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Von Schülern unter der Leitung von Walentina Aleksandrowna Koch (Ortschaft Blagoweschtschenska, Bezirk Irbej) gesammelte Materialien

Wera Jegorowna Wosmitelewa

Wera Jegorowna Wosmitelewa, gebürtig aus der Ortschaft Blagowechtschenka, Irbejsker Bezirk, wurde am 13. März 1936 als sechstes Kind der Familie geboren.

Als sie 2 Jahre alt war, wurden ihr Vater Jegor Dmitrjewitsch Tschwarkow und drei weitere Einwohner aus Blagoweschtschenka verhaftet und nach Irbejskoje gebracht; sie sagten beim Abschied, daß sie am Abend wieder zuhause sein würden. Danach wurden sie nie wieder gesehen. Einige Zeit später erfuhr die Familie Tschwarkow, daß ihre Ehemann und Vater schon nicht mehr am Leben war, man hatte ihn erschossen.

Ab 1938 erzog die Mutter, Olga Danilowna, ihre Kinder ganz allein. Wera Jegorowna ging im Alter von 10 Jahren zum Arbeiten auf die Kolchosfarm, wo sie zunächst im Weizenfeld Unkraut jäten mußte. Danach war sie einfache Arbeiterin und nebenbei noch Technikerin im landwirtschaftlichen Klub; im Alter von 19 Jahren fand sie in der Kolchose eine Arbeit als Schweinewärterin.

Mit 21 heiratete sie Iwan Wosmitelew aus dem Dorf Posadskoje. Sie verfügt nur über eine vierjährige Schulbildung. Sie hatte keine Möglichkeit zum Lernen. Von 1966 bis 1990 arbeitete sie als Melkerin in der Kolchose. Sie schenkte sechs Kindern das Leben.

Auch Wera Jegorownas Wosmitelewas Geschwister wurden zu Opfern politischer Repressionen.


Wladimir Iwanowitsch Ibe

Ich möchte über das schwere Los meines Großvaters schreiben.

Mein Großvater, Wladimir Iwanowitsch Ibe, wurde am 18. Oktober 1938 in Marxstadt, Gebiet Saratow, geboren. Vater: Iwan Andrejewitsch Ibe, Mutter: Maria Aleksandrowna Ibe.

Als der Krieg ausbrach, verschleppte man sie nach Sibirien. Die Eltern waren damals 27, er selbst 4 Jahre alt; es gab auch noch einen Bruder namens Iwan und eine Schwester Wera. 1941 wurden sie nach Sibirien ausgesiedelt, in den Irbejsker Bezirk, in das Dorf Tscherwjanka. Hier wurde ein weiterer Bruder geboren, aber er starb.

In Tscherwjanka wohnten sie insgesamt vier Jahre. 1945 zogen sie in das Dorf Strelka um, wo sie auch heute noch leben. In diesem Ort kamen noch Bruder Sascha sowie die Schwestern Mascha und Lilia zur Welt. Eine weitere Schwester starb im Alter von 2 Monaten. Hier führten sie ein schlechtes Leben. Der Vater war der alleinige Verdiener; er bekam 600 Gramm Brot, das auf die gesamte Familie verteilt werden mußte. Sie litten Hunger, gingen auf die Felder hinaus, um die eßbaren Zwiebelknollen der Türkenbundlilie zu sammeln; sie suchten im Boden gefrorene Kartoffeln und pflückten im Sommer Beeren. Die Mutter nähte Kleidung. Einmal tauschte der Vater seinen Anzug gegen ein Kälbchen ein; sie zogen eine Kuh auf und hatten es dann etwas leichter – wenigstens konnten sie Milch trinken.

Im Alter von 13 Jahren ging Wolodja in den Wald, um Holz für den Winter zu beschaffen. Später, im Jahre 1955, kam Walentina Nikonowna Krajewa aus dem Dorf Stariki zum Arbeiten nach Strelka.

Am 21. November 1958 fand Wladimirs und Walentinas Hochzeit statt. Und ein Jahr später, 1959, wurde Sohn Valerij geboren. 1962 kam Tochter Swetlana, 1974 der dritte Sohn – Aleksandr – zur Welt.Vater Iwan Andrejewitsch Ibe starb 1979. In demselben Jahr ging auch Mutter Maria Aleksandrowna diese Welt. Wladimir arbeitete in der Flößerei und ab 1979 auf dem Traktor; danach ging er in Rente. Und Walja war als Köchin in einem anderen Haushalt tätig, später als Melkerin und Kälberpflegerin; dann ging auch sie in Rente.

Wladimir lebt immer noch in Strelka und trifft sich häufig mit seinem Bruder Aleksandr, der in der Stadt Borodino wohnt. Auch die Schwestern Wera, Mascha und Lilia kommen gelegentlich zu Besuch; sie leben in Kansk. Bruder Iwan wohnt in der Ukraine. Wladimir und Iwan haben sich 19 Jahre nicht gesehen, aber sie würden sehr gern bald zusammentreffen. So ein Leben hatte also mein Großvater.


Sofia Grigorewna Klimowa

Am Vorabend des Tages der politischen Repressionen traf ich Sofia Grigorewna Klimowa gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Sozialhörde und bat sie, uns ein wenig über ihr Leben zu berichten. Sofia Grigorewna fiel es sehr schwer sich an jene Zeit zu erinnern; sie war damals ja auch noch ein ganz kleiner Knirps, aber trotzdem berichtete sie uns mit Tränen in den Augen, daß sie 1927 in eine kinderreiche Familie hineingeboren wurde. Sie lebten in dem Dorf Nischnee Istokino.

Anfang der 1930er Jahre wurde der Vater nach §58 verurteilt und anschließend erschossen. Die Mutter blieb allein mit sechs kleinen Kindern zurück. Schwierigkeiten gab es mehr als genug, aber sie fand sich mit allen Widrigkeiten irgendwie zurecht. Die Kinder halfen ihrer Mutter so gut sie konnten. Ab dem 9. Lebensjahr begann Sofia Grigorewna zu arbeiten: sie erntete Flachs, rodete Kolchoskartoffeln und erledigte im allgemeinen alle Arbeiten, zu denen sie körperlich in der Lage war. Sehr gern wäre sie zur Schule gegangen, aber sie konnte lediglich zwei Klassen absolvieren. Sie hatte weder Kleidung noch Schuhwerk, um in die Schule gehen zu können, und außerdem mußte sie ja arbeiten. Da war keine Zeit mehr für den Unterricht. 20 Jahre arbeitete sie als Melkerin - damals wurden die Kühe noch per Hand gemolken, und man mußte zusehen, daß man alle Kühe morgens und abends schaffte.

Zusammen mit ihrem Ehemann zog sie vier Kinder groß. Inzwischen hat Sofia Grigorewna neun Enkel und zwei Urenkel.


Anastasia Jegorowna Melnikowa

Anastasia Jegorowna Melnikowa wurde 1922 in dem Dorf Blagoweschtschenka geboren. Sie war das erste Kind in der Familie und absolvierte insgesamt zwei Schulklassen.

Im Frühjahr 1938 wurde der Vater zuhause verhaftet und mitgenommen; später erfuhr die Familie, daß er erschossen worden war. So schaffte es die 16-jährige Anastasia auch nicht, vom Vater in Ruhe Abschied zu nehmen, denn zu der Zeit war sie an ihrem Arbeitsplatz. Sie war im Stall als Pferdepflegerin tätig, später fand sie in der Kolchose eine Arbeit als Schweinewärterin und arbeitete dort bis zu ihrem 35. Lebensjahr.

Sie heiratete Iwan Melnikow aus dem Dorf Minuschka; dorthin begab sie sich anschließend auch mit ihrem Mann. Sie zog fünf Kinder groß.

Wladimir Solomonowitsch Fink

Geboren wurde ich im Gebiet Saratow, im Dorf Podlesnoje, am 27. Oktober 1923. Die Eltern waren Bauern. Zum Lernen ging ich nach Marxstadt, wo ichr die Sieben-Klassen-Schule absolvierte. Später ging er ans Technikum, um Mechaniker für landwirtschaftliche Maschinen zu werden. Ich hatte gerade den Abschluß des ersten Kurses geschafft, als der Krieg ausbrach. Damals wurden alle Deutschen umgesiedelt; und dieses Los widerfuhr auch unserer Familie. Man brachte uns in die Region Krasnojarsk, in den Irbejsker Bezirk, in das Dorf Taloje. Auf Grund eines Ukas der Regierung waren wir von den Repressionen betroffen. 1942 schickten sie uns zur Holzbeschaffung nach Sosnowka.

Das ganze Unheil des Krieges hat er überlebt; aber, wie alle Deutschen, möchte Wladimir Solomonowitsch nur ungern an die damalige Zeit erinnern.

Nach dem Krieg kam er nach Mittel-Asien zu irgendeinem Bauprojekt – dort mußten die Bergbauschächte wiederhergestellt werden.

1954 wurde er aufgrund familiärer Umstände nach Hause, nach Taloje, demobilisiert. Dort fand er Arbeit in der Kolchose. Er war als Hammerschmied in der Schmiede tätig, später als gewöhnlicher Schmied. Außerdem arbeitete er in der Kolchose als Viehpfleger. Er zog in die Siedlung Irbej um, arbeitete in einem Kraftfahrzeugbetrieb als Schmied und erledigte auch andere Arbeiten; je nachdem, wohin sie ihn gerade schickten. Bevor er in Rente ging arbeitete er in einem Bodenverbesserungsbetrieb – ebenfalls als Schmied.

Als alter Mann, Wladimir Solomonowitsch ist heute 83 Jahre alt, zog er zu einer alten Frau nach Ilino-Posadkoje um. Die beiden leben zu zweit. Aber es geht ihnen schlecht; in der Nähe gibt es weder ein Krankenhaus noch einen Laden; häufig müssen sie zufuß nach Blagoweschtschenka laufen.Sie mögen gern lesen, haben die Zeitung „Krasnojarsker Arbeiter“ abonniert. Das Interview fand am 14. April 2007 statt. Wladimir Solomonowitsch lebt in Irbej.

W.A. Koch


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