Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Ðóññêèé

Der Krieg im Schicksal eines Arztes

Kristina Choreva
Bezirk Aban
Kommunale, autonome Lehreinrichtung
Abaner Allgemeinbildende Oberschule N° 3, 11. Klasse

Leitung: Nadeschda Wassuiljewna Kaljakina
Geschichtslehrerin an der Abaner Allgemeinbildenden Oberschule N° 3

1. Einleitung

In diesem Jahr wird unser Land, und hoffentlich auch die ganze Welt, den 70. Jahrestag des Endes des schrecklichsten und letzten 2. Weltkriegs begehen. Unser Club „Landsleute“ verwirklicht ein Projekt zur Suche nach den Namen einst kämpfender Abaner, die im „Buch der Erinnerung“ sowie in dem Buch „Niemand ist vergessen“ nicht berücksichtigt sind. Während meiner Arbeit im Archiv des Abaner Bezirkskriegskommissariats mit den „Personalakten“ von Offizieren und „Meldekarten“ von Militärangehörigen, wurde ich darauf aufmerksam, dass alle medizinischen Mitarbeiter auch nach dem Krieg Wehrpflichtige blieben.

Mein Interesse am Thema hängt mit einem Traum zusammen – ich möchte mein Leben mit der Medizin verbinden. Das Forschungsthema interessiert mich, weil ich weiß, dass die Ärzte während des Krieges eine professionelle Heldentat begangen haben, die nicht geringer zu bewerten ist, als die der Soldaten. Ich weiß, dass die Ärzte, wenn sie die Uni beenden, den symbolischen „Eid des Hippokrates“ leisten, dass sie dem Kranken dienen und ihm nicht schaden werden. Dieser Schwur ist Grundlage der beruflichen Ethik eines Arztes. Aber in den Jahren des Krieges waren die Mediziner Kriegsdienstverpflichtete und leisteten daher auch noch den „militärischen Eid“ – den Treueid gegenüber dem Staat. Meine Aufgabe war die Suche nach einem Beispiel, wenn ein Arzt die schwierige Wahl zwischen der beruflichen Ethik und dem „Soldateneid“ treffen musste. Zum Vergleich nahmen wir zwei „persönliche“ Akten von Leitern des Abaner Gesundheitswesens, welche im Abaner Stadt-Archiv verwahrt werden. Durch den Vergleich der Schicksale zweier Abaner Ärzte, die während des Krieges in unterschiedliche Bedingungen und Umstände gerieten, gelang es uns, ein Beispiel zu finden, in dem einer von ihnen auf den Widerspruch zwischen Berufsethik und „Kriegseid“ stieß und wegen seiner Treue zum „Eid des Hippokrates“ verfolgt und unterdrückt wurde. Gemeinsam war in ihrem Schicksal der Tatbestand, dass sie beide als Oberärzte im Bezirkskrankenhaus des Abaner Bezirks tätig waren.

Ziel:
den wechselseitigen Zusammenhang der Umstände zu ermitteln, die unter Kriegsbedingungen in Erscheinung treten und des Konflikts bei der persönlichen Wahl des Arztes zwischen Berufsethik und „“Militäreid“.

Aufgabenstellungen:
1. Den Einfluss der Kriegszeit auf die Arbeit der medizinischen Einrichtungen in der Region Krasnojarsk aufzuzeigen.
2. Die Schicksale der beiden Abaner Ärzte zu vergleichen, die eine unterschiedliche Wahl zwischen Berufsethik und „Kriegseid“ unter dem Einfluss der zu Kriegszeiten herrschenden Bedingungen treffen mussten.

3. Einen Artikel über Ch.S. Inschewatkin zu schreiben und an die Redaktion des Buches „Niemand ist vergessen“ zusenden.
4. Informationen über Ch.S. Inschewatkin und Z.M. Sarkissjan zu sammeln, die als Leiter des Abaner Gesundheitswesens tätig waren.

Methoden:
Vergleich und Analyse von Archiv-Dokumenten, Erinnerungen Alteingesessener.

Forschungsobjekt:
Das Schicksal der Ärzte.

Gegenstand der Forschung:
Die Umstände und der persönliche Konflikt des Arztes bei seiner Wahl zwischen Berufsethik und „Kriegseid“.

Hauptquellen der Forschungsarbeit waren Archiv-Dokumente. Aus den „Personal-Akten“ der Offiziere im Archiv des Abaner Bezirkskriegskommissariats wählten wir für unsere Forschungsarbeit die „Akte“ von Ch. Inschewatkin, der während im Kampfgeschehen war und während des Krieges und auch danach als Oberarzt am Bezirkskrankenhaus arbeitete. Und im Abanaer Stadtarchiv forderte M.I. Meschkilowa für uns aus dem Archiv der Abaner Verwaltung die „Personal-Akte“ von Z.M. Sarkissjan an, der ebenfalls als Oberarzt tätig war, als er die Verbannung im Abaner Bezirk verbüßte. Repressiert wurde er während des Krieges.

Ebenfalls analysierten wir Material aus dem Archiv des Bezirkskrankenhauses, das 2007 von Mitgliedern des Klubs „Landsleute“ gesammelt wurde. Damals wurde das 100-jährige Bestehen des Abaner Gesundheitswesens gefeiert, und Oberarzt A.A. Anpilogow erlaubte es unseren Vorgesetzten und Mitarbeitern, mit den Dokumenten unter Aufsicht von Iraida Aleksejewna Golstych zu arbeiten. Es handelte sich um Befehle im Hinblick auf das Personal (Aufzeichnungen über Entlassungen und Arbeitseinstellungen, Urlaube, Verweise und Förderungsmaßnahmen). Unter den Nachnamen finden sich häufig jüdische und deutsche, was den Schluss zulässt, dass sie aus den Reihend er Verbannten oder Deportierten stammten. Wie sonst hätten im Bezirk Aban Leute wie Faina Kuschner, E.J. Steinberg, Selma Jakowlewna und Karl Julewitsch Rosenstern, M.D. Gulbis, T.I. Wassermann, Maria Georgiewna Strekker in Erscheinung treten können, deren Namen im Archiv des Abanern Bezirkskrankenhauses erhalten geblieben sind?

Heimatkunde-Literatur und Erinnerungen von Veteranen des Abaner Gesundheitswesens, Alteingesessenen der Ortschaften im Abaner Bezirk dienten ebenfalls als Quellen für unsere Forschungsarbeit.

Die Schwierigkeit dieser Studie lag im Mangel an noch lebenden Augenzeugen der 1940er und 1950er Jahre, so dass wir uns auch an Gerüchte sowie Erinnerungen von Menschen halten mussten, die uns bereits in nächster Generation durch ihre Kinder vermittelt wurden, was sich anhand von Dokumenten schwerlich beweisen lässt.

2.1. Das Krasnojarsker Gesundheitswesen unter Kriegsbedingungen

Meine Forschungsarbeit begann ich mit der Suche nach einer Bestätigung für den Einfluss der Kriegszeit auf die Arbeit der medizinischen Einrichtungen in der Region Krasnojarsk. Erstens war das die Evakuierung der Hospitäler aus den West-Gebieten des Landes in unsere Region. So wurde im Oktober 1941 im Gebäude des chirurgischen Blocks des Krankenhauses N° 1 das Charkower kiefer- und gesichtschirurgische Lazarett N° 1350 untergebracht. Im März 1942 wurde es ins Gebäude des pädagogischen Instituts verlegt, während in der Abteilung Chirurgie ein Hospital mit der Sonderbestimmung für Blockade-Opfer (Krasnojarsk – Berlin, K. 2010, Sonder-Evakuierungsspitäler, S. 119). Der zweite Beweis für die Einflussnahme des Krieges – sind die Schwierigkeiten des Arbeitens unter Kriegsbedingungen. Drittens mussten schwer verwundete Patienten mitten im Krieg versorgt und gesund gepflegt werden. Darum geht es auch in den Erinnerungen der Augenzeugen. In dem Buch „Krasnojarsk – Berlin“ gibt es die Erinnerung einer Kandidaten der medizinischen Wissenschaften – Galina Denissowna Borobjowa: „1942 war ich Ordinarius der chirurgischen Abteilung am regionalen Krankenhaus. In der Abteilung befanden sich neben Verwundeten auch Kranke aus dem unter Blockade stehenden Leningrad. Aus Leningrad wurde eine Fabrik von militärischer Bedeutung evakuiert, mit ihm trafen auch Personal ein. Die meisten Evakuierten litten an einem schweren Grad an Ruhr. Auf den Stationen gab es für 500 Kranke insgesamt vier Ärzte. Praktisch täglich entfielen auf jeden Arzt 8-10 Operationen und nicht weniger als 8-10 Nachtwachen pro Monat. Diese Ärzte unternahmen im Auftrag der Sanitär-Luftfahrt auch Flüge in die Bezirke der Region, um dort Kranken Menschen Hilfe zu leisten. Die Arbeits-bedingungen gestalteten sich schwierig: Unterbrechungen in der Stromversorgung, das immer wieder auftretende Fehlen von heißem Wasser, keine Heizung (Krasnojarsk – Berlin, K. 2010, Sonder-Evakuierungsspitäler, S. 119).

Es gab auch Probleme bei der Unmöglichkeit den Arbeitsaufwand zu kalkulieren. Der Krieg „korrigierte“ alles und machte sämtliche Planungen zunichte. So war für den Januar 1942 die Schaffung von 60 Hospitälern für 24.960 Betten in der Region geplant, was den vorherigen Plan um das 19-Fache überstieg. Am 1. Januar 1943 arbeiteten in der Region bereits 40 evakuierte Krankenhäuser mit 17.250 Bettstellen, davon 14 mit 5.450 Betten. Im Jahre 1943 arbeiteten in den evakuierten Spitälern 175 Ärzte, 23 von ihnen besaßen wissenschaftliche Grade und Rangbezeichnungen von Kandidaten und Doktoren der medizinischen Wissenschaften sowie Professoren (Krasnojarsk – Berlin, K. 2010. Sonder-Evakuierungsspitäler, S. 119-120).

Eine weitere Schwierigkeit – die Frage der Vorbereitung und Auswahl medizinischen Personals, die während der gesamten Kriegszeit akut blieb. In diesem Zusammenhang verblüfft einen ganz besonders das Schicksal von Valentin Feliksowitsch Wojno-Jassenezki (1877-1961). Während er die nächste Verbannungsstrafe 1941 in Bolschaja Murta verbüßt e, bat er darum, sie während des Krieges auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Er widersetzte sich damit nicht den Behörden, sondern war einverstanden, die Strafe später „abzusitzen“, aber er hielt es für wichtiger, zu Kriegszeiten seine beruflichen Pflichten als Arzt zu erfüllen. So verstand er seine Berufung als Staatsbürger und Arzt. Damals vertraute man ihm die Leitung der chirurgischen Abteilung des evakuierten Hospitals N° 1515 in Krasnojarsk an. Heute weiß die ganze Welt, dass Wojno-Jassenezki ein hervorragender Chirurg und Theologe, Krasnojarsker und Jenisseisker Ordinarius (1942), Erzbischof von Stawropol, Geweihter Lukas, Autor von 10 Bänden mit Predigten, 55 wissenschaftlichen Werken, darunter die sehr populäre Monographie „Abriss durch die eitrige Chirurgie“, für die er 1946 die Stalin-Prämie 1. Klasse verliehen bekam, war (Buch „Jenisseisker Enzyklopädisches Wörterbuch“, Chef-Redakteur: N.I. Drosdow, . 1988, S. 109). Mich verblüfft seine Opferbereitschaft und sein Dienst an den Menschen; meiner Ansicht nach sind das die vorrangigen Eigenschaften eines Arztes. Nicht umsonst trägt heute die Krasnojarsker Medizinische Akademie seinen Namen, und die Persönlichkeit des Geweihten Luka ist ein Beispiel für den Dienst an den Menschen für Studenten der Medizin. In den Jahren des Krieges war Valentin Feliksowitsch nicht nur selber führender Chirurg im Hospital und Konsultant in anderen Krankenhäusern - neben ihm sammelten auch seine Studenten ihre Erfahrungen. Mit ihm zusammen arbeiteten seine Schülerin, die zukünftig sehr erfahrene Chirurgin und Dozentin W.N. Sinowjewa, und der Leiter der röntgenologischen Abteilung W.A. Kluge. Für seine Schülerin hält sich N.A. Wrantschewskaja, Ärztin und Chirurgin, Leitende Medizinerin des evakuierten Hospitals N° 1515, die ab Dezember 1941 Teilnehmerin an der Front bei Woronesch sowie der Ukrainischen Front und stellvertretende Leiterin des Front-Evakuierungshospitals war. In den Nachkriegsjahren war N.A. Brantschewskaja Begründerin des medizinischen Dienstes der Zivil-Luftfahrt der Region Krasnojarsk („Jenisseisker Enzyklopädisches Wörterbuch“, Chef-Redakteur: N.I. Drosdow, K. 1988, S. 109).

In den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges stellten die Militärärzte 72,3% der Verwundeten und 90,6% der kranken Soldaten und Offiziere für den Kampfeinsatz wieder her. Diejenigen, die in den Hospitälern starben, machten weniger als 1% aus, und die Gesundschreibung betrug 70-75% (Krasnojarsk – Berlin, K. 2010. Sonder-Evakuierungshospitäler (S. 119-120). Derart hohe Ergebnisse der medizinischen Versorgung während des Kriegsgeschehens wurden hier zum ersten Mal in der Geschichte der Militärmedizin erreicht.

Aban am nächsten gelegen waren die Hospitäler in Kansk, Ujar und an der Station Ilanskaja. Die Bewohner der umliegenden Bezirke übernahmen die „Patenschaft“ über die evakuierten Hospitäler: sie versorgten sie mit Lebensmitteln, Schüler fuhren dorthin und gaben Konzerte, man brachte den Verwundeten Geschenke. Darüber las ich in den Militärausgaben der Bezirkszeitung „Rotes Banner“.

Mitarbeiter der evakuierten Krankenhäuser und Bewohner der Kolchosen beschäftigten sich neben ihrer Hauptarbeit mit Fischfang und Jagd, ernteten Heu für den Krankenhausbedarf. So half das Hinterland der Front, indem es die Verwundeten rettete und sich um sie kümmerte.

2.2. An der Front und im Hinterland

Die Ärzte standen auch vor dem Krieg in den Diensten des Militärs. In Dokumenten des Archivs des Abaner Bezirkskrankenhauses sind die Namen der medizinischen Mitarbeiter jener Jahre erhalten geblieben. Den ersten Namen und den Posten der höheren Leitung des Abaner Gesundheitswesens fanden wir in einer Anordnung des Präsidiums des Abaner Bezirksexekutiv-Komitees vom 3. August 1936 über die Personal-Registrierung des gesamten medizinisch-ärztlichen Personals. Dort war die Rede von einer Anmeldung aller „unabhängig davon, ob sie in der Praxis als Ärzte tätig waren oder überhaupt nicht in ihren erlernten Beruf arbeiteten“, wo als Verantwortlicher für diese Aktion das „Bezirksgesundheitsamt, Genosse Platonow“ angegeben war. Es gelang uns, die Namen der ersten Chefs des Abaner Gesundheitswesens zu ermitteln. In den Jahren 1937-1939 stand Georgij Petrowitsch Ustinow an der Spitze des Bezirksgesundheitswesens, und am 6. Mai 1939 übergab er seinen Posten an Darja Iwanowna Jewdokimowa (pr. N° 15); ab 09.05.1940 bis 31.03.1943 bekleidete A. Kurinnaja dieses Amt, ab 03.11.45 – Chrisanof Semjonowitsch Inschewatkin, ab 10.02.1947 – Jelena Petrowna Loginowa, und im Jahr 1950 wurde das Bezirksgesundheitsamt von Vera Ilinitschna Stoljarowo geführt. Es war eine schwierige Zeit. Hauptproblem im Gesundheitswesen waren damals die Epidemien. Eine besondere Unterabteilung des Bezirkskrankenhauses war die Malaria-Station, deren Chefs sogar über das Recht der Kreditierung verfügten. Unter denen, die für den Epidemie-Bekämpfungsdienst im Bezirk verantwortlich zeichneten, befand sich Chrisanof Semjonowitsch Inschewatkin.

„Die persönliche Akte“ (auf 4 Blättern) über den Leiter des Abaner Bezirksgesundheitsamts Chrisanof Smjonowitsch wird im Abaner Stadtarchiv verwahrt. Auf dem Dokument ist vermerjt: „begonnen 31/3-1946, beendet im April 1946“ (Abaner Stadtarchiv, Beschlüsse des Abaner Bezirksexekutiv-Komitees, Bestand N° R-1, Verzeichnis N° 2, Dossier N° 142). Aus dem Curriculum vitae erfuhren wir, dass er von 1916-1917 als Militär-Feldscher in Krasnojarsk arbeitete und an zwei Weltkriegen beteiligt war. Doch in dem Buch „Niemand darf vergessen werden“ steht sein Name nicht, obwohl der Name seines Sohnes dort Erwähnung findet. Wir sind der Meinung, dass das ungerecht ist. Daher beschlossen wir , seine „Personal-Akte“ als Offizier im Archiv des Bezirksexekutiv-Komitees zu finden. Auf Grundlage der Analyse der Aufzeichnungen in den beiden „Personal-Akten“ stellten wir die einzelnen Etappen seiner Biographie zusammen. Trotz einiger Fehler beim Schreiben der Dienstzeiten und sogar von Buchstaben in seinem Namen erhielten wir eine Vorstellung vom Schicksal des damals im Abaner Bezirk bekannten Arztes. Aus seiner Biographie (ein solches Dokument existiert in jeder „Akte“) erfuhren wir, dass Chrisanof Semjonowitsch Inschewatkin, gebürtiger Mordwine, am 17. März 1892 im Gouvernement Simbirsk geboren wurde. Im Dorf Surazejewka, Ardanowsker Landkreis, Koslowsker Amtsbezirk. lebten seine Eltern als Bauern. Im Jahre 1912 zogen die Inschewatkins „aus Mangel an Grund und Boden“ als Umsiedler nach Sibirien und ließen sich in dem Dorf Dolschenkowo, Abaner Amtsbezirk, nieder. Seine Ausbildung erhielt Chrisanof in seiner kleinen Heimat; er gab selber an, dass er 1908 die höhere Dorfgrundschul-Einrichtung beendete, an der er 7 Jahre zum Unterricht gegangen war. Und seine medizinische Ausbildung bekam er an der Krasnojarsker Feldscher-Schule, die er nach seiner Mobilisierung zum Militärdienst im 14. Schützen-Reserve-Regiment in der Stadt Krasnojarsk diente. Bei Ende der Ausbildung 1916 wurden ihm der militärische Rang eines Unterleutnants sowie die Berufsbezeichnung eines Militär-Feldschers verliehen. Auf diesem Post diente er bis 1917 in Krasnojarsk, bis er aufgrund seines Gesundheitszustands demobilisiert wurde. Doch als militärischer Spezialist wurde er zur Verfügung des Kansker Gesundheitswesens versetzt. Hier die „Liste seiner Dienstorte“: „1919-1924 – Feldscher (Ortschaft Noscheno); 1924-1935 – Feldscher am Krankenhaus (Ortschaft Aban); 1935-1938 – Feldscher in den Dörfern Chandalsk und Potschot; 1938-1940 – Leiter der Noschensker Ärztestation (Ortschaft Noscheno); 1940-1942 – Leiter des Dolgomostowsker Krankenhauses (Dorf Dolgij Most)“ (Abaner Stadtarchiv, Beschlüsse des Abaner Bezirksexekutiv-Komitees, Bestand N° R-1, Verzeichnis N° 2, Dossier N° 142). In der Familie von Chrisanof Semjonowitsch und Vera Leonowna wuchsen vier Kinder auf: Sergej, Iwan, Dmitrij und Antonida. Die Familie musste dem Vater von Ort zu Ort durch Umzüge folgen. Das Gehalt des Arztes war nicht groß. Im „Buch der Befehle“ einer Abaner Mitarbeiterin fanden wir die Bestätigung, dass die medizinische Station in Noscheno von Ch. S. Inschewatkin geleitet wurde, 1937 erfüllte er dort die Aufgaben eines Geburtshelfers. Das Gehalt eines Arztes betrug damals zwischen 200 und 400 (für Chirurgen) Rubel und für Krankenschwestern 160 Rubel. Die erste Erwähnung einer Anhebung des Gehalts für die Jahre 1937-1943 entdeckten wir im Befehl N° 8 vom 28. Januar für das Jahr 1943 mit Hinweis auf die Anordnung des Rates der Volkskommissare und des Zentralkomitees der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken) vom 13.12.42 - N° 1779. Das verwunderte uns, denn es herrschte immerhin Krieg! Aber für den Mobilisierten Loginow wurde 1945 für die Leitung des Krankenhauses wieder eine Zahlung von 100 Rubel festgelegt; nicht umsonst bat er in diesem Jahr darum, weiterführende Kurse für eine Ausbildung zum Chirurgen belegen zu dürfen (Archiv des Abaner Bezirkskrankenhauses. Buch der Befehle 1937-1945. Befehl N° 48 vom 20.09.45). Nach der Demobilisierung leitete Inschewatkin die Malaria-Station, war verantwortlich für Vorbeugemaßnahmen gegen Epidemien im Bezirk. Ungewöhnlich klingt seine Amtsbezeichnung für die ihm Untergebenen: „Sanitätsinstrukteur, Pockenimpfer (mit einem Gehalt von 117 Rubel), Desinfekteur, Malaria-Facharzt“.

Die Schwierigkeiten bei der Arbeit lassen sich nur erraten. Im Befehl N° 14 vom 23.08.1940 ist die Rede davon, dass die Ärzte der Abaner Malariastation die Holzbeschaffungspunkte mit bedienen sollten (vor allem wurden dort Gefangene und Verbannte gehalten). Straßen und Wege gab es nicht. Die Entfernungen waren groß.

Inschewatkins militärische Biographie steht ebenfalls im Zusammenhang mit seinem Beruf. Er wurde am 29. April 1942 vom Abaner Kreiswehrkommando mobilisiert. Im Rang eines Unterleutnants des medizinischen Dienstes diente er von Mai bis November 1942 an der West-Front im 121. Schützen-Regiment. Von November 1942 bis Mai 1943, nach seiner Verwundung, nahm er in der Militärkommandantur der Brjansker Front, wo er ab Mai 1943 bis Januar 1944 kämpfte, an Fortbildungskursen teil. Chrisanof Semjonowitsch befreite Leningrad aus der Blockade (Leningrader Front). Und er beendete den Krieg bei den Truppen der 2. Baltischen Front. Als Reservesoldat entlassen wurde er am 4. Juni 1945. (Archiv des Abaner Bezirkskriegskommissariats, Personalakte CH.S. Inschewatkin).

Chrisanof Semjonowitsch kehrte als 47-jähriger Mann nach Hause zurück und diente der Abaner Gesundheitsbehörde bis zu seinem Tode noch zehn Jahre mit seiner aufrichtigen Arbeit. Chrisanof Semjonowitsch starb im Januar 1955. (Standesamtsbüro im Abaner Bezirk, Sterbeurkunde WE N° 13716, ausgestellt am 19.01.1955).

Der Mann erfüllte in aufrichtiger Weise seine ärztliche Pflicht und ging in seinem Dienst für die Heimat und die Menschen gänzlich auf. Von der verloren gegangen Gesundheit spricht ein Befehl aus dem Bezirkskrankenhaus, in dem von einer Versetzung Inschewatkins auf eine halbe Stelle die Rede ist. Für die harte Arbeit der Ärzte während des Krieges und auch in der Nachkriegszeit zeugen zahlreiche Dokumente. Die Ärzte nahmen viele Jahre keinen Urlaub. Und dann trafen 1947 im Abaner Bezirk per Verteilungsschlüssel Studenten – Absolventen der Kansker Medizin-Fachschule und des Krasnojarsker Instituts ein. In den Befehlen des Bezirksgesundheitsamtes war direkt angegeben: „N.P. Rjabowa anstelle der in Urlaub befindlichen Maksimowa ins Ustjansker Kinderheim zu schicken“ (Archiv des Abaner Bezirkskrankenhauses, Buch der Befehle, Befehl vom 08.09.1947). Chrisanof Semjonowitsch brach weder den Eid des Hippokrates noch den militärischen Eid, er musste sich nicht für das eine oder andere entscheiden, und deswegen nahm sein Schicksal meiner Meinung nach einen glücklichen Verlauf.

2.3. Eid des Hippokrates oder militärisches Gelöbnis ?

Als ein Beispiel für den Konflikt der Person mag das Schicksal eines anderen Abaner Arztes – Zolak Michailowitsch Sarkisjan – dienen, der gebürtiger Armenier war. Im Archiv der Abaner Bezirksverwaltung wird seine „Personal-Akte“ mit 10 Blättern verwahrt (Archiv der Abaner Bezirksverwaltung; die Akte des Zolak Michailowitsch Sarkisjan, Index 11-14; 1961). Man erklärte mir, dass die Akten des Dolgomostowsker Bezirks nach der Vereinigung mit dem Abaner Bezirk ans Archiv des Bezirksrats übergeben wurden.

Zolak Michailowitsch Sarkisjan wurde am 6. Dezember 1912 in Eriwan in einer Beamtenfamilie geboren. Selbst die trockenen Dokumente des Bezirksarchivs sprechen davon, dass er ein hochgebildeter Mann war. In seinem Fragebogen gab er an, dass er dreier Sprachen mächtig sei: Armenisch, Aserbeidschanisch und Russisch. Bevor er Student am Eriwaner Medizinischen Institut wurde, hatte er sieben Jahre als Lehrer in der Ortschaft gearbeitet. Dann folgte das Studium an der Universität ab 15.09.1937 bis 10.07.42. Und sofort am 15. Juli schicken sie ihn zum Arbeiten als Arzt in die 4.Poliklinik nach Eriwan. Wenn sie unmittelbar nach dem Studium einen Arzt ans hauptstädtische Krankenhaus holten, dann bedeutet das, dass er sein Diplom mit hervorragenden Noten ablegte. Es herrschten strenge Zeiten – nicht einmal ausruhen ließen sie ihn. In Sarkisjans „Personen-Akte“ steht geschrieben: „befand sich während des Krieges nicht auf dem vorübergehend von Deutschen besetzten Territorium“. Aber die Alteingesessenen erzählten, dass der Grund für seine Verhaftung Komplizenschaft mit den Deutschen gewesen sei. Angeblich hatte er, als er während der Besatzungszeit am Krankenhaus tätig war, auch deutsche Soldaten behandelt. Dieser Widerspruch lässt sich damit erklären, dass die Menschen sich irgendetwas ausdenken konnten. Aber an einem leeren Ort erfindest du so etwas nicht. Möglicherweise erzählte selber jemandem über den Grund seiner Verhaftung. Andere zweifeln daran, dass er überhaupt davon gesprochen haben könnte. Denn in der Nachkriegszeit hielt man so etwas lieber geheim, sonst wäre er verurteilt worden. Lidia Iwanowna Rubanowa erinnert sich an Zolak Michailowitsch, als verschlossenen, zurückhaltenden Menschen. Während der Arbeit hatte er mit vielen Menschen zu tun, aber Freunde besaß er nicht. Genauso verhielt es sich mit seiner Ehefrau Larissa, die an der Dolgo-Mostowsker Schule Haushaltsführung unterrichtete. Nach ihren Erinnerungen hatte ihr Vater, Mitarbeiter des Bezirkskomitees der Partei hoft Kontakt mit Sarkisjan, sprach jedoch nie innerhalb seiner Familie über den Grund für seine Verhaftung. Alle äußerten sich über ihn als einen „von Gott geschickten“ Arzt. Diese Informationen brachten mich darauf, dass der junge Arztseine Wahl zugunsten des „Hippokrates-Eids“ treffen konnte, indem er das militärische Gelöbnis verletzte. Es ist uns nicht gelungen, anhand von Dokumenten eine Bestätigung für die Erinnerungen der Bezirksbewohner zu finden, dass er den Deutschen half.

Es ist nicht bekannt, was dann hätte passieren können, aber der Tag von Sarkisjans Entlassung fällt mit dem Beginn seiner Haftverbüßungszeit im Gefängnis zusammen. Das heißt, dass sich in der Stadt sowjetische Truppen aufhielten. In der Personal-Meldeliste fanden wir eine Notiz, die sich nachher in all seinen Dokumenten wiederholen wird: „Von einem Militärgericht der MWD-Truppen der armenischen SSR nach § 58-10 für die Dauer von 8 Jahren in ein Erziehungs-/Arbeitslager verschickt. (Archiv der Abaner Bezirksverwaltung; Akte Zolak Michailowitsch Sarkisjan, Index 11-14; 1961). Acht Jahre Lager! Vom 08.11.1942 bis 12.11.1950 verbüßte er seine Haft-Strafe – zuerst im Gebiet Saratow, anschließend in Kasachstan. Und überall in den Lagern war er als Arzt tätig. Danach folgte noch die Verbannung in den Abaner Bezirk. In der Kopie seines „Arbeitsbuchs“ finden wir einen Eintrag darüber, dass Zolak Michailowitsch vom 06.12.1950 bis zum 31.07.1955 im Dorf Turowo als Arzt der medizinischen Stelle arbeitete und danach noch weitere zwei Jahre das Turowsker Bezirkskrankenhaus leitete. Verwunderlich ist, dass man dem Verbannten die Leitung des Krankenhauses anvertraute. Erklären lässt sich das höchstens aus zwei Gründen: der hohen Qualifikation dieses Arztes und dem Mangel an ärztlichem Personal im Bezirk. Verwunderlich ist auch die Weisheit der Bezirksleitung: uns sind bereits nicht wenige Fakten über die Rolle der Verbannten in der Geschichte Abans bekannt. Obwohl…, was soll man sich groß wundern, wenn die Sibirjaken sich stets durch rationales Denken und praktisches Handeln auszeichneten und den Verbannten große Anteilnahme entgegenbrachten. In Sibirien war es immer angebracht, einen Menschen nach seinen Taten zu beurteilen und nicht danach, was die Staatsmacht von ihm hielt.

In den Archiv-Dokumenten fanden wir auch einen Vermerk über seine Rehabilitation: „auf Beschluss des Obersten Gerichts der Armenischen SSR vom 28.11.1956 aufgrund der Unbeweisbarkeit der gegen ihn gerichteten Beschuldigungen rehabilitiert“. Na sowas! Es waäre interessant gewesen zu erfahren, wofür der Mann dann 14 Jahre lang zu leiden hatte und weshalb er nach der Rehabilitierung nicht nach Armenien fuhr.

Und am 06.09.1957 wurde Z.M. Sarkisjan bereits auf Beschluss des Exekutivkomitees des Dolgomoster Bezirksdeputiertenrats der Werktätigen N° 210 als Oberarzt des Bezirkskrankenhauses in der Ortschaft Dolgij Most bestätigt (damals war dieser Bezirk selbständig). (Archiv der Abaner Bezirksverwaltung; Beschluss des Exekutivkomitees des Dolgomostowsker Bezirksdeputiertenrats der Werktätigen N° 210).

Es gibt noch einen weiteren Entscheid vom 17. März 1961 mit der Unterschrift des Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Bezirksrats I. Schewtschuk sowie des Sekretärs N. Amossow: „den Abgeordneten des Bezirksrats Zolak Michailowitsch Sarkisjan als Oberarzt des Bezirkskrankenhauses zu bestätigen“ (Beschluss des Exekutivkomitees des Dolgomostowsker Bezirksdeputiertenrats der Werktätigen vom 17. März 1961). Die Tatsache, dass man diesen Mann auch zum Deputierten gewählt hatte, spricht von der hohen Achtung, welche die Sibirjaken ihm entgegenbrachten.

Aber er war nie Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, was ebenfalls für jemanden ungewöhnlich ist, der den Posten eines Oberarztes einnimmt (alle leitenden Persönlichkeiten waren zu der damaligen Zeit einfach verpflichtet, Parteiangehörige zu sein). Warum blieb er parteilos? Aus Überzeugung? Aber weshalb vertraut man ihm dann so einen hohen Posten im Bezirksgesundheitswesen an? Oder hatte man ihn wegen seiner „Häftlings“-Vergangenheit nicht aufgenommen? Man hat das Gefühl, dass diese Parteilosigkeit ebenfalls eine Herausforderung in seinem Leben darstellte. Und man möchte auch noch ein weiteres Dokument anführen – eine Beurteilung, unterzeichnet vom stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Bezirksrats F. Schmunk, in dem Zolak Michailowizsch als Arzt charakterisiert wird, „der sich in der Heilmedizin gut auskennt, als guter Organisator und feinfühliger Kamerad“. Hier wird darauf hingewiesen, dass er zu jeder beliebigen Zeit Kranken die notwendige Hilfe erwies, indem er auch in andere Siedlungen hinausfuhr, wann immer ein Kranker ihn darum ersuchte“. Und es gab da auch noch einen Zusatz: „Unter den Ortsansässigen genießt er große Autorität und gebührenden Respekt“. Heute noch erinnert man sich in Dolgij Most an diesen Mann. Die Bewohner des Bezirks wissen noch ganz genau, wie er exakte Diagnosen stellte und die kompliziertesten Krankheiten behandelte. Er führte Operationen aus, wobei er die neuesten Narkosemittel verwandte. Und hier noch eine Legende über die plötzliche Abreise der Sarkisjans aus Dolgij Most: der plötzliche Tod eines Kranken, als der Arzt sich vor einer erneuten Verhaftung fürchtete. In der „Akte“ ist Sohn Jurij erwähnt, doch in Dolgij Most verneinen alle Befragten seine Existenz. Es gibt Ortsbewohner, die den gleichen Familiennamen tragen.

Als solcher erschien dieser Mann mit dem armenischen Nachnamen und dem ungewöhnlichen Vornamen dann auch vor uns. Und er hatte kein leichtes Schicksal gehabt. Trotzdem hat er es nicht nur ertragen, sondern ist auch ein MENSCH geblieben. Außerdem ließ Zolak Michailowitsch keinerlei Kränkung erkennen, zeigte keinen Zorn auf die Menschen, auf die Staatsmacht, sondern widmete vielmehr sein ganzes Leben dem Dienst an den Menschen, indem er aufrichtig den in der Welt humansten Beruf eines Arztes ausübte. Für ihn war der „Eide des Hippokrates“ Grundlage für das gesamte Leben. Die Alteingesessenen unseres Bezirks erinnern sich an ihn, weil er positive Spuren in der Geschichte des Abaner Bezirks und eine gute Erinnerung an ihn hinterlassen hat.

3. Schlussbemerkung

Die Medizin ist der einzige Beruf, der unermüdlich versucht, die Grundlage der eigenen Existenz zu zerstören“ – sagte James Brice. Und das bedeutet, dass der Arzt ein Mann ist, der sich ganz dem Dienst an den Menschen widmet, der eine große Verantwortung für Menschenleben auf sich nimmt, sich verpflichtet, Krankheiten zu verhüten und die Gesundheit der Menschen zu erhalten. Meiner Ansicht nach ist dies einer der schwierigsten Berufe, in dem der Arzt jedes Mal eine Heldentat begeht, wenn er ein Menschenleben rettet.

Welchen physischen und psychischen Aufwand dieser Beruf erfordert, weiß nur der Arzt selber. Es ist schon kein Beruf mehr, sondern eine Lebensart. Junge Ärzte leisten auch heute den „Eid des Hippokrates“, bei dem sie schwören, der ärztlichen Ethik treu zu sein, zu heilen und dabei dem Patienten keinen Schaden zuzufügen. Es ist kein leichter Beruf, und man stelle sich nur einmal vor, wie es den Ärzten in der Stalin-Zeit während der Repressionen zumute war. Beispielsweise die „Ärzte-Verschwörung“ im Jahre 1953. Nach den Erinnerungen der Alteingesessenen und ehemaligen Mitarbeiter des Krankenhauses in den 1960er Jahren und laut Dokumenten des Bezirkskrankenhauses lässt sich vermuten, dass jemand aus der Liste die Verbannung in unserem Bezirk aufgrund der „Ärzte-Verschwörung“ abgesessen haben könnte. Die Suche nach Informationen über den Chirurgen und Therapeuten I. Wassermann, Maria Georgjewna Strekker, die in der Ortschaft Apano-Kljutsch als Hebamme tätig war, Selma Jakowlewna Rosenstern, Wanda Josifowna Tomaschewitsch muss fortgesetzt werden. Im Internet gibt es ein Buch von Nina Aleksandrowna Afonassowa, die mit einem Pariser Diplom in der Siedlung Potschot arbeitete. Als Verfolgte bekam sie zunächst eine Arbeit als Krankenpflegerin, aber als man eines Tages vom Holzeinschlag einen Mann brachte, auf den ein Baum herabgefallen war, stand sie am Operationstisch. Auch sie traf ihre Wahl zugunsten des „Eids des Hippokrates“. Riskant war es auch für Oberarzt Michail Parnaosonwitsch Dschalagania, welcher der „Krankenschwester“ die Operation anvertraute. Zur Fortsetzung der Forschungen an diesem Kriegs. und Repressionsthema erstellten wir eine Liste mit den Namen der Ärzte (vermutlich ebenfalls verfolgter), die möglicherweise während des Krieges in unserem Bezirk arbeiteten. In Klammern sind das Jahr der Anordnung des Bezirks-gesundheitsamt und die Bezeichnung des Postens ausgewiesen):

Nurewa , Maria Michailowna (1947, Therapeutin)
Rosenstern, Karl J. (1949, Therapeut)
Berenbaum, Isaak Michailowitsch (1943)
Dschalagania, Michail Parnaosonowitsch (1949, Siedlung Potschot)
Elvira Davidowna (1941, Siedlung Patschot, Hebamme)

Im „Buch der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen der Region Krasnojarsk“ zählte ich allein unter den Buchstaben „R“ und „S“ mehr als 50 Personen. Dort gibt es einen Hinweis auf Sachar (Sacharij) Ilitsch Rosenblum. Er wurde 1903 in Ostrow, Gouvernement Pskow, geboren. Nahm an der Niederwerfung des Kronstadter Aufstands teil. Mitglied der Allrussischen Kommunistischen Partei (Bolschewiken) ab 1921. Therapeut, Militärarzt 2. Ranges, Assistent der Militärisch-Medizinischen Akademie in Leningrad. Verhaftet am 5. Januar 1937. Verurteilt am 9. Januar 1937 in Leningrad vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR zu 10 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Entzug der politischen Rechte. Nachdem er einen Teil der Strafe auf den Solowkij-Inseln (im STON-Lager) abgesessen hatte, befand er sich ab dem 16. August 1939 im Norillag. Am 14. Dezember 1939 wurde er zum Ober-Ordinarius der therapeutischen Abteilung am Zentral-Krankenhaus in Norilsk ernannt.

Am 19. Januar 1944 wurde die Strafe von einem Sonderkollegium des NKWD der UdSSR um 2 Jahre verkürzt. Freigelassen am 24. Februar 1945 ohne Recht auf Verlassen des Ortes. Er organisierte eine Schule für Therapeuten, eine wissenschaftlich-medizinische Gesellschaft. Am 24. Februar 1951 erneut verurteilt – von einem Sonderkollegium des MGB der UdSSR zur Verbannung; er blieb in Norilsk. Aus der Verbannung entlassen am 27. Juli 1954. Arbeitete 1972 am Institut für Kardiologie. Starb am 15. März 1990. (“Buch der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen der Region Krasnojarsk“, Krasnojarsk, 2009, S. 108-109).

Wenn man sich anhand von Archiv-Materialien und den Erinnerungen von Abanern die verschiedenen, aber interessanten Schicksale dieser beiden Abaner Ärzte anschaut, kann man folgende Unterschiede erkennen. „Leichter“ war der Lebensweg für Inschewatkin; er musste nicht wählen zwischen der Treue zum „Eid des Hippokrates“ und dem „Militär-Gelöbnis“. Er musste keine Wahl treffen zwischen dem Prinzip der Treue gegenüber dem Staat und der menschlichen Moral.. Aber Zolak Michailowitsch Sarkisjan musste eine solche Wahl treffen. Trotz der staatlichen Normen und Verhaftungsdrohungen behandelte er deutsche Soldaten aus moralischen, menschlichen Beweggründen. Das ist eine äußerst schwierige Wahl, aber ich hätte es ebenso gemacht, denn das Gewissen eines Arztes – ist der Schwur am Dienst der Menschen. Die Abaner Ärzte Sarkisjan und Inschewatkin sind den Menschen in der Erinnerung geblieben, weil sie bereit waren, dem Menschen zu helfen, indem sie ihre Zeit, Gesundheit und vielleicht auch ihr Leben opferten. Die vorliegende Forschungsarbeit hat mit Beispiele von wahren Ärzten gezeigt. Ich habe das Gefühl, dass ich mich auch für alle aufopfern könnte, um meine berufliche Pflicht zu erfüllen.

Quellenangaben:

1. Archiv der Abaner Bezirksverwaltung; Akte Zolak Michailowitsch Sarkisjan, Index 11-14; 1961.
2. Archiv des Kriegskommissariats des Abaner Bezirks „Persönliche Akte“ Ch. S. Inschewatkin.
3. Archiv des Kriegskommissariats des Abaner Bezirks „Persönliche Akte“ Ch. S. Inschewatkin.
4. Abaner Stadtarchiv, Akte Ch.S. Inschewatkin (Leiter des Bezirksgesundheitsamtes)
5. Abaner Stadtarchiv, Beschluss des Abaner Bezirksexekutiv-Komitees, Fond N° P-1, Verzeichnis N° 2, Dossier N° 142.
6. Archiv des Abaner Bezirkskrankenhauses, Buch der Befehle 1937-1945, Befehl N° 48 vom 20.09.1945, Befehl vom 08.09.1947.
7. „Jenisseisker Enzyklopädisches Wörterbuch“, Chef-Red. N.I. Drosdow, K. 1988.
8. “Buch der Erinnerung an die Opfer politischer Repressionen der Region Krasnojarsk“, Krasnojarsk, 2009.
9. Krasnojarsk – Berlin, K. 2010
10. Erinnerungen von Walentina Sacharowna Belskaja, (1950), Siedlung Aban.
11. Erinnerungen von Walentina Matwejewna Gornowa, (1931), Siedlung Potschot, Abaner Bezirk
12. Lidia Iwanowna Rubanowa (1950), Siedlung Aban


Zum Seitenanfang