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Aus den Erinnerungen eines TschSIR (Familienmitglied eines Vaterlandsverräters

Die letzten Jahre meines Lagerlebens verliefen äußerst günstig. Ich wohnte und arbeitete in dem besten Lagerpunkt der Nördlichen Eisenbahn-Verwaltung – im ZOLP (Zentraler Sonderlagerpunkt; Anmerkung der Übersetzerin). Er war unmittelbar der Lager-Verwaltung unterstellt und lag nicht weit von ihr entfernt in der Siedlung Knjaschpogost, ASSR Komi.

Mir fiel auf, daß Häftlinge, die nach dem Paragraphen eines Mitgliedes eines Vaterlandsverräters abgeurteilt worden waren, nicht im ZOLP inhaftiert wurden. Nur an drei Frauen kann ich mich erinnern – eine Zahnärztin, eine Neuropathologin und eine Krankenschwester, die bis zum Ende ihrer Haftzeit hier gearbeitet haben. Wahrscheinlich war man der Meinung, daß sie, die Familienmitglieder von Vaterlandsverrätern, eine Strafe unter möglichst schlimmen Bedingungen verdienten.

Das Jahr 1941. Ein großer Gefangenentransport, der möglicherweise von Süden nach Norden oder von Norden nach Süden führte, machte am ZOLP halt. Die Häftlinge sollten eine medizinische Begutachtung durchlaufen. Unter ihnen war Wladimir, der jüngste Sohn von Pawel Petrowitsch Postyschew. Die Leiterin der Sanitätsabteilung, Ljubow Petrowna Granowskaja, bemühte sich mit Hilfe der Ärzte Wolodja im ZOLP zu behalten. Bald darauf begann der Krieg. Wolodja reichte einen Antrag für seine Verschickung an die Front ein. Dieser wurde in äußerst grober Weise abgelehnt. Wie, so begründeten sie ihre Entscheidung, kannst du denn ein Vaterland verteidigen, was von deinem eigenen Vater verraten worden ist. Man muß wohl nicht extra erwähnen, wie schwer es Wolodja ums Herz wurde, als er das hörte.

Die Leiterin der Sanitätsabteilung Granowskaja half Wolodja so gut sie konnte. Aber bald darauf worde die Lagerfrist für Wolodja in Verbannung umgeändert.

Sehr kurze Zeit verbrachte mit jenem Paragraphen auch Petrowskij im ZOLP, der Enkel von G.I. Petrowskij. Zuerst hatte man seine Eltern verhaftet, dann ihn. Ich kann mich an seinen Vornamen nicht erinnern. Aber wie wir Frauen auf Initiative von Anna Abramowna Bersen den Jahrestag seiner Geburt begingen – das weiß ich noch.

Im Dienstzimmer des Hospitals wurden Tee mit Zucker und Gebäck organisiert. Wir übergaben ihm ein Geschenk. Ich hatte bei mir eine noch ungeöffnete Schachtel Zahnpulver gefunden. Und ein anderer schenkte ihm eine Zahnbürste ...

Das Geburtstagskind war gerührt. Aus Dankbarkeit las er uns Gedichte von Majakowskij vor – und das machte er sehr, sehr gut.

Falls er noch lebt – ob er sich dann wohl an diesen Tag erinnert?

(Unbekannte Quelle)


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