Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Русский

Butschinskij, Iwan Franzewitsch – Soldat, Lehrer, ...

Verfasserin: Tatjana Wladimirowna Tokarewa
Städtische allgemeinbildende Schule Lebjasche.

Leitung: Geschichtslehrerin
Ljudmila Romanowna Kowalewa.

Städtische allgemeinbildende Schule Lebjasche.
Lebjasche 2005

Inhalt

1. Das Leben vor dem Krieg
2. Militärdienst
3. An der Front (Großer Vaterländischer Krieg)
4. Kriegsgefangenschaft, Konzentrationslager
5. Das erste Jahrzehnt nach Kriegsende
6. Erinnerungen an den Lehrer
7. Literaturangaben

In meiner Arbeit will ich von einem bemerkenswerten Mann erzählen, dem Lehrer an der Oberschule von Lebjasche und Teilnehmer am Großen Vaterländischen Krieg – Iwan Franzewitsch Butschinskij. In meinem Bericht habe ich Iwan Franzewitschs Erinnerungen verwendet (die im Schulmuseum verwahrt sind), aber auch die seiner Ehefrau Aleksandra Konstantinowna Butschinskajas sowie verschiedener Lehrer und Schüler, also jener, die Iwan Franzewitsch gekannt, mit ihm zusammengearbeitet oder neben dem Mann mit diesem eigentümlichen Schicksal gelebt haben.

Iwan Franzewitsch wurde 1914 in der Ortschaft Idra, Idrinsker Bezirk, geboren. Dort ging er auch zur Schule und beendete die 7. Klasse. Anschließend setzte er seine Ausbildung am Technikum der Stadt Minusinsk fort. Nach dem Krieg absolvierte er im Fernunterricht das die physikalisch-mathematische Fakultät am Abakansker Institut für Pädagogik. Danach arbeitete er an der Schule, aber das war alles schon nach dem Krieg.

Anfang 1940 wurde er in die Armee einberufen (bis 1939 mußten Lehrkräfte keinen Wehrdienst leisten). Zunächst diente er unweit der Stadt Nowosibirsk; im Monat Mai brachte man ihn in die südwestliche Ukraine (an die rumänische Grenze). Danach wurde der Truppenteil, in dem Iwan Franzewitsch diente, in die Stadt Lutsk verlegt. Am 20 Juni 1941 kamen sie an die Grenze, etwas 2-3 Kilometer vom Fluß Bug entfernt, am 22. Juni um 4 Uhr gerieten sie in ein Gefecht. Dort flogen die Flugzeuge der Faschisten in sehr geringer Höhe, und die Grenzsoldaten begriffen nicht sofort, daß das, was sich hier abspielte, Krieg war. Man hatte versucht, sie davon zu überzeugen, daß es sich um eine reine Provokation handelte. Viele kamen sofort ums Leben, ebenso wie der Kommandeur der Kompanie - Prudnikow. Die Grenzsoldaten, die nun umzingelt und in den Hinterhalt des Feindes geraten waren, marschierten praktisch unbewaffnet in Richtung Kiew.

Im Oktober 1941 geriet Iwan Franzewitsch in Gefangenschaft. Sie verschleppten ihn nach Deutschland, zuerst in die Stadt München und dann in ein Konzentrationslager an der Ruhr. Dort gab es etwa 1000 Kriegsgefangene. Sie waren in Kasernen untergebracht und schliefen auf Pritschen. Sie mußten im Steinbruch arbeiten und Steine schleppen. Man ging mit den Häftlingen äußerst grausam und unbarmherzig um – sie wurden geschlagen und manchmal übel zugerichtet. Die Gefangenen wurden von Tag zu Tag schwächer; sie bekamen wenig und schlecht zu essen und hatten ständig Hunger. Morgens erhielten sie überhaupt keine Ration, mittags gab man ihnen etwas Warmes und abends irgendeine Wassersuppe.

Auf zwanzig Mann kamen 1-2 Wachleute. Die Kriegsgefangenen wußten, daß sie sich in Deutschland befanden; trotzdem versuchten einige von ihnen zu fliehen. Sie tauschten die Häftlingslumpen gegen Zivilkleidung aus und liefen ins freie Feld, wo sie sich in den zusammengestellten Heugarben versteckten. Aber sie wurden von den Deutschen und ihren Hunden gefunden.

Die Faschisten schrien: „Los, Russen – kommt da raus!“ – denn sie hatten sie schon längst an ihren kahlgeschorenen Köpfen erkannt. Und wieder ging es ins KZ. 1944 wurden die Gefangenen von den Amerikanern befreit und eingekleidet. Man gab ihnen Lebensmittel und brachte sie anschließend zum Flußübergang, wo sie an das sowjetische Kommando übergeben wurden. Die Heimat begegnete den Kriegsgefangenen in einer ganz unfreundlichen Art und Weise. Nach seiner Befreiung aus der Kriegsgefangenschaft befand Iwan Franzewitsch sich unter Aufsicht, wurde zum Arbeiten in eine der Schachtanlagen im Kusbass (Kusnezker Becken; Anm. d. Übers.), nach Prokopewsk, geschickt, wo er vier Monate blieb.

Erst im Frühjahr 1947 kehrte er in die Heimat zurück und wurde dann als Lehrer für Mathematik in das Dorf Moisejewka geschickt. 1954 zog er in die Ortschaft Sorokino um. Dort lernte er auch seine zukünftige Ehefrau Aleksandra Konstantinowna kennen. Sein gesamtes weiters Leben ist eng mit dem Jenisej, mit Sorokino-Lebjasche verbunden. Alle erinnern sich an Iwan Franzewitsch als einen strengen und anspruhsvollen Lehrer, der sein Fach hervorragend beherrschte und es verstand, den Kindern sein Wissen zu vermitteln. Ehemalige Lehrer erinnern sich daran, daß man ihn einmal in ein Sanatorium schickte und in dieser Zeit vertretungsweise einen Lehrer aus Krasnoturansk schickten. Als Iwan Franzewitsch aus dem Urlaub zurückkehrte, mußte er den ganzen Lehrstoff noch einmal durchnehmen und erklären, denn bei dem neuen Lehrer hatten die Kinder buchstäblich nichts gelernt und nichts begriffen.

Über Iwan Franzewitschs Strenge machten sogar Legenden die Runde. Wenn er einen Schüler befragte und dieser den Stoff nicht beherrschte, zwang der Lehrer ihn, das Material zu pauken und sagte: „Wenn du nicht antwortest, bekommst du eine „2“ – sowohl für die Hausaufgabe, als auch dafür, daß du nicht gelernt hast“ (eine „2“ entspricht im russischen Schulsystem etwa der deutschen „4“; Anm. d. Übers.).

Wenn, was mitunter vorkam, die Schule wegen einer Grippe_Epidemie geschlossen wurde, dann waren auch der Besuch des Kinotheaters und der Tanzveranstaltungen in Sorokino verboten. Niemand wagte es, sich dem Befehl zu widersetzen. Aber die Tollkühnsten rannten in den Klub im Nachbardorf Birja.

In verschiedenen Jahren arbeitete Iwan Franzewitsch als pädagogischer Leiter, einige Jahre war er auch Direktor der Sorokinsker 8-Klassenschule. 1978 wurde Iwan Franzewitsch schwer krank und starb.

Das Schicksal von Iwan Franzewitsch Butschinskij ist eines der Schicksale, wie sie der Jugend in den 1940er Jahren des 20. Jahrhunderts zufielen. Gerade dank solcher Menschen, wie Iwan Franzewitsch es war, sind wir, die Generation des 21. Jahrhunderts, am Leben. Schon lange weilt dieser bemerkenswerte Mann nicht mehr unter uns Lebenden, aber Lehrer, Alteingesessene, alle erinnern sich noch an ihn.

Dieser Mensch hat eine dankbare Erinnerung an sich hinterlassen. Er war ein markanter Mann. Einer von wenigen jener Generation, die aus dem Krieg zurückkamen.

Zum Abschluß meiner Arbeit möchte ich erwähnen, daß wir, die jungen Menschen des 21. Jahrhunderts, uns vor Menschen wie Iwan Franzewitsch Butschinskij, ehrfürchtig verbeugen, seinen Mut erlernen, die Fähigkeit, standhaft in unseren Überzeugungen und Taten zu sein, danach streben, mehr über die Schicksale unserer Landsleute zu erfahren, denn diese meine Arbeit betrachte ich noch nicht als abgeschlossen. Ich werde unsere Geschichte weiter erforschen.

Literaturangaben

1. Buch der Erinnerung
2. Erinnerungen der Ehefrau Aleksandra Konstantinowna Butschinskaja
3. Erinnerungen ehemaliger Schüler
4. Archiv des Schulmuseums
5. Fotos


Zum Seitenanfang