufzuteilen.

Und unsere Vorfahren wurden auf das Wolgagebiet verteilt,
Um den Süden zu bewachen;
Und so lebten wir bis zum Krieg;
Vor der Verleumdung konnte Gott uns nicht bewahren.

Und so gerieten wir durch den Willen des Schicksals
Nach Sibirien und nach Kasachstan.
Und hier braucht es keine Einzelheiten darüber,
Wie sie versuchten uns alle zu demütigen.

Zweihundert Jahre leben wir nun schon im Exil;
Der Weg von Deutschland bis hin nach Sibirien,
Die Wahrheit müßte man ans Licht bringen,
Erzählen, wie wir all die Jahre gelebt haben.

Innerhalb von fünf Jahren waren es nur noch halb so viele,
Wie die Zahl derer, die gekommen waren.
Auf ewig werden die Gräber unbekannt bleiben,
Und all das nur wegen der Boshaftigkeit derer, die blind geworden sind.

Dasachtzehnte Jahrhunderte führte
Nach Sarepta, Grimm, Saratow.
Und der Esel glaubt heute noch,
Dass wir gekommen waren, um die Sarmaten aus zuplündern.

Wir wurden in jenen Orten untergebracht,
In denen dreihundert Jahre lang niemand gelebt hatte;
Wo es zur Zeit der Tataren eine Stadt gegeben hatte,
Wo der Nomade sein Vieh fütterte.

In der Nachbarschaft lebten bereits Kalmücken,
Die hundert Jahre vor uns hierher gekommen waren;
Es waren arme Teufel aus China,
Auf Schlitten hatten sie ihre Sippschaft hierher gebracht.

Und dort begann die Urbarmachung
Dieses vertrockneten Lehmbodens;
Andere Bevölkerung gab es dort nicht,
Und schreibt die Schuld nicht meinem Volk zu.

Den Frieden störten dort auch oft
Todesfälle durch Hunger. ImKrieg.
Pankratow hat euch belogen,
Dass wir doppelt so reaktionär waren.

Und so lebten wir bis zur Revolution.
Wir haben es wie alle aufgenommen und gingen in den Tod.
Aber da hat der Abschaum den Sieg errungen,
Und sie haben die Tür ganz fest zugemacht.

Es gingen verschiedene Gerüchte,
Dass wir die Macht verraten hätten.
Das ist nicht wahr! Wir haben nichts getan,
Aber sie vertrieben uns aus unserer Heimat.

Wie Vieh trieben sie die Menschen in die Lager,
Sie litten schreckliche Hungerqualen.
Weswegen, Mutter Heimat, ist unser Leben
von solchen Erniedrigungen gepeinigt?

Und falls es die Rache für das Jahr einundvierzig ist.
Hat das etwa Sinn und Verstand?
Der Schuldige soll die Verantwortungen tragen,
Warum soll ein Unschuldiger den Kopf hinhalten?

Es liegt auf dem gewissen zweier Faschisten,
Dass es mit uns soweit gekommen ist;
Adolf, Josef, ihre Karrieremacher,
Das sollten wir verstehen.
1988

Katharina II (1729-1796) war russische Zarin deutschen Ursprungs. Sie herrschte in Rußland 34 Jahre lang (1762-1796) und rief die Deutschen nach dem Siebenjährigen Bauernkrieg in Deutschland auf, 1763 nach Rußland zu kommen. Die russischen Fürsten Swjatoslaw und Wsewolod heirateten im 12. Jahrhundert deutsche Frauen. Die ersten Deutschen ließen sich 1764 an der Wolga nieder. Die Kalmücken trafen 1651 mit fünfzigtausend Schlitten aus China ein. Der Historiker und Akademiker Pankratow schrieb in dem Geschichtsbuch für die 9. Klassen, Ausgabe 1952: „Die Deutschen verwandelten sich kurz nach der Umsiedlung in eine reaktionäre Bourgeoisie“.

Bis heute hat sich die Regierung der UdSSR und Rußlands für den Genozid an den Rußland-Deutschen, für die an dem unschuldigen Volk begangenen Erniedrigungen und Demütigungen nicht entschuldigt. Grundsätzlich lebten Deutsche bereits unter Iwan III und Iwan dem Schrecklichen in Rußland. In Moskau gab es ein ganzes Großdorf. in denen Deutsche ein privilegiertes Leben führten.

Viele Deutsche kamen unter Peter I. nach Rußland.

8.
Wie man sieht, soll wohl alles so sein:
Dass ich nach Sibirien kam, als der Krieg ausbrach,
Und dass ich auf den Feldern arbeiten und bei der
Heuernte alles, bis auf den letzten Halm, zusammenkratzen mußte;
Eggen, pflügen, mähen und ernten.
Offenbar sollte wohl alles so sein.

Die Schule war beendet, das Technikum lag hinter mir;
Ich durchlief die Schmach der polizeilichen Meldepflicht.
All das hat der Krieg gemacht,
Und wir mußten Hunger und Elend durchmachen.
Wir wuchsen mit Arbeit, Not und Kummer auf.
Ich weiß noch, wie Vater und Mutter
Bei der Heumahd, auf den Feldern, schufteten.

Acht Jahre habe ich in Norilsk gearbeitet,
In Nasarowo nun schon zwanzig Jahre,
Ich hinterließ meine Spuren auch amBaikal,
Die Baustelle in Ekibastus war eine schwere Arbeit,
Aber glaubt nur nicht, dass ich much gefürchtet hätte.

Hinter mir liegen auch Jenisejsk und das Institut;
Das mühsame Leben ist aug´fgeschrieben, und schon sind Enkel um mich herum.
Und ich denke – ich muß nicht um Vergebung meiner Sünden bitten,
Ich bin doch kein Hanswurst.
Der Vater mußte die Lager durchlaufen.
Ich erinnere mich noch an den Weg von Grimm nach Sibirien
Und warte, wohin wir gehen sollen;
Weiter Richtung Osten, zur Kolyma?
Oder zu den Vorfahren zurückkehren,
Die in Sibirien hinter dem Fluß, an einem Stein begraben liegen.
1987

9.
Erinnere du ich nur besonders all des Guten,
Ohne böse zu sein, ohne Haß.
Denk daran – Güte ist dein Glück.
Das Gedächtnis erinnert sich auch an die jahre des Krieges,
Aber leber trotzdem als guter Mensch bis ans Ende deiner Tage.

Es herrscht kein Haß in uns
Wegen all derer, die unschuldig ums Leben kamen;
Sie sind in den Jahrhunderten und im Gedächtnis bewahrt.
Sie sind im Bürgerkrieg, in den Weltkriegen geblieben.
Aus Hunger und wegen der Raubüberfälle auf die Kulaken starben sie.
Stalins Meute hat sie lebendig begraben.
Man hat sie betrogen und auf immer und ewig bestohlen,
Und trotzdem möge die Erinnerung gut sein.

Und möge sie trotzdem gut sein, die Erinnerung!
Vergiß all die Umgekommenen nicht,
Aber den Neid, den laß beiseite.
Vergiß die Demütigungen der Lebenden nicht,
Vergiß nicht all das Unehrliche und Schmutzige,
Und vergiß deine Vorfahren nicht.

Erinnerung, vergiß die Erde nicht,
Nicht das Leben der Menschen,
Und auch nicht, dass die Arbeit uns geschaffen hat,
Und die Schweinehunde – die vergiß auch nicht.

Mit Gutem schaffen wir Gutes,
Aber der Haß zerstört uns unere Stadt.
Das Gute zerstört den Haß vollständig.
Um unser Leben zu bewahren und die Stadt,
Sei du nur gut, Erinnerung, sei gut.
1987

Lew Tolstoj sagte: „Wenn dir jemand Schlechtes tut, dann tu ihm Gutes, damit er sich noch schlechter fühlt“.

10.
Heute liegen gewissen und Seele
In den Dekabristen, Gorbatschow, Wysotzkij;
In allen Toten, die kein Kreuz haben,
Auf Erden sowie im Ochotskischen Meer.

Und um die Schande der Aurora fortzuwaschen
Und die ganze Zerstörung wieder herzustellen?
Atomraketen demontieren,
Und andere wieder zusammenbauen?

Aber um Ehre und Gewissen wiederzuerlangen,
Müssen wir uns mit Christus befassen.
Wenngleich wir nicht noch einmal geboren werden,
So werden doch unsere Ebenbilder geschaffen,
Und vielleicht wird das gewissen auferstehen.
1990

Die Dekabristen – das waren die Aufständischen vom 14. Dezember 1825 auf dem Senatsplatz in Petersburg, die sich gegen den Zaren auflehnten. Michail Gorbatschow tat ezwas Großes; er entschärfte die internationale Lage, befreite Osteuropa, vereinigte Deutschlabnd, befreite die Völker der UdSSR und gab 15 Staaten die Freiheit.

11.
Das ganze Leben auf des Messers Schneide;
Das wurde mit vor kurzem klar.
Ihr seht euch die Revolution von Grund auf an,
Und wie sich das Volk mitleidslos erschoß.

Und so stand alles auf des Messers Schneide;
Die achtziger Jahre, die Perestrojka.
Wir beseitigten die Bauern vollständig,
Ebenso Intelligenz und Geistlichkeuit;
In den Abfall haben sie die Menschen geworfen,
Hunger, Gefängnisse, Lager,
Militarismus, und in der Ökologie klafft ein großes Loch.
Und was werden wir für unsere Nachfahren erreichen?

Was wir in einem Jahrhundert angerichtet haben,
Können wir den Nachfahren nicht in hunderten von Jahren zurückgeben.
So bist du also als freier Mensch
Zu Bastschuhen und zerschlissener Kleidung gekommen.
1998

Während der Russischen Revolution (1917-1921) starben 13 Millionen Menschen; durch sie entstanden ein schrecklicher Verfall und die große Hungersnot von 1921, besonders im Wolgagebiet. Im Heimatort Grimm starben 6000 Menschen von insgesamt 11000 Bewohnern. In den Hungerzeiten 1921 und 1933 kamen 20 Millionen Menschen ums Leben.

12
Von jeher träumte das Volk davon,
Sich aus der Unfreiheit zu lösen.
Im Jahre 17 kam wieder Ordnung ins Land,
Der Wille des Volkes ging in Erfüllung.

Der Zar und sein gesamtes Gefolge wurden vernichtet,
Und auch der Thron, auf dem sie saßen.
Denikin und Koltschak ergriffen die Flucht,
Und auch Kerenskij suchte das Weite.

Und dann begannen sie die Paläste zu zerschlagen,
Die das Volk so mühevoll geschaffen hatte.
Ins Gefängnis kamen alle Großbauern,
Allesamt nach Sibirien.

Das ganze Volk wurde in Kolchosen gejagt,
Man schuf Industriebetriebe;
Auf die klugen Köpfe sind sie losgegangen,
Und sie alle wurden erschossen.

Völlig unverhofft begann der Krieg
Und trotzdem waren sie siegreich.
Das Volk kullerte wie heruntergefallene Erbsen auseinander,
Viele wurden unter die Erde gebracht.

Im Krieg waren sie, in der Verbannung,
Für zehn Jahre und für immer.
Millionen ohne Grab und ohne Kreuz,
Natürlich waren wir müde geworden.

Trunksucht, Schmarotzertum und Angeberei
Entwickelte sich überall.
Und die Landwirtschaft
Hat sie fast zuschanden gemacht.
1988

Während der Regierungszeit Stalins wurden 20 Millionen Menschen verhaftet; 75% von ihnen wurden erschossen; 12 Völker wurden verschleppt, darunter auch die Rußland-Deutschen. All diejenigen, die in Deutschalnd in Kreigsgefangenschaft geraten waren, wurden später verhaftet und zu 10 Jahren verurteilt. 800.000 Bauernwirtschaften wurden enteignet.

Die schlimmsten Fehler der Bolschewiken waren die Revolution, die Hungersnöte der Jahre 1921 und 1933, die Repressionen und die Vernichtung von Kirchen und Geistlichkeit. Unter Breschnjew gab es in der Region Krasnojarsk kein Fleisch und keine Milch, aber es wurde mehrmals ein Produktionsprogramm verabschiedet.

13.
Krasnoturansk wurde auf den Knochen
Unserer Brüder und Schwestern, mit usnerem Blut, erbaut.
Fünfzehn Jahre verbrachten wir in Lagern.
Und fünfzig Jahre liefen wir in Fesseln herum.

Es gibt viele solcher Orte
In Kasachstan und Sibirien.
Wie es mit solchen Orten zuende ging,
lest ihr in der Bibel, und in Kairo
Können sie es euch auch erzählen.

In der Geschichte wird alles an seinen rechten Platz gerückt,
Die Ausgestoßenen zeigen sie euch.
Wir werden ein Denkmal für die Lager errichten,
Und den Helden Kreuze aufstellen.
1990

In Krasnoturansk war mein vater im Lager; dort starb auch Onkel Friedrich Gappel.In Krasnoturansk, Nischnij Tagil und in Berlin hat man für die Trudarmisten Denkmäler errichtet. Man müßte auch in Reschoty, Region Krasnojarsk, und in der Stadt Tscheljabinsk eins aufstellen, wo tausende Rußland-Deutsche in den Lagern, hinter Stacheldraht, zu Tode kamen.

Über die Stadt Norilsk
14.
Ich erinnere mich an die Tundra mit ihren Millionen Blumen,
Und des Nachts steht die Sonne hoch am Himmel;
Menschen sind aus allen Regionen zusammengekommen,
Dutzende Lager und ein Denkmal für Schmidt.

Dort, am 60. Breitengrad sind Schneestürme und eisige Kälte nicht selten;
Oft ließen wir dort die Gläser klirren,
Damals waren wir noch jung.

Wind und Frost vermochten uns nicht zu erschrecken,
Mir fällt die Güte der Menschen wieder ein;
Aber ich weiß auch, dass man dort über die Mistkerle sehr geschimpft
Und sich der Schweinehunde erinnert hat.

Viele starben im Lager,
Und nur deswegen, weil sie anders dachten.
Norilsk wurde auf Knochen erbaut,
Und offenbar bezahlten wir dafür.

Und trotzdem denke ich an die Tundra, all die Blumen,
Und daran, dass ich ein Mensch wurde.
Ich begegnete dort Menschen,
Die sich an den Generalsekretär erinnerten.

1984
In Norilsk gab es 26 Zonen hinter Stacheldraht. Generalsekretär – gemeint ist Stalin.

Zum 7. November
15.
Heute trauert der Planet
Wegen all der unschuldig Umgekommenen;
So etwas hat es auf der Welt nicht gegeben,
Dass so ein ganzes Volk in Lügen versinkt.

Man hatte ihnen versprochen
Bodenbesitz, Freiheit, Macht auf ewig,
Und bis heute vermag ich es nicht zu begreifen,
Dass alle diese Ideen für bare Münze genommen haben.

Jung und Alt maschierten unter Androhung der Erschießung,
Bauern, Geistliche, Intelligenz;
Sogar Brüder haben aufeinander geschossen,
So waren damals die Zeiten, die Augenblicke.
1989

Das war der Feiertag der Sowjetmacht, gegründet auf dem Blut und den Knochen von Millionen, in der Revolution, während der Repressionen, in Hungersnöten und Kriegen, unschuldig umgekommener Menschen.

Dies war der Zeitraum von 74 Jahren Diktatur der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.

Lenin gewidmet

Du hättest lieber in Zürich bleiben sollen,
Dann wär die Welt nicht so kaputt gegangen.
In Rußland bist du vom Weg abgekommen,
Hast Diebe und Grobiane herangezüchtet.

Jesus Christus war klüger
Seiner erinnert man sich bereits seit 2000 Jahren;
Er mochte keine Grausamkeit unter den Menschen
Und hat die weite Welt nicht aufgewühlt.

Du magst vielleicht ein Genie zu sein,
aber diese Bande unter deinem Banner!
Du hast es geschafft, dir diese Schweinehunde hörig zu machen,
Obwohl die Absichten ganz andere waren.
1990

Er brachte während der Revolution 13 Millionen Menschen um.
Er richtete einen schrecklichen Zerfall an. Auf seinen befehl wurden Zar Nikolaj II, seine Ehefrau, vier Kinder und die gesamte Dienerschaft erschossen. 1953 sagte mir der Vater nicht, dass in der UdSSR eine Bande an der Macht war.

17.
Die Schurken beim Mausoleum,
Beim alten Kreml.
Die Epopoe ist durchgestanden,
Verzeiht mir.

Sie haben die Macht an sich gerissen,
Die zuvor der willensschwache Zar innehatte,
Sie feierten ausschweifende Trinkgelage,
Ohne die Sünde zu fürchten.

Sie gaben ihnen den Rest, sie plünderten
Ihr Volk aus, bis es im Elend war;
Nichts gaben sie dem Volk
Außer dem Teufel, diese Satansbraten.

Alle Bauern haben sie ausgerodet,
Und nun ist es aus mit uns.
Alles, was wir besaßen, haben sie verschleudert,
So dass wir unsere Suppe ohne Brot essen müssen.

Sie verpesteten, vergifteten
Die Atmosphäre und die Felder.
Die arme Erde haben sie umgegraben.
Verzeiht mir.

Keine Seife, kein Strick –
Wie lange müssen wir noch leiden?
Wir besitzen bloß noch Gewehre,
Mehr können wir nicht geben.
1991

Zu den Schurken gehöre die gesamte Leitung der UdSSR, mit Ausnahme von Michail Gorbarschow. Zerfall, Hunger, Repressionen, die Verbannung von 12 Völkern stellten die Welt an den Rand der nuklearen Katastrophe; die Ausweisung von Andersdenkenden aus dem Land, die Unterbrigung unerwünschter Personen in psychiatrischen Kliniken, die Zerstörung der Kirchen Christi – und dann fütterten sie die Leute auch noch mit ihrem Gerede über die helle Zukunft.

18.
Den Eltern gewidmet

Ihr habt ein schweres Leben durchgemacht,
Doch stets Humor und Hoffnung bewahrt.
Neun Kinder habt ihr schon zu Grabe getragen,
Der einzige, der noch zum Mittageseen kommt, bin ich.

Als junge Leute hat man euch nach Sibirien gebracht.
Die Verwandten sind in Kamen beerdigt.
Überall in Rußland ist ihre Asche verstreut,
Man kanndie Verwandtschaft nicht mehr zusammenbringen.

Ihr habt Achtung und Ehrerbietung verdient
Wegen eures Gewissens, des vergossenen Schweißes und Bluts;
Ihr habt neimanden denunziert.
Obwohl Tschernow euch dazu zwingen wollte.

In 60 Jahren gemeinsamen Lebens
Habt ihr die ganze Zeit der Arbeit gewidmet,
Habt den Sozialismus durchgemacht
Und das Lagerleben, die Kolchoswirtschaft überstanden.

Alle Demütigungen, Kränkungen
Haben euer Leben durchkreuzt.
Mögen sie ihnen ihre Absicht verzeihen, Wieder in jenes Land zurückzukehren.
1989

Die Eltern hatten ein langes und schweres Leben; sie lebten fast 67 Jahre miteinander (1927-1994).

19.
Mutter und Vater sind schon über 80,
Mühsam haben sie ihr Jahrhundert durchlebt;
Noch zu Zarenzeiten wurden sie in Grimm geboren,
Und unter den Sowjets schlossen sie den Bund der Ehe.

Seit Urzeiten lebten sie in der deutschen Kolonie,
Ihre Vorfahren kamen zur Zeit Katharinas.
Nach dem Bauernkrieg kam der Zusammenbruch, das Elend;
An der Wolga schufen sie ihre neue Siedlung.

Oft denke ich an meine Vorfahren,
Versuche mir Klarheit über sie zu verschaffen.
Ich werde alles über sie herausfinden,
Mich an die Geschichte und auch an die Schurken erinnern.

Ich sehe auf demMeer ein Schiff in den Wellen schwimmen,
An Deck schlafen Kinder und Erwachsene;
Kinder und Erwachsene ohne die Alten,
Halverhungert und ohne Hosen.

Hätten sie so etwas sonst riskieren müssen?
Oder wollten sie lediglich reich werden?
Ich bin gezwungen, eine ganz einfache Schlußfolgerung zu ziehen:
Dass mein Volk nämlich gar nicht so schlecht ist.
Wie es uns Pankratowa darstellte,
Schwarzer Haß, von Bösem umgeben,
Was unsere Vorfahren nicht verdient haben.
1989

Die Deutschen kamen im 18. Jahrhundert als Bettler nach Rußland,und im 20. Jahrhundert kehrten sie als Bettler nach Deutschland zurück.

20.
Papa arbeitete sein ganzes Leben als Mähdrescherfahrer.
Mama hatte auch genügend Arbeit;
Sieben Kinder mußte sie versorgen.
Ich wurde als viertes Kind geboren.

Ich weiß noch, wie wir alle zusammen
Im Morgengrauen zu Opa Filipp gingen;
Mit dem Onkel sind wir zum Mähdrescher gegangen.
Aber wir haben dort nicht lange gelebt.

Zwanzig Tage sind wir in geschlossenen Waggons gefahren.,
Und an den Türen stand ein Begleitsoldat;
Essen bekamen wir an den kleinen Eisenbahnstationen.
Auf Pritschen saßen wir - und nicht auf einem Panzer.

Unser Weg führte an Dschambul vorbei,
Bis nach Krasnojarsk brachten sie uns.
Unterwegs holten sie Tante Amalie heraus,
Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Erneut luden wir unsere Habseligkeiten auf einen Lastkahn,
Schwammen den Jenisej flußabwärts;
Am Ufer roch es bereits nach Frost.
Wir stiegen in Fuhrwerke um und fuhren weiter in die Taiga hineien.

Großvater - die Vorfahren ließen alles in Grimm zurück.
Er wurde krank, und es war eine Trennung für immer.
Sie begruben ihn, als wir bereits fortgegangen waren;
ich bin später hingefahren, um etwas über ihn zu erfahren.
1989

21.
Ich stellte dem Großvater einen Stein auf sein Grab –
Von Zuhause, wo er geboren war;
Für immer ist er in Sibirien eingeschlafen,
In einem weit abgelegenen Dorf fand er seine letzte Ruhe.

Dort liegt er neben den Gebeinen der Großmutter,
Am Hügel, hinter dem kleinen Flüßchen;
Für beide war Gott das Allerwichtigste,
Und die Erinnerung istin dem einfachen Volk geblieben.

Ein wenig ähnele ich der Mutter und dem Großvater.
Ich lebe ohne böse Gedanken, ohne Neid,
Und darin liegt wohl auch der Kern,
Dass ich sie so in meinem Herzen trage.
1986

22.
Mein Urgroßvater war Landarbeiter,
Und der Großvater diente bei einem Herrn.
Aber unter meinen Vorfahren gab es auch Musiker
Und Schriftsteller – und vielleicht auch Seefahrer.

Die Großväter mütterlicherseits haben besser gelebt,
Aber während der Revolution hat man sie zugrunde gerichtet.
Vater und Mutter haben ihr Leben lang gearbeitet,
Und auchich habe mitgeschuftet.

Ich kann die Vorfahren nicht dafür verurteilen,
Wem und wie sie gedient haben.
Damals konnten sie sehen,
Wie sie am leichtesten ihre Kinder groß bekamen.
1990

Der Mutter gewidmet

23.
Oft sehe ich die völlig abgearbeiteten Hände
Im Schlaf, doch selten in der Wirklichkeit;
Ich werde öfter zu Mama fahren,
Und ihre Güte nicht vergessen.

Glaubt mir, ich habe im Leben wenig geschlafen
Und konnte natürlich mehr tun.
Und es ist kein Unglück, dass ich kein Akademiker wurde;
Dafür gewann ich menschliche Reife und Erfahrung.

Wenn man das Wesentliche begreift und seinen Weg gefunden hat,
Dann schläft man wenig und hilft den Menschen;
Ist mein Schicksal etwa schlechter?
Inihm habe ich die Weisheit des Lebens begriffen.
1982

Der Mutter gewidmet

24.
Du lebst noch, mein altes Mamachen!
Verzeih mir, Mutter Heimat,
Dass ich wie ein Kuckuck lebe,
Weit entfernt von dir und von der Stille.

Oft denke ich an das Haus,
In dem ich geboren bin, gelebt und gelernt habe.
Mama, später konnte ich nicht
Für immer zu euch zurückkehren.

Mama, bei euch habe ich gelernt
Zu leben und soviel zu arbeiten, wie es in meiner Macht stand,
Und glaubt mir: jetzt bin ich auch nicht aus der Übung gekommen,
Und ich bewahre eure Güte in mir.
1983

25.
Ich bin stolz auf meine Ahnentafel!
Sie hat von früh bis spät gearbeitet,
Und auf meine Mutter bin ich dreifach stolz,
Denn sie ist einzigartig, es gibt sie nicht noch einmal.

All die bekannten Gräber -
Die Trauer darüber ist doppelt stark,
Und dennoch hat ihre Kraft gereicht,
Auf dieser Erde Mensch zu bleiben.

Ehre und Gewissen haben sie bewahrt.
Zweihundert Jahre lang haben sie die Demütigungen ertragen.
Und nun sind wir herangereift
Und warten geduldig auf die Morgendämmerung.
1990

Die Morgendämmerung lam am 25.04.1995, als wir nach Deutschland flogen, nach Hannover; jetzt befinden wir uns nicht mehr in der Verbannung. Urgroßvater Daniel Schnaider, geb. 1800; Urgroßvater Jakob Daniel (1842-1921); Urgroßmutter Kathrin-Margret Dumler; Großvater Jakob Georg Jakowlewitsch (1880-1968); Großmutter Anna Alisabeth Karlowna (1887-1946); Vater Karl Georg Jakowlewitsch (1907-1994); Mutter Charlotte Filippowna Gappel (1908-2003). Ahnentafel der Mutter: Filipp Karlwoitsch Gappel (1872-1941); Elisabeth Friedrichowna Schmik (1876-1916); Urgroßväter: Karl Gappel und Eif Gappel.

Sohn Konstantin gewidmet

26.
Söhnchen, rede dir alles von der Seele,
Es erleichtert das Leben auf der Erde;
Ich werde deine Seele gesund machen.
Dir widme ich diese Zeilen.

Wahre du nur deine Ehre
Und gib den Menschen Gutes;
Tu du im Leben das, was
dein Vater nicht bis zuende tun konnte.

Wir sind nicht zufällig auf der Welt,
Man muß sie bis in alle Ewigkeit bewahren,
Ich wünsche dir, dass du die Zeit überdauerst
Und es nicht zuläßt, dass die Welt im Feuer verbrennt.
1985

Die sowjetischen Propagandisten setzten alles daran, dass die UdSSR so viele atomare Waffen ansammelte, dass sie die Erde sechzehnmal hätte vernichten können. Diese Schurken!
Und wo findet dann das Leben statt?

Gewidmet meinem Bruder Konstantin

27.
Ich fahre erneut in die Tundra.
Dieser age werde ich abfliegen,
Aber dieses Mal nach Kulunda
Und nicht in den Nord-Kaukasus.

Verzeih mir meine Scherze,
Meine Umzüge und die Zwietracht,
Jeden zieht es dahin, wo es besser ist,
Aber ich suche die Orte, wo es schlechter ist, mein Bruder.

Meine Seele findet keine Ruhe.
Der Teufel treibt mich durch die Welt;
Ich sehe die Verwandten im Schnee,
Und deswegen ist das alles.

Und dennoch träume ich davon,
Wie ich mich noch einmal auf den Weg mache,
Um den zarten Klang zu hören,
Den friedlichen Klang meiner Mitstreiter.
1984

Gewidmet meinem Bruder Konstantin

28.
Du bist zwanzig Jahre danach gestorben,
Als wir den Großvater begruben.
Und dann haben wir dich zu Grabe getragen.
Und den Jüngsten begleiteten wir bereits vor 8 Jahren zur letzten Ruhe.

Es fiel uns allen schwer dich zu begraben,
Besonders den Eltern und deiner Ehefrau,
Und mir war es auch so schwer ums Herz,
Aber was sollte manmachen? SO ist das Schicksal.

Du erinnerst dich der Kindheit, der Aussiedlung,
Denkst an das Haus der Eltern und Großeltern zurück;
So ein Los ist auf unsere Generation entfallen,
Und du hast nun für immer deine Ruhe gefunden.

Erinnerst du dich noch an das Dörfchen bei Kulitscha,
In das sie uns im Jahre einundvierzig jagten,
Das Flüßchen und die schattigen Plätzchen?
Kartoffeln trugen wir aus Tscherkass herbei.

Weißt du noch – die langen Trecks,
Das Bellen der Hunde, das Gebrüll der Kühe,
Und die bitteren Gebete, die Tränen
Der herumstreunenden Schafe und Kühe?

Von zehn Kindern bliebich als einziges übrig,
Und irgendwie ist das Leben auf der Erde langweilig geworden;
Die Eltern sind schon 81 Jahre alt,
Und ihr Leben verlief nicht gerade wie eine Operette.
1988

29.
Ein ganzes Jahr ist schon vergangen, dass du nicht mehr unter uns weilst.
Aber in der Welt herrscht immer noch die gleiche Hektik.
Wir sind zusammengekommen und haben
Der Verwandten und deiner Freunde gedacht.

Für dich ist es wohl leichter als für die Verwandten?
Das ganze Jahr haben die Eltern, deine Ehefrau gelitten,
Und auch für deine Kinder, deinen Bruder ist es schwer,
Die Eltern sind doch nun schon 82 Jahre alt.

Wir warten auf Erneuerung und manche auf das Ende.
Und wie schon seit tausenden von Jahren,
Schreiten auch heute neue Gedankenund Ideen zum Altar,
Welche nicht daran hindern sollen, den Enkeln das Gute mit auf den Weg zu geben.

Vielleicht wird der Mensch ein wenig klüger,
Falls er ein wunderbares Geschöpf ist,
Oder der Alltag wird ihn ganz vernichten;
Dann wird er sein Zufallswerk bestätigen.
1989

Gewidmet meinem Neffen Wladimir Schnaider

30.
Durch die Energie des Weltalls begreifst du;
Erkennst du das Gesetz der Natur,
Und wenn du auch nicht den Gipfel erreichst,
So kannst du wenigstens ein paar kleine Stufen hinaufsteigen.

Und wenn wir jenes gesetz erkannt haben,
Dass die Natur in uns gelegt hat,
Dann werden wir auch alles andere aus ihr erfahren,
Und dann würde auch das Wetter nicht von uns abhängig sein.

Es werden wieder die Zeiten kommen,
In denen die Materie sich zusammenballt.
Und wir werden alle einen besseren Verstand annehmen
Und der Wahrheit ein Stückchen näher rücken.

Und nach der Ausdehnung es Weltalls
Wird alles umgekehrt von vorn beginnen;
Die Natur wird nicht stabil sein.
Alles wird in seinem Kreislauf langsamer gehen.
1987

Gewidmet meiner Nichte Ole Fibig

31.
Schönes erfreut die Augen,
Macht Mut, der Optimismus steigt;
Das Schöne – was gibt es da zu verheimlichen? –
Heilt uns von vielen Krankheiten.

Es gibt viele Bedingtheiten auf Erden,
Etwas Schönes wird immer es immer geben!
Öffne nur dein Herz für diese Operette.
Und scheu dich nicht, den Prachtkerl zu lieben.

Zieh dein schönes Kleid an
Finde deinen Rhythmus und
Lege dein Schicksal in seine Hand.
1984

Gewidmet meiner Ehefrau Vera Schnaider

32.
Ein Leben lang hat sie meine Seele geheilt
Und ist mir überallhin gefolgt;
Ich weiß nicht, was du bekommen hast,
Aber verzeih mir, meine Liebe, für alles.

In Norilsk lebten wir beide,
Waren in Nasarowo, Ulan-Ude,
Scharypowo und Ekibastus,
Auf der Krim, im Kaukasus und in Moskau.

Saturn hat mich zu dir geführt,
Jupiter versprach uns ein langes Leben,
Auch Venus und Mars haben uns beeinflußt.
Wir haben den Menschen und der Familie gedient.
1990

Gewidmet meiner Ehefrau

33.
Ich kenne dich nun schon seit 28 Jahren.
Alles begann damals in Jenisejsk, in Malobjelaja.
Seit jener Zeit sind du und ich Verwandte;
Jung warst du damals noch und tapfer.

Mit einem kleinen Lederkoffer
Kamst du damals auf mich zu.
Jener Tag ist für uns ein ganz besonderer,
Als wir uns auf jener Erde begegneten.

Kinder hast du mir jenseits des Polarkreises geboren,
Hast auf sie achtgegeben und sie großgezogen;
Von dort fuhren wir nach Nasarowo,
Und du hast nicht nur einen Verwandten mit dir fortgelockt.

Du bist mir nach Burjatien gefolgt,
Wohin das Schicksal uns im Alter verschlug,
Wir haben unsere Silberhochzeit gefeiert,
Wir sind ergraut und ein wenig älter geworden.

Wieder haben wir uns auf den Weg gemacht,
Kasachstan erwartet uns mit offenen Armen,
Verwandte sind in Jenisejsk und Nasarowo zurückgeblieben,
Und wieder einmal packen wir den Koffer.
1984

Gewidmet meiner Ehefrau

34.
Ich schenke dir eine Schatulle, eine rote Vase,
Dafür, dass wir nun seit dreißig Jahren zusammen sind.
Wie auf Bestellung hab’ ich dich bekommen,
Ob du zufrieden bist, das weiß ich nicht.

Ganz zufällig begegneten wir uns,
Dann kamen Norilsk, Nasarowo, Ulan-Ude,
Zwei Jahre Ekibastus;
Wir haben uns den Norden angesehen, die weiße Welt.

Kinder, Enkel und Verwandte wurden uns geschenkt,
Wertvoller als fernöstliche Seide.
Sie gaben uns erneut eine Reisegenehmigung an den Jenisej,
Hier ist deine Heimat, meine Liebe.

Jetzt leben wir in Krasnojarsk,
Wir werden gemeinsam den Kansk-Atschinsker Wärme-Energie-Komplex aufbauen;
Wir werden die Verwandten zusammentrommeln,
Und du wirst keine Langeweile haben.

Du hattest es nicht leicht mit mir,
Nicht einmal im Schlaf kamst du zur Ruhe;
Dafür ist jetzt alles ruhig und gut,
Und ewig wirst du dich an mich erinnern.
1986

Gewidmet meiner Ehefrau
35.
Du tratest aus dem Winder der Flugzeugpropeller heraus,
Die Piloten trugen dein Gepäck;
Du hast deine Haftzeit durchflogen,
Bist am Himmel zu mir gerast.

All das war damals,
Nur ein paar Tage traf ich dich;
Unterwegs gab es eine Bruchlandung,
Aber die Jugend macht einen stark.

Das waren glückliche Jahre.
Kein Schnee, kein Schneesturm machten uns was aus,
Wir sind ganz jung zusammengekommen,
Und es gibt etwas, an das man zurückdenken kann.

Du tratest als gewandtes, hübsches Mädchen
In mein Leben, in mein Haus.
Und mit fröhlichen Liedern und Klängen
Lebten wir als eine Familie.

Uns zur Freude wurden Kinder geboren,
Die Welt wurde wunderschön für uns;
Wir arbeitetenund lernten,
Flogen in den Süden und den Kaukasus.

Die Zeit fliegt furchtbar schnell davon,
Und schon sitzen die Enkelkinder am Feuer;
Aber das Leben geht ewig weiter.
Und möge das auch immer so bleiben.
1990

Gewidmet den Enkeln

36.
Vernunft habe ich meinen Kindern und Enkeln mitgegeben,
Wahrscheinlich wird das Leben mir auch noch Urenkel schenken;
Und deswegen wollen wir auch keine Zwistigkeiten.
Die Vernunft solle alles richtig entscheiden.

Wir brauchen auch keine Waffen und Raketen,
Man muß uns nur die Natur erhalten.
Lieb und teuer ist uns das Licht der Sonne,
Und laßt die Gerechtigkeit leben.

Gewidmet Juletschka

37.
Lange bin ich auf der Welt umhergeirrt,
Nicht nur ich, sondern auch mein Volk.
Die Wolga wird nicht zurückkehren,
Genau so wenig wie ich und die Meinen.

Im schönen Grimm ward ich geboren,
Kam mit sieben Jahren nach Sibirien;
Ich war hinter dem Polarkreis,
Hab den ganzen Baikalsee umkreist.

Zu den Kasachen kehrte ich zurück,
Fand hier den Stammesfürsten,
Die Verwandtschaft berührte ihn,
Ich brachte dich hierher.

Ich kenne kein Schicksal,
Es hängt von dir ab;
mit Arbeit, so behaupte ich,
Kannst du auf ewig leben.

Du mußt dein ganzes Leben lang
Die älteren Menschen ehren,
Höre auf deine Eltern,
Und wer etwas von dir wissen möchte, dem hilf.
1987

Gewidmet Dima

38.
Was aus dir einmal werden wird, das weiß ich nicht,
Es fällt mir schwer das zu erraten.
Ich treibe michin der Welt herum,
Kann alles erzählen.
Die Vorfahren waren es,
Die das Schicksal für mich bestellten;
Schon in achter Generation
Lebe ich in Rußland.

Über das Nordmeer
Sind sie nach Rußland davongetragen worden.
Mit Kalmücken als Nachbarn
Verrichteten sie ihr Handwerk.

Durch ihre Arbeit wurden sie stark
Und lebten dort lange Zeit,
Man hat uns abgeschlachtet und geprügelt,
Wir hatten es nicht leicht.

Und wieder hat man uns fortgerissen,
Weil wir ein andersartiges Volk waren;
Und sie schickten uns nach Kasachstan,
Und noch weiter gen Osten.

Welcher Religion ich angehöre,
Der christlichen oder einer anderen,
Ich bin einfach Lutheraner,
Und das ist doch kein anderer Glaube.
1986

Gewidmet Ksjuscha

39.
Ksjuscha, du meine liebe!
Ich habe Sehnsucht nach dir.
Melde dich aus deinen heimatlichen Gefilden,
Erzähle mir von dir.
Du bist nicht für die Urgroßväter verantwortlich,
Brauchst nicht für sie zu büßen;
Die Besten wurden in den Osten geschickt, und das versuche im Gedächtnis zu behalten.
Und finde dort für sie ein Eckchen.

Sei du für immer glücklich
Und gesund, damit du hundert Jahre alt wirst.
Und von ganzem Herzen wünsche ich dir
Auch allzeit ein glückliches Schaffen.
1991

Gewidmet Monika

40.
Werde klug und groß
Und lerne wie dein Großvater,
Sei immer du selbst,
Und fang am frühen Morgen an zu schaffen.

So haben auch deine
Urgroßeltern gelebt,
Möge das Elend an dir vorübergehen,
Bete vor dem Mittagessen.

Gedenke deines Vaters,
Kränke deine Mutter nicht;
Mach’ allen eine Freude,
Verneige dich nicht vor den Grobianen.

Sei auf immer glücklich
Und auch gesund!
Denke ab und zu an deine Vorfahren,
Sei stark und halte durch.
2003

Gewidmet Antoschka

41.
Du bist mein Erbe!
Vergiß den Großvater nicht,
Werde groß,
Und versuch’ in der Erinnerung zu leben.

Ich wünsche dir
für immer Glück!
Laß dich in deinem Leben
Niemals von Schmeicheleien beeinflussen.

Sei mutig und ehrfürchtig für immer und alle zeit!

Streng dich im Leben an,
Immer der Erste zu sein.
Wasch dich am Morgen,
Lerne und arbeite wie ich.

Gib den Menschen Licht, Wärme,
dein Lächeln und deine Güte.
Und das alles ist dir gegeben,
Kämpfe um dein Leben.

Sei ein Mensch -
Überall und immerdar!
Vergiß die Ahnen nicht,
Und denke an Christus.
2003

Den Freunden gewidmet

42.
Es gibt in meinem Leben Freunde,
Und deswegen ist das Leben auch leicht,
Wie gut ist es, dass sie dir manchmal
Freude und Wärme bringen.

Wer zum Leben zurückgekehrt ist
Und auch zur Begeisterung zurückgefunden hat,
Ist gezwungen, über das Leben nachzudenken,
Und Gedichte zu schreiben.

Es ist nicht schwer einen Freund zu erkennen,
Du siehst dich um und schaust ihm in die Augen;
Natürlich steht er dir zur Seite,
Wenn du in einer schweren Lage bist.

Er wird dir immer und überall
Die Wahrheit sagen;
Er muß dich wie im Flug begleiten,
Darf unten auch nicht auf dich neidisch sein!

Er wird nicht heimlich verurteilen,
Was du tust und wie du dich verhältst;
Ihn kannst du geradewegs um eines bitten:
Sag alles deutlich auf den Kopf mir zu.

Edwin Wagner gewidmet

43.
Sei gegrüßt, mein Freund und Leidensgenosse!
Geduldig wartest du auf Nachrichten;
Vielleicht liegt darin das Wesen des Glücks,
Vielleicht liegt darin das Leben der Freunde?

Du hast unrecht, wenn du dein strenges Urteil fällst,
Dann hast du meine Seele nicht verstanden;
Auch du wirst zuweilen umherirren,
Und dann werde ich dein Leben auch nicht verurteilen.

Freundschaft ist von ewigem Wert,
Kleinigkeiten muß man außer Acht lassen;
An diese einzige Begegnung werde ich
Mich erinnern wie Sokrates.
1983

Andrej Schnaider gewidmet

44.
Er hat die Freiheit nicht mekr erlebt,
Obwohl er ein halbes Jahrhundert lang in der Verbannung lebte.
Aber er hat sich zu Lebzeiten bemüht, dass man ihm ein ehrendes Andenken wahrt,
Im tiefen, fernen Sibirien fand er seine letzte Ruhe.

Er überstand die Sklaverei, all die Erniedrigungen,
Aber er glaubte an die Vernunft auf dieser Erde,
Und er ließ sich durch die Kränkungen nicht zerbrechen,
Sondern glaubte stets an sich selbst und blieb sich treu.

Er hinterließ uns eine gute Spur,
In seiner rbeit und in seinen lyrischen Zeilen,
Und dieser Grobian, der kann ihn nicht verurteilen,
Egal, auf welchem Gipfel er sich auch befinden mag.

Vergeßt all die Vorfahren nicht,
Die mit oder ohne Kreuz begraben liegen;
Ladet keine Sünde auf eure Seelen,
Wenn ihr euch derer erinnert,
Die von euren Vätern verflucht wurden.
1990

Wladimir Iwannikow gewidmet

45.
Anders hätte ich auch nicht gelebt,
Obwohl mir im Frühling die Augen aufgegangen wären,
Alles habe ich im Leben ertragen,
Und das werde ich auch weiterhin tun.

Wie kann man sein Schicksal ändern?
Darin sehe ich dein ganzes Leben
Und darin liegt der Sinn jeglicher Bewegung.

Bewegung, ewige Bewegung!
Darin liegt ein ganz tiefer Grund,
Sobald du nur einen kurzen Augenblick innehältst,
Wirst du gleich um sechs Jahre zurückbleiben.
1983

Wladimir Iwannikow gewidmet

46.
Was, mein Freund, beunruhigt dich?
Dass die Welt so endlos ist?
Oder ist es der Wurm, der an deinem Gewissen nagt?
Oder hat dich die Sehnsucht ergriffen?

Innerhalb der Bande war er anders,
Wodka trank er, doch er hörte auf;
Berufe dich nicht auf das Wetter, Wenn du wieder müde bist.

Na, und diejenigen, die zu der Meute gehörten –
weshalb beneidest du sie eigentlich?
Schließlich standen sie nebeneinander im Chor
Und haben mit falschen Stimmen gesungen.

Beneide ihr Leben nicht,
Beneide sie nicht um ihren Biberpelz;
Sie haben sich immer aalglatt verhalten,
und das werden sie auch für den Rest des Lebens tun.
Trotzdem wird das Volk sie verurteilen –
Den Flegel, den gemeinen Kerl und all die Dummköpfe;
Er wird es die nächsten sechs Jahrhunderte nicht zulassen,
Dass man seine Ehre durch den Dreck zieht.
1987

Maria Ustinowa gewidmet

47.
Wie ein himmlischer Strahl ist sie aufgeblitzt,
Hat das Leben aus dem Weltall eingehaucht bekommen!
Du bist ein Musterbeispiel weiblicher Reinheit;
Möge das in meiner Seele erklingen.

Ich möchte dich mit der Venus
Und dem Morgentau vergleichen;
Du bleibst am Himmel stehen, wie ein nie erlöschender Stern,
Damit den Menschen das Leben leichter wird.

Dein Blick verfolgt mich und alle anderen,
Die ein rechtschaffenes Leben führen.
Man könnte sagen, ich habe nicht umsonst gelebt,
Wenn die Natur ihre Reinheit bewahrt.
1990

Tamara Rosenbaum gewidmet

48.
Die Morgendämmerung erlebte ich in Alma-Ata,
Im Finsteren trat ich zum Hauseingang hinaus,
Und um die Sünden in der Seele zu verheimlichen,
Dachte ich an dich, an das Leben zurück.

Ich ging durch den Garten, suchte den Kirschbaum,
Berührte seine grünen Blätter,
In ew’ger Trauer habe ich um dich gelitten,
Und es war kein Eigennutz dabei.

Sterne, wozu habt ihr meine Vorbestimmung
Als Geheimnis ins Rollen gebracht;
Ich nehme die Reue an,
Und dann wird mir leichter ums Herz werden.
1988

Swetlana Kolmakowa gewidmet.
49.
Mein Freund, du hast auf Nachricht von mit gewartet.
Glaube’ nicht, dass meine Seele grausam ist.
Ich bin es nicht gewohnt, meine Freunde so einfach zu wechseln,
Wenngleich ich mich bisweilen schrecklich einsam fühle.

Mitunter schäumt die Seele, brennt,
Ist ganz erfüllt von Absichten und Plänen;
Aber das Leben vergeht nicht einfach wie ein Pfeil,
Und es wird dir nicht hoch angerechnet, wenn du nicht bei der Sache bist.

Denk nur nicht, dass ich dir Vorwürfe mache,
Mich selbst muß ich zuweilen korrigieren;
Nicht von dir habe ich eine Lehre erteilt bekommen,
Die Schuld liegt darin, dass ich das ganze Leben einer Prüfung unterziehe.

Ruhe im Leben hab’ ich nicht gefunden,
Und das bereue ich auch gar nicht.
Ich verzeihe allen, die mich gedemütigt haben,
Sie werden sich vor der Welt verantworten müssen.
1982

Tamara Krieger gewidmet.
50.
Pulverschnee rieselt auf deinen Zopf herab,
Der Mond hat uns für immer die Welt enthüllt.
Frühling, die Zeit der Heumahd nähert sich,
An den Herbst denken wir vorerst noch nicht.

Mein kleines Stückchen Land – es wächst,
Und du siehst die Schönheit der Erde,
Ich pflücke einen ganzen Arm voll Blumen
Und schenke dir sogar den Vollmond.

Venus, heilige uns, du liebe
Und weise uns einen Weg ohne Böses,
Und erzähl’ mir, meine Liebe,
Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Tamara Krieger gewirdmet.
51.
Vor der Abreise nach Hause ist mir traurig zumute,
Und du verzeih mir, meine Seele;
Ich bin doch schon nicht mehr jung,
Während diene Seele noch ganz frisch ist.

Du verhältst dich mir gegenüber gut,
Und ich weiß, dass du in meinem Schicksal liegst,
Und ich verstehe, wie schwierig es für dich ist,
Mich so uneigennützig zu lieben.

Antworte du mir, gib mir Hoffnung,
Nachdem ich dir die ganze Wahrheit aus meiner Seele herausgesagt habe;
Erneut werde ich ins Verbannungsgebiet abfahren,
Und ich möchte, dass du mich von ganzem Herzen verstehst.
1988

Tanja Prokopewa gewidmet.
52.
Zuweilen fange ich deinen zärtlichen Blick auf,
Die Traurigkeit der Seele möchte ich verstehen
Und finde Übereinstimmung
Ich kann die Lyra des Herzens einfach nicht zur Ruhe bringen.

Verzeih mir wegen der Wahrheit,
Mein Leben lang hab ich das Gute gesucht;
Das Allerbeste nehme ich in mir auf
Und erbitte keinerlei Gegenleistung dafür.

Ich fange deinen glücklichen, zärtlichen Blick auf,
Als Antwort darauf gebe ich dir die Erde, den Mars;
Augenbkick und Eingebung sind unausweichlich,
Um für dich Verse zu schreiben.
1989

Marina Schnaider gewidmet.
53.
Mit der Heimlichkeit deiner schwarten Augen,
Versetzt du andere in Unruhe;
Ich sehe, du bist nicht gleichgültig,
Wenn ich mich täuschen sollte, dann verzeih.

Und mit deinen wunderschönen Augen
Stehst du oft vor mir;
Du stellst dich nicht zur Schau,
Es sei denn, ich würde mich zum ersten Male irren.

Oder hat deine Schönheit mich verblendet,
Oder ist meine Beobachtungsgabe
Ganz urplötzlich versiegt
Oder hat mich meine Intuition im Stich gelassen?
Sag mir das einmal zur richtigen Stunde.

Danke, Tochter, für die Inspiration,
Dafür, dass es dich auf dieser Erde gibt.
Ich will, dass du glücklich und
Für immer eine schöne Frau sein wirst.
1990

Lusja Kolsinaja gewidmet
54.

Mein Lebtag wird ich an dich denken,
So fest hast du dich in meinem Herz eingeprägt;
Norilsk werde ich niemals vergessen,
Wie du dort lächelnd mir begegnet bist.

Wie sich später herausstellte
Hast du meinetwegen gelitten,
Dich vor dem Einschlafen auf mich besonnen,
Und wie es scheint hast du mich ganz umsonst verloren.

Auf der Fotografie
Stehst du direkt neben mir,
Unser ganzes Leben sind wir beide zusammen,
Das Unglück liegt nur darin, dass du schweigst.

Beide hat das Leben bestraft
Aufgrund von Leichtsinn und Voreingenommenheit;
Jetzt müßte man wieder ganz von vorne anfangen,
Aber es wäre nicht seriös noch einmal um jemandes Hand anzuhalten.
Man hätte seine Gefühle nicht verbergen sollen.
2002

Großen Menschen gewidmet
55.
Dem Lebenden wird kaum ein Denkmal nützen,
Wäre ein einfaches Denkmal im Volk nicht besser?
Jesus Christus haben die Menschen in ihrer Erinnerung bewahrt,
Und dabei ist es nicht so einfach sich seiner zu erinnern.

Und wer vergißt die Umgekommenen, die Verschollenen,
Das ist doch ein auf ewig heil’ger Ort;
Allen ist dieser Ort mehr wert als alle anderen,
Jene Erinnerung an die Verstorbenen und nicht an die, die leben.

Die Menschen dieser Erde haben sich an bach erinnert,
Und wer sie auch gezwungen haben mag – sie konnten nicht vergessen.
Nein, seine Musik lebt in den Menschen fort,
Mit seiner Musik wendet er sich an das Volk.

Puschkins und Goethes Poesie – sie leben,
Und offenbar werden sie dies noch lange tun,
Sie haben schon ihr Denkmal – die Erinnerung in ihrem Volk,
Wir werden sie immer in unseren Herzen tragen.

Und was die Menschen irgendwann errichtet haben,
Verbessern mit der Zeit die anderen.
Ich will nicht, dass sie mir oder dir oder einem anderen
Mitten ins Gesicht spucken.
1988.

Aleksander Puschkin gewidmet.
56.
Oh, du großartiges Genie des Verstandes!
In seinen besten Jahren ist er umgekommen
In diesem halbwilden Rußland.
Für immer hast du deine Verse hinterlassen.

Deine Gedichte überleben die Jahrhunderte
Wie Lermontow, Jesenin und Wysozkij;
Wie Bach, wie Goethe und Ostrowskij.
Du wirst auf ewig ihr aller Vater sein.
1986

Puschkin starb im Duell mit D’Anthès im Jahre 1837 im Alter von 38 Jahren (1799-1837).

Jurij Lermontow gewidmet.
57.
In ihm ist eine Dynamik wie in keinem anderen.
Poet, Künstler, Musikant.
Und warum soviel von allem in diesem einen?
Ach, hätte er doch nur noch länger gelebt,
Was für ein großartiger Mann wär’ er geworden.

Ich fühle ihn wie keinen anderen,
In ihm herrscht eine starke Harmonie.
Wie soll man ihn nicht lieben können
Mit seiner starken, erfüllten Seele.
1986.

Lermontow starb im Duell im Alter von 26 Jahren (im Jahre 1841).

Sergej Jesenin gewidmet.
58.
Seine Gedichte liest du mit Begeisterung,
Die ganze Güte seines Herzens hat er in sie hineingelegt.
Du liest sie mit Zittern und mit Wonne,
Und es quält einen der Gedanke, dass er nur so kurz gelebt hat.

Als junger Mensch ging er und viel zu früh,
Freunde und Nahestehende haben ihn nicht beschützen können.
Seine Verse und Lieder klingen wie ein schöner Sopran
Und tragen sowohl Traurigkeit als auch Freude ins Herz.

In seinen gedichten hat er die Natur beschrieben,
Die weißstämmige Birke und den Balzplatz des Auerhahns;
Mit soviel Liebe hat er alles das besungen,
Wie es kein anderer Poet vermocht hätte,
1982.

Wldimir Wysozkij gewidmet.
59.
Er lebte wie er wollte und ersann Verse,
Er lebte frei nach der Natur,
Und er sang seine Lieder zum eigenen Gitarrespiel,
Doch war sein Leben leider kurz.

Er sah viel und er sah weiter als manch anderer,
Nicht alle verstanden den Helden;
Wir müssen lernen, solchen Leuten zuzuhören,
Damit die Dinge nicht ins Stocken kommen.

Ein Denkmal in der Erinnerung ist ihm geblieben,
Lieder, eine Gitarre, ein Strick,
Ich weiß, wie schwer er es alleine hat,
In der Petrowka hat man ihn gestört
(Petersbruger Gefängnis; Anm. d. Übers.)
1983

Der Wolga gewidmet.
60.
Mein ganzes Leben werde ich ich ans väterliche Haus erinnern,
Das am Rande unseres Dorfes stand.
Ein Kloß steigt in meiner Kehle auf,
Wenn ich an jene vergangenen Zeiten zurückdenke.

Dort haben meine Nomaden-Vorfahren
Den Grundstein für unseren Stammbaum gelegt
Und die Saat des Guten ausgesät,
Ganz gründlich und nach deutscher Art.

Die Ähren wogten wie ein Meer
Vor dem Hintergrund des blauen Himmels,
Zum Vater aufs Feld sind wir hinausgegangen,
Um ihm sein Mittagbrot zu bringen.

Es gab keine Ruhe, es wird auch keine geben,
Bis wir ins väterliche Haus zurückgekehrt sind.
So war es und so wird es immer sein,
Verlaßt nicht euer Vaterhaus!
1991

Dem Ort Grimm gewidmet.
61.
In der Niederung, am heimatlichen Bächlein,
Da war mein Dörfchen Grimm gelegen,
Die achte Generation ist mit mir bereits gekommen,
Seitdem die Vorfahren sich an diesem Orte niederließen.

Ich erinnere noch das Feld am Dorfesrand,
Den Mähdrescher, die Maschinen- und Traktorenstation.
Ich freute mich auf die Schule;
Vier Jahre war ich damals alt,
Als ich dem Vater das Mittagessen aufs Feld brachte.

Unser Haus lag nicht weit vom Dorfesrand enfernt,
An alles kann ich mich bis in jede Einzelheit erinnern;
Wie nebenan mein Großvater wohnte,
Daran denke ich in meiner Freizeit oft.

An die Gräber der Vorfahren erinnere ich mich nicht,
Sie haben keinerlei Spuren hinterlassen.
Und vieles andere weiß ich auch nicht mehr,
Und das nur wegen all der menschlichen Gemeinheiten.

Ich sehe noch die Mühle dort am Abhang,
Die Butterfabrik rechts der Brücke,
Und mitten im Dorf die weiße Kirche,
Sieben Jahre war ich damals alt.

Ich ebreitete mich schon auf den Schulbesuch vor
Und fing im heimatlichen Flüßchen Fische;
Um Politik hab’ ich mich natürlich nicht gekümmert,
Dafür hat sie mein Schicksal sehr beeinflußt.
1990

62.
Ins Dorf meiner Kindheit kehrte ich
Im späten Herbst zurück;
Nicht weil ich zufällig dorthin gestolpert bin,
Sondern weil es mich in mein Zuhause zieht.

Vom Hügel kann mann jenes Örtchen sehen,
Wo ich geboren, aufgewachsen bin;
Ich gebe ehrlich, ehrlich zu,
Dass gern nach Grimm zurück ich will.

Das gewundene Flüßchen ist versandet,
Das Dorf liegt jetzt in Trümmern da;
Die Mama ist vor Kummer ganz gealtert,
Ihr alter Vater ist zuhaus’ zurückgeblieben.

Dorthin bin ich gefahren und zurückgekehrt,
Den Weg der Verbannung habe ich genommen;
Ich berührte den heimatlichen Boden,
Betrachtete das eingefallene Vaterhaus.

Ich brachte ihnen von dort en wenig heimatliche Erde mit,
Und Spitzwegerich von dem geliebten Hof;
Großvater nahm mit Tränen ihn entgegen,
Bewahrt bei sich im Grab jetzt alles auf.
1983

63.
Es ist schon Zeit nach Haus zurückzukehren,
Aus der Verbannung in die Heimat an der Wolga;
Nichts werde ich mit mir nehmen,
Nur mit einem Schultersack wird’ ich mich in die Heimat aufmachen.

Es kann nicht sein, dass sie mich nicht aufnimmt,
Mich, die Kinder, die Alten, meine Enkel;
Ich glaube sie wartet auf mich,
Und ich sehne mich nach ihr, weil ich von ihr getrennt bin.

Mit Tränen ist alles abgewaschen,
In Gebeten und Erinnerungen.
Wie du siehst, haben wir nicht umsonst
in Schmach und durch Herumirren gewartet.

Nimmmeine Töchter an,
Vergiß die Söhne und die Väter nicht;
Denk an die Verluste aller Tage,
Ich bitte dich ganz herzlich: vergiß das nicht.
1990

Sibirien gewidmet.
64.
Ein kurzer, heiterer Sommer,
Ringsherum die vielen Mückenschwärme;
Weswegen habe ich das alles so geliebt,
Sag du es mir, mein Kamerad und Freund.

Der Sommer ist mit reichlich kaltemTau gesegnet,
Mit dem Geruch der Tannen und Kiefern;
Mit dem saftigen Grün der Taiga,
Den endlos langen Winterfrösten.

Sibirien ohne die Wasser des Jenisej
Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen,
Sibirien ohne die jenisejsker Taiga –
Ohne das Meer an Blumen, kann ich es nicht begreifen.

Heutzutage ist Sibirien ganz nah
Vom Zentrum der entfernten Welten.
Und man hört den Ruf der Dekabristen,
Wenn sie mit ihren Eisenfesseln rasseln.

Reich an Pelgetier und Wäldern,
Mit sauberer, kräftiger Seele.
Einst war Saratow furchtbar weit entfernt,
Und jetzt braucht es bis dorthin bloß zwei Stunden.

Zufuß geh du mal diese Strecke
Von Omsk bis ganz hin nach Tschita;
Da kannst du den Charakter Sibiriens
Mit seienr ganzen Anmut sehen.
1988

65.
Mit einer Decke aus weißem Schnee
Hast du dich nachts alleine zugedeckt,
Wie mit einer flauschige Decke
Hast du die ganze Erde abgedeckt.

Blaßgelbe Bäume
und grüne stehen da,
Und die Espen und Birken sehen aus,
Als hätte man sie entkleidet.

Versteckt sind Schmutz und Gerümpel,
Ringsherum ist alles geschmückt;
Die Natur wird umgestaltet,
Und die kleinen Bächlein leben noch.

Aber bald werden sie vom Frost zufrieren
Und zu eisgepanzerten Brücken werden.
Und dann wird unsere gesamte Kolchose
Einträchtig die Schlittschuhe unterschnallen.
1988

66.
Pfeilschnell schieße ich auf demFluß,
Auf dem Jenisej flußabwärts.
Ich habe mich deiner wieder erinnert,
Und schon stehst du vor mir.

Nebel hüllt die Ufer ein,
Die Lichtungen und Wälder.
Mein ganzes Leben hab’ ich dir gegeben,
Mein liebes, teures Sibirien.

Mein ganzes Leben hab’ ich mich auf diese Reise vorbereitet,
Endlich nun ist sie vollendet.
Du mein heimatliches Sibirien,
Hier leben Vater und Mutter.

Die sibirische Weite erstreckt sich den ganzen Fkuß entlang
Über hunderte,tausende Werst.
Ich komme zu dir heraus, umarme mich –
Mich und meine Schwestern.
1986

67.
Du hast 48 Jahre in der Region gelebt,
Als Stummer bist du hierher gekommen.
Und natürlich trifft dich keine Schuld,
Dass du gezwungen warst dein Vaterhaus zu verlassen.

Du hast Puschkins Sprache nicht gekannt,
Du hast auch den Jenisej und Sibirien nicht gekannt;
Damals hast du auch Goethe nicht gelesen,
Du warst ja noch ein kleines Kind in dieser Welt.

Als gedemütigte Menge kamen sie nach Sibirien,
Durch den Willen des Schicksals, des Lumpenpacks,
Verjagt von ihrem schwerem Los, dem Krieg;
Lange Zeit waren sie Opfer ihrer Henker.

Hier fanden sie erneut Freunde und Familien,
Kinder und Enkel, Lebenserfahrung.
Wir leben am Ufer des Taiga-Flüßchens Kem,
Aber unsere Seele findet keine Ruhe vor den Henkern, den schmierigenLeuten.

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
68.

Am Ufer des alten Flusses Kem
Wurden wir im Jahre 41 angesiedelt,
Wie überall woanders lebten wir
Auch hier mit allen einträchtig beisammen.

Wir konnten damals noch kein Russisch
Und gingen barfuß los zum Beerensammeln,
Welch Wunder: wir sind gesund aufgewachsen,
Wenngleich wir uns von Kartoffeln und Brennesseln ernähren mußten.

Seit meinen Kindertagen kannte ich den Ruf des Kuckucks,
Wie sie den Roggen mähten und auch droschen,
Sie mähten Heu und suchten Pilze am Waldesrand;
Wie eine Familie arbeiteten wir in der Kolchose.

Erinnerung an Kiefernwäldchen mit den vielen Heidelbeeren,
Bärlauch, Heumahd und Taiga;
Wo wir mit Waffen auf die Jagd gingen,
Die Beeren der Ebereschen, die Herbsterntezeit.

Erinnerung an die Rufe der Kraniche,
Im Herbst kam der gefrorene Regen;
Zäune aus Espenstangen.
Ich war Hirte, Klempner und Schuster.
1982

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
69.

Früh am Morgen ging die Mutter aus dem Haus,
Um auf der Viehzuchtfarm die Kühe zu melken,
In deinen Händen leuchtete ein Kienspan,
Und später gingen wir alle zusammen zum Heu mähen.

Wir waren sieben Personen in der Familie,
Und ich war der Achte.
Alle Erwachsenen mußten fort in die Trudarmee,
Die Mutter bereitete uns im Herbst auf den Schulbesuch vor.

Einträchtig lebten wir miteinander und halfen uns gegenseitig.
Heu und Getreide mähten wir mit unseren Händen;
Zusammen mit den Erwachsenen schwangen wir den ganzen Tag die Sense
Und stellten das abgemähte Heu zu Ballen und Puppen zusammen.

Im Frühjahr sammelten wir die Ähren auf,
Tauschten Kleidung gegen Essen;
Auf dem Boden suchten wir nach gefrorenen Kartoffeln,
Wir aßen Grasbüschel und Melde.

Wir begriffen den Wert des Getreides,
Begriffen die Arbeit und ihre Bedeutung;
Man wünscht sich so, dass auch du das verstehst,
Nicht durch Kriege,sondern durch kluge Entscheidungen.
1982

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
70.

Du mein ländliches Rußland!
Wie schnell hast du dein Aussehen verloren,
In mir ist so eine dörfliche Schwermut,
Die ganz mit Steppengras und Gräsern zugewachsen ist.

Ihr Dörfer, man müßte euch wieder aufbauen,
Selbst wenn es nur aus Balken zusammengehauene Hütten sind;
Es soll so werden, wie vor unserer Zeit
In deinem Dörfchen, in dem wir wohnten.

Ich möchte eine Zeit lang mit der Sense arbeiten,
Mit der Sichel den gereiften Roggen mähen,
Mich mit dem frühen Morgentau benetzen;
Mit Sehnsucht, Wehmut gedenke ich der Heumahd.

Die Bächlein im Frühling, die warmen Regen,
Das dumpfe Grollen des Donners, gefrierendes Nieseln.
Oh Kindheit, hol’ uns wieder zurück,
So lang ich noch kein alter Mann geworden bin.
1989

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
71.

Die Vögeln zwitschern im Morgengrauen
Fast wie vor hundert Jahren.
Jetzt fahren wir schon nicht mehr mit der Kutsche,
Wir leben einfach auf gut Glück.

Das Dorf in der Wildnis ist gur für meine Seele,
Die Bächlein, die am Fenster vorbeiplätschern.
Und dennoch vergesse ich auch Deutschland nicht,
Wo mein Familienstammbaum eigentlich beginnt.

Und tiefe Stille ringsumher,
Nur hin und wieder hört man Hunde bellen
Und so ein unbekanntes Knacken und Krachen in der Taiga;
Hier geht das Leben so wie früher seinen Gang.
1990

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
72.

Die morgendliche Frische begeistert einen,
Mit deinen Enkeln streifst du durch den Tau;
Überall dies schöne Grün in der Umgebung,
Der Geruch von frischer Luft in Wald und Flur.

Die Urgroßväter erwarten uns ganz aufgeregt,
Bewirten uns mit ländlichen Gerichten.
Und die Verwandtschaft versammelt sich um uns,
Und erzählt uns vom Leben auf dem Lande.

Die Kinder, Enkel fliegen auseinander,
Aber die Großväter werden sich an alle erinnern;
Im Abschied und der Trennung werden ihre Haare grau,
Werden sie Tag für Tag erneut zurückerwarten.
1990

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
73.

Im Hof verbreitet sich die kühle Luft,
Espen und Birken sind schon gekb geworden;
Unerbittlich bewegen wir uns auf den Winter ztu,
Ob wir nun wollen oder nicht.

Am Morgen glitzert der Tau,
Es fällt ein kalter Nieselregen;
Das Wetter geht mir gegen den Strich,
Und vieles bereitet mir Sorgen.

Das Getreide ist noch nicht überall gemäht,
Die Bauern regen sich auf dem Feld, in den Gemüsegärten;
Wir haben die verbotene Zone erreicht,
Sind ohne Brot in die Freiheit hinausgegangen.
1990

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
74.

Ich erinnere mich an den Nebel,
Den Weg durch die Taiga.
Ein Dorf in tiefer Wildnis,
Direkt am See – in tiefer Wehmut.

Ein zweirädriger Wagen und die Bäume,
Die hohen Bäume um mich herum;
Kasachen und Nomaden,
Heumahd, Pferd und Pflug.

Ich kann mich an die elterlichen Tränen nicht erinnern,
Aber ich höre noch das allgemeine Stöhnen;
Aber ich weiß noch, wo ich geboren bin,
An der Wolga – da ist mein Heim.
1986

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
75.

Soviele Fragen tauchen in einer Nacht auf,
Aber ich kann sie nicht vertreiben, nicht verscheuchen;
Ich muß an mein und an dein Leben denken
Und alle, denen ich begenet bin,

Mit denen ich gelebt, gelitten habe,
Mit denen ich durchs Leben schritt,
Mit denen Kummer, Freude ich erlebte,
Den Weizen und den Hafer schnitt.

Mit Sicheln schnitten wir in der Brigade den Roggen,
Bündelten Heu und stellten es zu Hocken auf;
In Schober bündelten wir Roggen und auch Weizen,
Und mit Onkel Jascha in der Kindheit
Hüteten wir Schweine.
1989

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
76.

Wieviele Male bin ich nun
In dieses kleine Dörfchen schon gekommen,
Und jedes Mal besuche ich den Friedhof,
Um mich vor den Großeltern zu verneigen.

Sie sind alle schon heimgegangen,
Die Tschetschenen, Esten und Tataren;
Vater, und ich streife durch die Welt,
Bin ich den schlimmer, als jedes andere Geschöpf?

Und in meiner Kindheit habe ich Schweine und Schafe gehütet,
Ich habe das Feld abgemäht und geeggt,
Du erinnerst dich doch, Vater,
Wie ich auf dem Mähdrescher gearbeitet habe.

Mein Schicksal hat mich später zur Energetik gebracht,
Ihr habe ich gedient – im Glauben an die Wahrheit;
Aber in meinem Gedächtnis ist immer der Ackerbau geblieben,
Obwohl meine Arbeit mit vielen Auszeichnungen belohnt wurde.
1986

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
77.

Ich komme oft in das Dorf bei Kuliga;
Gemeinsam sind die Eltern in Sibirien alt geworden.
Der Vater fährt nirgends hin, obwohl ich ihn darum bitte.
Er will sich keinen anderen Ort auf dieser Welt suchen.

Seit Kriegszeiten hat er in der Kolchose gelebt,
Im Jahre 43 kehrte er aus der Trudarmee zurück;
Es waren nicht viele, die von dort zurückkamen,
Niemand hat das auch nur ein einziges Mal erwähnt.

Einst schufteten sie vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein,
Sie mähten das Heu und droschen den Roggen;
Später verlernten sie das Arbeiten,
Und seitdem arbeitet die Kolchose mit roten Zahlen.
1985

78.

Wieviele Jahre komme ich nun schon in dieses Dorf,
Und wieder einmal fliege ich mit Wowa hierher;
Ich begleite ihn für den Sommer hierher,
Damit er eine Zeit lang bei den verwandten verweilen kann.

Sie werden uns am Eingang zu den Viehställen entgegenlaufen,
Und der Kem wird uns mit seinem Hochwasser begrüßen;
Im Dorf nimmt meine Oma uns in Empfang,
Und meine Mutter kommt mit Tränen in den Augen auf uns zu.

Wie kann man das Dorf bei Kuliga denn vergessen,
Die Winterstraße, das Kiefernweäldchen in Kalina;
Die Mutter redet mit mirimmer so, als wäre sie gekränkt,
Dass sie ein so wenig schönes Leben hatten und es für den Vater nicht leicht war.

Ich habe ihnen in den Jahren nichts gegeben,
Bin in der ganzen Welt herumgeirrt;
Und das nicht nur um der Geschenke willen –
Ich konnte mich aus den Dingen nicht heraushalten.

Norilsk, Nasarowo, Ulan-Ude, Ekibastus;
Und ich habe scheinbar nicht umsonst
Die Auszeichnungen erhalten,
Ichhabe die ganze Sowjetunion gesehen.
1986

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
79.

Der Kem begrüßte uns mit seinem erfrischenden Naß,
Überschwemmt sind Lichtungen und Gesträuch;
Entlang dem Flüßchen weht ein kühler Wind,
Und überall im Sand die Spuren von Kinderfüßen.

Wie in der Kindheit bräunt mich hier die Sonne
Während der Überfahrt; still und friedlich ist es;
Der Kuckuck ruft, der schöne Wald,
Eine einsame Birke neigt sich zur Seite.

Damals haben wir am Kem geangelt,
Das Leben warf uns in Sibirien und Kasachstan umher;
Um sieben fing ich damals mit den Erwachsenen zu arbeiten an,
Glaubt mir, Leute, ich lüge euch nichts vor.

Wir waren auf dem Feld und bei der Heumahd,
Wir mähten heu und droschen Roggen;
Doch niemals weinten oder jammerten wir,
Obwohl wir soviele Lügen durchmachten, die uns als Wahrheit verkauft wurden.
1987

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
80.

Ach, mein Dörfchen, wie hast du dich verändert,
Der Fortschritt hat auch dich längst mitgerissen;
Hinter den Gemüsegärten sind die Karauschen verschwunden,
Doch bis zum Hahn ist der Fortschritt noch nicht gelangt.

Verschwunden sind auch die Dreschplätze der Kosaken,
Und Auerhähne eine große Seltenheit;
Es nähert sich offenbar die Zeit,
Daß auch die Spatzen nur noch in der Erinnerung existieren.

Von den Feldern fließt so eine chemische Brühe,
Und von allen Seiten werden die Flüsse verschmutzt;
Woher soll im Dorf denn Freude aufkommen?
Da bleibt nur noch das Ruhen auf der Ofenbank.

Bauern, zeigt euch doch mal wieder,
Oder seid ihr nicht mehr zu vereinen?
Eine arme Kuh ist nur geblieben,
Ohne Schlaf und ohne Milch.
1990

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
81.

So wie in meiner Kindheit höre ich den Kuckuck
In dem abgelegenen Dorf am Kem;
Ich bin gekommen, um meine alten Leute zu besuchen,
Sie sind der Anfang unserer kleinen Familie.

Um das Dorf herum – der Nadelwald,
Heidelbeer-Lichtungen, Seen und Flüßchen;
Und ein Kleefeld gleich am väterlichen Hof,
Eine altertümliche Einzäunung am Waldesrand.

Zirbelkiefern und Lärchen im Gemüsegarten,
Alles Taiga – soweit das Auge reicht;
Auf hundert Werst nicht eine einzige Fabrik,
Möge Gott das noch Jahrtausende erhalten.

Dem Werktätigen Jegor Munin, Dorf Marilowzewo, gewidmet
82.

Jegor liegt im Hügel begraben,
ImKiefernwäldchen hinterm Fluß;
Erinnern kann ich mich: er hatte Kummer,
War an der Front und kehrte heim.

Er kam mir vor ganz wie ein Hüne,
Arbeiten konnte er für drei;
Ich beobachtete wie er das Heu mähte,
Wie er Fuhrwerke und Schlitten reparierte.

Jegor war im Leben ein einfacher Mann,
Niemals ergriff die Gier von ihm Besitz;
Es gab viele ähnliche Leute auf der Welt,
Denen stand für das, was sie geleistet hatten, mehr zu.

Der Schweiß brach manchmal ihm aus allen Poren,
Das Leinenhemd an seinem Körper klebte;
Für seine Brotratin verausgabte er sich so,
Doch nie erstarb in ihm der Glaube an die Zukunft.

Ein Hungerdasein führten damals alle,
Aber dafür waren alle einträchtig beisammen;
Die Schwierigkeiten haben sie wohl so geeint,
Die Kinder waren keine Last.

Wieviele Male war ich dort,
Und jedes Mal erinnere ich mich an alle;
Doch kann ich jene Schande nicht verzeiehen,
Dass die menschen ihre Wurzeln vergessen.

Der Krieg zwang uns dazu,
Sibirien und das Taigadorf kennenzulernen;
Heute kann man erzählen,
Was Stalin uns da eingebrockt hat.
1984

Dem Dorf Marilowzewo gewidmet
83.

Im lfter denke ich an die Kindheit zurück,
An die Taiga, die Kiefernwäldchen;
Jenes kleine Flüßchen kann ich nicht vergessen,
An dessen Ufer wir aufgewachsen sind.

Die Weizenfelder ringsumher,
Sie wiegen sich wie ein gelbes Meer;
Die Sonne scheint in ihrer vollen Pracht,
Und dann die Stille – niemand hört sie.

Und draußen dann der warme Regen,
Und zur Beruhigung das Rascheln des Laubs;
Das Bächlein, das durchs Dorf rauscht.
Ich habe in der Seele keinen Stillstand bemerkt.

Hat wirklich das Alter angeklopft,
Damit ich das blaue Meer erinnere?
Wie hast du, liebes Dörfchen, nur gelitten,
Auf immer und ewig.
1988

Dem KATEK (Kansker Wärme-Energiezentrum) gewidmet
84.

Du mein vertrautes KATEK!
Hier war ich ganz von Anfang an,
Scheinbar liegt hier mein Schicksal,
Sibirien wurde zu meiner Heimat.

48 Jahre entlang des Jenisej,
Burjatien, Ekibastus – daran erinnere ich mich;
Und erneut kehrte ich zum KATEK zurück,
Im Scharypowsker Tal schloß sich er Kreis.

Dem Berg Alatau hat Kusnezkij Unterkunft gewährt,
Hier bei Aschpan gibt’s eine neue Stadt;
Und den Talkessel erleuchtete
Der Gigant mit seinem riesigen Flammenmeer.

85.
Gefangen ist der See des Alatau-Tals,
Gefangen auch die Birkenwälder;
Waldwiesen und Gräser blühen,
Im Tal da gibt es tausend Hügel.

Einst zogen die Chakassen als Nomaden hier umher,
Hüteten jahrhundertelang ihr Vieh;
Später wurde der ganze Boden umgepflügt,
Nun ist die Erosion in vollem Gange.

Was für wunderbare Orte
In Kysyl, Abas und hier,
Und ich kann dir nur raten,
Dir die Welt ganz genau anzusehen.

Du fährst auf dem Tschulym flußabwärts,
Wenn die Blätter an den Baumkronen gelb werden;
Und schaust dir aufmerksam die Farben an,
Die am Horitzont auftauchen.

Der polare Norden ist mir lieb und teuer,
Norilsk, Nasarowo, Ulan-Ude;
Ekibastus war mein tückisches Los.
Es hat mich Erfahrungen gelehrt, wie es an keinem anderen Ort der Fall war.

Nun bin ich zum KATEK zurückgekehrt,
In das von Hügeln umgebene Tal;
Und hier versuche ich eine Antwort zu geben –
Auf all das, was sich in vielen Jahren angesammelt hat.
1989

86.
Im Ring der Hügel liegt das grüne Tal,
Die Birkenwäldchen anden Hängen, in den Niederungen;
Die Flüßchen eilen hin zum Kadat-See,
Geräuschvoll die Historie mit sich reißend.

Das Schicksal hat dich mit unserem KATEK zusammengeführt,
Ich weiß nicht, ob es ein guter Anlaß war oder nicht;
Doch kann ich nicht im Abseits stehen,
Bin ich es doch gewohnt, mein Leben lang auf einem wilden Pferd zu reiten.

In den Gebirgsketten die Ausläufer des Alatau,
Ich treffe Freunde und Verwandte;
Und wenn mein Schicksal es so will,
Dann bleib ich hier, in dieser Gegend.
1987

87.
Grünes Tal, die Hügel drum herum,
Irgendwann bin ich in meiner Freizeit hierher gefahren;
Heute bin ich mit allen Menschen gleich,
Versuche einen Teil der Sorgen mitzutragen.

Es scheint man könnt’ sich schon erholen,
Aber wer wird das Ganze für dich mitgestalten?
Wo ist es leichter, wo bequemer und wo wird mehr bezahlt?
Stets hab’ darüber anders ich gedacht.

Das Weizenfeld ist damals reif geworden
Und warm und hell schien uns die Sonne;
Bis zum Gürtel standen wir im gelben Weizen,
Am fernen Himmel loderte das Wetterleuchten.

Im Leben träumten wir nicht nur ein- oder zweimal,
Und dachten schon, es würde immer wohl so sein;
Doch fliegt die Zeit, man sieht nicht, dass sie stillsteht,
Sie macht uns älter, und das ist natürlich kränkend.
1987

Scharypowo gewidmet
88.

Der Fluß Beresch wogt über die Sandbänke,
Fließt eilig hin zum Kadat-See;
Basyr, Kalatka leise rauschen,
Und eilen ebenfalls zum See.

In diesem Tal bauen sie eine Stadt,
Ein riesiger rechtwinkliger Ausschnitt;
Und darin fördern sie Kohle,
Vernünftige Energie für alle.

89.
Ein Feld der Wunder mitten im Stadtzentrum,
Das Land der Dummköpfe wurde Tschernenko genannt.
Vielleicht liegt darin auch ein Fünkchen Wahrheit,
Oder es handelt sich einfach nur um Rache.

Und eine Stadt entsteht am Kandat-See, im Tal,
Und schon bald wird der Gigant in Betrieb genommen,
Wir brauchen nicht mehr lange darauf warten,
Bis wir auch diese Region versaut haben.

Und ich gehe durch dieses Wunderfeld,
Erfreue mich an der Sonne, an allem, was es hier gibt;
Ich weiß nicht, wer recht hat oder wer an dieser Einschätzung die Schuld trägt,
Aber trotzdem haben die Dummköpfemit Tschernenko angefangen.
1987

Die Stadt Scharypowo hieß vorübergehend Tschernenko. Am Kansker Wärme-Energiezentrum waren 10 gewaltige Heizkraftwerke geplant. Das ist sehr schlimm für die Stadt Scharypowo und die umliegenden Gebiete.

90.
Ich verliel das KATEK und weiter ging’s gen Osten,
Neue Aufgaben lagen vor mir;
Schon ist das Rentenalter fast erreicht,
Aber es wird nichts angereichnet von dem, was hinter uns liegt.

Seit dreißig Jahren bin ich nun in meinem Milieu,
Ich habe keine Mühe gescheut;
Im Schicksal Sibiriens und Kasachstans mit seinem Energiezentrum
War ich in eine ernsthafte Maschinerie eingebunden.

Die Energiepolitik ist nicht so, wie sie sein soll.
Es kann doch nicht sein, dass die Spezialisten das nicht einsehen!?
Die Giganten zerstören die Städte,
Das können die Kommunisten nicht verstehen.
1988

Burjatien gewidmet
91.

Burjatien gefällt mir von ganzem Herzen,
Mit seiner Natur und mit seinen Menschen;
Und die Einfachheit des Volkes, seine Sitten und Gebräuche,
Seine Gastfreundschaft und seine Traditionen.

Ich habe mich in dein Burjatien verliebt,
Die ganze gegend ist mir schon vertraut;
Die Schönheit der Kiefernwälder,
Die Täler, Berge und sein wunderbares Volk.

Der rauhe Baikal, der Selenga-Fluß
Und hundert andere saubere Flüßchen;
Die Frühlingswiese steht in voller Blüte,
Der Duft der Tannen und verharzten Kiefern.

Den Dekabristen gewidmet.
92.

Von Nowoselengisk in drei Werst Entfernung,
Zwischen Hügeln und in tiefer Stille,
Wurde ein Obelisk aufgestellt, der von Menschen, Zeiten zeugt,
Von ihrem Schicksal und der grausamen Geschichte.

Ein Museum in einem Kaufmannshaus
Über die Dekabristen, ihre Frauen, ihre Freunde;
Die dem Zaren gegenüber ungehorsam waren
Und Rußland dann in Fesseln queren mußten.

Schweigend wanderst du zurück in jene Jahre,
Du hörst das Stöhnen und den Klang des Eisens;
Keine Macht ist in der Lage,
Den Menschen in die Knie zu zwingen.

Wie zum Aufruf steht der Obelisk.
Die Grabplatte, die Einzäunung,
Bestärken allen Henkern die Kraft des Verstandes;
Gedenken wir der Dekabristen,
Das ist die größte Auszeichnung für sie.
1981

Nach dem Aufstand auf dem Santsplatz in Petersburg am 14. Dezember 1825 wurden mehr als 100 Dekabristen für 20 Jahre nach Sibirien verbannt. Unter diesem Obelisk liegen Bestuschew und Tomson mit Mutter und Sohn begraben.

93.
Wie ein weißes Band windet sich die Selenga,
Die hohen Gebirgsketten des Chamar-Daban;
Und dort sind schon die Ufer des Baikal,
Gar nicht weit entfernt von der Trasse der BAM
(Baikal-Amur-Magistrale; Anm. d. Übers.)

Der Baikal ruht im Eis gefesselt,
Da kommt man nicht umhin der Dekabristen zu gedenken;
Die in Fesseln nach Burjatien kamen
Söhne der Freiheit waren jene Magister.

In Nowoselenginsk gibt es ein Eckchen,
Das von entfernten, rauhen Zeiten zeugt;
In Bagrusin, am Friedhof gibt es einen Hügel
Und ein Denkmal für die armen Kuchelbeckers.
1982

94.
Alles ist mit Grün bewachsen.
Es blüht der Faulbeerbaum;
Und wie kleine Flämmchen glühen
Die Zweiglein des wilden Rosmarin.

Sanfter Nieselregen fällt herab,
Leichte Kühle breitet sich aus;
Die Zeit reibt die Seele wund,
Und ruft einen irgendwohin.

Die Wolke schwebte auseinander,
Die Sonne strahlte;
Die Tröpfchen trockneten dahin,
Die Pfützen glänzten.

Es kommen Neuerungen
Nach dem Winterschlaf;
Das Leben ruft einen wieder hinaus,
Als ob es schon beinahe verlorengegangen wäre.
1984

95.
Heute bin ich zum ersten Mal in Bagrusin angekommen,
Den ganzen Tag sind wir auf der Trasse entlang des Baikals geschlendert;
Erfolgreich überquerten wir den Gebirgspaß
Und offensichtlich noch vier weitere Pässe.

Im Januar, noch lärmen die Wellen des Baikal,
Sind die Schaumkronen bereits zu Eis erstarrt;
Die Mutter hat den Sohn unter Tränen begleitet,
Sie hat gebetet, damit er zurückkommt.

Die hohen Gebirgsketten haben Bagrusin an den Fluß gedrückt,
Am Ufer befindet sich ein verwilderter jüdischer Friedhof;
Und ein Denkmal für die Kuchelbeckers,
Über Puschkins Freund und seine schwierige Odyssee.

Der Sarma weht hier nur zeitweise,
(Nordwind am Baikalsee; Anm. d. Übers.),
Wie ein Wirbelwind kommt er heran, verstummt dann wieder;
Und dann kommt der Bagrusin-Wind, verstummt,
Danach der Kultuk und dann alle anderen.
1982

96.
Vom weißen Schnee werden die Augen blind,
Wir kehren zur Trasse entlang des Baikalsees zurück.
Das Packeis reciht bis an den Rand, an dem die Leute stehen,
Und bald schon bis an den Fuß des Gebirgspasses.

Über dem See schwebt eine dunkle Wolke,
Man sieht in dieser Wolke die „Swjatoj Nos“
(die größte der Baikal-Halbinseln; Anm. d. Übers.).
Das durchsichtige Wasser flimmert durch den See,
Man kann das heimatliche Haus so einfach nicht vergessen.

Ringsumher die rauhe Natur,
Und daneben der zugefrorene Kotokel-See.
Und die hohen Schneewehen
Erinnerten an den Norilsker Flughafen Alykel
1982

97.
Wir fliegen der Sonne entgegen,
Nach Bagrusin, entlang der Baikal-Trasse;
Wir durchquerten Flüße, überquerten den Chaim,
Über den Nationalpark fliegen wir bis Kurumkan.

Nach Nischneangarsk fliegen wir,
Mit einer Zwischenlandung in Uojan,
Wir gleiten unten durch die Wolkendecke,
Und schwimmen mit dem Hubschrauber durch das Schneemeer.

In den Tälern herrscht bereits überall Frühling,
Links und rechts die Kiefernwälder;
Das erste Mal bin ich hierher geflogen
Entlang der Konturen des Baikalsees.
1983

98.
Kasachstan gewidmet

Gelbe Steppe, weiße Wolken über der Erde,
Es ist tiefster Spätherbst;
Mit dir kann ich den
Schwanengesang nicht vergleichen.

Die Steine wurden von der Natur zu Sand zermahlen,
Von allen Seiten glattgeschliffen durch den Wind.
Vom Regen und von Tränen durch Jahrhunderte benetzt
Haben sie viel Kummer und Gram gesehen.

Das neunte Wunder in einer kalhen Steppe,
Alles, was sich um Dschasybaj herum befindet,
Were ich nirgendwoanders zu sehen bekommen.
So ein besonderes Eckchen von Kasachstan ist das.

99.
Der warme, zärtliche Wind
Umhauchte mich in Alma-Ata,
Das Rascheln des Grüns im Winde.
Lange Zeit konnte ich das nicht vergessen.

Die Berg sind hoch, tragen einen Dunstschleier,
Sie umgeben einen von drei Seiten.
Ob es irgendwo in der Welt wohl noch
soviel Grün gibt wie hier?

Die Straßen sind schnurgerade,
Der Duft von Blumen weht herüber,
Der Boden in der Umgebung ist Neuland,
Die Gesichter glücklicher Menschen.

Das Sonnchen glänzt wie lauter Samt,
Überall bietet die Natur Schatten,
Eine andere Stadt solcher Art findet man nicht,
Egal, wo man auf der Erde auch steht.

Sie hat mich sofort in ihren Bann gezogen,
Mit allem, was sie mir zu zeigen hatte,
Ich werde sie dem Kaukasus vorziehen,
Wenn ich mich zum Sterben bereitmache.
1984

100.
Graue Berge habe ich gesehen,
Als ich aus dem Flugzeug die Gangway hinabging.
Seit dem Morgen im wunderbaren Alma-Ata,
Durch den Willen des Lebens und des Schicksals.

Das Grün umwehte mich,
Das weitverzweigte Grün strömte seinen Duft aus.
Und ich entstieg dem heißen Feuer,
Aber Alma-Ata flößte mir Vertrauen ein.

Graue Berge von drei Seiten,
Leichte Kühle umwehte sie.
Im Ohr erklingt ein angenehmer Ton,
Und es kommt Lebensfreude auf.
1986

101.
Ich, der verlorene Sohn, kehrte zurück,
In die kasachische Steppe.
Mein Bruder, der Akyn (Volksliedsänger; Anm. d. Übers.) soll singen,
Darüber, was mich im Leben erwartet.

Weite Steppe rings um mich herum,
Du kannst sie nicht aus den Augen verlieren.
Ich werde dir helfen, mein Freund,
So viel wie nötig ist.

Du hast meinVolk beherbergt,
Hier, in den verlassenen Steppen.
Es führt wieder ein gutes Leben,
Gehört nicht zu den Schwachen.
1984

102.
Wie der Wind kamen die Verse auf mich zugeweht,
Ich eilte davon in die kasachische Steppe.
Offensichtlich flaut der Windstoß hier ab,
Ihm fehlt die Kraft, bis an den Ozean zu gelangen.

Aus deutschen Gefilden bin ich hergekommen,
Über das Meer, zufuß, mit Pferden.
Ich bin durch ganz Europa und Sibirien gezogen,
Ein Steppenkasache hat mich aufgenommen.

Mit scheint wir brquchen keine Grenzen,
Sie haben stets zum Krieg geführt.
Begreifen diese Kameraden denn nicht,
Dass dies den Lärm noch um ein Zweifaches erhöht?

Oh, wenn es keine Grenzen gäbe,
Wir würden alle in Frieden und Freundschaft miteinander leben.
Wir würden unsere allgemeinen göttlichen Priesterinnen wählen
Und anbeten – das ist sehr wichtig.
1985

103.
Ich fand meinen Familienursprung in den Steppen von Uspenka,
So wie er Anfang des Jahrhunderts war.
Die Kolchosen Kasachstan und Engels,
Ihre Macht brachte keine Krüppel hervor.
Bei ihnen herrscht Ordnung - überall und immerdar.
Und wenn es auf der ganzen Welt so wäre,
Dann gäbe es nicht all den Neid, die Rache.
Und egal, wo ich meinen Familienstamm vorfände,
Überall wären Fleiß, Geduld,
Während die anderen von „unserem“ Sowjet-Aufbau verunstaltet würden.
Aber wir haben ähnliche Qualen durchgemacht.
1986

104.
Das Kraftwerk sehe ich im Traum,
Laufe auf dem Gelände herum, bis zu den Knien im Dreck.
Das, was ich durchgemacht habe, kommt
Im Wechsel nachts im Schlaf zu mir zurück.

Die Naturkräfte verstummen weder am Tag, noch in der Nacht,
Das ganze Leben ist ihnen verschrieben.
Ich schaue mir das alles von der Seite an,
Und begreife, wie lieb und teuer sie mir sind.

Ich gehe fort, die Traurigkeit – sie schmerzt mich,
Die Erinnerung wird mir auf ewig wertvoll sein,
Doch kommt sie mit wie Salz und Pfeffer vor,
Aber ich bin nicht zufällig ein Mensch.
1989

105.
Man widmet sich unterschiedlichen Themen.
Wir haben nur das eine Denkmal für sie alle,
Wie wir die Erde hinterlassen,
Wie wir unsere Sachen meistern und zurechtrücken,
Ordnung in unsere Familien bringen.
Wir halten unser Haus in Ordnung,
Werden vernünftig, sparsam leben,
Wir haben gelernt die Natur zu lieben.
Für Ehre und Gewissen treten wir ein,
Werden alle Nichtstuer besiegen,
Dann werden wir den Planeten erhalten.
Und das ist für alle das einzuige Denkmal,
Das wir hinterlassen.
1987

Naturschutz – das ist die Erhaltung des Lebens auf der Erde. Die Hauptaufgabe der Menschheit, und es muß alles erdenkliche Mögliche und Unmögliche getan werden, um diese Aufgabe zu erfüllen.

106.
Der Tag der Geburt Christi ist wieder herangenaht,
Wir erinnern uns der entfernten Vorfahren.
Un der Baum der Weisheit ist wieder aufgekeimt,
Und vielleicht stellen wir in unseren Zellen das Gewissen wieder her.

Zur Einhaltung der eweigen Gebote Christi
Müssen wir unsereKinder, unsere Alten, ermahnen.
Und all das muß mit der Geburt beginnen,
Bei allen gemeinsam, Müttern und Vätern.

Und wir werden die Reinheit unserer Seelen bewahren,
Wenn wir diese Weisheit hüten.
Wir werden unsere Familie gründen, uns ein Haus schaffen,
Es nicht zulassen, dass diese Erde verbrennt.

Wir werden uns vom Bösen und vom Neid entfernen
Und unsere Nachkommenschaft erhalten!
Wir werden in einen Zustand ewigen Friedens kommen.
Wir führen unsere Nachfahren zur Liebe zurück.
1991

Der Glaube an Christus ist eine große Kraft. Er lehrt Geduld, Eintracht, Liebe zu den Menschen. Man muß die zehn Gebote Christi nicht nur kennen, sondern auch nach ihnen leben.

107.
Die Erde ist unser einziges Zuhause,
Und auf der Welt gibt es keine anderen Wege.
Dass wir uns in ihr nicht verirren,
Dabei mögen uns die Götter helfen.

Uns ist der blaue Himmel
Genau so vertraut, wie die Mutter Erde.
Über uns allen der gemeinsame Mond
Und auch die Meeresufer sind uns gemein.

Um uns herum die grünen Wälder,
Felder, Wiesen und Flüsse.
Bewahr das alles gut, mein Freund,
Wir sind doch Menschen, keine Teufel.

Ihr bringt uns Wolken
Und den ganzen menschlichen Schmutz und Dreck.
Der Grobian soll nachdenken
Über das Leben und die Mutter Erde.
1991.

108.
Wie sehr möchte man doch zuweilen die Erde
Den nachkommen in gutem Zusatnd hinterlassen;
Eaber der Schurke denkt ja nicht darüber nach,
Wie er alle vor dem Verderb verschonen kann.

Manchmal gibt es deinetwegen Sorgen,
Und auch wegen der unschuldigen Menschen.
Rette ihre heimatliche Erde,
Rette ihre heimatliche Erde!

Väter und Mütter, erhebt euch
Um eures Geschlechts und eurer Kinder willen.
Und hintergeht eure Enkelkinder nicht,
Besinnt euch schnell eines Besseren
Und betrügt die Enkel nicht.
1991

109.
Und wie sollen wir euch anders nennen,
Wenn ihr es schon geschafft habt, alles zu zerstören?
Alles Gute habt ihr vom Winde verwehen lassen,
Und niemand konnte euch anhalten.

Die Natur duldet keine Revolution,
Die wird nur von den Banditen angenommen.
Sie trüben das Wasser bereits an der Quelle,
Ansonsten kommt von ihnen nichts Gescheiteres,
Als Verschleierung, Niedertracht und Elend,
Und dabei sind sie aus demselben Holz geschnitzt wie du.

Man hat die Habenichtse durch Betrug mit fortgerissen,
Und viele selbsternannte Usurpatoren.
Viele haben sich damals erhoben –
Na, so hatte es das Schicksal für sie vorbereitet.
1990

110.
Rußland, armes Rußland
Wie konntest du nur in eine solche Stumpfsinnigkeit geraten.
Im 17. Element warst du
Tatsächlich endgültig zugrunde gerichtet.

Sie haben dich zerhackt und zerschossen –
Die Mistkerle und Diebe aller möglichen Schattierungen.
In den Gefängnissen und Lagern haben sie dich so gepeinigt,
Daß den Henkern schon die Hände abstarben.

Warum bekommst du eine derartige Strafe?
Stolz, Habgier oder Lüge.
Die Kommissare haben dich hineingezerrt
In grausigen Hunger und Frost.

Aus ganzem Herzen tut mir Rußland leid
Und sein erschöpftes Volk,
Schenke Gott ihm eine andere Naturgewalt,
Sondst wird es noch vor lauter Hunger sterben.
1991

111.
Die Intelligenz richtete ihr Volk zugrunde!
Sie hat sich den Sowjetsozialisten angeschlossen.
Weil es sich in Vieh verwandelten
Und Gewissen und Ehre verloren hatten.

Stellt Ehre und Gewissen wieder her,
Führt euer Volk mit euch,
Entledigt euch all der Nervosität,
Die der Satan uns angeschleppt hat.

Ihr durchschreitet Rußland
Und verehrt das 18. Jahrhundert.
Die Bolschewiken haben uns zugrunde gerichtet,
Glaubt nur nicht, daß es von denen jetzt keine mehr gibt.

Das 20. Jahrhundert hat uns eine blutige Spur hinterlassen,
Und daran bist du, Intelligenz, schuld.
Besinne dirch endlich, Mensch,
Damit das blutige Narym sich nicht mehr wiederholt.

Verstand, nimm du von uns die Af´ggression,
Befreie uns von Habgier und Lügen.
Denn wir sind ja nicht sofort zu Wilden geworden,
Die KpdSU hat uns zu Bestien gemacht.
1991

Geschrieben als Reaktion auf die Demonstration, die von den Kommunisten im Wolgagebiet gegen die Rückkehr der Wolgadeutschen in ihre Heimat organisiert wurde. Sie hatten damals Plakate getragen mit der Aufschrift: „Lieber AIDS, als Deutschen“.

112.
Schließlich brach das Imperium des Bösen zusammen,
Das Volk blühte hinter Gittern wieder auf.
Ich fühle die Schläge ihrer Herzen,
Ihre Träume und Absichten wurden Wirklichkeit.

Das Baltikzum warf seine Fesseln fort,
Nach ihm auch Georgien und Moldawien.
Die russischen Söhne besannen sich,
Damit sich all das nur nicht wiederholen sollte.

Und überall sinbd Räuber zu sehen,
Man sieht, wie sie die Zähne fletschen,
Sie sind bereit zur Lynchjustiz,
Unten auch, doch häufiger dort oben.1990

Das Reich des Bösen – die UdSSR – existierte 74 Jahre lang.

113.
Durch Hörensagen weiß ich von den Erschießungen,
Vom schrecklichen Hunger, der an der Wolga herrschte,
Von den roten und weißen Plünderern,
Von Menschenfresserei und Plünderungen.

In welche Epoche hat sich das alles zusammengepreßt,
Das Böse, die Lügen, Unzucht, Laster, Trunkenheit.
Innerhalb von nur einer Generation
Haben wir Bauernschaft und Christentum vernichtet.

Ich habe dieses ganze Knäuel in Wirklichkeit gesehen
Und dutzende von Lagern des KrasLag.
Ich bin selbst im Gefängnis gewesen,
Und meine Vorfahren allesamt im GULAG.

Ich habe nicht gesehen, wie sie das Volk enteignet haben,
Wie die Nichtstauer wieder auflebten.
Trupp um Trupp wurden sie vor den Mündungen der Pistolen aufgestellt,
Unter den Kugeln der Taugenichtse und Faulenzer.
1990

Ich befand mich 6 Jahre lang unter Sonderkommandantur – von 1950-1956, und alle Erwachsenen – für die Dauer von 15 Jahren.

114.
Nach christlichem Brauch stelle ich eine Kerze auf,
Man gab ihnen den Rest.
Man lehrte sie Schafe zu scheren
Und vor allem Pferde einzuspannen.

Sein Leben lang war er in Fesseln,
In Geföngnissen, in Lagern.
Und wie sollte es ohne ihn gehen?
Oder sollen wir etwa auf ihn pfeifen?

Wird vielleicht der Hunger uns auferstehen
Und die Bauernschaft wieder aufleben lassen?
Wird uns nichts anderes vom Platz wegbringen?
Oder sollen wir Landarbeiter aus dem Ausland einstellen?

Unsere Nachfahren werden sich ein ganzes Jahrhundert
Nicht von der Schießerei der Aurora auf der Newa erholen.
Es ist schon schwer sich vorzustellen, daß der Mensch
So viel Böses auf sich nehmen konnte.

Wir haben die Natur verdorben,
Reicht der Verstand, um sie wieder sauber zu bekommen?
Die Nachkommenschaft und das Wetter haben wir zerstört,
Und nun warten wir geduldig auf das Ende.
1990

115.
Schon umweht uns Kühle,
Obwohl das Sonnchen oben am Zenit steht.
Jetzt wartet das Volk auf Ruhe,
Doch habt es nicht zu eilig mit dem Warten.

Des Nachts träumen wir von der Ruhe,
Und in der Morgendämmerung – haben wir wieder dasselbe.
Wir schießen alle auf die Feinde,
Und kriegen selbst aufs Maul gedroschen.

Für alles sind die Kinder, Enkel verantowrtlich,
Für die Gleichgültigkeit ihrer Väter.
Aus Gleichgültigkeit, aus Langeweile,
Haben wir die Bolchewiken emporgeholt.
1990

116.
War das Jahrhundert grausamer,
Als unser gegenwärtiges zwanzigstes?
Oder insbesondere das Mittelalter,
Oder ist es der Fortschritt, der uns all das Böse bringt?

Ewige Kriege werden immer geführt,
Sowohl in der Tierwelt, als auch in der Welt des Menschen.
Wer hat so einen Teig zusammengemischt,
Daß alles einfach durcheinanderfliegt?

Haben vielleicht die Revolutionen den Anfang
Dafür in uns hineingelegt?
Peinlich ist es mit für Lenin,
Daß Rußland dermaßen leiden mußte.
1986

117.
Ein Leben voller Begegnungen und Trennungen.
Und wenn du einen Menschen, einen Freund getroffen hast,
Dann bist du bis ins tiefste Bewußtsein
Vor dem anderen und den Menschen verantwortlich.

Ein guter Mensch und Freund
Hilft einem in einer schwierigen Minute,
Er überbringt keine schlechten Nachrichten,
Er fügt von sich noch etwas hinzu
In solchen schwierigsten Minuten.

Freunde verzeihen einem die Minuten der Schwäche,
Sie heben deine Stimmung, deine Laune;
Große Fehler verzeihen sie nicht;
Dann hast du noch die Energie dich eine Minute lang für etwas zu begeistern.

Aus Gründen der Vernunft machst du nur wenig Fehler,
Aber mit dem Verstand sind’s mehr.
Aber wenn du einem Herzen folgst,
Kannst du so viele Fehler machen, wie drei Menschen zusammen.
1979

118.

Männer aller Zeiten und Jahrhunderte
Haben ihre Kräfte stets im Kampf gemessen.
Kämpfe des Verstandes natürlich.
Nicht heimlich hinter den Kulissen oder im Duell.

Wo sind Ehre, Würde und Ruhm geblieben,
Wo die Weishalt der Alten, unserer Väter?
Und wo die Spuren von Vernunft und Tapferkeit,
Wo der gesammelte Verstand der vergangenen Generationen?

Wirviel kann der Mensch
Für Vorfahren und Nachkommen vollbringen,
Doch nicht dazu ist der Mensch geboren,
Daß er zwischen Trümmern sich herumwälzt.

Das Vernünftige wird natürlich siegen,
Und in der Welt gibt es keine anderen Wege.
Natürlich entscheidet das Vernünftige,
Denn es sind die Menschen, die entscheiden, nicht die Götter.
1982

119.
Im hellen Dunst der Morgendämnmerung,
Sind wir über Petersburg hinweggeflogen.
Wie auf einer Handfläche liegt die Stadt von oben gesehen,
Der Stadtrand und die Inseln mitten in der Newa.

Lichtergewitter überall entlang der Newa,
Und des ist sehr schade, daß ich nur so selten hier bin.
Heute lebe ich in Ulan-Ude,
Aber wo ich morgen sein werde, das weiß ich nicht.

Einst sind die Vorfahren hierher gekommen,
Durch die Gunst von Zarin Katahrina.
Aus deutschen Landen flüchteten sie vor Hunger und Elend,
Wegen ein paar Deßjatinen lehmigen Bodens.
1982

120.

Über Norilsk

Ich erinnere mich an die Tundra mit ihren Millionen Blumen,
Und in der Nacht steht dort die Sonne hoch am Zenit.
Die Menschen sind aus allen Gegenden zusammengekommen,
Dutzende Lager und das Schmidt- Denkmal.
Dort empfand ich Kälte, eisige Schneestürme,
Und die Güte der Menschen und ihrer Herzen.
Dieses Plätzchen, von der weiten Tundra erwärmt,
Konnte auch der Schurkenvater nicht umgehen.

Ich erinnere mich an den Eisgang auf dem Jenisej,
Talnach, Medweschka, das Ust-Chantajsker Wasserkraftwerk.
Meine Famuilie wurde in dieser Odyssee geboren,
Und meine Erfahrung als Energetiker erwarb ich mr am Heizkraftwerk.
1982

121.
Wieviele Male schon wird das Volk in die Sackgasse geführt,
Ganz ähnlich wie im Mittelalter.
Doch jedesmal findet sich ein Weg,
Das Volk aus dieser Sackgasse herauszuführen.

Heute sind wir wieder in die Sackgasse geraten
Auf unserer engen, gemütlichen Erdkugel.
Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen,
Ob wir friedlich leben oder ein Raub der Flammen werden.

Die andere Sackgasse ist, daß wir die Natur zugrunde richten
Und unsere Wurzeln ausreißen.
Und genau das ist doch derselbe Weg wie in den Krieg,
Wir sind doch Menschen, keine Wilden.

Und es gibt noch eine dritte Sackgasse direkt vor unseren Augen –
Daß wir ohne Arbeit leben wollen.
Aber allen ist schon lange bekannt,
Das ein Mensch ohne Arbeit nicht auskommen kann.
1984

122.
Sie sagen, es wird keine Liebe geben,
Aber trotzdem pflichten sie mir bei,
Daß die Liebe Wunder vollbringen kann,
Auch wenn sie mitunter stirbt.
Wenn wir es zuließen, daß die Liebe verschwindet,
Dann würde auch der Mensch von dieser Erde verschwinden.
Die Erde würde veröden, sie würde ächzen und stöhnen,
Es ist nicht anzunehmen, daß dieses Jahrhundert noch kommt.
Liebe, sagen sie, währt immerdar,
So lange es auf Erden Leben gibt.
Und sogar in der irrealen Welt
Wirst du kein anderes Lebenselexir ausfindig machen.
1984

123.
Während du lebst mußt du auch tatsächlich leben,
Nicht einfach bloß so durch die Welt gehen.
Die Seele anwärmen, lieben, schaffen.
Man darf nicht einfach nur so leben.

Schau dich um und liebe die Natur,
Und geh’ am frühen Morgen durch den frischen Tau.
Laufe ein wenig im Freien herum,
Egal bei welchem Wetter.

124.
Ich weiß nicht, wieviel Schuld jemand daran hat,
Daß mein Volk in Wäldern lebt, in Steppen.
Das Schicksal kann uns nicht das Stückchen Land zurückgeben.
Sag uns, Gott, welches Los liegt in dieser Schuld?

Und trotzdem brauchen wir ein Stückchen Land,
Selbst wenn es ausgetrocknet ist und sich in Kasachstan befindet.
Mit unserer Hände Arbeit werden wir daraus erneut
Blühende Gärten, ein Feld und ein Dach über dem Kopf schaffen.

Mein Volk hat sich mit seiner Arbeit
Einen festen Platz am Tisch verdient,
Es ist nicht schwach und im Verstand auch nicht zurückgeblieben,
Ich glaube, daß es sein Zuhause schon bekommen wird.
1985

125.
Hundertsechzehn Jahre später
Bin ich nach Sibirien geraten,
Um den Dekabristen zu erzählen,
Wie die Welt aufgebaut ist.

Von den Senatsplätzen
Hatte ich in meiner Kindheit etwas mitbekommen,
Wie das russische Volk
Unter der Zarenherrschaft zu leiden hatte.

Ich weiß, daß die Vorfahren
Aus Armut und Elend nach Rußland kamen,
Nach dem siebenjährigen
Bauernkrieg.

Die südliche Wolgaregion haben wir besiedelt,
Die südlichen Grenzen Rußlands bewacht.
Nach der Revolution haben wir wie in einem Kessel gelebt.
Und jetzt gibt es auf der ganzen Welt keinen Platz für uns.
1986

126.
Urteilt nicht einfach über das Leben
Und simplifiziert nicht immer alles so eilig,
Seht euch alles genau an, präzisiert die Dinge,
Denkt nur nicht, daß es euch gelungen ist, alles zu begreifen, zu erkennen.

Lernt aus fremden Fehlern,
Versucht durch Vergleichen zu verstehen
Auf Befehl des Herzens werdet ihr nicht alles verstehen,
Aber ihr könnt euch einer Sache vollständig stellen.

Und wenn ihr im Strudel des Lebens existieren wollt,
Dann sammelt erstmal die Erfahrungen des Lebens.
Denn wenn ihr mit Verstand auf dieser Erde weilen würdet,
Dann gäbe es auch die spanischen Stierkämpfe nicht.
1986

127.
Die Natur liegt in eurer Hand,
Alles, was einem vorherbestimmt ist.
Nehmt das Gute in uns,
All das ist euch gegeben.

Von euch sind alle Männer
Auf Ewigkeit verdorben,
Und ebenso Nikodemus
Und alle Säufer – bis in alle Ewigkeit.

Ihr könnt aus uns
Ohne weiteres einen Strick drehen,
Und wir werden uns fügen,
So ist unser Leben.

Denn dass Leben stammt von euch,
Und nicht von den Männern,
Und deswegen lohnt es nicht,
Sich in solche Deppen zu verlieben.
1987

Die Idee mit der KpdSU

128.
Der Esel beschloß schlauer zu werden,
Und er begann laute Reden zu schwingen,
Daß er schlauer sei, als alle anderen –
Und das schwor er bei allen Heiligen.

Ein ganzes Jahrzehnt schrie der Esel herum,
Bis er völlig heiser geworden war.
Aber da geriet die Menge in Bewegung,
Und der Herde kam die Erleuchtung.

Und es stellte sich heraus, daß der Esel
Die heimische Herde nicht dorthin geführt hatte.
Da mußte er abtreten,
Denn schlauer als die Herde kann er nicht sein.

Natürlich fingen sie in der Herde an, eine Menge Unfug zu treiben
Und den klugen Esel zu verurteilen.
Laß du nur schön die ganze Wahrheit heraus,
Und uns gegenseitig die Gemeinheiten ins Gesicht speien.

Die Nachbarn versammelten sich und
Begriffen nicht, was das für eine Gesellschaft war.
Die Esel quälten sich in der Scheiße ab,
Dam´nn kehrte wieder Ruhe ein.
1987

129.
Arbeit mit Musik vollbringt Wunder
Und verwandelt den Affen in einen Menschen;
Es kam so, daß man einen Stock nehmen mußte,
Wenn man sich einen Apfel holen wollte.

Am Anfang wohnten alle in Höhlen,
Sie wußten nichts von Krankheiten;
Dann gingen sie alle in die weite Welt hinaus,
Und nahmen die Plätze an den Flüssen und Seen ein.

Und so lebten sie jahrhundertelang in der Natur,
Ohne Eingesperrtsein – in der Freiheit;
Plötzlich hatten sie alles im Überfluß,
Und alles um sie herum begann sich zu drehen.

Viel Wasser ist den Bach hinabgelaufen,
Aber de Gleichberechtigung hat uns noch nicht erreicht;
Wird es gelingen, die Reichen zu vernichten
Und überall Gleichheit zu schaffen?
1987

130.
Man muß ein Märchen erzählen
Über das wunderbare Leben,
Wie wir unter Qualen geboren wurden,
Wir – die Söhne der Heimat.
Kurz und klein geschlagen haben sie
Den Glauben an Arbeit und Aufrichtigkeit!
Allah hat uns in die Sackgasse getrieben,
So ist es durch unsere Sorglosigkeit gekommen.
Wir haben in die ganze Welt hinausgeschrien,
Daß es keine ehrlicheren Menschen gibt als wir,
Und wir veranstalteten Gelage,
Die die ganze Welt anwiderten.
1987

131.
Die Natur gibt es nur ein für allemal.
Die ganze Welt für immer verbessern.
Niemandem wird man vergeben,
So ist nun mal das Schicksal.
Wir sind eine erstaunliche Schöpfung
Der Natur, eine Frucht der Arbeit,
Aber die Leiden währen ewig,
So ist nun mal das Schicksal.
Und vielleicht leben wir
Im Weltall nicht allein,
Vielleicht wird man sich überlegen,
Wozu die Leute auf der ganzen Erde sind.
1988

132.
Ein ehrliches Gespräch über das Leben
Kann man auf der Welt nicht umgehen,
Die Schmach haben sie am eigenen Leib zu spüren bekommen,
Ich will nicht, daß sich das wiederholt.

Wie Trunksucht hat das Manifest
Die danach Erzogenen in die Sackgasse geführt.
Es scheint man müßte alles stoppen
Und jeden auf seinen Platz jagen.

Betrug und Plünderei sind Gang und Gäbe,
Was Moral ist, hat die Menschheit schon lange vergessen,
Heute sind wir in eine derartige Sackgasse hineingeraten,
Daß es bisweilen scheint, als hätten wir uns überlebt.
Wir wissen nichts von Ehrgefühl,
Vor lauter Grobianen, lauter Diebstahl.
Ja, es ist ganz einfach! Man muß die Schweinehunde alle fortjagen,
Sie nicht mehr in den Sessel, auf den Sattel lassen

Wie paßt ein Raub in eine Satzung rein,
In jenen Weg, den wir gegangen sind,
Wo hat man diese Dreckskerle nur hergenommen,
Die wir und ihr hervorgebracht haben?
1988

133.
Heute bin ich im Zentrum Asiens,
Am Oberlauf von Jenisej und Sajan;
Hier liegt Tuwa,
Sie geriet an einen allgemeinen Klan.

Kysyl liegt am Ufer eines Flusses,
Sonne und Kälte gibt es im Überfluß,
Hier auf dem Boden Zentral-Asiens
Habe ich keine Menschen in Nomadenzelten gesehen.

Auch hier ist die Natur zerstört,
Hier auf dem Boden Zentral-Asiens,
Und wo ist die langersehnte Freiheit, Oder haben unsere Söhne das nur geträumt?

Überall haben wir alles zerstört,
Für immer die Seelen aufgerissen,
Wie unruhig ist es in meiner Seele,
Wie sehr, du Erde, bin ich deinetwegen beunruhigt.
1988

134,.
Esel locken Esel an,
Um ihre Herde zu gründen;
Mit anderen ist es ein mühsames Unterfangen,
Behüte Allah uns vor ihnen
Denn bei den Eseln ist alles in Ordnung,
Sie steh’n ein ganzes Leben auf derselben Weide;
Bei Sonnenaufgang schreien sie eine Weile,
Wo man sie hinstellt, bleiben sie.

Einen Esel erkennt man sofort, aber jene. Wann werden sie begreifen!?
Da braucht man Zeit, muß es verstehen,
Solche wird er nicht festhalten, sondern laufen lassen.
Bei den Klugen ist es gerade umgekehrt,
Er zieht die Klugen zu allen möglichen Arbeiten heran,
Und sie sind ziemlich komisch,
Nehmen sich auch fremder Dinge an..

Man kann sie in der Herde nicht beisammen halten;
Er wird am frühen morgen auch nicht schreien,
Und nirgend sgibt es für sie staatliche Normen;
Er kann nicht gehen auf dem schmalen Pfad.

Wie geht es weiter, wohin ghene wir?
Wir werden erneut die Klugen herbeirufen,
Es gibt auch Leute, die ein wenig merkwürdig im Kopf sind,
Sie sind geblieben, glaubt es mir.
1988

135.
Eine Tagetesblume.

Die Blume, die die Kindheit ergänzt hat,
Die mich auf Lichtungen und in den kleinen Waldstücken begleitete,
Die für uns die Sonne bedeutete,
Allen Bräuten hat man damals Kränze daraus geflochten.

Sie ist mit Sonne, mit Wärme verbunden,
Und spricht zu uns, daß der Sommer gekommen ist.
Und wie eine Heilige haben sie sie im Dorf bewahrt,
Und da sieht man, wie das Leben es verändert hat.

Jetzt ist schon nicht mehr diese frühe zeit,
Aber ich halte das immer noch in Ehren;
Mir ist die Heimat lieb und teuer
Und oft hab’ Sehnsucht ich nach ihr.

Leuchte, leuchte, du mein Feldblümelein,
Erinnere mich an meine Kindheit, an den Frühling.
Leuchte ein Leben lang, du heimatliche Wärme,
Und erzähl den Nachfahren die ganze Wahrheit.
1988

136.
Ist Ehre mehr wert oder die Karriere.
Geld oder deine Freunde?
Tausend Jahre hat der Glaube
Dem Menschen im Alltag Halt gegeben.

Wo haben wir unser Gewissen verloren
Und in welcher Zeit?
Tausend Jahre hat man es in die Menschen hineingepreßt,
Und plötzlich ist es nicht mehr da.

Die Vorfahren haben noch in Würde gelebt,
Bis zum siebzehnten Tag,
Heutzutage sind wir ganz selten,
Alles ist bis auf die Wurzeln zerstört.
1988

137.
Wir waren alle in einer Eselsherde,
Gingen daher als betrogene Menge,
Und die, die etwas vernünftiger lebten,
Die wurden alle im Gefängnis „korrigiert“.

Viele starben um der Wahrheit willen.
Und wir saßen hinter deren Rücken,
Haben uns am eingebildeten Ruhm ergötzt
Und uns alle zusammen einen hinter die Binde gekippt.

Unser Nachfahren streiten mit uns darüber
Und versuchen sich darüber klar zu werden, wer wer ist,
Sie beschimpfen uns wegen unserer angeblichen Verdienste
Und all deine Taten, Kazo werden verurteilt.

Und später waren sie auch nicht schlauer,
Ich werde ihre Namen hier nicht nennen;
Einer war lächerlicher als der andere,
Und sie haben uns eine ähnliche Saat hinterlassen.

Aber es gibt einen Ausweg aus diesem Fiasko,
Und so haben sie angefangen, das Gehirn zu berichtigen;
Wir müssen aus dem Skandal herauskommen,
In dessen Richtung wir in vielen Windungen langsam gingen.
1989

138.
Blau scheint der Himmel hinter meinem Fenster,
Sterne, eine Unzahl Sterne,
All dies zusammen ist mein Zuahsue.
Ich bin nicht schuld, daß ich nirgends leben kann.

Du, Venus, am Rande der Erde,
Und auch du, Mond – mal als Vollmond, mal unsichtbar.
Und Saturn bewegt sich durch die Lautlosigkeit,
Und der Merkur, der spielt den Menschen Streiche.

Der Mars, nicht allzu weit entfernt,
Die Sonne leuchtet rund ums Jahr,
Du hast die Natur in unser Bewußtsein gelegt,
Warum kommt uns das nicht zugte?

Die Welt ist endlos, ohne Grenzen,
Die Welt steht über dieser dichten Masse.
In ihr gibt’s heut den Menschen und die Vögel,
Und wer bringt das alles in einem Klumpen wieder zurück?
1989

139.
Ob ich heute ein aktuelles Thema herausschreibe,
Oder euch vielleicht einfach nur erzähle,
Was es mit der Tageswahrheit auf sich hat.
Wozu soll man die Sünde in der Seele verbergen?
Und schon gar nicht heute,
Da dir und mir in diesem Land
Die freie Existenz bewilligt worden ist.

Lange Zeit sind wir ins Dickicht hineingegangen
Und haben die Wahrheit nicht geliebt;
Wir haben uns in der Stille nicht vor denen verneigt,
Die es verdient hatten.

Wir haben den Personenkult nicht anerkannt, doch leider nicht vollständig,
Erneut haben wir alles wiederholt,
Haben Scham und Ehrgefühl verloren,
Und ihr sagt, daß wir gelebt hätten.
1989

140.
Wie soll man sie in Worte, Zeilen fassen,
All die von den Schuften ausgedachten Gemeinheiten,
Und wie werden sie vor der ganzen Welt antworten.
Oder haben sie irgendwo noch einen besonderen Platz?

Und warum bringen sie soviel Böses,
Und raffen alles Fremde unter sich zusammen?
Man sagte ihnen, sie sollten es nicht festhalten,
Oder soll man sie mit der ganzen Welt zusammen ausroden?

Und wie konnte es passieren,
Daß man alle bei lebendigem Leibe begraben hat?
Daß wir uns alle unterordneten?
Weswegen hat man uns so ein Zuhause verschafft?

Vier Generationen sind nun
Mit diesen Krümmungen und Windungen vergangen,
Das zu begradigen ist nicht das einzige,
Aber es ist gut, wenn es nur diese vier Generationen waren.
1989

141.
Rußland tut mir aus ganzem Herzen leid,
Ach, man möchte einfach nur laut schluchzen,
Erneut bist du in die Misere hineingeraten,
Es wird nicht einfach sein weiter zu leben.

Die Seele haben sie für lange Zeit zugrunde gerichtet,
Faulheit, Trunkenheit verbreitet;
Und hättest du, Olga, dir jemals träumen lassen,
Wohin sie dein Volk eines Tages bringen?

Wir haben eine kranke Gesellschaft,
Und der Grund dafür ist wohl,
Daß der Kaukasus sich gegen uns stellt,
Und überall erwartet uns ein ähnliches Bild.
1990

142.
Weder Puschkin noch Tolstoi konnten mich
Vor den menschlichen Fehlern des Lebens bewahren.
Aus Neid, durch menschliches Gerede,
Aus dem Dreck der Gefühle kommt der Schleim gekrochen.

Wozu brauchen wir Lermontow, Jesenin, Vysotzkij,
Achmatowa, Heine und Goethe?
Wenn wir unser heimatliches Haus nicht retten
Und unser ganzes Menschengeschlecht zerstören.

Mit Sturmgeläut soll alles dröhnen,
Und alle sollen vor der Welt darniederknien;
Schon lange ist die Zeit gekommen,
Den ganzen Schmutz, der über die Welt verteilt ist, fortzuwischen.
1990

143.
Wir sind noch vor Puschkin in Rußland geboren
Und so viel Gutes entströmte unseren Herzen.
Aber jedesmal gerieten wir in irgendein Elend,
Bloß weil wir von einer anderen Verwandtschaft waren.

Schon mehr als acht Jahrhunderte,
Bekannte Begegnungen, Verschwägerungen,
Aber jedesmal sah man uns als Vieh an,
Als ob eine Überschwemmung das Land überflutete.

Die Dekabristen sind ganz nach meinem Geschmack,
Und wie sie ein halbes Jahrhundert in der Verbannung zubrachten.
Warum entfiel das alles auf das Los der Verwandten?
Doch bald wird es zuende sein, die Welt verändert sich abrupt.
1990

144.
Wach endlich auf, betrogenes Volk!
Sei mutig – mit dem Sonnenaufgang in den Morgen,
Triff deine Wahl und lete dann die Wendung ein,
Und zeig’, wer für ein solches Leben verantwortlich ist.

Wie soll man all das Durchgemacht nur in Verse bringen,
Wie die eiserne Armada zeigen;
In der Geschichte findet ihr ein ähnliches Land,
Die Mauern mit Stacheldraht verschandelt.

Wie die Hammel führen sie uns hinter sich her,
Und rauben soviel ihnen lieb ist,
Beleidigt sind sie, wenn man sie als Räuber beschimpft,
Wach auf! Es gibt keinen anderen Ausweg.
1990

145.
Die Geschichte hat uns schon seit langem mit Rußland verbunden,
Unter unter den Zaren waren die Deutschen geachtete Leute,
Aber die Kommunisten haben sie in die Verbannung geschickt,
Und halten sie bis heute wie die Sklaven.

Wenn sie Rußland nützen,
Befreit es sie aus der Sklaverei,
Wir sind nicht Dschingis Khan und nicht Batyi (kasach. Fürst; Anm. d. Übers.),
es ist längst an der Zeit, den Faschismus zu beenden.

Wir haben das Recht auf einen Platz unter dem Mond,
Für das Blut und den Schweiß der Väter und Mütter,
Und es soll Gewissen und Ehre geben,
Denn sonst verlier’n wir unser menschliches Gesicht.
1990

Nur ein kompaktes Zusammenleben der Rußland-Deutschen wird das Problem der Wahrung ihrer Kultur lösen, andernfalls wird es eine vollständige Assimilation geben.

146.
Wach endlich auf, betrog’nes Volk!
Nimm den Stolz, die Lüge und die Gier hinfort,
Satan und Teufel werden uns verlassen
Und es wird wieder Licht und Freude geben.

Gegen Diebstahl, Trunksucht
Sprich ein hartes Urteil,
Nimm nur das Schönste in dir auf,
Und dein Verstand wird dich dafür belohnen.

Befre’ dich von der Trägheit,
Der Hunger und die Ausweglosigkeit werden dich verlassen;
Laß dich von den biblischen Weisheiten lenken,
Sie helfen dir den Glauben zu finden und zu halten.

Geduld. Die Arbeit gibt dir Halt,
Und das Leben der Vorfahren ist für die Nachkommen;
Eine große Meute hängt an deinen Schultern -
Aus Schurken, Dieben und Mistkerlen.

Vergiß die Angewohnheiten des Imperiums,
Vergiß die Sitten der Wilden,
Verurteile nicht um der Wahrheit willen.
Mach’ dich an die Erziehung deiner Kinder.
1991

Dem Autor gewidmet

147.
Das Schicksal drängt alle weiter noch nach Osten,
Wo es halt macht, weiß ich nicht.
Vielleicht weiß das ja ein Prophet,
Und wenn nicht er – dann weiß es niemand.

Alle werden von der Natur mit unterschiedlichen Schicksalen bedacht,
die einen bekommen Sorgen und Leiden zugeteilt,
Die anderen Sorglosigkeit, Gleichgültigkeit und Schläfrigkeit.
Was würdest du wählen? Natürlich die Herausforderungen und Prüfungen.

Du bist allein schon dadurch glücklich,
Daß du es verstanden hast, auf dieser Welt geboren zu werden.
Sonst hättest du die Wolga und den Kem ja nicht gesehen,
Die Wasser des Baikal, wie einen Teil der Tränen.

Um dich herum – da gibt es Gut und Böse,
Glück und Unglück.
Vergiß es nicht in deinen Händen,
Das Glück, das du gewonnen hast.
1981

148.
Warmer Regen, saubere Bächlein.
Blauer Himmel und grüne Wiesen.
Das Rascheln der Blätter, das laute Meerestosen,
All das ist wie Musik in meinen Ohren.

Die Natur hat die guten Menschen
Mit einer feinen Beobachtungsgabe ausgestattet,
Daß lächelnd sie die Morgendämmerung begrüßen,
Als ob sie neu auf dieser Welt geboren wären.

Wie sollen sie bis in ihr Alter
Den Humor ihrer Väter und Großväter bewahren?
Und auch für ihre Enkel und Urenkel
Die ganze Leidenschaft zur Arbeit ihrer Urgroßväter?
1982

149.
Gesetzbuch für den Leitenden.

Mutig soll er sein, sich an Maßstäben messen,
Bescheiden und kompetent auftreten;
Bei Schwierigkeiten soll er nicht gleich jammern,
Ehrlich soll er sein, intelligent.

Er ist verpflichtet den Kontakt zu finden.
Er soll seine Sache verstehen, gesund und aktiv sein;
Er soll die Menschen achten,
Soll optimistisch-objektiv sein.

Seine Autorität soll er auf Tatsachen aufbauen,
Auf seiner Position und nicht auf fremden.
Nicht in den Wolken soller herumfliegen,
Sondern hier die irdischen Belange entscheiden.

Er soll immer ein Mensch sein,
Auch unabhängig von der jeweiligen Situation;
Linientreu muß er sein,
Wenn die Menschen ihm das Vertrauen geschenkt haben sie zu lenken.

Anspruchsvoll soll er sein
Und im Leben sein gutes Herz beweisen;
Initiativen seitens der Menschen soll er nicht unterdrücken.
Er darf nicht dickköpfig und unnachgiebig sein.

Er soll Probelm lösen, sie nicht schaffen,
Dann werden die Leute ihm auch dankbar sein;
Und dann – dann darf er auch Gedichte schreiben,
Dadurch wird niemand Schaden nehmen.
1983

150.
Mein Traum wird in Erfüllung gehen,
Irgendwann einmal möchte ich mich in die Wissenschaft zurückziehen;
Vielleicht werde ich ja etwas neues entdecken.
Schließlich wird von alleine nichts passieren.

Schon längst befass’ ich mich mit einem Stand am KATEK
(Kansk-Atschinsker Wärme-Energie-Komplex; Anm. d. Übers.),
Vielleicht werde ich auch den Fluß Kasbek hinauffahren.
Schon viele Jahre bereite ich mich darauf vor,
Wie man sieht, geht es im Leben nicht ohne Wissenschaft.

Mitunter überrollen mich wie eine Welle
Ideen von Energetik und Astrologie,
Jeglicher Schlaf ist dann dahin.
Jahrelang bin ich mit den Ideen allein gewesen,
Nachts gabe es für mich keine Ruhe,
Denn graue Haare ließ ich wachsen mir.
1983

151.
Bald kehre ich zurück nach Haus,
Besuche die Verwandten, Freunde und Bekannte;
Schweigend wird’ ich an ihren Gräbern stehen,
Den Gräbern der Verwandten, Freunde und Bekannten.

Nicht die Schwermut ruft mich heim,
Es ist wahrscheinlich wohl der Ruf der Verwandten, Freunde und Bekannten,
Die mich für immer zu der heimatlichen Erde rufen,
In die heimatlichen Gefilde, dort wo sie alle weilen.

Warum streife ich durch die ganze Welt,
Duch das Primorje-Gebiet, an die Wolga, nach Sibirien?
So steht es wohl in meinem Schicksal fest geschrieben,
Und ich schreibe über die Polarregion und Kasachstan in meinen Gedichten.

In meinem Herzen hege ich keine Groll,
Wenngleich das Leben bisweilen schwierig war,
Ich betrachte das Leben auf meine Weise,
Habe meine eigenen Vorstellungen von seiner Vergänglichkeit.
1984

152.
Ich möchte’ auf diesen ganzen Luxus spucken,
Wenn mein Volk im Elend lebt,
Ich würde lieber den Spazierstock greifen
Und überall ind er Welt herumschlendern.

Wie kann man eine solche Not denn nur erlauben,
Gibt es denn überhaupt kein Ende,
Man hat grundsätzlich ein problem erfunden,
Obwohl das keinen müden Groschen wert ist.

Die einfachsten Wahrheiten vernichten wir
Und suchen in irgend jemandem das Böse,
Was haben wir damit zu tun, wenn wir lieben,
Wozu verlieren wir umsonst die Zeit.

Alle müssen sich dieser Erde unterordnen,
Es gibt nur diese eine Welt für alle.
Wer ist hier schuld und wer ist fremd?
Antwortet darauf mit einer ewig gültigen Bescheinigung.
1986

153.
Ich verbrachte den ersten Mai in der Heimat.
Und erinnere mich trotzdem an die Steppe, den Baikal;
Ich wanderte durch die Tundra, durch die waldbewachsene Taiga,
Mein Leben lang hab’ ich die Freiheit gesucht.

Saratow, Jenisejsk, das Dorf, die Taiga,
Norilsk, Nasarowo, Ulan-Ude,
Ekibastus und wieder krasnojarsker Orte,
All das mußtest du erleben.

KATEK, ETEK und das Baikal-Gebiet
(Wärme-Energie-Komplexe von Kansk-Atschinsk bzw. Ekibastus; Anm. d. Übers.),
Scharypowo und Krasnojarsk in meinem Jahrhundert,
Die Energie hat mich verlassen – die Willkür der Naturgewalten;
Und bis heute suche ich den Ursprung meiner Familie
1986

154.
Ich hege in meinem Herzen keinen Groll,
Auch wenn das Leben manchmal schiwerig war,
Vielleich dauert es zu lange, bis ich mich davon lösenb kann,
Ich habe nicht nur eine Krise durchlebt.

Das Schicksal behütet mich auf grausame Weise,
Weshalb – das verstehe ich selber nicht,
vielleicht wegen meines heroischen Verhaltens;
Ob ich wohl wie ein Schweinehund verrecken werde?

Beide Extreme sind in allen Jahrhunderten
Für die Menschen auf dieser Welt charakteristisch,
Einem Helden voraussagen, was auf ihn zukommt –
Dazu ist noch nicht einmal eine Mutter in der Lage.1989

155.
Wo ich nur überall schon war,
Sogar im Narrenhaus,
Wie ihr seht, hab’ ich das nicht verheimlicht,
Aber ich habe mir auch nichts verziehen.

Kurtschatowa-Straße 14
Im Juni, dem Tag des Kriegsbeginns.
Da haben sie mich wie Stirlitz verhaftet,
Ohne einen Grund für meine Schuld zu nennen.

Kusnetzow war in die Sache verwickelt
Als Dieb der Diebe.
Und Fedosjuk war mit hineingezwungen worden,
Aus allen Schichten waren welche da.

Um 9 Uhr morgens kamen sie zu mir hereingestürzt;
Sechs Ochsen waren es,
Mutig bat ich sie nach draußen
Und verdrosch sie nach Strich und Faden.

Aber sie kamen noch einmal zurück,
Um 13 Uhr, zum Hauseingang.
Sie banden mir die Hände zusammen –
Vor aller Leute Augen.

Sie warfen mich in einen Jasik und
Brachten mich eilig in eine psychiatrische Klinik.
Es lief alles ab wie auf Bestellung,
Damit ich nachher nur keine unartikulierten Laute ausstieße.

Die KpdSU hat sich geirrt,
Ihre Methoden sind klar,
Mit den Faschisten sind sie verschwägert,
Und sie sind alle gegenseitig Paten.

Die Nachfahren werden nicht vergessen,
Wer sie in den Hinterkopf schoß.
Und das Meer tost und braust,
Vor lauter Lagern und geheimen psychischen Anstalten.

Aber Wahrheit, Ehre und Gewissen
Waren wertvoller als das Leben selbst.
Für uns ist das nichts Neues,
Nicht alle werden zu Seife verarbeitet.

Es bleiben doch die Menschen übrig,
Es vergeht alles, was schon
Überflüssig und vorbei ist –
Auch ihre Richter.
1989

Es wurde außerhalb des gesetzes gemacht, ohne das Einverständnis der Angehörigen; und das Wichtigste war, daß es am 22. Juni 1988 geschah, dem Jahrestag des Kriegsbeginns.

156.
Wie ein erschöpftes Pferd
Lebe ich heute.
Ich krieche nicht ins Feuer,
Aber ich würde es sehr gern.
Vielleicht ist das Weisheit –
Oder das Alter klopft schon an die Tür.
Oder einfach das kümmerliche Dasein,
Aber die ganze Seele schmerzt.
Ich habe keine ruhige Minute gesehen,
Ich habe auch nicht nach ihr verlangt.
Ich bin an keinem Raubüberfall beteiligt,
Offensichtlich hatte ich Glück.
Ich liege mit dem Dreckskerl im Zwist,
Vom Kindesalter an – bis hin zum Ende.
Wenngleich ich auch zu dem Apparat gehörte,
Duldete ich den Schurken nicht
Mensch und Mann –
Auf immer Ehre und Gewissen.

Die Ruinen hab’ ich nicht erklommen,
Stieg aus dem Feuer auf,
Und die Auszeichnungen habe ich nicht umsonst
Für meine Arbeit erhalten.
Ich stand für die Rechte ein,
Schickte viele zum Teufel.
1989

157.
Auf den städtischen Müllabladeplatz
Brachte ich mein Parteibuch,
Und es war keine hübsche Zigeuner-Wahrsagerin,
Sondern die Vernunft, die mir eine klare Antwort gab.
Ich bin betrogen wie die meisten
Von der ganzen Mafia der KpdSU.
Und bald vielleicht sind alle der Vergessenheit anheim gefallen,
Die aus der mohamedanischen SSR stammen.
So etwas hat die Geschichte uns beschert –
Wahrscheinlich für irgendwelche Sünden.
Andersdenkende wurden bestraft,
Von ihnen sind nur Kreuze geblieben.
1989

Dem Lumpenpack gewidmet

158.
Merkt euch die Tyrannen und Henker.
Josef, Adolf und ihre Dienerschaft.
Sie sind schlimmer als wilde Bestien;
Einer verausgabte seine Kräfte, der andere wurde in den Bezirk vertrieben.
Einer verausgabte seine Kräfte, der andere steht auf einem Postament.
Im Kreise seiner Bediensteten im Kreml.
In Tschimkent wird man sie nicht vergessen.
Auf immer und ewig
Verfolgt die Tyrannen durch die Geschichte,
Damit die Erde keine neuen hervorbringt.
Ihr seif Menschen, ihr bewertet objektiv;
Laßt sie nie wieder auf dem Thron, im Sattel sitzen.
1990

159.
Du sollst dich nicht mit deinem Schweinerüssel
Mit ihnen in die gleiche Reihe stellen.
Wasch deinen Hintern mit Seife
Oder geh zur landwirtschaftlichen Einheit.
Dort wirst du wenigstens irgendetwas hinterlassen,
Nicht nur deinen Dreck;
Korrigiere deine Autorität,
Verdien’ das Brot für dich und deine Familie.
Dann wirst du bis zu deinem letzten Weg zu essen haben.

Für fremdes Brot und Arbeit
Stocherst du im Boden herum,
Begreifst, daß du nicht der Nabel der Welt bist.
Rühre kein fremdes Brot an und knüpfe keine Netzte
Wenn du mit deiner Schnauze nicht dorthin paßt,
Dann hüte die Schafe und die Kühe.
Du wirst das Kabinett ersetzen
Und den Griff der Spitzhacke,
Du mußt Verantwortung zeigen
Für Fleisch und Milch.
Die ganzen „großen“ Leute
Haben das Gefängnis durchlaufen;
Dir wird das Volk zum Richter,
Und es korrigiert das Schicksal.
Seine ganzen Speichellecker
Schickst du aufs Land,
Damit sie dir ein Haus mit einer
Toilette aus Holz bauen.
Du hast viele verwöhnt
Mit Kaviar und geräuchertem Störrücken.
Die Gehirne hast du allen ausgetrocknet
Mit deinem ganzen Wirrwarr.
Schmarotzer und Tagediebe tun überall ihr Werk.
Machen wir uns an die Korrektur, Brüder,
Sonst werden wir alle in unserem Dreck ertrinken.
1982

160.
Kasatschkow gewidmet

Wie soll ich mit den Grobinanen in meinen Versen umgehen,
Und wie ihr Innerstes enthüllen?
Sie befinden sich vor den Augen der Menschen,
Und wir wissen nicht, wie wir sie loswerden sollen.
Jeden Grobian erkennt man sofort;
Er lebt auf Kosten der Unterstützung, die er von oben erhält.
Deswegen fällt er durch seine groben Manieren auf.
Abenteuerlichkeit und Flegelei treten gemeinsam auf.
Wie ist es möglich, daß er nicht begreift,
Daß inder Perestrojka seinesgleichen nicht geduldet wird,
Daß die Menschen eine niederträchtige Person nicht dulden.
Und da thront also ein Flegel nach dem anderen,
Du kannst sie mit der hohlen Hand nicht greifen,
Sie decken sich gegenseitig.
Sklaben der Grobiane – als etwas anderes kannst du uns nicht bezeichnen.
1988

161.
Fedosjuk gewidmet

Er steht mit ausgestreckter Hand,
Seine Seele ist mit üblem Gestank besudelt.
Und da tragen sie ihn mit Säcken und Schultersäcken nach Hause.
Im Dreck stecken Seele, Arme und Beine,
Und überall um sie herum verbreitet sich Gestank.
Wo hat man diesen Menschenschlag gezüchtet?
Sag es mir ehrlich, wahrer Freund.
Der Reichtum liegt wahrscheinlich nicht uin den Klamotten,
Nicht in der Garage und nicht im Garten.
Reichtum entsteht aus Schmiergeldern,
Die Rückzahlung obliegt dem Münzamt.
1988

162.
Kusnetzow gewidmet

Sag mir ganz ehrlich, Bandenchef
Und nichtssagender Karrieremacher,
Wenn in dir das Gewissen erwacht,
Ob du dann selber fortgehst oder man dich verjagen muß.
Für klüger hätt’ ich dich gehalten,
Ich habe an deine Würde geglaubt.
Unüberlegt hast du getrunken und gestohlen
Und das Volksgut auf dem Basar verscheuert.
Für umsonst hast du ein Auto besessen,
Eine Garage, eine Datscha und Gott weiß, was noch.
Die Menschen haben ein ähnliches Bild gesehen,
Als du ihnen allen ins Gesicht gespuckt hast.
Ohne zu zahlen hast du getrunken und gegessen,
Hast am Hals des Volkes gehangen.
Überlege, denke nach, wie du gelebt hast!
Verstehst du deinesgleichen wirklich nicht?
1988

Bescheinigung.

Bezüglich der Rußland-Deutschen wurden 5 Ukase der Sowjet-Regierung verabschiedet:
1) Der Ukas vom 28.08.1941 über die verbannung nach Sibirien und Kasachstan. Sie wurden der Mittäterschaft am Faschismus beschuldigt, obwohl sie zu den Faschisten keinerlei Kontakt hatten.
2) Der Ukas vom 26.11.1948 über die verhängte, ewige Verbannung, woraufhin man von jedem eine Unterschrift verlangte, daß sie „wegen Fluchtversuch 20 Jahre „bekommen würden. (Ich persönlich habe ein solches Schriftstück 1950 unterzeichnet).
3) Der Ukas vom 13.12.1955 über die Freilassung aus der Sonder-Kommandantur und die Ausgabe von Ausweisen.
4) Der Ukas vom 29.08.1964 über die Aufhebung der Beschuldigung am Faschismus beteiligt gewesen zu sein.
5) Der Ukas vom 03.11.1972, der die Wahl des Wohnsitzes auch am vorherigen Wohnort wieder gestattete; davon erfuhren wir erst im Jahre 1989 unter Gorbatschow. Keines der Ukase wurde in der Presse veröffentlicht.

Niemand bekannte sich am Genozid der Rußland-Deutschen schuldig, an all den Erniedrigungen und Beleidigungen, die über dieses völlig unschuldige Volk verhängt wurden.

Autobiographie.

Ich wurde 1934 in der Ortschaft Grimm, in der Autonomen Repblik der Wolga-Deutschen geboren. Meine Eltern waren die Bauersleute Karl Georg Jakowlewitsch Schnaider (1907-1994) und Charlotta (Charlotte) Filippowna Schnaider (geb. Gappel? Happel?) (1908-2003).

Geboren wurde ich in der Perwomajskaja-Straße 233 (Straße des 1. Mai; Anm. d. Übers.), am Ufer des kleinen Flüßchens Lesnaja Karamysch. 1941 wurde ich mit sämtlichen Verwandten und allen anderen Rußland-Deutschen aufgrund des Ukas vom 28.08.1941 nach Sibirien verschleppt.

Nach den Worten der Eltern war das Jahr 1934 ein ertragreiches Jahr, und die Republik bekam sogar den Lenin-Orden. In einem langen Treck zogen sie mit Autos und Fuhrwerken bis ans Ufer der Wolga, zur Anlegestelle „Solotaja“.

Es war ein sonniger klarer Tag, man hörte Stöhnen, Weinen und Gebete. Überall im Dorf liefen Vieh, Hunde und Hühner herum. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden blieben 858 Höfe einsam und verlassen zurück; nur ein Haus blieb bewohnt – dort lebte Emilia (Emilie) Schuppe – ihr Mann war Russe. Großvater Filipp Karlowitsch Gappel (Happel, 1872-1941) befand sich zu dem Zeitpunkt im Krankenhaus. Er starb am 11.11.1941; davon erfuhr ich im Juli 1958, während meiner Reise nach Grimm, 17 Jahre später. Aus Grimm fuhren wir als mit einem Auto bis zur Anlegestelle „Solotaja“, dann mit einem Lastkahn bis nach Saratow, anschließend in Viehwaggons durch Kasachstan bis nach Krasnojarsk; dort mußten wir erneut auf einen Lastkahn umsteigen, und dann ging es auf dem Jenisej bis nach Jenisejsk und weiter durch die Taiga bis ins Dorf Marilowzewo. 18 Tage war ich unterwegs, vom 20.09. bis 08.10.1941.

Nach der Ankunft in Sibirien starben im ersten Monat zwei Tanten und fünf Geschwister and Erkältungen und vor Hunger; später kamen in den Lagerb hinter Stacheldraht neun Onkel ums Leben, zwei weitere fielen an der Front. In den Jahren des Krieges, von 1941-1945, starben einundzwanzig Verwandte (sechzehn davon in der Region Krasnojarsk, acht im Bezirk Jenisejsk). Ein besonders schwarzer Tag war der 20.09.1941, als wir verschleppt wurden. Aber auch als sie die Angehörigen begruben und alle in die Trudarmee holten, in die Stalinschen Todeslager. Und wir waren sieben Kinder, die mit der Mutter zurückblieben. Großmutter und Großvater blieben im Dorf. 1943 tauschten wir bei einer Frau aus dem Dorf Tscherkassy, das von unserem drei Kilometer entfernt lag, die allerletzten Kleidungsstücke gegen Kartoffeln ein. Ab 1944, ab meinem 10. bis zum 20. Lebensjahr, arbeitete ich in der Kolchose auf den Feldern und bei der Heumahd. Und im Winter ging ich zur Schule. Von 1943 bis 1950 besuchte ich die Mittelschule N° 1 in der Stadt Jenisejsk und beendete sie mit Auszeichnung. Von 1950 bis 1954 war ich in Jenisejsk im Krasnojarsker Technikum für Kontroll- und Planungswesen; auch dieses schloß ich mit hervorragenden Noten ab. Im Dezember 1950 wurde ich der Aufsicht der Sonder-Kommandantur unterstellt und mußte einen Schrieb unterzeichnen, daß ich „bei Fluchtversuch 20 Jahre“ aufgebrummt bekäme. Gemäß dem Ukas von 1948. Alle Deutschen standen 15 Jahre lang unter Sonder-Kommandantur, von 1941 bis 1956; wir mußten immer dorthin gehen und wurden in einer speziellen Kartei registriert. Einen Ausweis erhielt ich mit 22 Jahren, und bis dahin besaß ich nicht das Recht, mich ohne ausdrückliche Erlaubnis des Kommandanten aus Jenisejsk nach Hause zu entfernen. 1956 heiratete ich auf dem Schalunowaja Wera in der Stadt Norilsk, und doer wurden uns auch zwei Kinder geboren. Das dritte erblickte 1980 das Licht der Welt, drei Jahre nach dem Tod von Bruder August am Nasarowsker Wärmekraftwerk; seine Frau war schon früher verstorben. Nach Abschluß des Technikums 1954 wurde ich ans Norilsker Bergbau- und Metallhütten-Kombinat geschickt; ich arbeitete ein Jahr in der Stadt Dudinka und wurde danach nach Norilsk versetzt. 1957 begann ich mit Abendkursen am Norilsker Industrie-Institut, wo ich drei Jahre studierte; 1960 wechselte ich zur Teilnahme an Fernkursen am politechnischen Institut in Moskau, das ich 1965 beendete. Meine Diplomarbeit schrieb ich über den 500 Megawatt-Energieblock des Nasarowsker Heizkraftwerks; ich bekam für die Arbeit die Note „ausgezeichnet“ und war von da an Spezialist auf dem Gebiet des Ingenieurwesens in Verbindung mit Wärmeenergie. 1962 fuhr ich mit der Familie nach Nasarowo, wo wir 25 Jahre lebten. In Norilsk war ich als Beamter tätig, saß aber auch auf Ingenieurposten, wo ich mich 1957 mit der Komplektierung und Überwachung von Energieobjekten befaßte. 1955 beendete ich sechsmonatige Kurse zum Chauffeur dritter Klasse. Am Nasarowsker Wärmekraftwerk arbeitete ich von 1962-1978 in praktisch allen Positionen – vom einfachen Arbeiter, Maschinisten und Streckenwärter bis hin zum Direktor des Rohrleitungs- und Heizkesselsystems.

Ich war auch als Schichtleiter zweier Energieblocks mit 150 Megawatt Leistung, Schichtleiter der Warmwasserversorgung, Stellvertreter und Leiter der Kessel- und Rohrabteilung am Block N° 2 (500 Megawatt), Stellvertreter des Oberingenieurs tätig und wurde dann 1973 aud Befehl des Energieministeriums der UdSSR auf den Posten des Oberingenierus des Nasarowsker Wärmekraftwerks bestellt, des größten Kraftwerks in Sibirien und Fernost. Ich besitze:
das Diplom des Technikers und Wirtschaftswissenschaftles, desIngenierus für Wärmeenergie, 2 Medaillen („für heldenmütige Arbeit“ und die Jubiläumsmedaille „Zu Ehren des 100sten Jahrestages der Geburt Lenins“), 2 Abzeichen („Erfinder der UdSSR“ und „60 Jahre Staatliches Komitee zur Elektrifizierung Rußlands“) sowie den Orden „Zeichen der Ehre“.

Von 1981 bis 1984 arbeitete ich aufAnweisung des Ministers als Oberingenieur des Burjarischen Energiesystems. Für meine Erfolge bekam ich das Abzeichen „Hervorragender Energiewissenschaftler“ und die Medaile „Veteran der Arbeit“ verlieren, und 1984 wurde ich auf Befehl des Ministers zum Direktor des Ekibastuser Wärmekraftwerks-“ ernannt, des größten Kraftwerks der UdSSR, und gleichzeitig zum stellvertretenden Generaldirektor des Ekibastuser Energiebetriebs. Für meine Erfolge bekam ich den Orden des „Roten Arbeitsbanners“. Von 1986-1988 arbeitete ich als stellvertretender Oberingenieur des Krasnojarsker Energiesystems; dorthin war ich auf Anweisung des Ministers versetzt worden. 1987 wurde ich als Vorsitzender der Krasnojarsker Energiegesellschaft ans Beresowkser Wärmekraftwerk geschickt, in die Stadt Scharypowo, zur Inbetriebnahme des ersten Energieblocks mit einer Leistung von 800 Megawatt; dort blieb ich 9 Monate. Danach erneut Burjatien, 1989 Nasarowo, wo ich bis 1990 als Leiter der Produktionsabteilung und bevollmächtigter Oberingenieur der Fabrik für wärmeisolierende Materialien tätig war. 1989 unterrichtete ich am Nasarowsker Technikum für Energiewirtschaft. 1990 ging ich in Rente und hatte somit an vorderster Front der sowjetischen Energiewirtschaft 33 Jahre lang gearbeitet, angefangen in Norilsk mit den Kesseln der Wasserversorgungsanlage und dem 100 Megawatt-Energieblock, dem Nasarowsker Heizkraftwerk mit seinen Energieblocks von 150 und 500 Megawatt – dem ersten dieser Art in der UdSSR, in Burjatien mit100 und 200 Megawatt, am Ekbastuster Wärmekraftwerk mit seinen 8 Elektroblocks von jeweils 500 Megawatt und dem Beresowsker Heizkraftwerk mit 800 Megawatt – dem ersten am Kansk-Atschinsker Wärme-Energie-Komplex. In 40 Jahren 10 Auszeichnungen (5 Ehrenabzeichen, 3 Medaillen, 2 Orden). Am Nasarowsker Heizkraftwerk lag meine Höchstproduktion bei 9,1 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr; die Arbeitsproduktivität stieg im 10. Fünfjahresplan um 29% mit einer Einsparung von 9 Millionen Rubel. Im Burjatischen Energiesystem: 3 Millionen Rubel, und die Leistung des Gusinoosersker Heizkraftwerks stieg auf 180 Megawatt; die Kosten für Masut sanken um 50 Tausend Tonnen.

Am Heitkraftwerk-1 in Ekibastus änderte sich die Situation innerhalb von 2 Jahren besonders jäh: dort wurden 51 Millionen Rubel gespart, die Produktion stieg um 35% und erreichte damit 19 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr; die Arbeitsprodukttivität stieg um 36%, die Kosten für Masut konnten um 100 Tonnen gesenkt werden.

Inallen drei Punkten stellte ich Programme für den nächsten Fünjahresplan auf und beschäftigte mich neben meiner Haupttätigkeit auch mit der Entwicklung der angeschlossenen Nebenwirtschaften; ich half den unter unserer Patenschaft stehenden Kolchosen in Nasarowo und Ekibastus. Meine Eltern hatten ein langes und sehr mühevolles Leben.

Mein Vater lebte 86 einhalb Jahre, Mutter wurde 95. Sie hatten 10 Kinder, ich wurde als viertes geboren, drei liegen an der Wolga begraben, sechs in Sibirien Ich bin den Eltern dankbar, dass sie ihre Fähigkeiten an mich weitergegeben und mir die Möglichkeit einer so guten Ausbildung gegeben haben. Ich bin auch dem Energieminister der UdSSR, P.S. Neporoschnij, sowie seinem Stellvertreter für das Vertrauen dankbar, das beide mir entgegenbrachten. In Norilsk war ich W.N. Ksintaris, A.S. Lebedew und P.W. Matwejew dankbar, weil sie mein Schicksal positiv beeinflußten. In Nasarowo – N.P. Smorgunow, N.N. Krasnoschtan. J.A. Petschenkin und W.M. Iwannikow. Aber ich bin auch vielen Schweinehunden begegnet. 1960 ließ ich in Norilsk per Gerichtsbeschluß meinen wahren Namen Woldemar (und nicht Wladimir) wieder rechtskräftig werden. In meinem Leben habe ich mich mit meiner Familie, der Energiewirtschaft, den Problemen der Rußland-Deutschen und dem Gedichteschreiben befaßt. Meine Frau und ich haben 38 Jahre zusammengelebt, von 1956-1995, bis zum Augenblick der Abreise nach Deutschland. Wir zogen drei Kinder groß.

Wir haben 5 Enkelkinder. Wir haben einträchtig miteinander gelebt, aktiv und fröhlich. Ich habe mich in meinem Leben bemüht ein Mensch, Mann und Spezialist zu sein. Zu Hause und bei der Arbeit war ich glücklich, und jetzt erfreue ich mich meiner Kinder und Enkel und bin glücklich, dass alle zusammen in ein- und derselben Stadt in Deutschland leben. 33 Jahre habe ich mich mit der Energiewirtschaft befaßt, davon 19 Jahre am Nasarowsker Heizkraftwerk, und 15 Jahre arbeitete ich auf Anordnung des Energieministers der UdSSR.
Ich ließ mich immer von zwei Prinzipien leiten: 1) sich nicht bei der Arbeit stören lassen; 2) hilf anderenbei der Arbeit. Meine Aufgaben führte ich stets zielgerichtetb durch, wobei ich mir für jeden Tag, jede Woche, jeden Monat und jedes Jahr Prioritäten setzte, und das für mindestens drei Jahre im voraus. Folgende Bereiche waren davon betroffen:

1) soziale und alltägliche Probleme
2) Organisationsfragen
3) technische Probleme

Ich wußte, dass der Erfolg abhängt von:

1) dem Niveau der Steuerung und Lenkung
2) dem Lohnsystem
3) der operativen Einführung aller Neuerung

Ich besaß 8 Urheberrechte auf Erfindungen, 50 Anträge auf Rationalisierung, 28 Druckwerke; ich bin Mit-Autor des Buches „Dampfturbine ChTGS-500“, aufgenommen in dem Film „Die Lenin-Straße in Sibirien“, ich schrieb etwa 80 Artikel für Zeitungen, hatte Auftritte im zentralen Fernsehen. 42 Jahre beschäftigte ich mich mit den Problemen der Rußland-Deutschen. 1952 schrieb ich an Stalin, später an Schwernik, Woroschilow, Breschnjew, und 1986 schriebich anGorbatschow zum 27. Parteitag der KPdSU. Am 12.01.1965 gehörte ich zu der Neuner-Gruppe, die als erste deutsche Delegation vom Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Anastas Mikojan, empfangen wurde, der sich über die Rußland-Deutschen sehr gut äußerte. 1958 war ich in derselben Angelegenheit beim Zentralkomitee der KPdSU. Ich war Mitgluied des Präsidiums der regionalen Krasnojarsker Gesellschaft der Deutschen „Wiedergeburt“ und gleichzeitig Vorsitzender des deutschen Klubs in Nasarowo; ich hielt 1991 auf der Sitzung der Rußland-Deutschen in Moskau eine Rede, und auch auf der zweiten Konferenz im Jahre 1992.

Alle Fragen der Rußland-Deutschen sind entschieden, mit Ausnahme der Möglichkeit des Aufenthaltesrechts mit kompakter Ansiedlung in einem bestimmten Gebiet und, damit verbunden, der Erhalt ihrer Kultur. Es gab viele Erniedrigungen und Beleidigungen:

1) ewige Verbannung
2) 15-jährige Sonderkommandantur mit Erzwingung der Unterschrift (Bei Flucht – 20 Jahre)
3) man ließ mich nicht aus der Stadt Jenisejsk heraus, um praktische Erfahrungen zu sammeln
4) ich durfte der Kommunistischen Jugendorganisation nicht beitreten, obwohl ich als hervorragender Schüler galt
5) ich durfte mich nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis des Kommandanten vom Wohnort entfernen
6) ich durfte meinen Arbeitsplatz nicht wählen
7) sie nahmen mich nicht in die Armee auf
8) bis 1964 trug ich den Stempel eines Komplicen der Faschisten
9) die deutsche Republik wurde nicht wiederhergestellt
10) 400.000 Deutsche kamen in Lagern infolge der Umsiedlung ums Leben
11) wir waren an Hochschulen nicht zugelassen
12) ich verbrachte 40 Tage in der Psychiatrie
13) ich bekam mit 16 keinen Ausweis, sondern erst mit 22 Jahren
14) ich schrieb 350 Verse, die den Verwandten, dem Schicksal der Rußland-Deutschen, Freunden, großen Menschen, Sibirien, dem Kans-Atschinsker Wärmekraftwerk, Burjatien, der Wolga, Kasachstan, der UdSSR, der Geschichte der UdSSR, dem naturschutz und anderen Themen gewidmet sind. Und so verlief mein Lebensweg durch Grimm, Marilowzewo, Jenisejsk, Dudinka, Norilsk, Nasarowo, Ulan-Ude, Ekibastus, Krasnojarsk, Scharypowo und Hannover. Auch heute mache ich mir um folgende Themen Gedanken und große Sorgen:

1) Ökologie und Erhalt des Lebens auf der Erde
2) Ansammlung von Massenvernichtungswaffen

Ich interessierte mich für Energetik, Astrologie, Geschichte, Astronomie und Biologie. Ich schrieb einen wissenschaftlichen Vortrag über die Vervollkommnung der Wärmekraftwerke in Kansk-Atschinsk, am Baikal und in Ekibastus.

Ich empfehle folgende Bücher zu lesen:

1) Karl Stump – Über das Siedeln der Deutschen an der Wolga 1763-1862
2) Gerhard Wolter – Die Zone der totalen Ruhe
3) Viktor Fuchs – Die verhängnisvollen Wege der Wolga-Deutschen

Ich träume davon, dass mein Buchins Deutsche übersetzt wird, damit die Enkel und Urenkel es lesen können.

Das Material wurde vom Jenisejsker Heimatkunde-Museum zur Verfügung gestellt


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