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Der besten Jahre beraubt…

18. Allrussischer Wettbewerb historischer Forschungsarbeiten. «Der Mensch in der Geschichte. Russland – 20. Jahrhundert»

Thema der Arbeit: «Der Preis des Sieges»

Nikolaj Wladimirowitsch Kuchtin

Städtische budgetierte allgemeinbildende Einrichtung «Allgemeinbildende Abend-Mittelschule Karatuskoje»,

9. Klasse

Leitung: Polina Walerewna Sadoroschnaja – Sozialpädagogin

Karatuskoje, 2017

Einleitung

Das Thema Krieg war, ist und bleibt eines der aktuellsten Themen in allen Bereichen des geistigen Lebens der Gesellschaft, denn Krieg und militärische Konflikte flammen ständig in allen Ecken der Erdkugel auf. Wir, die Schüler, haben zahlreiche unterschiedliche Kriege in den Geschichtsunterrichtsstunden durchgenommen, aber der interessanteste von ihnen ist für mich der Große Vaterländische Krieg. Ich möchte meine Forschungsarbeit denjenigen widmen, denen dieser schreckliche Krieg die beste Zeit genommen hat – die Kindheit. Denn der Gedanke daran, wie viele völlig unschuldige Kinder in diesen schweren Jahren ums Leben kamen oder unter ihnen zu leiden hatten, ist schrecklich. Früher hörte ich derartige Geschichten lediglich aus dem Fernsehen oder aus den Zeitungen, aber jetzt traf und sprach ich persönlich mit einer Frau, deren Kindheit genau in diese schwierigen Jahre fiel.

Die Aktualität des Themas besteht darin, dass die heutigen Heranwachsenden den Wert des Lebens nicht verstehen, das Allgemeinwohl nicht zu schätzen wissen, das uns umgibt, nicht immer das Glück beurteilen können, das entsteht, wenn ein nahestehender oder verwandter Mensch in seiner Nähe ist. Um in der Zukunft keine Fehler zu begehen, muss man sich stets an die Vergangenheit erinnern. Wir müssen von jenen Tragödien und Schicksalsherausforderungen erfahren, welche die auf das Los unseres gesamten Volkes entfielen, einschließlich der Kinder, die zu Zeugen und Teilnehmern des Krieges wurden.

Ziel der Forschungsarbeit: anhand des Lebensweges von Dorfnachbarn zu beweisen, dass unsere Kriegsaltersgenossen keine wirkliche Kindheit kannten, und deswegen muss unsere Generation Barmherzigkeit, Mitleid und tiefen Respekt gegenüber der älteren Generation lernen.

Aufgaben:
1. Das Archiv der Familie Dekker erforschen und analysieren.
2. Mit I.F. Dekker und ihren Angehörigen sprechen.

Methoden:
1. Interview.
2. Studium der Familienarchive.

Kinder des Krieges. Heute sind sie schon Großeltern, doch irgendwann einmal waren auch sie kleine Jungen und Mädchen. Nur dass sie einer sorgenfreien Kindheit beraubt wurden… Zu jenen Kindern gehörte auch Ida Fjodorowna Dekker.

Sie wurde am 7. Mai 1938 in der Stadt Samarkand, in der Republik Usbekistan, geboren, doch ihre Familie zog fast unmittelbar danach ins Wolgagebiet. Genau dort ereilte sie dann auch der Große Vaterländische Krieg. Damals war Ida Fjodorowna gerade eben drei Jahre alt geworden. Ihre Familie wurde, wie viele andere Deutsche, nach Sibirien deportiert. Sie nahmen nur das mit, was sie mit eigenen Händen tragen konnten. Später kehrten ihre Großeltern an die Wolga zurück, die kleine Ida aber blieb mit ihren Eltern, dem Bruder und der Schwester in der Ortschaft Schalagino im Karatussker Bezirk. Als sie sich an jene schrecklichen Jahre erinnert, hört Ida Fjodorowna auf zu lächeln, denn sie verbindet damit nur eines – ständigen Hunger und permanente Angst. Sie erzählt mit Tränen in den Augen davon, wie sie auf den Feldern die Überreste von vertrockneten, alten Kartoffeln und Ähren aufsammeln mussten, die nach der Ernte liegengeblieben waren. Normales Essen gab es Zuhause praktisch nie.

Nach dem Tod des Vaters lastete die Sorge um die Kinder allein auf den Schultern der Mutter – Omalia (Amalie) Iwanowna. Um sie wenigstens halbwegs durchfüttern zu können, arbeitete sie Tag und Nacht auf dem Feld und bei der Erntekampagne und im Winter auf der Viehzuchtfarm. Ida Fjodorowna war die jüngste in der Familie, ihr Bruder und ihre Schwester arbeiteten ebenfalls. Ida selbst, mit ihren 5-7 Jahren selbst noch ein Kind, kümmerte sich um die Nachbarskinder, die noch jünger waren als sie. Es kam dazu, dass sie lange Zeit in anderen Familien leben musste, wo sie sich der fremden kleinen Kinder annahm.
Zur Schule ging sie erst, als sie bereits10 Jahre alt war. Vorher war das unmöglich gewesen, weil sie keine geeignete Kleidung besaß. Sie erinnert sich: «Wir hatten praktisch nichts zum Anziehen, liefen barfuß herum. Und die Sachen, die wir hatten, trugen meine ältere Schwester und ich abwechselnd. Wenige neue Sachen konnten wir erst kaufen, als unsere Mama nach der Ernte ein paar Kopeken Lohn erhielt». Die Schule konnte Ida Fjodorowna nur im Winter besuchen, denn im Sommer ging sie ebenfalls arbeiten: entweder hütete sie das Vieh oder passte erneut auf fremde Kinder auf.

Mit 18 Jahren beendete Ida Fjodorowna die Schule und fand Arbeit als Melkerin auf der Farm. 1960 zog sie in die Ortschaft Karatusskoje, wo sie ihre Arbeit in der Dimitrow-Kolchose weiterführte. Diesem Beruf widmete sie den größten Teil ihres Lebens – sie war 42 Jahre als Melkerin tätig.

Die Arbeitsleistung der berühmten Melkerin I.F. Dekker wurde in zahlreichen Regierungsauszeichnungen, verschiedenen Ehrenurkunden und Ehrenabzeichen hervorgehoben: 1967 – Abzeichen «Beste des landwirtschaftlichen Wettbewerbs der RSFSR», 1970 – Medaille «Wegen glänzender Arbeitsleistungen», 1973 – Abzeichen «Siegerin des sozialistischen Wettbewerbs». Derartige Auszeichnungen wurden Ida Fjodorowna noch zwei weitere Male verliehen, auf Grundlage der Bilanzen von 1977 und 1979. Im Jahre 1980 bekam sie das Abzeichen «Bestarbeiterin des zehnten Fünfjahres-Zeitraums». Die höchste Bewertung ihrer Arbeitsverdienste ist der Orden des Roten Arbeitsbanners, den sie am 11. November 1986 wegen hoher Milcherträge erhielt.

In der Taskinsker landwirtschaftlichen Bildergalerie befindet sich, zusammen mit den Portraits anderer verdienter Kolchosarbeiter, die von dem bekannten Krasnojarsker Künstler Wadim Jelin gemalt wurden, auch ein Porträt von Ida Fjodorowna.

Sie hat zwei Söhne und drei Enkelinnen. Der älteste Sohn Iwan lebt in Sosnowoborsk, der jüngere Igor ist in Karatus geblieben. Heute sitzt Ida Fjodorowna, diese gutherzige, immer lächelnde alte Frau, die in unserer Ortschaft lebt, trotz ihres Alters niemals still. Aber wenn man sich vorstellt, wie ihre Kindheit verlief, wird einem angst und bange. Denn man kann diese schweren Zeiten unmöglich mit unserer fröhlichen und sorglosen Kindheit vergleichen. Ida Fjodorowna und ihre Altersgenossen hatten überhaupt keine Kindheit, sie mussten sofort groß werden, damit sie den älteren bei der Arbeit helfen konnten. Sie erfuhren am eigenen Leib alle Schrecken des Großen Vaterländischen Krieges, und Krieg ist schließlich noch hundertmal schlimmer, wenn man ihn mit Kinderaugen betrachtet. Ich möchte meine Erzählung mit einem Gedicht abschließen, das meiner Meinung nach in vollem Umfang dem Sinn des Satzes «Der besten Jahre beraubt» gerecht wird:

Wir können die Erinnerungen nicht alle zählen,
Erinnern uns der fernen Tage, als
Auf unsere kleinen Schultern
Ein riesiges, unkindliches Unheil schlug.
Die Erde war hat und voller Schnee,
Gleich war das Schicksal aller Menschen.
Auch eure Kindheit war nicht ganz allein da,
Kindheit und Krieg – sie standen beide eng beisammen…

Literaturangaben:

1. Persönliches Familienarchiv von I.F. Dekker (Alben, Fotografien, Notizen).


Obere Reihe, 1. Von rechts, Anfang der 1970er Jahre.


Anfang der 1960er Jahre.


Enkelkinder


In der tassinsker landwirtschaftlichen Bildergalerie


Kollage von Schülern zum Tag des alten Menschen.


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