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Verfolgte Akteure aus dem Bereich der Kultur im Abansker Bezirk

Forschungsreferat

Ausgeführt von: Olga Strutschalina
Allgemeinbildende Oberschule N° 4, Klasse 10“A“, Siedlung Aban
Siedlung Aban, Bildungsprogramm des Klubs „Istotschnik“ („Ursprünge“; Anm. de. Übers.)

Leitung:
Galina Jefimowna Troschtschenko, Geschichtslehrerin an der
Allgemeinbildenden Oberschule N° 4
Wissenschaftliche Leitung
Andrej Aleksandrowitsch Grigorjew, Doktor der Geschichtswissenschaft, Dozent an der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astafjew-Universität in Krasnojarsk

Anmerkungen

Olga Strutschalina
Siedlung Aban, Allgemeinbildende Oberschule N° 4

„Verfolgte Akteure aus dem Bereich der Kultur im Abansker Bezirk“
Leitung:
Galina Jefimowna Troschtschenko, Geschichtslehrerin an der
Allgemeinbildenden Oberschule N° 4
Wissenschaftliche Leitung
Andrej Aleksandrowitsch Grigorjew, Doktor der Geschichtswissenschaft, Dozent an der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astafjew-Universität in Krasnojarsk

Ziel der Forschungsarbeit: Widerspiegelung des Beitrags der Repressierten an der Entwicklung der Kultur im Abansker Bezirk.
Forschungsmethoden: vergleichsgeschichtliche Methode, Studium von Literatur und anderen Quellen.
Grundlegende Ergebnisse: Im Rahmen der Arbeit wurden Archiv-Dokumente sowie Fotos von Theater-Aufführungen untersucht.
Beweise für den Beitrag der Repressierten an der Entwicklung der Kultur im Abansker Bezirk.

Inhalt

I. Einleitung
II. „Verfolgte Akteure aus dem Bereich der Kultur und Kunst in der Geschichte des Abansker Bezirks“
1. Die Repressionen
2. Das Theater des Abansker Bezirks
3. Die Inseln des GULAG
III. Schlussfolgerung: Das Leben geht weiter
IV. Bibliographische Liste

Einführung

Die Aktualität des Themas der Forschungsarbeit: Die lückenlose, vollumfängliche Enthüllung der historischen Information über die Verfolgungen und ihre Opfer soll allen Kategorien von Bürgern zugänglich sein, und ich möchte ganz besonders, dass meine Dorfnachbarn davon erfahren. Der Zugang wahrheitsgetreuer Inforationen über Verbrechen der Vergangenheit, die sich in unserem Staat zugetragen haben, ist ein Mittel, damit sich ähnliches in der Zukunft nicht wiederholt. In der Geschichte unseres Staates gibt es zahlreiche Fehler – und sind sie alle korrigiert worden?

Hypothese:
Ich bin der Meinung, dass die Menschen, die aufgrund der vergangenen Ereignisse und Umstände auf dem Territorium unseres Bezirks leben, großen Einfluss auf das kulturelle und geistige Leben der Siedlung genommen haben. Es sind Menschen.

Problem: Die lückenlose, vollumfängliche Enthüllung der historischen Informationen über die Repressionen und ihre Opfer muss allen Kategorien von Bürgern zugänglich sein, und ich möchte ganz besonders, dass meine Dorfnachbarn davon erfahren. Der Zugang wahrheitsgetreuer Inforationen über Verbrechen der Vergangenheit, die sich in unserem Staat zugetragen haben, ist ein Mittel, damit sich ähnliches in der Zukunft nicht wiederholt. In der Geschichte unseres Staates gibt es zahlreiche Fehler – und sind sie alle korrigiert worden?

Forschungsobjekt: Fotografien von Aufführungen am Abansker Theater für Dramaturgie, Archiv-Bescheinigungen, altes Zeitungsmaterial.

Forschungsgegenstand: Die Schicksale der Schauspieler, die in den 1920er bis 1950er Jahren verfolgt und verbannt wurden.

Die Neuheit der Forschungsarbeit liegt darin, dass das vorliegende Material eine weitreichende Vorstellung über den Beitrag zur Entwicklung der Kultur des Abansker Bezirks durch Menschen gestattet, die Leidtragende von Repressionen und Verbannung waren.

Im Laufe meiner Forschungstätigkeit stützte ich mich auf folgende Quellen: „Sibirische Heimatkunde“ (B.J. Andrjusew), aus der ich erfuhr, in welcher Weise die Verbannten auf die kulturelle Entwicklung, den Alltag der Bevölkerung der Region Krasnojarsk Einfluss nahmen. In den Dokumenten und Archiven von N.F. Bugaj fand ich Zeugnisse über Gerichtsprozesse. Eine Archiv-Bescheinigung, Zeitungsmaterialien sowie Fotografien aus dem Bezirksheimatkunde-Museum enthüllen eine soziale Gruppe von Menschen, die nach Aban verschleppt wurden und zeigen den Beitrag auf, den sie bei der Entwicklung der Kultur im Abansker Bezirk leisteten. Ich machte mir die Web-Seiten www.obd-memorial.ru, www.vikipedia.ru sowie die Erinnerungen von Angehörigen und Einwohnern der Siedlung Aban zunutze. Anhand des vorliegenden Materials lässt sich der Beitrag der verfolgten Akteure aus dem Bereich der Kultur auf das geistige Leben der Abaner einschätzen.

Ziel der Forschungsarbeit: Widerspiegelung des Beitrags, den Repressionsopfer an der Entwicklung der Kultur unseres Bezirks leisteten. Zur Erreichung des gesteckten Ziels sind im Verlauf der Forschungsarbeit folgende Aufgaben zu lösen:

1. Das zum vorliegenden Thema vorhandene Material zu studieren und zusammenzufassen
2. Informationen über die Schicksale der repressierten Akteure zu sammeln, die in unserer Ortschaft lebten, das Material zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen.
3. Den Beitrag aufzuzeigen, den Repressierte und Verbannte bei der Entwicklung der Kultur im Bezirk leisteten

II. Repressierte Akteure aus den Bereichen der Kultur und Kunst in der Geschichte des Abansker Bezirks

1. Die Repressionen

Aus welchen Gründen ist das Thema von Interesse?

Die lückenlose, vollumfängliche Enthüllung der historischen Information über die Verfolgungen und ihre Opfer soll allen Kategorien von Bürgern zugänglich sein, und ich möchte ganz besonders, dass meine Dorfnachbarn davon erfahren. Der Zugang wahrheitsgetreuer Inforationen über Verbrechen der Vergangenheit, die sich in unserem Staat zugetragen haben, ist ein Mittel, damit sich ähnliches in der Zukunft nicht wiederholt. In der Geschichte unseres Staates gibt es zahlreiche Fehler – und sind sie alle korrigiert worden?

Folgende Arbeitsetappen werden verfolgt.

1. Studium von historischen Quellen, Zeitungsmaterialien über Verfolgte, Analyse von Materialien mit den Erinnerungen von Einwohnern der Siedlung Aban
2. Arbeit mit dem Museumsarchiv
3. Arbeit in Bibliotheken
4. Sammeln, Systematisieren und Zusammenstellen des zusammengetragenen Materials zu einer Forschungsarbeit.

Während der Arbeit an dem Projekt kamen verschiedene Forschungsmethoden zur Anwendung:

• vergleichsgeschichtliche Methode
• Methode des Studiums von Literatur und anderen quellen
• Klassifizierung des gesammelten Materials

Meine Meinung:
Ich möchte versuchen zu beweisen, dass die verfolgten Akteure der Kultur überleben konnten und es geschafft haben, ihren inneren menschlichen Kern zu bewahren. Das Schicksal hat sie verbogen, doch sie sind daran nicht zerbrochen, sondern konnten ihr Recht auf Leben, ihre Kultur und ihre Eigenarten erhalten. Sie fürchteten sich nicht vor den schwierigen Bedingungen des sibirischen Lebens, sondern verstanden es vielmehr, sich im Leben als nützlich zu erweisen. Es lohnt sich, ihre Standhaftigkeit und Diszipliniertheit zu beneiden, denn nicht jeder ist in der Lage, all das zu ertragen, was sie durchgemacht haben, und dabei auch noch ein MENSCH – im wahrsten Sinne des Wortes - zu bleiben. Sie schafften es nicht nur zu überleben, sondern sich auch um die Anerkennung und den Respekt ihrer Umgebung verdient zu machen.

Die stalinistischen Repressionen

Chruschtschows Rede liegen Materialien zugrunde, die von einer am 31. Dezember 1955 gegründeten Kommission des Präsidiums des Zentralkomitees der KPdSU vorbereitet worden waren; in dieser Kommission sollte die Frage besprochen werden, wie es zu den Massenrepressionen gegen die Mehrheit der Mitglieder und Kandidaten für das Zentralkomitee der WKP (B) hatte kommen können, die auf dem 17. Parteitag gewählt worden waren“. [1] Zu der Kommission gehörten Pospjelow, Komarow, Aristow, Schwernik; an die Aufgaben wurden Mitarbeiter des KGB und der Staatsanwaltschaft der UdSSR (insbesondere der KGB-Vorsitzende – General I.A. Serow – herangezogen).

Die Schlussfolgerungen der Kommission wurden am 9. Februar 1956 auf der Sitzung des Präsidiums des Zentralkomitees vorgestellt. In dem zahlreiche Seiten umfassenden Dokument sind lediglich die Zeugnisse über Repressionen in Bezug auf die sowjetische Parteiführung enthalten; nicht berücksichtigt wurden die Kollektivierung und „Entkulakisierung“, die Frage der sowjetischen Kriegsgefangenen, die nach ihrer Rückkehr aus deutscher Gefangenschaft verfolgt wurden. Nichtsdestoweniger wird in dem Referat klar und deutlich ein Bild der Massen-Repressionen deutlich. Die Nennung nur einiger Rubriken des Vortrags spricht für sich selbst: „Befehle des NKWD der UdSSR über die Durchführung von Massen-Repressionen“, „Künstliche4 Schaffung antisowjetischer Organisationen, Blocks und Zentren unterschiedlicher Art“, „Über gröbste Verletzungen der Gesetzmäßigkeiten 8im Verlauf der Ermittlungen“, „Über „Komplotte“ innerhalb der NKWD-Organe, „Verletzung der Gesetzmäßigkeiten durch Organe der Staatsanwaltschaft bei der Beaufsichtigung der Ermittlungen beim NKWD“, „Gerichtliche Willkür des Militär-Kollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR“, „Über die außergerichtliche Prüfung der Fälle“. [2]

Die Schlussfolgerungen der Kommission ergaben, dass in den Jahren 1937 und 1938 mehr als 1,5 Millionen Sowjet- und Parteileiter repressiert wurden – 680-000 von ihnen fanden en Tod durch Erschießung. Von 139 Mitgliedern und Mitgliedschaftskandidaten des Zentralkomitees der KPdSU wurden 89 erschossen. Von den 1966 Delegierten des 17. Parteitags wurden 1108 Personen repressiert, 848 von ihnen erschossen. Der 17. Parteitag der WKP (B) war als Fixpunkt gewählt worden, denn er galt als „Parteitag der Sieger“, da er den Sieg des Sozialismus in der UdSSR bestätigte.

In dem Dokument war Stalins persönliche Verantwortlichkeit für die Anwendung von Foltern während der Verhöre, außergerichtliche Gewaltakte und Erschießungen klar festgelegt. Nach Meinung der Kommissionsmitglieder eröffnete die Anordnung des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR vom 1. Dezember 1934 „die Möglichkeit für massive Verletzungen der sozialistischen Gesetzmäßigkeiten“, welche unter Verletzung der Verfahrensweise in den ersten Stunden nach dem Mord an S.M. Kirow verabschiedet und von Jenukidse unterzeichnet wurde. Die Massen-Verfolgungen verschärften sich ab Ende 1936 nach Stalins und Schdanows Telegramm, in dem von der Notwendigkeit die Rede war, Jeschow für das Amt des Volkskommissars für innere Angelegenheiten zu ernennen, da sich Jagoda „im Hinblick auf die Enthüllung des trotzkistisch-sinowjewschen Blocks nicht ganz auf der Höhe war. Die OGPU war in dieser Sache um vier Jahre ins Hintertreffen geraten“.

Der Vortrag der Kommission löste beim Präsidium des Zentralkomitees eine heftige Diskussion aus. [4] Dennoch fasste das Präsidium des Zentralkomitees am 13. Februar, einen Tag vor Beginn des 20. Parteitags, den Beschluss, auf der Plenarsitzung den Vorschlag einzubringen, auf einer geschlossenen Sitzung des Parteitags eine Rede über den Personenkult zu halten und als Referenten N.S. Chruschtschow zu bestätigen“.

Die stalinistischen Verfolgungen waren Massen-Repressionen, die Ende er 1920er Jahre in der UdSSR begannen und bis in die 1950er Jahre hineingingen; und für gewöhnlich standen sie mit dem Namen J.W. Stalins im Zusammenhang, dem faktischen Führer des Staates zu dieser Zeit. Viele Forscher zählen zu den Opfern der stalinistischen Verfolgungen, die nach §58 des Strafgesetztes der RSFSR von 1926 („konterrevolutionäre Verbrechen“), ebenso wie Opfer der Entkulakisierung (Anfang der 1930er Jahre) und der Völkerdeportationen.

Eine ganze Reihe von Forschern der linken politischen Ansichten, Marxisten. hält die stalinistischen Repressionen für eine Perversion der Politik der Bolschewiken. Dabei wird unterstrichen, dass ein bedeutender Teil der Opfer der stalinistischen Verfolgungen Mitglieder der Kommunistischen Partei, sowjetische, militärische und andere leitende Funktionäre waren, mit deren Niederwerfung die Unterdrückung und Kontrolle der Staatsbürger der UdSSR einen systematischen Charakter annahmen. Sie vermuten, dass der rote Terror der Bolschewiken, im Unterschied zu den stalinistischen Repressionen, unter den Bedingungen des Bürgerkriegs ablief, welcher die Verbitterung aller politischen Kräfte (Weißer Terror) nur begünstigte. Dabei liegt d8ie Verantwortung für die politischen Repressionen seitens der Roten und Weißen während des Bürgerkriegs und während der nachfolgenden Errichtung der stalinistischen Diktatur auf beiden Seiten, die am Bürgerkrieg teilnahmen.

Einige Historiker betrachten die stalinistischen Repressionen als Fortsetzung der politischen Repressionen von Seiten der Bolschewiken in Sowjet-Russland, die unmittelbar nach der Oktober-Revolution im Jahre 1917 begannen. Dabei wurden nicht nur aktive politische Gegner der Bolschewiken zu Opfern der Verfolgungen, sondern auch Menschen, die ihren Nonkonformismus mit deren Politik äußerten oder einfach nur Geiseln waren.

Die politischen Verfolgungen geschahen nicht nur aufgrund sozialer Merkmale (nicht nur gegen ehemalige Polizeiangehörige, Gendarmen, Beamte der Zaren-Regierung und Geistliche, sondern auch gegen ehemalige Gutsherren und Unternehmer), sondern auch aus Gründen der „Mentalität“. Die politischen Repressionen gingen auch nach dem Ende des Bürgerkriegs weiter. Bereits damals beruhte, wie im weiteren Verlauf bekannt wurde, die Mehrheit der Fälle über politische Verbrechen in Wirklichkeit auf gefälschten Anklagen (der „Fall der Lyzeums-Absolventen“, der „Fall der Foxtrott-Tänzer“, der „Schachtinsker Fall“).

Mit Beginn der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und der Beschleunigung der Industrialisierung Ende der 1920er Jahre – Anfang der 1930er Jahre sowie der Festigung der persönlichen Macht Stalins erhielten die Repressionen Massen-Charakter. Eine besondere Wucht erreichten sie 1937-1938 (Großer Terror), als durch die NKWD-Organe 1,5 Millionen Menschen verhaftet und 682000 zum Tod durch Erschießen verurteilt wurden ( ein Teil der Urteile war aufgrund von Strafrechtsparagraphen verhängt worden).

Mit einem unterschiedlichen Maß an Intensität dauerten die politischen Repressionen bis zum Tode Stalins im März 1953.

2. Das Theater des Abansker Bezirks

1970 nahm unser Haus der Kultur seinen Betrieb auf. Der Grund für seinen Bau war ein Feuer, bei dem das vorherige vernichtet wurde. Der alte Klub, bei dem es sich um die dafür bestens geeignete Kirche handelte, wurde 1964 aus unerklärlichen Gründen ein Opfer der Flammen. Das alte Klubgebäude war ein hohes Holzhaus mit hohem Dach, dicken hölzernen Säulen, einem riesigen Foyer und einem Zuschauersaal gewesen. Hier verbrachten die Abaner in den 1940er, 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre ihre Freizeit.

Sie spielten auch Billard, beschäftigten sich in verschiedenen Zirkeln, sahen sich Kinofilme an, hörten Konzertprogramme und schauten sich Theateraufführungen an. In Aban waren solche Aufführungen sehr beliebt. Es wurden viele Stücke gegeben, denn in der Siedlung waren gleichzeitig mehrere Theater-Kollektive tätig (im Bezirkskulturhaus, im Krankenhaus und im ehemaligen Klub der Waldwirtschaft). Theateraufführungen gab es zu Feiertagen und Partei-Konferenzen. Besonders schwindelerregend war die Entwicklung der Theaterkultur und Kunst Ende der 1940er und zu Beginn der 1950er Jahre. Die Abaner verpflichteten dazu verbannte Regisseure, Schauspieler, Bedienungspersonal sowie Musiker aus Moskau und anderen Städten Russlands.

Die 1950er Jahre. Von den beiden verbannten Regisseuren Wladimir Pro und Soja Sokolowa wurden die musikalischen Werke (Operetten) „Rosmarie“, „Hochzeit in Malinowka“, „Platz der Blumen“, „Natalka-Poltawka“ geschaffen, und talentierte, begeisterte, dem Theater ergebene Schauspieler waren: Tamara Apalosowa, Anna Rowinjez, Iwan Makejew, Jewdokia Gostinzewa. Über das Theater fanden sich sogar J. Gostinizewa und I. Makejew zur ehelichen Gemeinschaft zusammen. Auch heute noch herrschen in ihrem Haus eine herzliche Wärme und Gemütlichkeit.

Das Ende der 1950er Jahre. Von Jakob Charon, Kameramann der Mosfilm, seiner Ehefrau M. Snegowa – Schauspielerin, sowie den Regisseuren N.N. Koroljew und N.P. Oskolokow wurden folgende Aufführungen inszeniert: „Die schuldlos Schuldigen“, „Es ist nicht alles Zuckerschlecken“, „Das letzte Opfer“ von N. Ostrowskuij, „Der Schneeballstrauch-Hain“ von Kornejtschuk.

Auf den Theaterbühnen erhoben sich neue Schauspieler, neue Namen: Aleksandra Makejewa, Tamara Kilmuchalitowa-Monid, Warwara Tscherkasowa, Ljubogoschtschenski, Pawel Schimonowitsch, Michail Losoch, Viktor Kusmin, J. Schumkowa, M. Ljuto, A. Zwetkowa. Der neue Regisseursname des M. Rutgorz, eines jungen, hübschen Mannes jüdischer Nationalität. Er hatte das Moskauer Institut für Theaterwissenschaften auf dem Gebiet „Regie“ abgeschlossen.

W. Pro, Sokolowa, Koroljew, Snegowaja, Choron. Sie waren es, die den Menschen den Geschmack, die Liebe zum Theater beibrachten, ihnen dabei halfen, die Theaterkunst und die Kunst in Großbuchstaben zu verstehen. Sie lehrten ihre Zöglinge nicht nur, wie man auf der Bühne geht, spricht und lebt. „Sie haben Menschen aus uns gemacht!“ [3] – erinnerte sich Makejewa – Schauspielerin am Amateur-Theater. In dieses finstere „Bären-Eckchen“ kamen wahre Künstler und formten es bis zur Unkenntlichkeit um. Aus Aban wurde ein geistiges, theatralisches Fleckchen Erde. Ihre Zöglinge – unsere Landsleute leben auch jetzt noch neben uns: gemeint sind die Eheleute Makejew. Durch das Theater fanden sie zueinander; sie sind ein glückliches Ehepaar, und sie haben ihre Liebe bis auf den heutigen Tag bewahrt. T.R. Monid, A.I. Schamschutdinowa. J.A. Ostapenko. Ihre Zöglinge: Pro, Sokolowa, Koroljew, Charon, Snegowa, Gutgorz – es waren sehr viele. Interessenten kamen selber und baten darum, für die Aufführungen irgendeine Aufgabe zu erhalten. Mit der Auswahl für männliche Rollen gab es keine Probleme. Da waren W. Kusmin, N. Pimenow – ein kluger Kopf, eine Schönheit von Mann, dem man die Rollen von Liebeshelden anvertraute. Sergej Petscherin, der sich von einem Schusterjungen in einen erfolgreichen, professionellen Schauspieler am Alma-Atinsker Theater verwandelt hatte. Michail Ljuto ließ wegen der Bühne den Dienst bei der KGJ im Stich und wurde stattdessen Schauspieler und Regisseur.


„Der Schneeballstrauch-Hain“. 1946-1950
Inszenierung Charons und seiner Ehefrau Snegowa, nach den Worten der
Theater-Teilneh,erin Jewdokia Aleksandrowna Maksejewa

 


1946-1950. Inszenierung Charons und seiner Ehefrau Snegowa

3. Die Inseln des GULAG im Abansker Bezirk

Die Geschichte des Abansker Bezirks ist ein Teil der russischen Geschichte, auch in ihr mussten sich die stalinistischen Repressionen irgendwie widerspiegeln.
Wir haben das im Laufe mehrerer Jahre von Mitgliedern des Heimatkundeklubs „Landsleute“ gesammelte Material über die Denisowsker Kolonie und die Repressierten systematisiert und versucht, die Ströme der Sonderkontingente sowie ihre Rolle in der Geschichte des Abansker Bezirks näher zu definieren. Angesichts des Fehlens von Archivmaterialien und ihrer Unzugänglichkeit haben wir uns bemüht, die Geschichte der Denisowker Kolonie nach den Erinnerungen alteingesessener Bewohner wiederherzustellen.

Denisowka erhielt seine Bezeichnung nach den Namen der Brüder Denisow, die dort ein außerhalb der Gemeinde liegendes Stück Land besaßen. Grab-Stadt – eine der Dorfstraßen: möglich, dass hier die ersten Erdhütten der Brüder Denisow gegraben wurden. Die Geschichte des Dorfes steht ebenfalls mit der stalinistischen Epoche, der Zeit der Verfolgungen, der Verbannung in Verbindung. Davon zeugen die Straßennamen: Deutsche Straße, Konvoi-Straße (so nennen die Alteingesessenen gelegentlich die Hauptstraße). Während des Bestehens der Kolonie wurden in Grab-Stadt Konvoi-Soldaten mit ihren Familien angesiedelt.

Der Abakansker Bezirk – Ort der Verbannung

Der Abansker Bezirk entstand als Vielvölker-Rayon während der stolypinschen Agrar-Reform. Aber ein Anstieg der Bevölkerungszahlen ließ sich auch in den Jahren der stal8inistischen Repressionen beobachten, als Menschen unterschiedlicher Nationalitäten hierher gerieten. Zur Zeit der „Olympiade-80“ wies man aus Moskau Personen „mit unzuverlässigem und zweifelhaftem Verhalten“ aus.

Das Sonderkontingent wurde auf die Dörfer und Waldareale verteilt. Da Schicksal eines jeden einzelnen von ihnen ist tragisch.

Vera Friedrichowna Filbert erfuhr im Alter von nur einem Jahr am eigenen Leib die „stalinistische Politik“. Ihre Familie wurde 1942 aus dem Wolgagebiet deportiert. Der Vater wurde sofort verhaftet, die Mutter starb auf dem Weg nach Kasachstan. Eine Frau, die man nach Sibirien schickte, nahm sich ihres Säuglings an. In der fremden Familie lebte sie in Berjowsowka im Abansker Bezirk, später zog sie nach Denisowka um. Vera Fjodorowna (so nannte man sie bei uns) war eine geachtete Frau und berühmte Schweinezüchterin (zweimal gehörte sie zu den Teilnehmern der Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft); sie zog drei Kinder groß, half den Enkelkindern. Sie verfügte über einen erstaunlichen Charakterzug: für jedes beliebige Vergehen versuchte sie eine Rechtfertigung zu finden und fügte selber niemals einem anderen etwas Böses zu, doch bis zum Ende ihrer Tage konnte sie nicht begreifen, weshalb man ihr die Kindheit und ihrer Familie genommen hatte. Erst in den 1980er Jahren erfuhr sie vom Schicksal ihrer Verwandten. Es gelang ihr zum Bruder nach Kasachstan zu fahren und später – zu den Brüdern nach Deutschland, aber ganz umziehen, um dort mit ihnen zu leben – das wollte sie nicht: „Dort ist nicht meine Heimat; meine Kinder wohnen hier, und die Enkelkinder, und hier will ich auch sterben“. [4] Und auf dem örtlichen orthodoxen Friedhof steht auf ihrem Grab ein katholisches Kreuz mit der Aufschrift ihres Familiennamens in gotischer Schrift – als Erinnerung und Mahnung an die unheimliche Ungerechtigkeit der Staatsmacht.

In Denisowka gab es einen Schlachthof für Schweine und Rinder, hier befand sich auch eine Räucherei. In diesem Teil der Kolonie existierten eine Kantine für Konvoi-Soldaten und freie Arbeiter und Angestellte sowie ein Laden. I.G. Malzew berichtete, dass die Begleitsoldaten mit ihren Familien in der Nachbarschaft wohnten – in Grab-Stadt, dass sie Schweine und Kühe hielten (das Heu wurde ihnen von den Gefangenen beschafft), eine Essensration für sich sowie eine 50%ige Ration für jedes nicht arbeitende Familienmitglied erhielten und kostenlos in der Kantine Essen konnten. Um bei ihnen in Dienste zu treten kamen in jenen Hungerjahren gern angeworbene freie Leute; es gab keine Probleme – sie erhielten eine Ration mit warmem Essen (während der Massenschlachtzeit des Viehs wurden Leber und Köpfe umsonst ausgegeben). Wir glauben, dass die Vergünstigungen vom sozialen Status der jeweiligen Person abhängig waren. Uns liegen Aussagen von Maria Silajewa darüber vor, dass sie eine fiktive Ehe einging, damit man sie aus der Kolchose austreten ließ.

Nach dem Produktionsvolumen und der Vielfalt der hergestellten Erzeugnisse zu urteilen, arbeiteten hier erstklassige Spezialisten: Agronomen, Zootechniker. Alle Zeitgenossen erinnern sich an die gute, wohl organisierte Arbeit und die Einführung der Zucht durch Selektion.

Die Leute waren ganz unterschiedlicher Nationalität: der Zootechniker Eduard Jakowlewitsch Lelaus – Lette, der Buchhalter Aleksandr Fadejewitsch Bernadskij, Zootechniker – der Jude Fjodor Iwanowitsch Masin, der Deutsche Konstantin Andrejewitsch Luft – Haupt-Ökonom, der Deutsche Ernst Bogdanowitsch Weinerd – Tierarzt, und zum ersten Direktor wurde der Ukrainer Iwan Jewdokimowitsch Barbanjuk ernannt. Sie setzten die wissenschaftliche Forschungstätigkeit auch in der Sowchose fort. Da sich die Sowchowse Anfang der 1960er Jahre auf Schweinezucht spezialisierte, züchtete man hier eine eigene Schweinerasse durch Kreuzung der Rassen „sibirische Weiße“ und „große Wei9ße“. Die Züchter mussten in besonderen Schreibheften Aufzeichnungen machen, separat für jede Zuchtsau, in denen Zeitdauer und Ergebnisse (u.a.) vermerkt wurden.

Ich möchte meine Aufmerksamkeit auch gern der Ortschaft Noschino widmen.

In den 1940er und 1950er Jahren lebten in der Ortschaft Noschino politische Verbannte. Viele von ihnen waren gebildete Leute – sie waren an der Schule tätig. Sinaida Michailowna Sokolowskaja, Schauspielerin des Kleinen Moskauer Theaters, arbeitete als Lehrerin und leitete den Dramaturgie-Kreis. Goldentracht unterrichtete Chemie, und Lusja Lwowna – Physik. Die Verbannten brachten eine Menge Kultur mit ins Dorf. Ganz besonders groß war ihr Einfluss auf die Jugendlichen im schulischen Bereich.

Nikolaj Karlowitsch Erdel, Professor des Leningrader Herzen-Instituts für Pädagogik. Er war nicht sehr groß, untersetzt, körperlich voll entwickelt. Sein Gesicht war rund, er hatte einen schwarzen Schnurrbart, trug ein Pincené, auf dem Kopf einen Hut. Bekleidet war er mit einem schwarzen Anzug, weißem Oberhemd und einer schwarzen Krawatte.

Nikolaj Karlowitsch konnte fünf Sprachen (nach anderslautenden Quellen sollen es sogar 12 gewesen sein): Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch und andere?

1941 wurden alle Deutschen aus dem europäischen Teil der UdSSR aus Gründen der Sicherheit in den Osten ausgewiesen. Auch N.K. Erdel konnte diesem Los nicht entgehen. Eines Nachts, ohne jegliche Vorwarnung, klopften Leute vom NKWD an der Tür und verhafteten ihn. Nikolaj Karlowitsch besaß eine große Bibliothek; man gestattete ihm einige Bücher mit zu nehmen. Nikolaj Karlowitschs Tochter war mit einem Soldaten verheiratet, und damit man sie nicht ebenfalls verschleppte, sagte sie sich vom Vater los.

Nach der Amnestie des Jahres 1954 versuchte Nikolaj Karlowitsch seine Tochter wiederzufinden; er erfuhr ihre Adresse und begab sich 1956 auf irgendein in Leningrad stattfindendes Forum, doch seine Tochter wollte ihn nicht wiedererkennen. Offenbar fürchtete sie sich vor neuerlichen Repressionen. Nach der Amnestie schlug man Nikolaj Karlowitsch vor am Leningrader Institut für Pädagogik zu arbeiten, aber er lehnte ab und meinte: „Sibirien hat mich gut aufgenommen, und ich werde auf der Schwelle der Schule sterben, in der man mich in meiner schwierigsten Zeit Obdach gewährt hat“.

An der Noschinsker Schule arbeitete Nikolaj Karlowitsch zehn Jahre als pädagogischer Leiter und Deutschlehrer. Mit einem 18-Stunden-Lehrplan, so sagte er, erhielt er hier für seine Tätigkeit (zweifacher Einsatz) im Vergleich zu dem, was er in Leningrad bekommen hatte, nur ein paar Kopeken. Manch einem Schüler, der auf Unterstützung angewiesen war, gab er Nachhilfestunden. Zwischen 1946 und 1954 mussten die Schüler der 8. bis 10. Klassen 150 Rubel pro Jahr bezahlen. Den jungverheirateten Lehrern lieh er Geld für erste Anschaffungen.

Nikolaj Karlowitsch besaß ein gutes Gedächtnis sowie analytische und psychologische Fähigkeiten, die er während des Lehrprozesses anwendete. Die Schüler der oberen Klassenstufen redete er mit „Sie“ an. An den Feierabenden tanzte er leicht und fröhlich mit den Schülern, bewies das Taktgefühl eines Gentleman und überschüttete seine Partnerin mit Komplimenten.

Nikolaj Karlowitsch freute sich außerordentlich über die Erfolge seiner Schüler, und wenn ein eigentlich etwas fauler Schüler mit der Note 1 oder 2 beurteilt wurde, dann rühmte und lobte er ihn in der ganzen Schule. In einer Unterrichtsstunde konnte man drei Zensuren erwerben. Die Schüler fürchteten ihn sehr, denn Nikolaj Karlowitsch verlangte vollständige Antworten – und das auch noch in unterschiedlichen Varianten. Innerhalb eines Jahres war jeder Schüler jeweils viermal bei Nikolaj Karlowitsch zu Hause, um dort anhand von Kärtchen entsprechende Aufgaben zu lösen. Er verfügte über einen ganz besonderen Stundenplan für Schüler (Konsultationen zu Hause), mit Anmerkung des Nachnamens und der Zeit, Und dieser Stundenplan hing sowohl in der schule, als auch bei ihm zu Hause.

Aus den Erinnerungen von Wladimir Iwanowitsch Petuschinskij, Schulabgänger des Jahres 1955. „Unsere Klasse war nicht besonders groß: insgesamt 16 Schüler. Chemie und Biologie wurde von Ignat Naumowitsch Goldentracht unterrichtet; er gehörte zu denen die in der Stalin-Zeit verfolgt worden waren. Was war er nur für ein bemerkenswerter Mensch und Pädagoge. Bevor er zu uns an die Schule kam, gab es das Fach Chemie überhaupt nicht: Lehrer kamen einfach nicht gern ins Dorf, um hier zu unterrichten. Und nur Dank Ignat Naumowitsch konnte unsere (und zwei vorherige) Klasse den Unterrichtsstoff aufholen und das volle Programm lernen“. [5]

III. Schlussbemerkung: Das Leben geht weiter…

Die Bilanz der vorliegenden Forschungsarbeit ist eine philosophische Überlegung zu den Gründen und Folgen der Repressionen. Ich habe hier versucht, über diese schreckliche Periode in der Geschichte unserer Siedlung, unseres Landes zu berichten…

Die Manie der Spionage, Verhöre, der allgemeinen Verdächtigungen und des Misstrauens sowie die Bereitschaft, die generelle Politik der Partei zu unterstützen – wurden zum Hauptziel eines jeden Sowjet-Menschen. Außerdem sicherten die Massen-Repressionen dem Land kostenlose Arbeitskräfte – auf Kosten der Verhafteten, welche in den Lagern schuften mussten. Mehr als 27 Millionen unschuldiger Menschen verloren die besten Jahre ihres Lebens in Haftanstalten. Solche Menschen ausfindig machen, ihre Berichte aufzuschreiben – das ist eine Aufgabe von höchster geschichtlicher Bedeutung.

Schmerzvoll erinnern sie sich an diesen Zeitabschnitt ihres Lebens, doch niemand von ihnen ist darüber jemals in Zorn geraten oder ist böse auf die Sowjetmacht. Die Menschen, die die schrecklichen Jahre der Verfolgungen miterlebt haben, beklagen sich weder über die Vergangenheit, noch über die Gegenwart. Sie sind gutmütig und aufmerksam. Und in schwierigen Minuten sind oft gerade sie es, die als Erste zur Hilfe eilen. In der Regel sprechen sie auch mit ihren Angehörigen nur selten über jene Zeit. Und häufig ist es so, dass nicht einmal die eigenen Kinder von der schweren Vergangenheit ihrer Eltern Kenntnis haben. Die Menschen, welche die Hölle der Repressionen durchlaufen haben, sind nicht verbittert, haben den Glauben an das Gute nicht verloren. Schließlich ist bekannt, dass, wenn man die Geschichte vergisst, sie sich irgendwann einmal wiederholen wird. Die Opfer des Terrors haben nicht begriffen, warum man sie verfolgt hat. Und auch wir können es bis heute nicht.

IV. Literatur- und Quellenangaben

Archiv-Dokumente aus den Beständen des Bezirksheimatkunde-Museums (Archiv-Bescheinigungen, Fotografien vom Theater und den Aufführungen, Materialien aus der Zeitung „Rotes Banner“.
Archiv des Schulmuseums der Noschinsker Schule.
B.J. Andjusew: „Sibirische Heimatkunde“, Krasnojarsk, 2001.
N.F. Bugaj. Dokumente aus dem Archiv: „Die Deportation: Berija berichtet an Stalin / Kommunist“, 1991, N° 3.
„Die Region Krasnojarsk in der Geschichte des Vaterlandes“. Zweites Buch, Oktober 1917-1940, Krasnojarsk, 1996.
S. Courtois, N. Werth, Jean-Louis Panné, A. Paczkowski, K. Bartosek, J.-L. Margolin: “Schwarzbuch des Kommunismus”, Moskau, 2001.
T. Kulisch: „Die Repressionen. Wie war das?“
www.vikipedia.ru – Elektronische Universal-Enzyklopädie

[1] www.vikipedia.ru
[2] www.vikipedia.ru
[3] Aus den Erinnerungen von J.A. Makejewa
[4] Aus den Erinnerungen von W.F. Filbert
[5] Aus den Erinnerungen von W.I. Petuschinskij


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