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Verfolgte Persönlichkeit der Kultur und Kunst der Region Krasnojarsk – Robert Aleksandrowitsch Stilmark

Autorin: Tatjana Tkatschenko

Arbeitsplatz: Kommunale, budgetierte Kultureinrichtung
Zentrale Kinder-Bibliothek, Lessosibirsk

Inhaltsübersicht

1. Biografie
2. Verbannung
3. Interview mit Aleksander Stilmark
4. Entstehung des Romans „Der Erbe aus Kalkutta“
5. Briefwechsel R.A. Stilmarks in der Verbannung
6. Erinnerungen der Alteingesessenen an R.A. Stilmark
7. Brief der Ehefrau aus Maklakowo
8. Manuskripte des Romans „Der Erbe aus Kalkutta“
Anhang
Quellenangaben

1. Biografie

Robert Aleksandrowitsch Stilmark wurde am 3. April 1909 in Moskau in der Familie des Ingenieurs Aleksander Aleksandrowitsch Stilmark geboren. Ihr Geschlecht gehört zu den Deutschen, genauer gesagt zu den Schweden-Deutschen, wobei es zudem noch beinahe auf eine königliche Herkunft zurückgeht. Die Vorfahren lebten zumindest seit dem 17. Jahrhundert im Baltikum und in Russland – erinnert sich sein Sohn Feliks Robertowitsch Stilmark, der sich 1954 in Maklakowo aufhielt, als sein Vater sich hier in der Verbannung befand. Von Stilmarks adeliger Herkunft zeugt auch der Tatbestand, dass man Feliks Robertowitsch Anfang der 1990er Jahre den Ausschnitt aus einer lokalen, in Tartu (Derpte) herausgegebenen Zeitung zuschickte, in dem es hieß, dass anlässlich eines internationalen Kongresses eine Hermann-Stilmark-Gedenkmedaille herausgegeben worden sei – dem Begründer eines neuen Zweigs an der Verbindungsstelle zwischen Chemie und Biologie, der Wissenschaftler und Kanzler des deutschen Generalkonsulats in Moskau war.

1929 beendete er das W. J. Brussow-Institut für Literatur und Kunst. In demselben Jahr heiratete er Jewgenia Belago-Pletner. Jewgenia war Spezialistin für japanische Ökonomie, sie arbeitete Anfang der 1920er Jahre zusammen mit ihrem ersten Mann, einem Diplomaten, in Japan. Bald darauf wurde Sohn Feliks geboren, ein zukünftiger Ökologe und Biologe. Stilmark war als Referent und Leiter der Abteilung für skandinavischer Länder bei der Allrussischen Gesellschaft für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland (WOKS) beschäftigt. In der Folge war er Journalist bei den Zeitungen „Iswestija“ und „TASS“, arbeitete als Redakteur bei den Zeitschriften „Ausländische Literatur“, „Junge Garde“.

Ende 1930 und Anfang 1940 hielt er Vorlesungen für den obersten Kommandostab des NKWD in Moskau. Während des Krieges kämpfte er an der Leningrader Front als Gehilfe des Kommandeurs der Aufklärungskompanie, wo er Verwundungen und Prellungen erlitt; aus diesem Grund schickte man ihn nach Taschkent. Hier bekam er eine Zuweisung als Lehrer für Topographie an der Infanterie-Fachschule, obwohl er keine spezielle Ausbildung in Topographie gemacht hatte.

General Mark Karpowitsch Kudrjawzew, Mitarbeiter des Generalstabs nahm den sowjetischen Soldaten während des Krieges von 1941-1945 unter den im Feld herrschenden Bedingungen die Examina ab. Entsprechend ihren Ergebnissen wurden ihnen dafür militärische Ränge verliehen, wobei der höchstmögliche Titel der des Oberstleutnants war. Robert Stilmark bestand seine Examen während es regnete, d.h. es war noch nicht einmal möglich, Markierungen oder Posten genau zu bestimmen. General Kudrjazew, der das Fach topographische Vermessungen äußerst gut beherrschte, würdigte Robert Stilmarks Arbeit und verlieh ihm als einzigem aus der gesamten Gruppe den Rang eines Hauptmanns. In hoher Anerkennung der Erfahrungen und Kenntnisse des Hauptmanns Stilmark schicken sie ihn zum Arbeiten in den Generalstab und ernennen ihn zum Leiter der Redaktions- und Verlagsabteilung sowie zum Haupt-Topographen und Übersetzer mit sechs Sprachen.

Robert Aleksandrowitsch musste sich in seiner langen Dienstzeit häufig an die aktiven Fronten begeben, wo er Materialien für den Generalstab sammelte und bearbeitete. Er arbeitete nun schon recht eng mit General Kudrjawzew zusammen. Zudem unterrichtete Robert Stilmark Topographie in den Lehrstunden „Schießen“. Sie beide schrieben auch das Buch „Der weit gestaffelte Durchbruch der gegnerischen Verteidigungslinie“. Selbstverständlich unterlag es einer strikten Geheimhaltung und gelangte erst in den 1960er Jahren an die Öffentlichkeit; seine Autoren waren in der Tat General Kudrjawzew und Hauptmann Stilmark.

Bevor das Buch herauskam, wurden beide Autoren von Stalin, dem Höchsten Oberkommandieren der Sowjettruppen während des Krieges, empfangen und mussten ihm über die Kernpunkte und den Inhalt des Buches Bericht erstatten. Nachdem sie vom „Vater der Völker“ die Genehmigung erhalten hatten, konnte das Buch veröffentlicht werden.

Es ging mit dem oben genannten Buch nicht alles ohne Schwierigkeiten ab. Insgesamt wurde Robert Stilmark aufgrund seiner Anwesenheit an den Fronten zweimal schwer und einmal leichter verwundet und erlitt mehrfach Prellungen. Ausgezeichnet wurde er erst im Alter von 60 Jahren – mit dem Orden des Roten Sterns und dem Orden des Vaterländischen Krieges 1. Klasse sowie mit Jubiläumsmedaillen.

1945 endet seine Tätigkeit auf dem militärischen Sektor völlig unerwartet.

2. Verbannung

In der Nacht auf den 4. April wird er verhaftet, woraufhin ihn eine „Troika“ nach § 58, Punkt 10, zu 10 Jahren verurteilt. Das heißt angeblich deswegen, weil er einige der neuen Gebäude in Moskau als „Streichholzschachteln“ bezeichnete – wegen dummer Schwätzereien, wie man damals sagte.

Jahre später schreibt er in sein Tagebuch:

„Unberührte Kohlsuppe im Becher stehen lassend,
Stumpfsinnig die Decke anstarrend,
Konnte ich nicht vergessen, wie das Sternchen von der Mütze
Eine gleichgültige Hand mir riss...“.

Das Karussell der Gefängniszellen fing an sich zu drehen, sie wechselten einander ab, und nachdem er fünf Jahre verbüßt hatte, schickten sie ihn in die Verbannung – ins Norillag des Sibuloner Systems, Region Krasnojarsk (sibirische Lager mit besonderer Bestimmung).

Zuerst schicken sie Robert Stilmark nach Igarka, wo er mit vielen talentierten Leuten – Schauspielern, Künstlern, Bühnenkünstlern, die mit ihm das Schicksal teilen, ein Volkstheater organisiert und in der Folge verschiedene Theaterstücke und Premieren inszeniert und aufführt, die nach den Drehbüchern Stilmarks verwirklicht werden.

Das Theater im Polarkreis erwarb sich einen derartigen Ruhm, dass nicht nur die lokalen und regionalen Behörden in Besorgnis gerieten, sondern sogar die zentralen. Und dann, nach der Überprüfung durch eine Sonderkommission, der auch die Dienste von MGB, KGB und Parteispezialisten angehörten, welche die talentierten Polar-Schauspieler würdig bewerteten, erging der Beschluss – das Volkstheater zuschließen, aufzulösen und die Schauspieler zum Bau der traurig-berühmten Bahnlinie unter dem Decknamen Bauprojekt N° 503 oder Salechard-Igarka-Norilsk zu schicken, die später auch die Bezeichnung „Todesstrecke“ (1947-1953) erhielt, deren Bau nach dem Tode von J.W. Stalin in Jahre 1953 eingestellt wurde. Doch vor der Tür stand erst noch das Jahr 1950. Robert Stilmark kam in die Siedlung Jermakowo. Sein einigermaßen gutes Leben unter Lagerbedingungen verdankt er seinem Talent.

Schon in seiner Kindheit zeigten sich seine Fähigkeiten – er schrieb mit Leichtigkeit Verse, spielte Klavier, zeichnete sich durch einen uneingeschränkten Einfallsreichtum und große Fantasie aus, leistete großartige Arbeit in Literatur, Journalistik sowie im Lehrwesen. Nachdem er das W.J. Brjussow-Institut für Literaturkunst absolviert hatte, bereitete er die Ausgabe eines Sammelbandes seiner Gedichte vor, sein Skizzenbuch „Austrocknung des Meeres“ erblickte 1931 das Licht der Welt, danach folgten seine Arbeit als Lehrer und die Kriegsjahre.

Die ersten sechs Jahre in Gefängnissen, Lagern, auf Häftlingsetappen und bei „Filz-Aktionen“ waren nicht durch herausragende Ereignisse gekennzeichnet. Hinter dem Rücken hatte ich schon eine beträchtliche Anzahl Tätigkeiten ausgeübt: als Projektierungsingenieur, Kohle-Verlader, Übersetzer, Wasserfahrer, Feueranzünder, Holzfäller, Arbeiter im Steinbruch, Leiter des Spielplan-Sektors am Theater, Ingenieur für Kostenvoranschläge, Wäscher, Leiter der technischen Bibliothek, Geodät, Arbeiter in der Ziegelei, Betonarbeiter…. „und Ruhr-Kranker!“, - schrieb Robert Aleksandrowitsch später.

In Jermakowo, am Posten N° 33, wurden mehr als 100 Leute abgesetzt, die man in vorübergehenden Behausungen, Zelten und ähnlichem unterbrachte. Einige Tage später, das war Anfang Mai, begann das Schlammwetter mit Unpassierbarkeit der Wege und Straßen, was den örtlichen Vorgesetzten auf den Plan rief, und das war der Brigadeführer und Auftragserteiler unter den Gefangenen – Wassilij Pawlowitsch Wassilewskij, welcher „liebkoste und strafte; was er sagte, sagte er zum ersten und letzten Mal, und es war endgültig“, das heißt er war der Pate und oberste Herr unter den Häftlingen.

Man einigte sich dahingehend, dass Robert Stilmark einen Roman schreiben sollte (so formulierte es Wassilewskij), dessen Autor er sein würde, der „Herr“ – Wassilewskij. „Bald darauf wurde Stilmark schwer krank. Wassilij Pawlowitsch machte sich gehörige Sorgen um ihn (anders konnte er sich aus der Sache auch nicht herauswinden). Und, auf dem Sterbebett liegend, ersann er etwas Abenteuerliches, wahnsinnig Verwickeltes und Spannendes… so dass Wassilij Pawlowitsch in große Begeisterung geriet“.

Später stellte sich heraus, dass Wassiljewskij den Abenteuerroman dafür benötigte, dass man ihm die Haftzeit verkürzte oder ihn sogar ganz aus der Haft entließ, denn ihm war bekannt, dass Stalin ein Fan von historischen Romanen war und er für das Schreiben eines solchen „die Haft ermäßigte“. Einen Literaten fand er – nun ging es nur um das Zusammenschreiben. Vierzehn Monate benötigte Robert Aleksandrowitsch unter Lagerbedingungen, im Baderaum, beim Licht von drei Glühbirnen „(der Boden war stets gefroren); er heizte seinen Eisenofen, den „Bungalow“, füllte immer wieder Dieselöl nach, zog sich dicke Socken über die Füße“ und schuf einen historischen Abenteuerroman.

Nachdem er seine drei Öllämpchen eingestellt hatte, „eine war ohne Glas (genannt „Beleuchtungssystem auf Einladung der Vorfahren“), nahm er Briefpapierblätter und … die verrußten Wände der erbärmlichen Hütte verschwanden, verwandelten sich in dunkelblaue Wellen des Ozeans, das Schiffsdeck der Brigg „Orion“, Seeschlachten, Bälle bei Hofe und Bison-Jagden, und so entstand sein dreibändiges Werk, das den Titel „Der Erbe aus Kalkutta“ erhielt.

Wassilewskij frohlockt. Aber nachdem er von seinen Freunden den Rat erhalten hatte – „nicht in der Eigenschaft als Einzelautor in Erscheinung zu treten („du verstehst es nicht, mein Freund, dein Autorendasein durchzuhalten“, - sagten ihm seine Ratgeber. Und so brachte W.P. auf dem Umschlag des „Erben“ den Namen R. Stilmark ein“.

1953, anlässlich der Einstellung des Bauprojekts N° 503 infolge von Stalins Tod, schickt man Robert Stilmark nach Jenisseisk. Hier konnte er keinen Dauer-Arbeitsplatz finden, legte sich jedoch stattdessen eine Familie zu. Seine Ehefrau war Lehrerin am Lehrerinnen-Institut; mit ihr zog er im Herbst zunächst nach Maklakowo, anschließend nach Nowo-Maklakowo, wo unser Held als Normsachbearbeiter bei der Bau- und Montage-Behörde 33 seine Tätigkeit aufnahm. Die Verbindung der Lehrerin zu dem ehemaligen Häftling kostete Margarita Dmitrijewna die Entlassung aus der Hochschule; außerdem wurde sie aus der „hell erleuchteten Stadt am Jenissei“ vertrieben. Mit ihr gingen ihre Mutter, die als Bibliothekarin am Institut gearbeitet hatte, sowie Margarita Dmitrijewnas zweijährige Tochter Lenotschka.
„Die beiden Sünder wussten bereits von dem bevorstehenden Familienzuwachs“.

In Maklakowo wohnte R.A. Stilmark in der Gorkij-Straße, Haus N° 29, welches heute nicht mehr existiert; hier befindet sich heute ein fünfstöckiges Haus, dessen erste Etage eine Poliklinik, einen Buchladen und ein Möbelgeschäft beherbergt, d.h. gleich neben der Bushaltestelle Pirogowa.

Robert Aleksandrowitsch befasste sich mit geodätischen Tätigkeiten für die Verlegung der Autotrasse Jenisseisk – Maklakowo – Abalakowo und arbeitete als Normsachbearbeiter bei der Bau- und Montage-Verwaltung N° 33. Damals war ein Wettbewerb für die beste Variante der Trassenverlegung im Bezirk des Burmakinsker Berges ausgeschrieben worden. Robert Stilmarks Version wurde als erfolgreichste anerkannt; die Zeitgenossen müssen also wissen, dass die Straße, auf der heute die Autos über den Burmakinsker Berg fahren, von Robert Stilmark angelegt wurde.

Anfang 1954 zieht Stilmarks Familie von Maklakowo nach Nowo-Maklakowo, in ein in der Tajoschnaja-Straße N° 1 befindliches Haus. Auch dieses Haus existiert heute nicht mehr, ebenso wie die der gesamte Straßenzug, aber das Haus befand sich an der Stelle, wo heute das fünfstöckige Gebäude mit dem Anbau des Stadt-Theaters „Poisk“ steht.


An dieser Stelle stand das Haus,in dem R.A. Stilmark wohnte
(Nowo-Maklakowo, Belinskij- und Priwoksalnij-Bezirk.

3. Interview mit Aleksander Stilmark

Schriftsteller mit einem leichten Schicksal gibt es nicht. Und das gilt ganz besonders für russische. Und besonders reich hat das Schicksal seine Schwierigkeiten unter die Füße der russischen Schreiber des 20. Jahrhunderts gestreut. „Nur für die Schublade“ schreiben war wohl noch die unschuldigste Zerstreuung, das Schicksal aber schlug mehr vor: Krieg, Gefängnis, Erschießung. Man kann nicht sagen, dass Robert Aleksandrowitsch Stilmarks Schicksal extrem tragisch war. Er hatte ein langes Leben und schrieb recht erträglich. Und dennoch tat sich sein Leben vor dem Hintergrund seiner russischen Schriftsteller-Altersgenossen durch komplizierte Situationen, Verwicklungen sowie eine gewisse Dramatik hervor, und sein Werk – durch Ungewöhnlichkeiten.
Der Sohn des Schriftstellers, Aleksander Robertowitsch Stilmark, Chefredakteur der Zeitschrift „Prawoslawnij Nabat“ („Orthodoxes Geläut“; Anm. d. Übers.) erzählte dem Korrespondenten der „BATI“ von seinem Vater – dem Schriftsteller, Soldaten und Patrioten.

Korrespondent: Soweit ich verstehe, sind Sie das zweite Kind Robert Stilmarks…

A. Stilmark: Das dritte. Älter als ich waren Bruder Feliks und Schwester Jelena. Sie sind leider schon tot.


Mit Ehefrau und dem kleinen Aleksander Robertowitsch

Korrespondent: Als Sie geboren wurden, war Ihr Vater schon nicht mehr ganz jung…

A. Stilmark: Ja. Das war in der Verbannung bei Krasnojarsk, im Dorf Maklakowo, Jenisseisker Bezirk. Heute heißt das einstige Dorf Maklakowo Lessosibirsk und ist eine Stadt. 1952 kam meine Mutter dorthin. Sie studierte, befand sich in der Aspirantur und war in der Gegend auf einer Folklore-Expedition. Dort lernte sie einen Verbannten kennen. Und wegen ihrer Beziehung zu ihm verjagte man sie aus der Aspirantur. Bis 1956 lebten wir dort, dann erkrankte ich sehr schwer an Lamblien-Ruhr, einer sehr schwerwiegenden Krankheit. Man brachte mich schnellstens zur Behandlung nach Moskau zur „Akrichin“-Fabrik. Sie fuhren ohne jede Erlaubnis, es gab noch keinerlei Rehabilitationen, und sie gingen ein gehöriges Risiko ein, aber sonst wäre ich einfach gestorben. Doch in Moskau wurde die Angelegenheit mit Gottes Hilfe nach und nach gelöst. Wir wohnten beim ältesten Bruder Feliks, der als Biologe tätig war, in einem kleinen Kellerzimmer in der Fuhrman-Gasse. Die Miliz schaute dort wegen des Vaters vorbei, aber mit Gottes Hilfe ging dann doch alles gut aus.

Später kam das berühmte Büchlein „Der Erbe aus Kalkutta“ heraus, der Vater erhielt ein kleines Honorar, und wir kauften eine baufällige Haushälfte in Kupawna.

Formal bin ich in Sibirien geboren, freilich lebten meine Vorfahren mütterlicher- und väterlicherseits vor sehr langer Zeit in Moskau. Besonders mütterlicherseits bereits seit 400 Jahren.

Korrespondent: Als Ihre Eltern sich in Sibirien begegneten, was arbeitete Ihr Vater damals in der Verbannung?

A. Stilmark: Er war im Baubereich tätig, als Ingenieur. Eine rein praktische Beschäftigung.

Korrespondent: Wenn ich mich nicht irre, dann hatte er eine philologische Ausbildung.

A. Stilmark: Ja, genau, aber im Lager… Schließlich hätten sie ihn im Lager eigentlich ermorden sollen. Na ja, erstens sage ich, dass die Intelligenten, selbst wenn sie keineswegs arbeitsscheu waren, bei allgemeinen Schwerstarbeiten nicht überlebten. Und, ungeachtet der Tatsache, dass der Vater, der den Krieg, fast die gesamte Leningrader Blockade durchgemacht und niemals untätig herumgesessen hatte, bei einer derart schweren körperlichen Arbeit wohl kaum überlebt hätte. Im Allgemeinen überlebten auch nur wenige; am ehesten kamen Männer, Arbeiter, die eine bäuerliche Vergangenheit hatten, durch. Aber Menschen aus den Kreisen der Intelligenten, adelige Söhne und Töchter, schafften es zumeist nicht [4,46].

Der Vater leistete auch eine Zeit lang Kolonnenarbeit, aber dann wurde er Normsachbearbeiter. Das war ein Posten von kolossaler Wichtigkeit. Er war auch für die Vorgesetzten von immenser Bedeutung, damit sie die „Tufta“ (unrechtmäßiges Hinzuschreiben von Arbeitsleistungen; Anm. d. Übers.) anwenden konnten; das ist ein Lager-Ausdruck, - verständlich, was er bedeutet. Der Lagerleitung war es wichtig, damit die hinzugeschriebenen Normen auf einer festen Grundlage beruhten. Wenn man einfach nur 128% des Plansolls aufschreibt, dann geht das nicht; das überprüfen sie nämlich, und dann kommt alles ans Tageslicht. Es muss zumindest irgendeine technische Dokumentation zu diesen 128% vorliegen, dann gibt es für alle eine Prämie und es geht allen gut. Und besonders gut ging es dann den Gefangenen, denn von diesen Hinzuschreibungen hing ihr Leben ab. Zudem musste man es irgendwie fertigbringen, auch die „Blatnye“ (privilegierte Funktionshäftlinge, die mit der Lagerleitung zusammenarbeiteten; Anm. d. Übers.), die überhaupt nicht arbeiteten, mit einzubeziehen und ebenfalls auf 128% oder 110% zu setzen, denn der Plan sollte und musste erfüllt oder sogar übererfüllt werden. Ansonsten waren die täglichen Rationen sehr klein. Und der Vater war imstand so etwas zu machen. Ich war zunächst verblüfft, wie das überhaupt möglich war. Ich fragte den Vater, wie man ein Ergebnis von 128% vermerken kann, wenn die Leute in Wirklichkeit nur 92% geschafft hatten. Na ja, sagt er, das ist doch ganz einfach. Wenn nun erst 2% geschafft sind, wird es allerdings schwierig 128% einzutragen, aber wenn 90% bereits vollbracht sind, dann gibt es überhaupt kein Problem; selbst bei nur 37% erledigter Arbeit kann man schon etwas „drehen“. Nehmen wir mal an, die Leute graben so und so viel Kubikmeter Erdreich aus; natürlich schreibt er ein paar mehr „Kubis“ auf. Man kann eine größere Aushubtiefe abgeben, einen felsigen Untergrund ausweisen, obwohl der Boden ganz leicht war. Dementsprechend gelten da schon ganz andere Normen usw. Verständlich, dass die Lagerleitung wusste, was das für eine Schlamperei war, und die Häftlinge wussten es erst recht, zumal sie ja am ehesten sahen, dass die „Gevatter“ nicht arbeiteten und ihre Norm trotzdem immer so war, wie sie sein sollte. Anders war es nicht zu machen. Gibst du das Arbeitssoll eines „Gevatters“ wahrheitsgemäß mit Null an, dann töten sie dich am folgenden Tag, wenn nicht sogar noch am selben. Und so brachte es also der Vater fertig, seine Rechnereien entsprechend hinzukriegen.


Mit der Familie

Und außerdem war er ein sehr guter Erzähler. Und so brachte er an den Abenden „ganze Romane in Bewegung“. Er erzählte alle möglichen romantischen Geschichten im Stil des „Erben von Kalkutta“. In Wirklichkeit sind Häftlinge, besonders die Kriminellen unter ihnen, ziemlich sentimental; sie können darüber anfangen zu weinen, dass ein Kind seiner Mutter für eine halbe Stunde weglief, und anschließend in aller Ruhe jemanden abschlachten.

Der Vater war also ein geachteter Mann. Deswegen brachten sie ihn nicht um, obwohl sie dies auf Befehl seines sogenannten Co-Autors Wassiljewskij hätten tun sollen, der bei ihm das Büchlein „Der Erbe aus Kalkutta“ in Auftrag gegeben hatte. Er gehörte zu den Banditen-„Autoritäten“. Er sagte dem Vater: du schreibst, aber ich stelle dir ein paar Bedingungen. Die erste Bedingung lautet, dass mein Nachname unter den Autoren steht, die zweite, dass darin unbedingt ein Löwe vorkommen muss und dass die Geschichte nicht in Russland spielt und nicht jünger als das 19. Jahrhundert sein darf; es soll weiter zurückliegen, und die Zensur soll darin nichts finden, an dem sie etwas auszusetzen hätte. Und dann sollte in dem Roman auch noch ein Kind geraubt werden. So etwas berührt die Seelen der Kriminellen ganz besonders. Schreib du nur; ich schicke es dann an Stalin, und der entlässt mich dafür aus der Lagerhaft.
Das war die Idee dieses Wassiljewskij [4, 47].

Der Vater erfüllte natürlich all diese Bedingungen; wenn sie den „Erben aus Kalkutta“ verstehen, dann tauchen da auch ein Löwe auf, und Giaccomo Grel wurde natürlich ein Kind geraubt – es wurde von Bernardito entführt. Diese Bedingungen also wurden erfüllt. Und dann beschloss Wassiljewskij den Vater als Zeugen zu ermorden. Wer weiß, was später ist; ich habe meinen „Roman“, da ist er, geschrieben von „Wassiljewskij“ – und alles ist in Ordnung. Er rief also eine Diebesversammlung ein, doch diese Banditen entschieden sich dafür, den Vater nicht zu töten, obwohl Wassiljewskij dem Mörder bereits Geld gegeben hatte und das Tötungsdelikt nach allen Gesetzen der Diebeszunft hätte ausgeführt werden müssen. Und es geschah noch etwas anderes, völlig Undenkbares auf dieser Zusammenkunft. Es wurde beschlossen: Wassiljewskij das Geld nicht zurückzugeben und auch das Roman-Väterchen nicht umzubringen. So war das.

Sie beschlossen, dass er schreiben, Kultur machen sollte; wir werden sie aufnehmen – und alles wird gut. So also blieb der Vater am Leben. Später sagten sie Wassiljewskij: was machst du denn, du Dummkopf? Nachher rufen die dich zu sich, und du kannst noch nicht mal richtig Russisch; man sieht doch, wie dumm du bist! Wenngleich er kein Dummkopf war, gehörte er doch zu den durch und durch Ungebildeten. Er war sogar ziemlich klug, dieser Bandit. Weil er nämlich später derartige Betrügereien beging, und man kann wohl sagen, dass er ein Mann von heute war, dass Russland mit seiner Gestalt eine einzigartige Person verlor!

So standen also in den ersten beiden Ausgaben zwei Nachnamen – Stilmark und Wassiljewskij. Die dritte Auflage kam dann vom „Detgis“-Verlag nur mit Stilmarks Familiennamen heraus. Der Verlag, nicht der Vater, brachte Wassiljewskij vor Gericht. Und das Gericht entschied, dass Stilmark der alleinige Autor war, das Honorar jedoch für jeden zur Hälfte gezahlt werden müsse, weil Wassiljewskij derjenige war, der die Bedingungen für das Schreiben des Romans geschaffen hatte. Logisch. Weil er die tatsächlichen Voraussetzungen geschaffen hatte. Sonst hätte der Vater nämlich Holz sägen müssen, aber so setzte Wassiljewskij den Vater ins Badehaus, wo es eine Petroleumfunzel gab; dort bekam er ein bescheidenes Essen gebracht – man kann wohl sagen, dass die Bedingungen gemäß Häftlingsverständnis verblüffend waren. Der Roman wurde geschrieben, und zwar in der lächerlichen Zeit von einem Jahr.


Robert Stilmark und seine Frau Margarita Dmitrijewna Sawjolowa

Korrespondent: Wenn ich mich nicht irre, hat Ihr Vater seine 10 Jahre voll abgesessen.

A. Stilmark: 1944 saß er im Gefängnis, Ende 1953 kam er frei. Und dann – die Verbannung. In Sibirien herrschte eine rege Bautätigkeit, und mein Vater war ein guter Geodät.

Korrespondent: Und was machte Ihr Vater nach seiner Rückkehr nach Moskau?

A. Stilmark: Nach dem Erscheinen des Buches „Der Erbe aus Kalkutta“ befasste Vater sich nur noch mit schriftstellerischen Tätigkeiten. 1964 wurde in den Schriftstellerverband aufgenommen.

Korrespondent: Welche Bücher Ihres Vaters würden Sie noch hervorheben?

A. Stilmark: „Formen Russlands“. Es ist das erste Buch über Denkmäler Russlands, über den Goldenen Ring, das erste Buch, zuvor hatte es nichts gegeben. Das war eine gruselige Zeit, die wildesten Chruschtschow-Verfolgungen im Hinblick auf die russische Kultur. Deswegen musste man natürlich all diesen Blödsinn über den großartigen Sohn des großartigen Volkes hinzufügen, das heißt über Lenin. Aber das Wichtigste ist, dass in diesem Buch von Kirchen geschrieben wurde. Das war alles vorüber. Wer das brauchte, der verstand das sehr gut. Es war eine Anleitung für, das Thema der Kirchenbaukunst wurde zum ersten Mal aufgenommen. Vater beendete „Formen Russlands“ 1964. Und 1966 kam es heraus [4, 48].

Dann gab es den „Roman über einen russischen Pilger“. Das war so ein erbärmlicher Kaufmann namens Barabanschtschikow, er geriet ins Ausland, reiste auf eine sehr mühselige Weise. Das Buch ist nicht weniger interessant, als „Der Erbe aus Kalkutta“, es ist weniger umfangreich und gründet sich auf reale Fakten.
Später schrieb der Vater über Ostrowskij, den Dramaturgen. Aber sein wichtigstes Buch ist – „Eine Handvoll Licht“. Es gab noch viele andere Sachen, viele Essays, viele Übersetzungen; Vater übersetzte Science Fiction, so eine kluge Art von phantastischen Werken. Er fuhr viel herum und hielt Vorlesungen. Die Leute luden ihn unheimlich gern über das Propaganda-Büro des Schriftstellerverbandes in Fabriken und Institute ein.

Aber sein allerwichtigstes Buch ist „Eine Handvoll Licht“. Es ist die Geschichte eines Landes in seiner Geschichte selbst. Die Geschichte einer Familie und, parallel dazu, des Landes. Er beendete und redigierte es nicht. Und obwohl es herauskam, muss man es eigentlich noch bearbeiten. Aber ich bin nicht der einzige Erbe. Die Menschen verhalten sich völlig fanatisch gegenüber jedem von Papas Worten, als wären sie das Evangelium, sie halten es für eine Sünde, wenn man auch nur das kleinste Komma abändert. Aber das ist absurd. Der Vater jedenfalls wäre in diesem Punkt mit mir einer Meinung gewesen, das weiß ich.

Das Buch ist äußerst interessant, besonders der erste Teil – der ist besser bearbeitet worden. Im letzten hat er sich beeilt, aber er hat es nicht zu Ende bekommen, er hat es nicht geschafft. Das erste Buch – ist Klassik der russischen Literatur. Das sagt jeder, dass du da klassische russische Literatur liest. Interessant und glänzend geschrieben. Später ist er, wie man sagt, im Galopp dahingefahren, aber er hat es nicht geschafft.

Korrespondent: Zu Beginn des Krieges war Ihr Vater 32 Jahre alt…

A. Stilmark: Ja, er wurde 1909 geboren. 1941 gerät er sofort als Leutnant zum aktiven Heer in die Nähe von Moskau. Er nahm an den Kämpfen bei Moskau nicht teil, sein Truppenteil stand dort zur Reserve bereit, später verlegten sie ihn nach Leningrad. Das war die berühmte Gatschinsker Division. Dort sah er, was Krieg bedeutet; damals begann seine Weltanschauung sich ganz gravierend zu ändern. In dem Buch „Eine Handvoll Licht“ beschreibt der Vater seine Eindrücke vom Kampfgeschehen, in dem viele Soldaten, sowohl auf unserer, als auch auf deutscher Seite, fielen. Und nachdem er all die Toten mit ihren arischen Gesichtern gesehen hatte, schrieb er, dass er sieht, wie zwei großartige Völker vorsätzlich aufeinanderstoßen und es wird noch einige Zeit vergehen und Europa wird anfangen sich mit Afrikanern, Asiaten und anderen, die dorthin geraten, zu füllen.

Der Vater gerät also an die Leningrader Front, er erlitt zwei Prellungen, eine leichte, eine schwere, woraufhin man ihn auf dem Weg des Lebens ins Hinterland schickte. Drei Verwundungen hatte er davongetragen, eine davon war schwer. Ich erinnere mich, dass schon zu meinen Lebzeiten Granatsplitter aus seinem Körper herauskamen; man hatte sie damals nicht herausschneiden können. Im Bereich der Schläfe hatte er beispielsweise einen solchen Splitter stecken. Am großen Kampfgeschehen, wie der Schlacht bei Kursk, nahm der Vater nicht teil, doch in lokalen Gefechten kämpfte er mit.

Das zu beschreiben fiel ihm recht schwer. Und der schlimmste Vorfall für ihn war, wie er erzählte, als er jemanden töten musste. In der Straßenbahn transportierte der Vater Lebensmittel auf einem Anhänger, um die Truppe mit Mehl zu versorgen. Begleitet wurde er von einem Soldaten, und natürlich waren sie beide bewaffnet. In einer Kurve sprang in Mann zu ihnen herauf, ergriff einen Sack Mehl; der Vater schoss in die Luft, doch der andere sprang ab und rannte mit dem Mehl los. Der Vater tötete ihn. Das, so sagt der Vater, war der allerschlimmste Vorfall. Doch es gab diesen grausam-unbarmherzigen Befehl; anders hätte man damals nicht handeln können. In solchen Fällen wurde sofort geschossen, und der Vater hatte noch in die Luft gezielt. Und trotzdem traf es jenen… Man sieht, wie ausgehungert die Leute schon waren.

Einen interessanten Vorfall erlebte der Vater beim Rückzug der Gatschinsker Division. Diese wich einige dutzend Kilometer, etwas näher an Leningrad heran, zurück. Das war im Sommer, an das Jahr erinnere ich mich nicht mehr. Ich war noch ein kleiner Junge und interessierte mich weder für das Jahr, noch für die Divisionsnummer; mich interessierte nur, was mit dem Vater los war und wie das alles geschah. Das Ganze ereignete sich folgendermaßen: Der Divisionskommandeur schickte den Vater zum Sterben los. Nimm, so sagt er, deinen Zug (Vater kommandierte den Aufklärungszug), und halte die Deutschen wenigstens für eine halbe Stunde zurück. Sie verfügten über 45er, Panzerabwehrminen und Automatikgewehre. Und das war alles. Das heißt – man schickte sie also zum Sterben. Der Vater lief schnell zum Fluss, dort gab es eine Brücke. Sie versuchten die Brücke zu verminen, aber das gestaltete sich äußerst schwierig, denn die Brücke war aus Beton; sie versuchten Stücke heraus zu meißeln, aber so viel Zeit hatten sie nicht; die deutschen Truppen nahten. Und da wendeten sie eine List an. Sie meißelten einige Löcher so, dass es schien, als ob die Brücke vollständig vermint wäre, aber in Wirklichkeit legten sie die Minen am gesamten Ufer, um die Brücke herum, aus. Und dann gingen sie mit ihren Automatikwaffen in Deckung. Vater und sein Stellvertreter rannten über die Brücke, um nachzuschauen, und sahen dabei, wie sich bereits zwei deutsche Aufklärungspanzer näherten. Sie fuhren vorbei, Vater und sein Stellvertreter versteckten sich; ausgerechnet in Brennnesseln hockten sie sich, es brannte höllisch, aber versuch mal, da herauszukriechen! Der Vater sah, wie ein Deutscher vor die Brücke trat und dem zweiten zurief: „Vermint!“; sie machten kehrt und fuhren davon. Die unseren krochen aus ihrem Versteck hervor, mit von den Brennnesseln gruselig geröteten Gesichtern, und rannten zu ihrem Ufer hinunter. Und bald darauf kamen die Deutschen, umfuhren die Brücke, und zwei oder drei Panzer flogen in die Luft. Damit war das ganze Vorhaben für sie beendet, weiter fuhr niemand mehr. Und so hatte der Vater sie insgesamt etwa fünf oder sechs Stunden aufgehalten. Der Divisionskommandeur erhielt einen Order, Vater bekam nichts.

Erst später zeichnete man ihn mit dem Orden des Roten Sterns aus. Während der Verhaftung nahm man ihm den Orden ab, später, als ich schon da war, gab man ihn ihm hier, im Kriegskommissariat, zurück. Medaillen besaß er viele. Dann wurde er im Kampf verwundert, erlitt schwere Prellungen. Lange Zeit konnte er nicht sprechen, sogar seinen und nicht öffnen; er musste durch ein Röhrchen gefüttert werden.

Nach seiner Verwundung wurde er ins Hinterland geschickt, wo er an der Militärfachschule Topographie unterrichtete, später leitete er die „Schieß“-Kurse, dann holten sie ihn in den Generalstab auf irgendeinen Posten. Und da hat Berija ihn dann „gefressen“.

Korrespondent: Weswegen?

A. Stilmark: Na, damals hat niemand solche naiven Fragen gestellt. Weil Berija den Posten im Generalstab brauchte, wollte er, dass einer der Seinen ihn einnahm. Der Vater wurde auf seinen persönlichen Befehl inhaftiert. 5 oder 8 Jahre hätten sie ihm geben sollen, aber dann haben sie ihm dort noch irgendetwas angehängt, und so bekam er insgesamt 10 Jahre aufgebrummt. In der Regel bekam man damals mitunter schon zwischen 10 und 25 Jahren, doch der Vater bekam nicht so ein hohes Strafmaß.

Korrespondent: Wann tauchten die Stilmarks in Russland auf?

A. Stilmark: Im 17. Jahrhundert. Ein Zweig der Stilmarks kam aus Schweden nach Deutschland, der andere nach Russland. Später, und das ist interessant, fanden die russischen und die deutschen Stilmarks sich wieder. Das heißt seit der Zeit Aleksander Michailowitschs dienten die Stilmarks in Russland in Treu und Glauben sowohl dem russischen Zaren, als auch dem russischen Volk so gut sie es vermochten. Sie gehörten zum verarmten Beamtenadel. Ein uraltes Geschlecht; der Vater fand einen Stammbaum von König Olaf IV. Nicht umsonst huscht in „Der Erbe von Kalkutta“ irgendwo im Hintergrund das Schiff „Olaf IV“ vorüber.
Mein Großvater war Hauptmann der Zarenarmee, und dieser Rang reichte für ihn in materieller Hinsicht aus, um eine ganz wunderbare Villa mit Hausangestellten zu mieten. Der Vater sagte mir: ändere den Familiennamen nicht. Mögen andere das tun, aber wir sind auch so Russen [4, 49].


Robert Stilmark mit den Söhnen Aleksander (der ältere) und Dmitrij

Die Entstehung des Romans „Der Erbe aus Kalkutta“

Nach einer mündlichen Familien-Überlieferung nimmt das Geschlecht der Stilmarks seinen Anfang in Skandinavien beinahe mit den schwedischen Königen. Jedenfalls sind 10 Generationen an Vorfahren in Russland groß geworden. Der Vater wurde in Moskau geboren, seine Jugendjahre entfielen auf die schwierigen Jahre des jungen Sowjetstaates, er begann schon früh zu arbeiten, wobei er von Kindesbeinen an nicht unerhebliche Fähigkeiten bewies – mit Leichtigkeit schrieb er Gedichte, zeichnete, spielte Klavier, zeichnete sich durch einen schier unendlichen Ideenreichtum und Fantasie aus“- erinnert sich sein Sohn Feliks Stilmark. Nachdem R.A. Stilmark das höchste literarisch-künstlerische Institut namens W.J. Brjussow absolviert hatte, traf er Vorbereitungen für die Herausgabe eines Sammelbandes seiner Gedichte.

Mit den ersten Tagen des Großen Vaterländischen Krieges trat er in die Reihen des aktiven Heeres ein, kämpfte nahe der belagerten Stadt Leningrad, war Gehilfe des Kommandeurs der Aufklärungskompanie, wurde mit den militärischen Orden des Vaterländischen Krieges 1. Klasse sowie des Roten Sterns und einigen Medaillen ausgezeichnet.

Einen Monat vor Kriegsende erfuhr sein Schicksal eine jähe Wendung. Es heißt, dass die Instruktion für seine Verhaftung unmittelbar von Berija kam. Anstelle eines Gerichtsentscheids – der Beschluss eines Sonderkollegiums, Haftstrafe – 10 Jahre, von denen er faktisch 8 verbüßte - plus 3 Jahre Zwangsansiedlung… Der Vater gestand bei den Verhören seine Schuld, dass er einige der Neubauten in Moskau als „Streichholzschachteln“ bezeichnet, seine Unzufriedenheit über den Abriss einiger alter Gebäude (beispielsweise den Sucharew-Turm) geäußert hätte; jedenfalls bekam er, wie man sagte, den Paragraphen wegen „Geschwätz“… - aus den Erinnerungen des Sohnes. In einem der Lager begegnete Stilmark Wassilij Pawlowitsch Wassiljewskij, auf dessen Bestellung der Roman „Der Erbe aus Kalkutta“ entstand. Wassiljewskij gehörte zu den allmächtigen Gefangenen (er erteilte die Anweisungen, wer welche Arbeit zu erledigen hatte, und von ihm hingen Arbeitsumfang, Normen u.a. ab, was unter Lagerbedingungen eine enorme Bedeutung besaß).

In einem Brief aus Jenisseisk begann Robert Aleksandrowitsch Stilmark seinen „Roman über den Roman“ mit der Beschreibung Liquidierung des Zaren-Theaters im Jahre 1950, dessen Literatur-Sektion er leitete. Der Personalbestand des unfreien Theaters in Igarka war nicht gering, die Truppe dort zählte 106 Personen, davon waren vier „Erste“, d.h. freie, nicht gefangene Mitarbeiter und 102 „Zweite“ (Häftlinge). Hierzu gehörten Schauspieler, Orchester-Mitglieder, das Ballett, Kostümbildner, Kunstmaler, Bühnenarbeiter… Die 20.000 Einwohner zählende Stadt Igarka war zum größten Teil von Verbannten, gestrigen Häftlingen und ihren Bewachern, die für gewöhnlich ebenfalls nicht frei von Sünden waren, bewohnt: denn zum Arbeiten schickte man in die Lager (nach Meinung des Haupthelden des autobiografischen Romans „Eine Handvoll Licht“), hinter dessen Schicksal das Schicksal R.A. Stilmarks steht, Personen, die wegen verwerflicher Verhaltensweisen aus der Armee abgeschrieben worden waren, sich irgendeiner Sache strafbar gemacht oder sich auch einfach nur unfähig erwiesen hatten, den Armeedienst auszuüben – sei es wegen Analphabetentum, zu dumpfem Verstand oder Undiszipliniertheit. Und somit schickte man sie also nun los, um die Lagerinsassen zu disziplinieren, Kriegsgefangene von gestern, Witze-Erzähler, „sozial fremde Elemente“, Drückeberger, alltägliche Gesetzesbrecher, Kleinkriminelle, ehemalige Großbauern, zurückgekehrte russische Emigranten, die wegen älterer Vergehen verurteilt worden waren und auch solche, die sich mit gar nichts schuldig gemacht hatten, sittlich zu verbessern… In der Umgebung von Igarka, aber auch in der Stadt selbst, wohnten auch Nationale, politische Verfolgte Bewohner des Baltikums, des Kaukasus, der Krim, der Ukraine [2, 2].

Man kann sich unschwer vorstellen, welche Einstellung diese Leute gegenüber dem Häftlingstheater einnahmen.

Für unbewanderte Menschen, vor allem, wenn sie nicht unter den Bedingungen jener Zeit leben, ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass so ein Theater überhaupt offen existieren, sein „fünfjähriges Bestehen“ feiern konnte (zwei Freie erhielten einen Ehrentitel für ein Theaterstück, an denen in gleicher Weise auch Häftlinge mitgewirkt hatten). Und was das Theater für die Gefangenen bedeutete – das kann man unmöglich in Kurzform erklären. Sie liebten es auf eine selbstvergessene und selbstlose Weise. Auch die Herren waren nicht in der Lage sich vor Augen zu führen, dass Mühe, Begeisterung und göttliches Talent ihre physischen Kräfte überstiegen. Die Gesundheit wurde keineswegs durch die GULAG-Essensrationen kompensiert, und die menschliche Würde, besonders bei den Frauen, wurde mit jedem Schritt gedemütigt…

Im Theater kam es vor, dass zwei Aufführungen am Tag gegeben wurden: am Morgen und am Abend. Das erforderte verstärkte Proben. Früher als die anderen waren die Ballett-Artisten erschöpft – zuerst die Männer, dann die Frauen. Die Erkrankten wurden auf kräftigende Zusatzkost gesetzt (in eine realistische Sprache übersetzt bedeutet das „du wirst einen Tag später sterben“), doch sie stellte eine derart kümmerliche Hilfe dar, dass das Theater und die Zuschauer in der Nacht einen Verlust nach dem anderen erlitten. Und damit die Schauspieler nicht in Vergessenheit gerieten, ließ man sie, genau wie die „Ingenieure“, ziemlich oft im Hauruck-Verfahren zum Abladen von Kohle antreten. Diese musste mittels schweren Schaufeln von Lastkähnen entladen werden. Wenn die Arbeit getan war, verlangte man von ihnen auch noch, dass sie die Kohlehaufen zur Seite schaufelten.

Es kam auch vor, dass dringende Arbeiten im Lager anfielen, wenn beispielsweise nach einem nächtlichen Schneesturm die Schneeberge von den Lagerumzäunungen weg geschoben werden mussten. Das Entfernen dieser Schneewehen verlangte den Schauspielern eine gehörige Kraftanstrengung ab, obwohl diese Tätigkeit nach der Kategorien-Einteilung mit zu den leichtesten gehörte.

Als das Publikum, zutiefst erregt von der Schönheit der Dekorationen in dem Theaterstück „Weit erstreckt sich das Meer“, dem leitenden Künstler zehnminütige Ovationen bescherte, indem es immer wieder seinen Namen ausrief, und irgendein Dummkopf aus der politischen Abteilung ihm verbot noch einmal hervorzutreten und sich auf der Bühnen zu verneigen, war das Maß der Geduld des Meisters voll – er erhängte sich in seiner Künstlergarderobe…

Und dann die Lieder, an die sich die Zuhörer bei den Inszenierungen der Igarsker Truppe erinnerten: „Blaue Mazurka“, „Zigeuner-Baron“, „Zwölf Monate“, „Natalka-Poltawka“, „Hochzeit in Malinowka“, Szenen aus „Schwanensee“, „Russalka“, „Die Csárdásfürstin“. Hier kam es bis zur Generalprobe, woraufhin die Polit-Abteilung das Theater schließen ließ. Bemerkenswert war die Präambel zu dieser Anordnung, die von einer Kommission verhängt wurde: „Das Theater für musikalische Komödien des Ensembles der Kultur- und Erziehungsabteilung als bestes Musik-Theater in der Region Krasnojarsk anzuerkennen…“. Die Anordnung endete mit einem Punkt über die unverzügliche Schließung des Theaters angesichts der Schaffung einer unnötigen Autorität der Gefangen usw. Das Theatergebäude wurde an das örtliche Amateurkollektiv der holzverarbeitenden Fabrik übertragen. Die Künstler jagte man kolonnenweise in Taiga und Tundra, wo sie unter der Aufsicht von Begleitwachen allgemeine Arbeiten zu verrichten. Eigentlich hatte man ihnen keinerlei Vergehen vorgeworfen. Man hielt es lediglich für unzulässig, ihnen unnötige Aufmerksamkeit zu widmen, ihnen Sympathien und sogar die Liebe der Bürger von Igarka zukommen zu lassen… Und eine Woche später wurde das Theatergebäude durch ein Feuer vernichtet, dass auf dem Dachboden ausgebrochen war; es brannte bis auf die Grundmauern nieder [2, 3].

R.A. Stilmark wurde zum Bau der Eisenbahnlinie Igarka – Salechard geschickt. Und so fuhren wir am 7. Mai 1950 durch die dichte Taiga, besser gesagt: wir schleppten uns eher über den zwei Meter hohen Schnee mit fünf schweren SICOs ab, als dass diese uns vorwärtsbewegten… Die meisten meiner Kollegen hatten sie bereits an verschiedenen nahegelegenen „Pflöcken“ abgesetzt, aber ich und noch drei andere mussten bis zum Ende der Winterstraße fahren. Ich sehe da so eine Behausung: ein abgebranntes Stückchen Taiga, ein Wachhäuschen. Innerhalb der Einzäunung – eine große Bude, ein kleines, aus Holzbacken errichtetes Häuschen, ein bereits bis aufs Dach fertiggestelltes Badehaus, eine Toilette, ein Haken für Kessel. Außerhalb der Umzäunung – einige provisorische Hütten, Zelte, Schlitten, Verschläge, ein Ofen zum Brotbacken und ein kleiner Schuppen für Werkzeug. Ein äußerst schmutzig aussehender Major nahm die Neuankömmlinge in Empfang, außerdem noch ein Mensch in Lederjacke mit den Schulterstücken eines Leutnants und ein stämmiger Mann in Fliegerhelm und Ledermantel sowie einem energischen, wichtigen Gesicht und einem stählernen Blitzen in den Augen. Ich entschied, dass er hier – die höchste Obrigkeit darstellte, und das Majorchen benahm sich ihm gegenüber sehr respektvoll.

Wegen meines Theaterpostens hatte der Leiter der Literatur-Abteilung mich hier behalten. Er war hier der Herr. Er entschied, zeigte Gnade und bestrafte. Er hieß Wassilij Pawlowitsch Wassiljewskij oder einfach Onkel Wassja. Onkel Wassja hatte hier stets das erste, das folgende und das endgültige Wort. Er bat mich einen Roman zu schreiben, aber unter zwei Bedingunen: er sollte nicht in Russland spielen und das Geschehen musste mindestens 200 Jahre zurückliegen. Und es sollte ein interessanter Lesestoff sein, der die Leser berührte… Im Folgenden stellte sich heraus, dass irgendjemand Wassiljewskij erklärt hatte, Stalin würde wohl nur historische Romane lesen. Und es hatte einen Fall gegeben, in dem für das Verfassen eines Romans dem Autor die „Haftdauer verkürzt“ worden war… Wassiljewskij, ein Mann der Tat, hatte also beschlossen, sich diesen Weg in die Freiheit zunutze zu machen. Er suchte und fand einen „Romanschreiber“ – das heißt, es würde ein Buch geben, in dem der Ort „Jermakowo“ (bei Kureika) kenntlich gemacht wurde; das Buch würde an Stalin gelangen und die Freiheit bringen. Es fehlte nur noch an Kleinigkeiten, damit das Buch geschrieben werden konnte.

Stilmark willigte ein, ließ sich, immer noch krank, im Badehaus nieder und begann am 17. Mai mit dem Schreiben. Er hatte sich ein „Konzept“ ausgedacht, fing mit täglich 6 Stunden Schreiben an, später 12, bis er den Arbeitstag dann auf 20 Stunden ausdehnte. Aus den Erinnerungen: „…Gegen Morgen stand ich auf, heizte in meinem „Bungalow“ das kleine Öfchen, indem ich Treibstoff hineingoss, zog meine Schuhe an (der Fußboden war immer gefroren), zündete die drei Lampen an (eine aus einem 1-Liter-Einweckglas, eine ohne Glas und eine Petroleumfunzel zum Zigaretten-Anzünden). Das waren meine drei Beleuchtungskörper; dann nahm ich Schnipsel von Briefpapier und… die aus Balken gebauten, verrußten Wände der Hütte entschwanden, wurden abgelöst durch die blauen Wellen des Ozeans, das Deck der Brigg „Orion“, Seeschlachten, Hofbällen und Bison-Jagden. Es war eine merkwürdige, alptraumhafte Zeit, es war total einfach, wahnsinnig zu werden“.

Unter diesen außergewöhnlichen Umständen verstand Robert Aleksandrowitsch es, innerhalb einer ziemlich kurzen Zeit, das schwierige Sujet zum Drehen zu bringen, in der er seiner ungestümen Fantasie und Meisterhaftigkeit völlig freien Lauf ließ. Dabei musste er ohne ein einziges Wörterbuchtausende Namen, Daten, geschichtliche Ereignisse, geografische Bezeichnungen im Kopf behalten. Bereits während seiner Entstehung fand der Roman dort in der Arbeitskolonne dankbare Zuhörer.

Natürlich waren die Bedingungen für eine literarische Arbeit, milde ausgedrückt, ungewöhnlich. Von dem salzhaltigen Ruß musste Robert Aleksandrowitsch niesen und spuckte schwarze Klumpen aus, außerdem nagte er am Hungertuch. Später schuf Wassiljewskij extra für Robert Aleksandrowitsch den Posten eines Feuerwehrmannes am Vorratslager für Brenn- und Schmierstoffe. Auch dieses Vorratslager selbst wurde, wie Robert Aleksandrowirsch sich später erinnerte – eigens für die Rechtfertigung meines Postens eingerichtet: man errichtete eine kleine Einzäunung, darin standen zwei Fässer mit Treibstoff und eines mit Schmieröl. Die Wachen bauten für sich eine Holzhütte – 48 Tannen benötigten sie dafür. Ein Fenster zeigte hinaus in die Taiga, von wo aus mitunter Füchse auftauchten, aus dem anderen schaute man auf die zu bewachenden Fässer. Einmal die Woche kam ein Traktor zum Tanken. So konnte man wenigstens rund um die Uhr schreiben. Im Roman findet sich eine Menge Persönliches, obwohl das nur äußerst sinnbildhaft zum Ausdruck kommt. Robert Aleksandrowitsch sah in sich einen Menschen, dem man den Namen genommen hatte, der Opfer von Willkür und Gewalt geworden war. Für die Gestalt des verwegenen Abenteurers musste er weit gehen; Jesuitentum und Heuchelei reichten im Leben ebenfalls [2, 4].

Die uralten, ewigen Motive im Kampf gegen Gut und Böse, Edelmut und Niedertracht, aufrichtige Liebe und gemeiner Verrat – all das fand seine Widerspiegelung auf jenen Briefpapier-Seiten, die auf geheimnisvollen, unbekannten Wegen in den Bungalow in der Taiga geraten waren. Es versteht sich, dass das alles aus den Fingern gesogen war, denn ich besaß ja nichts. Diese Arbeit ernährte und rettete fünf Mann, denn sie fand Gefallen bei einigen höher gestellten Personen…, die an meiner unkontrollierten Schriftstellerei Vergnügen empfanden. Schließlich, am 15. Juli 1951, d.h. nach einem Jahr und zwei Monaten, war der dreibändige Roman fertig und erhielt den Titel „Der Erbe aus Kalkutta“. Ich lachte Tränen über diesen Titel, doch als das Manuskript, noch einmal mustergültig abgeschrieben, in drei Seideneinbände gebunden und mit einer selbst angefertigten Karte versehen war, mit Randverzierungen, der schematischen Darstellung einer Seeschlacht, großen Zierbuchstaben und schön gezeichneten Titelblättern, da bekam das Ganze doch ein ziemlich imposantes Aussehen… Wassilij Pawlowitsch erhielt von seinen Freunden den guten Rat – nicht als Einzelautor in Erscheinung zu treten („du bist nicht in der Lage, Freund, dein Autoren-Dasein zu behaupten“ – sagten die Ratgeber ihm).Und so brachte Wassilij Pawlowitsch auf dem Umschlag des „Erben“ meinen Nachnamen unten mit Tinte geschrieben ein, während der Familienname Wassiljewskij mit Tusche aufgedruckt war. Zuerst seufzte ich und erschrak, aber dann, als das Büchlein sogar der gesamten Bauleitung (des Bauprojekts 503) zusagte, gab ich auf“ – aus einem Brief an den Sohn.

Robert Aleksandrowitsch wurde im Frühjahr 1953 in Krasnojarsk aus der Haft entlassen und erhielt die Zuweisung nach Jenisseisk. Dort suchte er ziemlich lange eine Arbeit, lernte schließlich die Lehrerin am Jenisseisker Pädagogischen Institut Margarita Dmitrijewna Sawjolowa (Marita) kennen. Margarita Dmitrijewna sollte wählen zwischen ihr Lehrtätigkeit und dem Verbannten. Die Wahl wurde getroffen, und die beiden begaben sich nach Maklakowo.

„Maklakowo ist ein schwermütiger und freudloser Ort“. „… es gibt hier eine Bauverwaltung, die sich mit dem Errichten von Industrie-Anlagen befasst, und in einem der Vorarbeiter-Bereiche fand ich Arbeit als Norm-Sachbearbeiter. 45 Tage wohnten wir bei einem bekannten Kameraden, dann erreichte ich, dass in einem noch nicht fertiggebauten Blockhäuschen mit vier Wohnungen ein Ofen gesetzt und die größten Ritzen abgedichtet wurden. Und im Oktober lebten wir bereits in unserer Zwei-Zimmer-Wohnung, mit einer Gesamt-Wohnfläche von 21 qm, mit Herd, Kammer und sogar einem Loch im Fußboden für den zukünftigen Vorratskeller. Möbel besaßen wir keine, doch es gab einen Brettertisch. Anfangs schliefen wir auf dem Fußboden, doch schon bald stellten wir ein hölzernes Bett auf. Für Töchterchen Lenka fertigten wir Möbel an – ein Bettchen, ein Tischchen, ein Stühlchen. Wir Erwachsenen hatten einen Hocker, eine Sitzbank. Die Beleuchtung bestand aus Kerzen, denn Lampen waren nicht im Verkauf, von Kerosin hatten wir keine Ahnung – aus den Erinnerungen von Robert Aleksandrowitsch . Nach Maklakowo zogen sie am 2. Oktober [2, 5].

Am 25.10.1953 schreibt Stilmark seinem Sohn Feliks: „Wir haben schon zwei Holzbetten, einen aufgebockten Tisch und Hocker, außerdem Möbel für die Tochter, ein Fass für Wasser und zwei Regale…Danach über das Buch: Ich habe da für dich eine edle Aufgabe: das Manuskript zu finden und wegzunehmen. Daraufhin werden dir eine schriftliche Vollmacht und eine Kopie aller Dokumente zugeschickt, die nur Wassiljewskij im Verlaufe des Schriftwechsels geführt hat. Wie sehen die gesuchten Bände aus? Bei den ersten drei – handelt es sich um den Roman selbst (Angaben über die Anzahl der Seiten – wie du siehst, habe ich ihn 14 Monaten Arbeit 2700 Seite zustande gebracht; der Titel dieser Bände lautet: „Der Erbe aus Kalkutta“ (Film ohne Leinwand), Band 1 – „Im guten, alten Bulton“, Band 2 – „Die Brüderlichkeit des Hauptmanns Bernardio“, Band 3 – „Sonnen-Insel“ (ich versichere dir, dass deine Mühen belohnt werden mit einer wahnsinnig interessanten Abenteuer-Epopöe, aber ni8mm dich vor diesen drei Bänden in acht, wenn du eilige Arbeiten zu erledigen hast oder, Gott bewahre, deine Examina ablegst). Zu diesen drei Bänden gehört noch ein weiterer mit „geografischen Skizzen“. Und im 5. Einband schließlich habe ich den von Wassilij Pawlowitsch und mir an Stalin geschickten Brief zusammengetragen – mit dem Ansuchen, uns die Möglichkeit zu geben, das Buch „Magistrale“ zu schreiben, ein Buch über den sowjetischen Norden, und dafür alle frei zu lassen. Wassilij Pawlowitsch schreibt, dass im weiteren Verlauf ein Brief an Woroschilow gerichtet wurde. „Führe das Ganze zu Ende, sieh‘ zu, dass man dir das Material aushändigt, und dann schicke mir alles. Begreif‘ doch, was das für heldenhafte Bände sind! Du musst verstehen, dass sie in der entlegenen Taiga entstanden sind, hinter doppeltem Stacheldraht, bei vollständigem Fehlen jeglichen notwendigen Materials. Dort gibt es ein paar schöne grafische Ausschmückungen. Das Aquarell wurde uns nach einem Fußmarsch von 120 km besorgt. Der Pinsel wurde aus dem Schwanzhaar eines getöteten Eichhörnchens angefertigt, die Tusche aus Kohle – nach einem Geheimrezept des Miniaturmalers selbst. Für den Einwand wurde die Seide des besten Hemdes von allen verwendet. Die Pappdeckel für den Einband – wurden dreist in der Sonderabteilung herausgeschnitten. Die Autoren korrespondierten, schnitten, banden, verzierten – alles mit der Hand, mit der Hand, mit der Hand… Natürlich muss W. P. Wassiljewskij, der sich den gesamten Entstehungsmodus für diese Art von Buch ausgedacht hat, sich bei all seiner literarischen Insolvenz für seinen rechtmäßigen Schöpfer halten, obwohl er nicht ein einziges Wörtchen, nicht einen einzigen Gedanken zu diesem Unternehmen beigetragen hat, aber er hat daran als Organisator und Initiator „mitgewirkt“…

… Der Wert dieses Romans ist, trotz seiner ganzen offenkundigen Naivität dieser literarischen Arbeit, unvergleichbar mit seiner literarischen Würde, d.h. sein Wert ist höher, als die erwähnte Würde, denn – es handelt sich vielmehr um ein originelles Museumsdenkmal einer der interessantesten Perioden, interessantesten, wenn man die Bedingungen in dieser interessanten Epoche nimmt“ - aus einem Brief Robert Aleksandrowitsch Stilmarks an seinen Sohn.

Und hier nun, wie er die Ortschaft Maklakowo am 23.11.1953 beschreibt. „…Wenn du Maklakowo aus etwa 100 km Entfernung siehst, dann bemerkst du tagsüber einen schwarzen Schornstein, langgestreckte Gebäude, Berge von Baumstämmen, vier Dampf- und Rauchsäulen und irgendetwas undefinierbar Aufgetürmtes: die Wohnsiedlung. Und nachts der rote Schein von elektrischem Licht, merklich effektiver, als die Beleuchtung von Jenisseisk. Die Siedlung wächst wöchentlich um 1-2, manchmal 3-4 Häuser an, standardmäßig gebaute, aus Brettern, private, staatliche, usw. Im November wurden allein 32 neue Häuser übergeben. Und gegenüber, am anderen Ufer, die undurchdringliche Taiga. Hier gibt es Geschäfte, wohl so an die 8-9, ebenso viele Verkaufsstände, ein Restaurant, eine Kantine, eine ordentlichen Klub, wo Filme zum ersten Mal in der Region gezeigt werden, zur gleichen Zeit wie in Krasnojarsk. Die Anlegestelle sieht so aus, wie in Jenisseisk, es gibt ein Sägewerk, eine Bauverwaltung. Hier sollen noch Holzverarbeitungsfabriken, Zellulosewerke, Furnierholz-Produktionsstätten und andere Unternehmen errichtet werden, wahrscheinlich wird sich das gesamte Ufer von uns bis nach Jenisseisk in eine einzige Fabrik verwandeln. Nicht weit von hier wollen sie das Jenisseisker Wasserkraftwerk bauen. Früher oder später wird hier die Eisenbahn vorbeiführen, und unsere Chaussee eilig ausgebaut werden. Im Bezirk wird erstaunlich viel gejagt, Fisch gefangen usw.“ [2, 6].

Margarita Dmitrijewna Sawjolowa. Verwandte in Moskau. Sie kam 1950 nach Jenisseisk. Per Zuteilungsschlüssel des Ministeriums für Volksbildung, um in Jenisseisk am Lehrer-Institut Vorlesungen über die sprachwissenschaftlichen Disziplinen abzuhalten, was sie bis zu ihrer Begegnung mit Robert Aleksandrowitsch auch tat. Ihr Vater war ein hervorragender Historiker; er starb 1937. Ihr erster Ehemann, Dirigent eines Militärorchesters, starb, als Jelena noch nicht geboren war. Sofort nach dem Studium und der Aspirantur schickte man Jelena Dmitrijewna nach Jenisseisk, doch die Arbeit am Institut schenkte ihr keine Befriedigung. Aus ganzem Herzen hasste sie sowohl Sprache, als auch Literatur und Methodik – das alles wurde viel zu erbärmlich, staatlich, stümperhaft und „voller Scheuklappen“ unterrichtet. Aber die Studenten liebten sie. Außerdem hielt sie zahlreiche Vorlesungen in der Stadt, im Kulturpalast usw., und die Jenisseisker hörten ihr gern zu („das Publikum ist genau wie ich – außergewöhnlich anspruchsvoll“ – aus einem Brief)… Alles ist „außerordentlich einfach“. Man erklärte Marita, dass sie die Wahl hätte zwischen ihrer Tätigkeit oder ihrem Auserwählten. Ohne zu zögern wählte sie das Zweite (in Jenisseisk wohnte Robert Aleksandrowitsch Stilmark in der Perso-Straße 85).

Stilmark beschreibt, nach der Ortschaft Kargino, auch weiterhin die hiesigen Gegenden in den Briefen an seinen Sohn Feliks, wo viele Expeditionen ihr Basis-Lager haben; es folgt Ust-Tunguska… der hohe Burmakin-Berg, von dem die Fahrer nur herunterfahren, nachdem sie sich vorher bekreuzigt haben (oh je, und im Sommer fällt mir das Los zu, diesen Berg zu nivellieren) – und Maklakowo. Von Abalakowo bis Maklakowo sind es 23 km und, meiner Meinung nach, gibt es in Sibirien nicht viele solcher Orte. Die Straße führt am Ufer entlang, zwischen Alleen uralter Kiefern hindurch. Das alles wird bald zu Asche werden, und das auch noch ohne jede Notwendigkeit, einfach wegen der kulturellen Rückständigkeit im Bauwesen und mangelnder Liebe. Hinter Maklakowo, noch 40 km weiter auf einer sehr schönen Straße – Jenisseisk, bei Kilometer 347… Das Angesicht der Stadt bilden zwei unversehrt gebliebene, weiße Kirchen und zwei Dutzend alter, schöner, Steinhäuser. Alles Übrige – ist ein Haufen Holz, absolut uninteressant, weniger als 40 Jahre alt, verkümmert im Alter von 10 Jahren und erst wieder interessant, wenn er 60-70 Jahre alt ist. Es gab auch noch eine ziemlich gut gebaute Moschee aus Ziegeln, aber die Architektur ist wenig aufregend. Sie wurde im Frühjahr 1953 abgerissen.

„Jetzt setzen wir uns in Jenisseisk, unweit des Marktplatzes (und gegenüber von Maritas Haus) in den Autobus und unternehmen für 16 Kopeken eine 40 km weite Fahrt nach Maklakowo. Sogar aus dem Schnee ragen die Vermessungsstangen, Pflöcke, Begrenzungsstäbe hervor, die ich in meinen Zeichnungen skizziert habe – all das sind die Überreste meiner Sommerarbeit… Unser Haus wurde auf Pfählen errichtet, über einer Grube. Früher wurde hier im Tagebau Ton abgebaut, ziemlich tief… 30 Schritte vom Vordach entfernt verläuft die Chaussee. Unser Hauseingang ist auf Krasnojarsk gerichtet, d.h. gen Süden, die Fenster zeigen nach Westen (die Tür nach Süd-Osten) – Erinnerungen Robert Aleksandrowitschs in einem Brief an Sohn Feliks.

Über den „Erben“ schreibt er: „ …! Die Arbeit ist dir gewidmet! Denn ich habe die ganze Zeit gehofft, dass der Tag kommen möge, an dem ich dir diese lächerlichen Kapitel mit Grauen, Spott über den „gesunden Menschenverstand“, Liebschaften Finanzplänen, Träumen, Äbten und Indianern, Vicomtes und Piraten, Helden und Bösewichtern, wunderbaren Schönheiten und wilden Bisons vorlesen kann“ [2, 7].

Am 21.12.1953 teilt B. in einem Brief mit, dass er auf besonderen Befehl des MWD vom 17.12.1953 aus der Sonderansiedlung freigelassen worden sei, denn eine langwierige Überprüfung habe bestätigt, dass er tatsächlich Russe und auch als solcher in alle vorherigen Dokumente eingetragen sei. Bei seiner Entlassung am 10.12.53 händigte man R.A. einen für fünf Jahre gültigen Ausweis mit den üblichen Einschränkungen aus, zudem hatte man für ihn einen Reiseschein in die Stadt „Moskau, Gebiet Moskau“ ausgestellt, womit man dem von ihm geäußerten Wunsch entsprochen hatte. Doch Robert Aleksandrowitsch beschließt in Maklakowo zu bleiben. Wir entschieden uns, erst einmal Geld zu sparen, nach Moskau zu fahren, um dort das Kind zur Welt zu bringen, und wenn wir es mit dem Sparen nicht schaffen, dann fahren wir eben später“ – aus einem Brief. Die Stilmarks erwarteten ein Kind“.

Feliks Robertowitsch, der in Moskau lebte, macht sich an den „Erben“. Die Initiative ihn für die Suche mit heranzuziehen kam von Wassiljewskij, der sich nach seiner Freilassung aufgrund einer Amnestie, auch weiterhin für das Schicksal des Romans interessierte, den er im Politbüro des Bauprojekts 503 abgegeben hatte.

Auszug aus einem Brief von Robert Aleksandrowitsch : „Mein Rat an sie, Robert Aleksandrowitsch: befehlen Sie ihrem Sohn zur Wahrung ihrer Interessen, die Berechtigung zu erhalten, in der Sprechstunde bei K.J. Woroschilow anwesend sein zu dürfen, erklären Sie ihm die Einzelheiten jener Schwierigkeit, welche wir erfahren mussten, mit der Bitte, unser literarisches Werk zu widerrufen… „Feliks Robertowitsch musste sämtliche damals bekannten Empfangszimmer durchlaufen. Er musste sich an die Kultur- und Erziehungsabteilung des GULAG wenden. Schließlich führte ihn seine Suche zu einem großen Gebäude auf dem Gartenring, wo höfliche Menschen mit den Vollmachten Wassiljewskijs und des Vaters die drei gesuchten und ersehnten Bände in den blauen Einbänden mit der beiliegenden, im Format etwas größeren geografischen Karte und den Skizzen der Meeresschlachten an Feliks Robertowitsch herausgaben. Beim Durchblättern des Vorworts las der Genosse Major laut die Widmung für den Führer aller Zeiten und Völker („das Buch wurde dort verfasst, wo die Mächte der Finsternis versuchten, das Licht der Sonne zu löschen…“) und bemerkte, dass im Licht des kürzlich in der „Prawda“ veröffentlichten Artikels über die Rolle der Persönlichkeit in der Geschichte dieser Teil wohl umgearbeitet werden müsse… Zum Schluss erteilte er den Rat, sich sorgsam auf das Manuskript zu beziehen und ließ auch Grüße an die Autoren ausrichten.

Diese dunkelblauen Bücher waren aus einer Vielzahl gewöhnlicher Schreibhefte zusammengeheftet, die akkurat mit einer einheitlichen kalligrafischen Schrift vollgemalt waren. Auf dem ersten Blatt, mit dem Bleistift gezeichnet, das Porträt eben jenes tatkräftigen Mannes „mit dem stählernen Funkeln in den Augen“ – Wassilij Pawlowitsch Wassiljewskij. Unter seinem groß mit Tusche gemalten Familiennamen stand mit Tinte hinzugefügt der Name – R.A. Stilmark.

Nachdem er den „Erben“ gelesen hatte, zeigte Feliks Robertowitsch den Roman seinem langjährigen Gönner, dem Dozenten der Staatlichen Moskauer Universität – Aleksander Nikolajewitsch Druschinin. Nachdem er die ganze Geschichte gehört hatte, rief er Iwan Antonowitsch Jefremow an, mit dem er durch die wissenschaftliche Arbeit gut bekannt war. Feliks fragt, nicht ohne Jefremow mit großer Freude den ersten Band auszuhändigen, wann er den nächsten bringen sollte. „Wieso – ist das denn noch nicht alles? – erschrak Iwan Antonowitsch, - na, dann rufen Sie mal Ende des Monats wieder an. „ Doch es verging nicht einmal eine Woche, als Druschinin sich telefonisch meldete und mitteilte, dass Feliks Robertowitsch Jefremow ausfindig gemacht und nach der Fortsetzung gefragt hätte. I.A. Jefremow war der erste Rezensent des „Erben“, er empfahl ihn dem Kinderzeitschriften-Verlag. Und als im Sommer 1955 die Gerechtigkeit triumphierte und der rehabilitierte Robert Aleksandrowitsch, der all seine Rechte und Titel wieder zurückerhalten hatte, in Moskau eintraf, da lag sein Roman auf dem Tisch des Redakteurs. Wohlwollende Rezensionen gab es auch vom Schriftsteller W.D. Iwanow und dem Kritiker W.S. Frajerman [2, 8].

Die Arbeit am Manuskript wurde unter neuen Bedingungen fortgesetzt. „Ich setzte mich ans Buch und arbeite nun wieder 16 Stunden am Tag“ – schrieb Robert Aleksandrowitsch nach Maklakowo, wo seine Familie noch weilte. Aber die Frage seiner Veröffentlichung gestaltete sich schwierig. Die Einen waren „dafür“, andere „dagegen“.

Man schlug ihm einen Vertrag über irgendein anderes Buch vor. Die Leute, die sich mit dieser Angelegenheit befasst hatten, wurden abgelöst, es wurden Versammlungen abgehalten, auf denen sich die Stimmen im Verhältnis 5 „dafür“, eine „dagegen“ aufteilten, doch diese Stimme gehörte dem väterlichen Gesicht. So sagte beispielsweise die stellvertretende Leiterin des Verlags, eine gewisse W.A. Morosowa folgendes: „Das Buch ist talentiert, klar, interessant und literarisch meisterhaft gemacht, und damit ist es … schädlich, denn es bringt unsere Literatur nicht voran, sondern wirft sie zurück in die Vergangenheit. „Am Abend des 4. Januar 1956 kam Walentin Dmitrijewitsch Iwanow (bekannt durch seine Romane „Die ursprüngliche Rus“, „Die große Rus“) und brachte frohe Kunde mit: die Redaktionsversammlung des Kinderzeitschriften-Verlags hatte angeordnet, einen Vertrag über die Ausgabe des „Erben“ im Umfang von 40 Blättern abzuschließen.

Dazu musste fast die Hälfte der Illustrationen entfernt werden. Und so erblickte der „Erbe aus Kalkutta“ 1958 das Licht der Welt – beinahe ohne Kürzungen, wenngleich Robert Aleksandrowitsch der Meinung war, der Roman sei unfertig und müsse noch überarbeitet werden.

Die Abenteuer um dieses bemerkenswerte Buch waren damit noch nicht beendet, denn W.P. Wassiljewskij betrat erneut die Bühne – wie früher mit seinem „stählernen Funkeln in den Augen“, nun allerdings schon mit einem Anflug von Habsucht. Nicht nur einmal sagte Robert Aleksandrowitsch, dass Wassiljewskij mehrmals sein vollständiges Desinteresse an dem Autorenhonorar angesprochen hätte. Übrigens, als das Buch verfasst wurde, hatten sie daran am wenigsten gedacht. Jetzt hatte sich die Situation geändert. Der Nachname Wassiljewskijs prangte auf dem Einband des Buches, und das gab dem „Mit-Autor“ ganz besondere Rechte. Wassiljewskij wartete, bis das Kälbchen aufgepäppelt war und beschloss dann, dass es an der Zeit wäre es zu schlachten: er verlangt 50% des Honorars… Natürlich ist es interessant, dass der Roman über den Roman weitergeht… „Daher die begründete Frage: lohnte es sich für Robert Aleksandrowitsch, Wassiljewskij als Co-Autor bestehen zu lassen? Es versteht sich von selbst, dass der faktisch überhaupt keiner war, doch Robert Aleksandrowitsch zog die ganze Ungewöhnlichkeit der Entstehung des Manuskripts in Betracht, er wollte Wassiljewskij auf diese Weise trotzdem dafür danken, dass er die Möglichkeiten für die Entstehung des Werkes geschaffen hatte. Außerdem wollte er, wie er später schrieb, nicht das Schicksal des Romans mit der Entlarvung der wahren Person seiner scheinbaren Mit-Autorenschaft verkomplizieren. Schließlich stand sein Nachname auf dem Titelblatt des allerersten Manuskripts. Robert Aleksandrowitsch erfuhr in jener Zeit erhebliche Schwierigkeiten mit seiner Unterkunft und kaufte von einem Großteil seines Honorars ein Häuschen in der Umgebung von Moskau. Wassiljewskis Forderungen belasteten ihn mit großen Alltagsproblem; deswegen wandte sich der Kinderzeitschriften-Verlag im Herbst 1958 an ein Gericht, welches am 9. Februar 1959 diesen ungewöhnlichen Fall behandelte.

Zu der Zeit traten Umstände zu Tage, die den Beweis erbrachten, dass Wassiljewskij sich, nachdem die Arbeit am „Erben“ fertiggestellt war, mit der Absicht trug, sich den Vater vom Hals zu schaffen. Die Gerichtsverhandlung fand statt und war nach Robert Aleksandrowitschs Worten „erschütternd“. Wassiljewskij bewies sein Recht damit, dass er das Leben des wahren Autors gerettet und ihn vor schwerer körperlicher Arbeit in „entlegenen Gegenden“ bewahrt habe, und Robert Aleksandrowitsch leugnete das auch nicht. Es wurde ein Abkommen vereinbart, nach dem Wassiljewskij eine einmalige Geldsumme erhielt, doch auf weitere Forderungen für seine Mit-Autorenschaft verzichtete. Alle nachfolgenden Auflagen sollten auf Beschluss des Gerichtsunter dem Nachnamen des einzig wahren Verfassers erfolgen – R.A. Stilmark. Allerdings wurde in Irkutsk irgendwie sehr schnell und unerwartet eine Neuausgabe des Buches durch den Kinderzeitschriften-Verlag unter beiden Nachnamen herausgebracht. Damals sprach man von einer Neuausgabe des Buches mit großer Auflage in Alma-Ata; Robert Aleksandrowitsch überarbeitete dafür das Vorwort und nahm einige unbedeutende Änderungen am Text vor. Damals tauchten auch Worte über den „zielstrebigen Buchhalter“ W.P. Wassiljewskij auf, der sich an dem entlegenen Bauprojekt „für dieses Buch begeistert hatte. In dieser Ausgabe (1959) war nur ein Autoren-Name angegeben. Der „Erbe von Kalkutta“ wurde in unserem Land kein einziges Mal mehr herausgebracht, obwohl er im Ausland mehrmals (4-mal in Bulgarien, 2-mal in Polen und sogar in der Tschechoslowakei und China) veröffentlicht wurde. 1989 kam das Buch im Krasnojarsker Buchverlag mit einer Auflage von 100.000 Exemplaren heraus [2, 10].

Robert Aleksandrowitsch wich nun schon nicht mehr vom schriftstellerischen Pfad ab, er machte das Schreiben zu seinem Beruf und wurde 1965 Mitglied des Schriftstellerverbandes der UdSSR. Seine neuen Bücher – „Novelle über einen russischen Wanderer“ (1962), „Bilder Russlands“ (1967), „Passagier des letzten Zuges“ (1974), „Russlands heller Glockenklang“ (1976) und „Jenseits des Moskwa-Flusses“ (1983) wurden von den Lesern wohlwollend aufgenommen und erhielten die Zustimmung der Kritiker. Robert Aleksandrowitsch reiste ständig und viel durch das Land, machte Fotos für die Illustration einiger seiner Ausgaben, sprach häufig vor Lesern, plädierte für die Reinheit einer geeigneten Sprache, den Erhalt der Architektur- und Natur-Denkmäler – im Großen und Ganzen wohnte ihm eine starke staatsbürgerliche Neigung inne.

Viel Kraft verbrauchte der Autor für seinen autobiografischen Roman „Eine Handvoll Licht“, welcher den Zeitraum von 1914 bis 1984 umfasst.

Auf Robert Aleksandrowitschs Arbeitstisch blieb nach seinem plötzlichen Tod im September 1985 (er erlitt während der Fahrt nach Peredelkino zu einem Vortrag einen Riss der Aorta) der unvollendete Roman «Der kostbare Stein des Kunstschmieds“, den Robert Aleksandrowitsch für die „russische Variante“ seiner Taiga Epopöe hielt.

Ende der 1970er Jahre schrieb eine Gruppe von Freunden einen Aufruf an höchste Instanzen bezüglich der Zweckmäßigkeit einer Neu-Auflage des „Erben“, doch der Kinderzeitschriften-Verlag und der Staatsverlag antworteten mit einer beglaubigten Ablehnung.

„Mein eigener sehnlichster Wunsch ist es – meinen jungen Kameraden bei den schwierigen Neubauten dienlich, für sie nützlich und interessant zu sein, sie vom „Dominospiel“ und der Flasche abzulenken, sie durch geistvolle Äußerungen und ideenreiche Tiefgründigkeit, die Romantik der Gestalten, die an das Leben selbst erinnern, mitzureißen“, so schrieb Robert Aleksandrowitsch in seinem, beinahe einzigem offiziellen Aufruf für eine Neuausgabe des „Erben“ [2, 11].

R.A. Stilmarks Briefwechsel in der Verbannung

03.11.1953 an F.R. Stilmark aus Maklakowo
Jetzt besitze ich, bis zu einem gewissen Grade, die Möglichkeit dir in Ruhe zu schreiben, ohne Eile, doch diese Möglichkeit ist relativ, denn ich schreibe, während ich in ziemlich bejammernswerten Zustand im Bett liege: nun wird jeden Winter mein damals verwundeter, genauer gesagt, 1941 geprellter Rücken „unbrauchbar“, der zudem 1943 bei der Verlegung eines Fahrzeugs zum wissenschaftlichen Forschungsinstitut des militärisch-topografischen Dienstes durchgeschüttelt wurde und anschließend an der Krasnojarsker Anlegestelle gänzlich auf Abwege geriet (er arbeitete dort am Bau des Flussanlegers, mitunter im eisigen Wasser – F.S.). Die Erkrankung kommt dadurch zum Ausdruck, dass bei der geringsten Abkühlung und körperlichen Anstrengung (zum Beispiel einfaches Brennholz-Spalten) der Rücken genau an der Stelle, wo er es noch nicht geschafft hat seine Bedeutung einzubüßen, schmerzt, als ob er zusammenbrechen will und aufhört, den Körper in seiner vertikalen Position zu halten. Du wirst krumm, gehst gebeugt wie ein Krückstock, spürst einen zunehmend dumpfen Schmerz, den du ein-zwei Tage auf den Beinen erträgst, aber dann brichst du zusammen und schluckst eine Pyramidon nach der anderen. Und in einer so bejammernswerten Position schreibe ich dir auch. Diesmal wird die Sache schneller vergehen, denn Marita behandelt mich mit allen möglichen Arzneien und Anwendungen, die man sich für solche Fälle ausgedacht hat: ich reibe das Ohr mehrmals mit Terpentin, Kampferöl, getränkt mit homöopathischen Mixturen, ein, werde gefüttert mit Atophan und Pyramidon, mit Maritas Kopftuch umwickelt und mit einer Wärmflasche bedeckt und bin bereit auch noch 6 Schröpfköpfe zu ertragen – sie wurden bereits angeliefert und warten darauf, dass sie an die Reihe kommen… Natürlich kann ich mich nicht „entfalten“ und eine derartige Aufmerksamkeit missachten, aber diese gegenwärtige Erkrankung ist für mich eine Art Festtag, wenn man einen Vergleich mit verschiedenen Ereignissen der letzten 8-10 Jahre zieht… [13]

08.11. Den Brief habe ich wegen der Schröpfköpfe unterbrochen. Dann war es dunkel, und am nächsten Tag bin ich zur Arbeit gekrochen, und nach den Feiertagen habe ich mir irgendwie ein Minütchen Zeit genommen, um diesen Brief irgendwie zu Ende zu bringen… Erledige doch bitte einige für mich wichtige Dinge:

1) Du musst die Werke von Genrich Senkewitsch in polnischer Sprache auftreiben (wenn es geht komplett, aber zumindest irgendetwas); du kannst sie auch in der russischen Übersetzung schicken, und es wäre wünschenswert, wenn der Einband anständig aussieht. Das würde mir einen unschätzbaren Dienst erweisen, denn der Mensch, den ich am Nötigsten habe, mein Chef, hat mich darum gebeten.

2) Du musst mir einen Rechenschieber (mit Logarithmus-Funktion) schicken, einen normalen, keinen kleinen. Ich zittere vor den Zahlen, wie in einem Meeresabgrund. Die arme Marita ist auch schon ganz vergiftet von dieser Rechnerei von morgens bis abends. Sie hilft mir in heroischer Weise, und kommt mit Müh und Not zu Recht…

3) Lege in einen Umschlag oder ein Päckchen ein hellblaues oder seidenes Band als Schleife für Lenka. Hier gibt es dergleichen nicht.

4) Hier ist es auch unmöglich, sich Handschuhe zu besorgen. Wenn es geht – schicke mir ein paar, gestrickt und gefüttert. Ich trage im Augenblick Maritas, während sie in meinen Fäustlingen herumläuft [13]

25.01.1954 aus Maklakowo an Feliks Robertowitsch Stilmark in Moskau
… Aus den finanziellen Erschwernissen kommen wir nur mit Mühe heraus, wobei wir langsam unser Budget mit dem Defizit verrechnen, aber es gibt glückliche Zufälligkeiten unterschiedlicher Art, die uns dabei behilflich sind: mal schickt Maritas Tante eine Überweisung (wenngleich es mir sehr unangenehm ist, sie von einer 73-jährigen anzunehmen, aber für unser Maklakowsker Alltagsleben hat sie eine solche Geldanweisung bereits zweimal getätigt), mal sitzen wir auch einfach nur bei einem Kartoffelgericht oder wir finden rein zufällig etwas – einen Gewinn oder die Rückzahlung irgendeiner alten Geldschuld an uns. Das Defizit in unserem Budget wird, abgesehen von Verteuerungen und Überzahlungen für notwendige Lebensmittel und (wenn auch nur ganz bescheidene) Bettwäsche, hervorgerufen durch die Anschaffung von Möbeln, den Kauf von Bekleidungsartikeln, wie Filzstiefel, Vervollständigung von Gegenständen für Haus und Hof, die von uns praktisch „aw ojo“ („von Null an“ – F.S.) aufgebaut werden.

Es gibt noch einen Unkostenfaktor – die Trinkerei mit den Kameraden. Ich denke, du stimmst mit mir darin überein, dass die Notwendigkeit dieses Postens – nicht geringer ist, als die Ausgaben für Brot und Tee (Wodka kostete damals etwa 20-22 Rubel pro halbem Liter – F.S.). Wir trinken viel, aber das ist das allgemeine Merkmal des Zeitvertreibs bei allen Leuten, die nördlich von 60. Breitengrad leben (übrigens – auch bei denen, die weiter südlich wohnen!). Ich kann mich jetzt nicht erinnern, auf welchem wir uns genau befinden (wahrscheinlich 2 Grad weiter südlich), aber es geht hier ganz und gar nördlich zu.

Außerdem habe ich noch einen weiteren, äußerst ärgerlichen Kostenfaktor. Er erbost mich sehr, aber es fällt mir schwer ihm zu entgehen. Die Sache ist die, dass in unserer Behörde der Lohn für die Arbeiter sozusagen vom Apparat des Vorarbeiter-„Stabs“ gezahlt wird. Ich bin in der mächtigsten Vorarbeiter-Gruppe beschäftigt (Holz-Konstruktionen), wo die Gehaltszahlung in einer Größenordnung von 60.000 liegt. Und diese 60.000 zahle ich als Ersatz-Kassierer zweimal monatlich an die Arbeiter aus. Ich kann nicht begreifen, was da los ist, aber es ist noch nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass die Sache ohne Fehlbetrag ausging. Genau wie den Lohn müssen wir aus unserer eigenen Reserve mindestens 20 Rubel dazuzahlen; das ist ärgerlich, und es gibt viele Möglichkeiten sich zu irren, denn sie geben einem einen Haufen Listen mit diversen Abzügen für Wohnung, Licht, Filzstiefel usw.); zudem sind die Listen nicht vernünftig ausgestellt, überall am Rand finden sich irgendwelche Häkchen und Klammern, und hinter jedem Zeichen verstecken sich 150 Rubel! Gestern haben wieder 25 Rubel gefehlt. Ganz schön dumm sich zu verrechnen – oder? ... [13]

21.11.1953 An F.R. Stilmark aus Maklakowo
… Ich arbeite widerwillig und mit Mühe, es ist schlimmer, als es sein könnte. Die Vorgesetzten sind bemerkenswert, sie kümmern sich in einer ganz verblüffenden Weise um mich. Die Leitung selbst erledigt meine Arbeit bis zur Hälfte (das ist überaus viel; von ihr hängen reale Menschen ab, ich kann das auf den Tod nicht ausstehen). Seit dem 16. November geht Marita auch arbeiten – uns fehlt es überall an Geld (ich verdiene 690, sie – 360). Manchmal erinnern wir uns an ihre bis vor kurzem verdienten 1.000 Rubel und stellen fest, dass wir ohne diese trotzdem glücklicher sind, als würden wir weiterhin unter diesem Damokles-Schwert hängen. Wenn du den Brief bekommst, wird dein zukünftiger Bruder (oder deine Schwester) sich im 5. „Embryonal“-Monat befinden, Marita wird also schwerfälliger. Innerhalb einer Woche hat man sie bereits liebgewonnen. Ich werde Mama separat von ihr schreiben. Ein Foto schicke ich auch. Sie heißt – Margarita Dmitrijwna Sawjolowa. Ihr Vorfahr – Andrej Sawelli – seit dem 12. Jahrhundert in Russland. Ihre Verwandten leben in Moskau. Sie selber kam vor drei Jahren hierher – aufgrund des Verteilungsschlüssels des Ministeriums für Volksbildung – um Vorlesungen über sprachwissenschaftliche Disziplinen am Jenisseisker Lehrer-Institut zu halten, was sie auch bis zur Wiedervereinigung mit deinem Väterchen tat …

Wir wohnen hier nun schon einen Monat, der Teufel weiß wie, denn wir sind permanent am Renovieren. Wir haben es jetzt sehr schwer. Wir haben nachts gebaut, das Dach wurde abgedichtet, die Dachschindeln befestigt, der Putz „zusammengepfuscht“. Der feuchte Putz muss nun mit unseren eigenen Lungen trocknen. Erst heute sind wir mit dem verspachteln fertig geworden. Noch ein paar Tage – dann werden wir das erste Mal weißen, dann das zweite Mal. Die Sachen (Möbel) – Lenkas Tischchen, Stühlchen und ein paar Buchregale. Ich habe zwei Holzbetten zusammen gezimmert und einen derben Tisch. Es gibt kein Licht, auch kein Kerosin, leine Glühbirnen; ich bemühe mich darum, dass sie Stromleitungen verlegen – in ungefähr zwei Wochen, haben sie versprochen. Für alles, was auch nur ein klein wenig außer der Reihe ist, müssen wir eine Menge bezahlten. Es fehlt am Allernötigsten. Die Schwiegermutter knurrt und gerät andauernd in Verzweiflung – sie ist 63 Jahre alt. Marita kämpft gegen sie an, fordert von ihr mehr Geduld. Der Tag ist sehr kurz, in der dunklen Zeit sitzen wir beim Schein von Kerzenstummeln. Lenka sitzt wie ein krankes Vögelchen den ganzen Tag im Bett, die Großmutter hat Angst, sie unbeaufsichtigt hinaus zu lassen, und während wir noch am Verputzen sind – können wir sie nicht wegbringen. Folgende Dinge haben wir nicht: Filzstiefel für Lena, ein warmes Kopftuch für Marita, denn seit zwei Jahren hat sie nichts mehr erworben. Marita ist eine äußerst ungeschickte Hausfrau…, sie bekam ihre 1.500 Rubel, hatte alles, was sie brauchte und legte viel Geld für mich beiseite (Mantel, Wäsche usw.). Ihr Vater, ein hervorragender Historiker, starb 1937 – ähnlich wie meiner. Maritas erster Ehemann, Dirigent eines Militärorchesters, starb, als Lenka noch nicht geboren war. Gleich nach der Studienzeit und der Aspirantur schickten sie Marita nach Jenisseisk, doch die Arbeit im Internat brachte ihr keine Befriedigung. Sie empfand aus ganzer Seele Hass gegen Sprache, Literatur und Methodik – alles wurde ihrer Ansicht nach zu dürftig, zu staatlich, zu stümperhaft und „geräuschvoll“ aufgetischt. Nicht einmal ich konnte ihr das Gefühl der Unzufriedenheit mit ihrem Tätigkeitsbereich austreiben – sie half mir voller Wonne mit meiner Geodäsie und ging mit Widerwillen los, um ihre Vorlesungen zu erhalten. Aber die Studenten liebten sie. Außerdem hielt sie zahlreiche Vorlesungen in der Stadt, im Kultur-Palast usw., und die Jenisseisker hörten ihr gerne zu (Publikum wie ich – ausgesprochen anspruchsvoll…); das alles ist jetzt zu Ende. Marita trifft ihre Studenten; die stürmen auf sie zu, kommen angelaufen, so schnell sie können und rufen „ach“…

Insgesamt gesehen hat ihr Verhalten eine Menge Gerede ausgelöst, es wird als richtig und „heldenhaft“ bewertet. Wir erhielten eine Menge Glückwünsche, Briefe und gute Wünsche. Auf Marita wurden viele Gläser in uns fremden Häusern erhoben… [13]

25.10.1953 An F.R. Stilmark aus Maklakowo
Am 2. Oktober sind wir nach Maklakowo umgezogen. Am 3. Oktober nahm ich meine Arbeit bei der Bau- und Montage-Verwaltung auf. Am 7. Oktober bekam ich die Behausung, eine Schachtel von Zwei-Zimmer-Wohnung mit einem Ofen: alles andere, einschließlich die Toilette, fehlt. Morgen fangen wir mit dem Verputzen an – das ist ein schweres Stück Arbeit. Wir leben folgendermaßen: in dem ersten Zimmer (das mit dem Ofen) –meine Schwiegermutter Tatjana Weniaminowna Sawjolowa, im zweiten – Marita, Lenka und ich. Wir haben noch keine Möbel, aber ich schreibe trotzdem aus meinen eigenen vier Wänden. Marita ist fröhlich, aber Lenka war an Masern erkrankt und leidet danach nun sehr an irgendwelchen Hautproblemen, die sich wahrscheinlich aufgrund unserer Umzugsstrapazen verschlimmert haben. Es fehlt uns an Vielem… Wenn du willst, dann zähle ich ohne besondere Reihenfolge die allernötigsten Bedarfsgüter auf: ein mickriges Bügeleisen (unmöglich hier zu finden), eine elektrische Tischlampe (irgendwann werden wir Strom haben); wir möchten gern so eine Tischlampe haben, auch wenn sie nur ganz bescheiden aussieht, aber eine häusliche von dir; außerdem ein wollenes Kopftuch für Marita, kleine Filzstiefel für Lenka, na – usw.; mit all dem könnte ich fünf Seiten vollschreiben, ohne diese Dinge geht es einfach nicht! Ach, wenn du uns alle sehen könntest! Stell dir ein gelbes, nach Kiefern duftendes Häuschen mit vier Wohnungen und folgender Anordnung vor (Zeichnung):

Wohnfläche 22 qm, Diele, Vorratskammer und Vorbau nicht mitgerechnet, ebenso den Keller unter dem Haus, den es noch nicht gibt – aber das kommt noch. Wir haben bereits zwei Holzbetten, einen Tisch (aufgebockt) und einen Schemel. Außerdem hat Lenka ein Tischchen und Stühlchen, ein eigenes Bettchen, es gibt ein Fass für Wasser sowie zwei Regale. Morgen fangen wir mit dem Verputzen an – das ist eine mühselige Herausforderung, denn wir haben bereits zehn Grad Frost und Schnee. Dann kommt òùñð âóê Âóñëóòçãåí, das Verlegen der elektrischen Leitungen, und außerdem müssen wir noch eine Scheune und eine Toilette einrichten…

Und weiter – nach der verlorenen Seite – zum Thema „Der Erbe aus Kalkutta“.

… gen Osten, wohin ich unser Kindchen (Werk) gebracht habe. Damit, als Ergebnis des Briefwechsels mit dem GULAG, der Staatsanwaltschaft und der Vereinigung zeitgenössischer Schriftsteller, erhielt W.P. Wassiljeskij die Anweisung, das Buch an eine bestimmte Adresse zu übergeben, d.h. zuerst an Stalin (mit Hinweis darauf, dass es in der Nähe von Kureika geschrieben wurde) und anschließend –am K.J. Woroschilow (diese ganze Etappe wurde bereits ohne mich vorbereitet – ich habe lediglich das Buch gemacht und den ursprünglichen Text des Briefes an Stalin verfasst, erst nur im Namen W.Ps- und dann, als er von der völligen Unmöglichkeit überzeigt war, als alleiniger Autor in Erscheinung zu treten, bat er mich, auch meinen Namen auf das Titelblatt zu setzen; er wurde also im Namen beider Autoren geschrieben (ich hoffe, du verstehst, ob der Autor beiliegender Briefe in der Lage gewesen wäre, auch nur eine einzige gute literarische Zeile zustande zu bringen). Also, das Buch wurde nach Moskau, ins GULAG, geschickt – und dort blieb es hängen [13].

12.10.1953 An F.R. Stilmark aus Maklakowo
… Ich erzähle, welche Ereignisse sich in den letzten zehn Tagen zugetragen haben. Meinen letzten Brief an dich habe ich aus Maritas Jenisseisker Wohnung geschrieben: alles war schon von den gewohnten Plätzen fortgeräumt, wir saßen auf Bündeln und Koffern und warteten auf den LKW. Draußen fiel ein nasskalter Regen, unsere Stimmung war nicht gerade rosig: voller Ungewissheit, das Wetter schlecht, überall Unklarheiten… Aus dem Fenster sah ich eine Tankstelle- ich hoffte. Dort den Lastwagen zu entdecken. Später kamen ehemalige Kollegen von Marita – mit besorgten Gesichtern und gespielter Fröhlichkeit. Ich ging los, um den Wagen zu holen, fand den Fahrer und ließ ihn unverzüglich zum Haus fahren… Maritas Kollegen halfen uns beim Aufladen. Sie verabschiedeten sich sehr lieb, versprachen uns zu besuchen, sobald sie eine Adresse hätten. T.W. (Schwiegermutter –F.S.) tat mir leid: die arme alte Frau weinte, wir trennten uns von allem Vertrauten und Gewohnten – dem Haus, dem gesicherten Leben, dem Ansehen in der Stadt. Marita, wie immer in schweren Minuten, zeigte sich als ganz großartige Frau: sie war ruhig, beinahe fröhlich, stolz und mit hoch erhobenem Kopf. Als bereits alle im Auto saßen, das mit unseren beinahe zigeunerhaften Habseligkeiten beladen war, blieben Marita und ich allein in den leeren Zimmern zurück. Ich hielt ihre Hand, und wir setzten uns vor der Abreise noch eine Weile nieder; sehr klar begriff ich, was ich da für eine Verantwortung auf meine Schultern genommen hatte. Wir fuhren bei leichtem Regen fast 40 km wohlbehalten unseres Weges, größtenteils am Ufer des Jenissei entlang; unser graues Kätzchen Mussika, welches wir in einem Korb mitgenommen hatten, kroch unterwegs irgendwie unter all den Sachen hervor und schaute ganz verwirrt auf den vorbeihuschenden Wald. Mit Müh und Not konnte ich sie unter den Mantel schieben, der eigentlich Lenka als Windschutz-Einrichtung dienen sollte.

Wir stellten unser Hab und Gut vor dem Haus meines Bekannten und Kameraden der unlängst geschehenen Wechselfälle des Lebens ab. Er war in Maklakowo gerade erst mehr oder weniger mit seiner Frau und der fünfjährigen Tochter „sesshaft“ geworden. Er hatte sich in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in einem aus Holzbalken errichteten Häuschen eingerichtet. Nun kamen noch vier ganz unverhofft zu ihm, und dazu noch eine Katze. Es sind sehr gute, geduldige Menschen, die fremdes Leid hervorragend verstehen. Sie überließen uns eines (das größere) der beiden Zimmer und bestanden darauf, dass wir bei ihnen so lange wohnen bleiben, bis unsere Angelegenheiten vollständig geregelt und in Ordnung gekommen sind.

Nach diversen Bemühungen und Laufereien fand ich für mich einen nach hiesigen Maßstäben (nach denen der wissenschaftliche Doktorgrad sich ganz gut mit den Verpflichtungen auf dem Gebiet der Fäkalienentsorgung verträgt, und die passenden Dozenten – Zimmerleute – werden gleich dutzendweise eingestellt)) recht seriösen Posten, der mir eine Perspektive von 940 Rubel verheißt (nach Ablauf der Probezeit mit 790 Rubel), doch leider stimmt nicht alles mit meinem Profil überein… Kurz gesagt, es gibt hier eine Bauverwaltung, die sich mit dem Aufbau von Industrieanlagen befasst, und in einem der Vorarbeiter-Reviere fand ich Arbeit als Norm-Sachbearbeiter. Ich habe den Job, d.h. sie haben mich genommen, aber da ich von diesen Dingen so viel verstehe, wie „eine Kuh vom Schlittschuhlaufen“, ist … mein Befinden nicht sonderlich gut. Zehn Tage lang habe ich mich mit allen möglichen Angelegenheiten beschäftigt, und morgen steht mir die Abgabe von 76 erledigten Aufgaben bevor, für die ich voll verantwortlich bin.

Wie ich das bewerkstelligen soll, weiß Gott allein, aber ich habe dasselbe Gefühl, wie seinerzeit in der Schule, wenn du weißt, dass morgen eine Arbeit in Algebra geschrieben wird, und du dir durch keinerlei Gebete die Kenntnisse über all das erflehen kannst, von denen du armer Sünder auch nicht annähernd eine Ahnung hast; doch der morgige Tag wird unwiderruflich diese Testarbeit mit sich bringen. Nachdem ich fünf Tage in Ljonjas (der Name meines Kameraden, der uns Unterschlupf gewährt hat) Wohnung gesessen hatte, erreichte ich, dass man in einem der noch nicht fertig gestellten Holzbauten mit vier Wohnungen einen Ofen setzte und die größten Ritzen und Löcher abdichtete. Das wurde widerwillig erledigt, und dann, am 2. Oktober, einem Sonntagabend, setze ich mich auf Ljonkas Stühlchen vor Ljonkas Tischchen (das gerade einmal die gleiche Höhe wie meine Knie hat) - in meinem eigenen „Haus“, d.h. in der aus zwei Zimmerchen bestehenden Wohnung, mit einer Gesamt-Wohnfläche von 21 qm, Herd, Kammer und sogar einer Öffnung im Fußboden für den zukünftigen Vorratskeller. Möbel haben wir nicht, aber ich habe schon einen Tisch aus Holzbrettern zusammengebaut. Derweil schlafen wir noch auf dem Fußboden, bald werden wir eine hölzerne Bettstelle besitzen. Nur Lenka hat eigene Möbel – ein Bett, ein Tischchen und ein Stühlchen. Für uns selber, drei Erwachsene, haben wir einen Hocker und eine Sitzbank. Auch ein paar Regale sind schon fertig; so richten wir uns nach und nach ein. Zu unserem Leidwesen ist Lenka krank geworden: die arme Kleine hat 40 Fieber; es sind die Masern, die sie aus Jenisseisk mitgebracht hat. Das Kindchen weint, die Mutter schläft nächtelang nicht. Und ich bin so wahnsinnig mit der Arbeit beschäftigt, dass ich systematisch bei Tagesanbruch das Haus verlasse und erst im Dunkeln wieder heim komme; ich habe keine Zeit für die häuslichen Dinge. Unsere Unterkunft weist mit den Fenstern zur Straße. Sie ist noch nicht verputzt und nicht geweißt, also noch ganz „roh“, d.h. alles riecht nach harzigem Holz. Die Fenster sind ganz gewöhnlich verglast – für den Sommer. Einstweilen ist es draußen noch warm, in der Wohnung herrschen 23 Grad, aber wenn es 50 Grad Frost gibt … wir haben keine Ahnung, was dann mit dem unbeheizten Holzhäuschen passiert!

Die Beleuchtung besteht einstweilen aus – Kerzen, dann Lampen werden nicht verkauft, von Kerosin kann hier auch überhaupt keine Rede sein, und Funzeln mit Heizöl haben wir noch nicht aufgestellt. Wir denken daran, für unser Licht elektrischen Strom von der nahegelegenen Hauptleitung zu verlegen, aber da hier noch keine Leitungen liegen, würde das sehr teuer werden. Marita hat bisher für sich noch keine berufliche Beschäftigung gefunden, aber im Zusammenhang mit Kenkas Erkrankung wäre das auch gar nicht möglich gewesen. Und im Allgemeinen fühlt sie sich nach all dem Durchgemachten in unserem noch unvollständig eingerichteten, aber immerhin eigenen, Nest sogar sehr wohl. Und wir müssen nichts geheim halten und verbergen – jetzt sind wir beisammen, das Schwierigste liegt hinter uns, wir haben ein Dach über dem Kopf und den guten Willen, eine intakte Familie zu gründen… Marita ist guter Stimmung, nur Lenkas Erkrankung zehrt an den Kräften der beiden – das Kind quält sich sehr (vor allem aufgrund des Hustens), die Mutter springt alle zehn Minuten auf und fühlt sich deswegen auch krank und zerschlagen, und außerdem hat sie sich in all diesen Wirren auch noch selber erkältet.

Die ernsthafteste Besorgnis – ist die Unsicherheit der beruflichen Situation. So sehr ich mich „am richtigen Platz“ während der Expedition befand (er arbeitete als Geodät beim Bau der Chaussee von Krasnojarsk nach Jenisseisk – F.S.) und dort „ganz bei der Sache“ war (wenn auch mit schlechter Bezahlung), so sehr ist die hiesige Lage ungewohnt. Meine Pflichten als solche sind sehr angenehm, aber unschön ist immer noch das Gefühl der Hilflosigkeit vor den Naturgewalten im Hinblick auf die 18 Spezial-Berufe beim Bau, die meine ganze Autorität fordern und, was das Wichtigste ist, meine begründeten Einschätzungen. SO stehen die Dinge. Und in 6 Monaten steht noch ein großes Ereignis bevor – die Geburt eines neuen Menschenkindes, des ersten sibirischen Stilmarks. Marita wartet ruhig und mit Freude darauf, ich dagegen bin in Sorge und Aufregung und – freue mich natürlich auch… [13]

23.11.1953 An F.R. Stilmark aus Maklakowo

… In deinem letzten Brief erwähntest du Informationen, die du über Maklakowo erhalten hast. Diese Angaben kommen offensichtlich von Alteingesessenen und Augenzeugen (ihre Spezialität scheint es zu sein, nichts zu erinnern und nichts im richtigen Licht zu sehen). Richtig ist, dass zu Beginn der neuen Ökonomischen Politik die Engländer hier eine kleine Sägemühle auf Konzession gebaut haben. An denselben Knochen ist auch anderes Fleisch gewachsen. Jetzt ist das nur ein kleines Element eines äußerst soliden Unternehmens. Das Holz, das während der schiffbaren Zeit für die Verarbeitung im Winter herausgeschafft wurde, türmt sich am Ufer wie ein Ausläufer der Ural-Gebirgskette. Die Produktion verbucht Kilometer und sieht attraktiv aus: ich liebe saubere Bretter wie reines Papier, wie Gussstücke reinen Metalls usw. Es hat hier überhaupt noch nie irgendein Schiffbau-Unternehmen gegeben: eine kleine Schiffswerft gibt es in Jenisseisk und eine ähnliche – in Podtjossowo. Das ist alles, allerdings nicht weit entfernt: Jenisseisk – 40 km und Podtjossowo höchstens 55. Dass das Dorf das allerschmutzigste war, ist, nach seinen Überresten zu urteilen, nur allzu wahrscheinlich. Diese Überbleibsel, die dabei auch noch in einen anderes Revier hinübertransportiert wurden, definieren die Gegend und Landschaft ungefähr so, wie das Dorf Karatscharowo die Umgebung der Fabrik Erdöl-Gas definiert. Ob diese anziehend wirkt oder nicht, ist wohl eine Frage des Geschmacks, doch wenn man aus etwa 10 km Entfernung auf Maklakowo schaut, dann siehst du tagsüber schwarze Schornsteine, langgezogene Gebäude, Berge von Holzstämmen, vier Rauch- und Qualm-Säulen sowie etwas undefinierbar Aufgetürmtes: die Wohnsiedlung. Und in der Nacht – den Schein von elektrischem rotem Licht, merklich effektiver als der Jenisseisker. Die Siedlung wächst wöchentlich um 1-2, manchmal 3-4 Häuser, standardmäßige, aus Holzbalken zusammengehauene, private, staatliche usw. Allein im November haben wir 32 neue Häuser abgeliefert, und dabei waren im Dorf lediglich ganze zwei Dutzend Häftlingsholzhütten, die man schon lange zu Brennholz zerlegt hatte. Und gegenüber, am anderen Ufer – fast nur undurchdringliche Taiga. Hier gibt es wohl an die 8-10 Geschäfte, ebenso viele Verkaufsstände, ein Restaurant, eine Kantine, einen gewöhnlichen Klub, wo Filme in der Region immer zuerst gezeigt werden – zur gleichen Zeit wie in Krasnojarsk.

Die Anlegestelle sieht genauso aus, wie die in Jenisseisk. Es gibt eine Bauverwaltung, die gerade ein großes Unternehmen errichtet – „die Fabrik der Fabriken“. Außerdem werden noch ein halbes Dutzend Holzverarbeitungsbetriebe, Zellulosewerke, Furnierfabriken usw. gebaut; das ganze Ufer zwischen uns und Jenisseisk wird sich wohl in ein einziges dicht gedrängtes Fabrikgelände verwandeln. Nicht weit von hier bauen sie das Jenisseisker Wasserkraftwerk. Früher oder später wird hier die Eisenbahnlinie vorbeiführen und unsere Chaussee in aller Eile ausgebaut werden.
der Gewerkschaft, der Verwandten, Freunde usw.) kann man sich ein Haus und
Hier kann man sich sein Leben einrichten. Bei Vorhandensein von Energien, einer kleinen Hofwirtschaft, Erfahrung und entsprechendem Wunsch und Interesse sowie ein wenig Unterstützung (egal welcher Art, d.h. seitens des Staates in Form eines Darlehens oder seitens schwindelerregenden finanziellen Aufwand bauen, sich nach und nach eine schöne staatliche Wohnung anschaffen. Man kann sich eine kleine Hauswirtschaft zulegen und sich so viele kleine Nebenverdienste zulegen, dass man das Bild des Dahinvegetierens und der Armseligkeit nur mit der für die Intelligenz typischen Ungeschicklichkeit des Hauptkontingents der Bevölkerung erklären kann. Im Bezirk (auch in den umliegenden) wird viel gejagt, gefischt usw. Im Allgemeinen findet hier jeder beliebige Spezialist irgendeine Verwendung, jeder. Die Möglichkeit eines Nebenverdienstes ist in allen wirtschaftlichen Bereichen groß, aber kläglich auf humanitärem Gebiet.

Womit haben wir bezüglich Marita angefangen? Bei der Ankunft, nachdem ich einen Posten gefunden hatte, standen wir vor einem Dilemma: sollten wir eine Privatwohnung (100 Rubel pro Monat) mieten – oder uns eine eigene Behausung schaffen? Wir entschieden uns beide für die zweite Variante. Um Wohnraum ist es ziemlich schlecht bestellt, deswegen kann man allenfalls eine noch nicht fertig gebaute Wohnung „ergattern“ und sie dann, wie man sagt, „nach seiner Fasson“ ausbauen. Wir zogen also in ein unfertiges Haus; sie setzten uns einen Ziegelofen, versahen unser Zwei-Zimmer-Häuschen nach und nach mit Holzleisten, verputzten die Wohnung mit einer dicken Zementschicht (das musste alles angeliefert werden). Gestern Abend war das Verputzen beendet. Morgen soll das Weißen beginnen. Wir kriechen mit unseren spärlichen Habseligkeiten von einer Wohnung in die andere – bis zur Unendlichkeit. Besonders quält sich die Schwiegermutter. Und Lenka wird in ihrem Leben das Wort „Renovieren“ wie das Feuer fürchten. Es wäre billiger gewesen, alles mit Lehm zu verputzen, aber feuchten Lehm mit den eigenen Hinterteilen zu trocknen ist weitaus schlimmer, als trockener Zement…[13]

 

 

 

 

Erinnerungen der Alteingesessenen an R.A. Stilmark

 

Brief von M.D. Sawjolowa aus Maklakowo

 

Manuskript des Romans „Der Erbe aus Kalkutta“

 

 

Anhang


R.A. Stilmark bei der Arbeit


R.A. Stilmark mit Ehefrau M.D. Sawjolowa


R.A. Stilmark und M.D. Sawjolowa


M.D. Sawjolowa


R.A. Stilmark während des Krieges


Moskau (Kupawna). Leonid Josifowitsch Tschernjak und
Robert Aleksandrowitsch Stilmark (Sommer 1970)


R.A. Stilmark in den 1970er Jahren


R.A. Stilmarks 60. Geburtstag. Die Auszeichnung hat endlich den Soldaten gefunden (den Orden des Roten Banners erhielt er 1969 anstatt 1945). Moskau, 1969.


September 1990. Im Arbeitszimmer des Direktors des Lessosibirsker Museums.
Auf dem Foto: der Direktor des Museums A.A. Schaidt, M.D. Sawjolowa – Ehefrau des Schriftstellers R.A. Stilmark, M.D. Sawjolowas Kusine; sie waren aufgrund einer Einladung des Museums aus Moskau eingetroffen.


Kupawna 1975. M.W. Sawjolowa und R.A. Stilmark


Dmitrij Robertowitsch Stilmark im Alter von 15 Jahren,
Kupawna 1974


Aleksandr Robertowitsch Stilmark
Kupawna, Sommer 1985


R.A. Stilmark vor dem Krieg (1930)

Quellen-Angaben:

1. N. Wereschagin. Erinnerung an F.R. Stilmark / N. Wereschagin // Ochota, - 2006. - N° 9. - S.11.
2. T.A. Syrjanowa „DerRoman über den Roman“ (Geschichte der Entstehung des Buches „Der Erbe aus Kalkutta“ / T.A. Syrjanowa / Lektionen. – Lessosibirsk. – 1991.
3. M. Korol. Die Geschichte eines Buches / M. Korol // Wissenschaft und Leben. – 1998. – N° 10, S. 31.
4. A. Lebedew. Die Stilmarks – eine Dynastie russischer Patrioten / A. Lebedew // Zeitschrift für wahre Papas „Väterchen“. – 2008. – N° 6. – S- 46-49.
5. A.W. Polynskij. Der Erbe aus Kupawna: [über R.A. Stilmark] / A.W.Polynskij // Das russische Haus. – 2005. – N° 10. – S. 48-50.
6. A. Schaidt. Menschen und Ereignisse: [R.A. Stilmark] / A. Schaidt // Rechtzeitig. – 2000. – N° 15. – S. 7.
7. R.A. Stilmark. Der Erbe aus Kalkutta ( R.A. Stilmark / - Krasnojarsk: Buch-Verlag, 1989. - 778 S.
8. F.R. Stilmark. Umschläge mit dem Stempel des GULAG / Veröffentlichung von Briefen R.A. Stilmarks aus jenisseisk // „Krasnojarsker Arbeiter“. – 1989, 2. April. – S.2.
9. F.R. Stilmark „Allgemein gesagt, ist e- ein Wunder…“ / F.R. Stilmark //Jenisseij. – Krasnojarsk. – 1988. – N° 6. – S. 67-73.
10. F.R. Stilmark, Kleiner Detektiv über einen großen Roman / F.R. Stilmark // In der Welt der Bücher. – 1987. – N° 4.
11. F.R. Stilmark. Das Rätsel um den „Erben aus Kalkutta“: Über den Roman und seinen Autor / F.R. Stilmark // Stern des Ostens. – Taschkent. – 1996. – N°. 5. – S. 115-127.
12. F.R. Stilmark. Der verzauberte Pilger eines entschwundenen Jahrhunderts / F.R. Stilmark // Gesammelte Werke: 4 Bd // R.A. Stilmark.- Moskau, 2001. – Bd. 1. – S. 5-30.
13. R.A. Stilmark. Bestände des Lessosibirsker Museums (Erinnerung der Ehefrau Robert Aleksandrowitsch Stilmarks – Margarita Dmitrijewna Sawjolowa; Briefe an den Sohn Feliks; Manuskripte des Buches „Der Erbe aus Kalkutta“; Erinnerungen Alteingesessener; Fotografien u.a.




 


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