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Gestrafte Völker

DEPORTATION

Es gibt Nächte, in denen ich um mich trete,
Nach Russland schwebt das Bett;
Und da führen sie mich zu einer Schlucht,
Führen mich zu einer Schlucht, um mich zu töten...
(Aus dem Gedicht «Erschießung» von W. Nabokow, Berlin, 1927)

DIE KALMÜCKEN

Der erste Sammelband von David Kuguktinow erblickte das Licht der Welt im Jahr bevor der Krieg ausbrach, als der Autor achtzehn Jahre alt wurde. Und dann geschahen zwei Ereignisse zur gleichen Zeit: er wurde in den Verband der Schriftsteller der UdSSR aufgenommen und beriefen ihn in die Rote Armee ein. Und bald darauf begann der Krieg, den der junge Bursche aus der Siedlung Abganer-Gachankiny, die sich in Kalmückien befindet, "von Anfang bis Ende" durchlief. Das Kampfgeschehen beendete er als Offizier und Kommunist.

1944 wurde der Dichter verhaftet und wegen seiner Verse verurteilt: er hatte sich die Freiheit herausgenommen, mit dem Führer nicht einer Meinung zu sein, indem er in seinen Werken gegen die Aussiedlung von Völkern unseres Landes aus ihren heimatlichen Gefilden, gegen Genozid, Zerstörung und Ausrottung jeglicher Nationalität eintrat. Seine Haftzeit verbüßte er in Norilsk. Er verrichtete ungelernte Arbeiten in der Metallindustrie, später war er als Heizer im Geburtshaus tätig.

Der Dichter wurde erst 1956 rehabilitiert, nach dem 20. Parteitag.

Leben! Streng werden wir die Seele prüfen,
Ob du mich nicht in Schrecken versetzt hast!
Es feuerte Kanonen an vorderster Front ab, trank das Gift der Verleumdung...
Lange Zeit hat sich die Wut nicht in Barmherzigkeit verwandelt...

In diesen Zeilen liegt David Kugultinows ganzes Schicksal – das Schicksal des Volksdichters der Kalmücken, Preisträgers der Staatsprämie der RSFSR und der UdSSR.


David Nikititsch Kugultinow
Kriegsoffizier, verhaftet 1944


Kermen Kukschinowna Kukschin (1914)


Otschir Armadajewitsch Saigadschijew (1916)


Pelageja Erdnijewna Mamajewa (1932)


Sari Mukobenowitsch Sari (1912)


Bajan Jekimowna Murowa (1922)

DEKRET DES PRÄSIDIUMS DES OBERSTEN SOWJETS DER UDSSR "ÜBER DIE UMSIEDLUNG DER IN DEN WOLGA-BEZIRKEN LEBENDEN DEUTSCHEN"

Nach glaubhaften, von den Militärbehörden erhaltenen Angaben, gibt es innerhalb der in den Wolgagebieten lebenden deutschen Bevölkerung tausende und abertausende Diversanten und Spione, die, auf ein entsprechendes Signal aus Deutschland hin, in den von Wolgadeutschen besiedelten Regionen Sprengstoffanschläge verüben sollen.

Über das Vorhandensein einer derart großen Menge von Diversanten und Spionen unter den Deutschen, die in den Gebieten entlang der Wolga leben, war der Sowjetmacht bislang nichts bekannt. Infolgedessen muss man davon ausgehen, dass die deutsche Bevölkerung an der Wolga in ihrer Mitte Feinde des sowjetischen Volkes und der Sowjetmacht versteckt hält.

Für den Fall, dass es zu Diversionsakten kommt, die aufgrund einer entsprechenden Weisung aus Deutschland von deutschen Umstürzlern und Spionen in der Republik der Wolgadeutschen oder den angrenzenden Regionen durchgeführt werden, wird es ein Blutvergießen geben und die sowjetische Führung nach den für Kriegszeiten geltenden Gesetzen gezwungen sein, Strafmaßnahmen gegen die gesamte deutsche Bevölkerung in den Wolgagebieten einzuleiten.

Zur Vermeidung solcher unerwünschten Entscheidungen und zur Verhinderung großen Blutvergießens hält das Präsidium des Obersten Sowjet der UdSSR es für unerlässlich, die gesamte deutsche Bevölkerung aus den Regionen an der Wolga in andere Gebiete umzusiedeln, mit der Maßgabe, dass den Umsiedlern dort Land zugeteilt und ihnen staatliche Hilfe beim Einrichten ihres neuen Lebensraumes gewährt wird.

Für die Neuansiedlung sind die Regionen Nowosibirsk und Omsk, das Altai-Gebiet, Kasachstan und andere benachbarte Örtlichkeiten vorgesehen, wo reiches Ackerland im Überfluss vorhanden ist.

In Zusammenhang mit dieser Verordnung ist dem Staatlichen Komitee für Verteidigung der Befehl erteilt worden, die Umsiedlung aller Wolga-Deutschen unverzüglich durchzuführen, den wolgadeutschen Umsiedlern ein Stück Land sowie nutzbaren Ackerboden in den neuen Gebieten zuzuweisen.

DIE DEUTSCHEN

Mitteilung von Maria Emmanuilowna Weiber (gemäß Briefen vom 17.03.95 und 20.06.95). Übermittelt nach Saratow, Kansk, Wiedergeburt.

Im September 1941 wurde die deutsche Familie Arndt aus der Ortschaft Schilling, Kanton Krasnij Kut, ASSR der Wolgadeutschen, deportiert: Emmanuel Michailowitsch Arndt (1901- 1943), Eva Petrowna Arndt (1897- 1985), Maria Emmanuilowna Arndt (geb. 1924, heute Weiber), Ida Emmanuilowna Arndt (geb. 1929, lebt in Irkutsk), Alexander Emmanuilowitsch Arndt (geb. 1933, lebt in Bogutschany), Viktor Emmanuilowitsch Arndt (geb. 1937, verstorben), Irma Emmanuilowna Arndt (lebt in Krasnojarsk).


Eva Petrowna Arndt (1897-1985)


Ida Danilowna Arndt (1929)


Alexander Danilowitsch Arndt (1933)

Die Deportierten wurden in Kansk abgeladen und über Aban in das Dorf Aleksejewka, Abansker Bezirk, gebracht. Am 24.01.42 wurde E. M. Arndt aus Aleksejewka in die „Trudarmee“ geholt. Er saß im KrasLag in Nischnaja Tuguscha. Später schickten sie ihn nach Kansk (offenbar in die Invaliden-Lagerzone). Er starb in Kansk am 13.08.43.

In der Verbannung trug irgendein Schreiberling aus der Kommandantur für alle Kinder von E.M. Arndt den Vatersnamen "Danilowitsch" bzw. "Danilowna" ein. Alexander und Maria haben bis heute den falschen Vatersnamen in ihren Dokumenten stehen.

Am 03.06.43 jagte man auch Maria Emmanuilowna in die "Trudarmee" – in die Siedlung Ust-Port, Nischne-Jenisseisker Bezirk (Nischne-Dudinka). Später wurde die Mutter mit den übrigen Kindern nach Bogutschany verlegt, lediglich A.E. Arndt blieb am vorherigen Ort in der Verbannung.
Erst im Herbst 1950 entließ man Maria Emmanuilowna aus Ust-Port, damit sie zu ihrer Mutter gehen konnte. Sie ließ sich in der Siedlung Bideja, Bogutschansker Bezirk, nieder.

A.E. Arndt wurde am 08.02.1956 aus der Verbannung entlassen, für die übrigen im Bogutschansker Bezirk hob man die Kommandantur-Unterstellung am 13.02.56 auf.
03.07.95. Aufgezeichnet von W.S. Birger, Krasnojarsk, Organisation "Memorial"

DIE GRIECHEN

Mitteilung von Moissej Nikolajewitsch Lawrentiadi. Übermittelt nach Krasnodar.

Am 28.02.38 wurde in Anscheronsk (Bezirkszentrum der Region Krasnodar) der Ladearbeiter des Holzlagers № 2 Nikolaj Iwanowitsch Lawrentiadi (1911- 1938) verhaftet; Grieche, gebürtig aus der Türkei.

Am 29.04.38 wurde er von einer "Dwoika" nach § 58-11 (vermutlich nach § 58-6,11) verurteilt und erschossen (wahrscheinlich in Majkop).

Er wurde posthum am 13.03.61 von einem Militärtribunal des Nordkaukasischen Wehrkreises rehabilitiert.

Im Mai 1942 wurde seine Familie aus Anscheronsk deportiert: Maria Issakowna Lawrentiadi (geb. 1909, lebt in Krasnojarsk), Konstantin Nikolajewitsch Lawrentiadi (1934- 1959), Moissej Nikolajewitsch Lawrentiadi (geb. 1936, lebt in Krasnojarsk, will nach Griechenland ausreisen).
Gleichzeitig wurden auch die Mutter und die Brüder von M.I. Lawrentiadi deportiert, die еbenfalls in Anscheronsk lebten:

Warwara Wassiliadi (geb. ca. 1890 – gest. ca. 1960 in Kasachstan),
Pantelej Issakowitsch Wassiliadi (geb. ca. 1926, lebt in Kasachstan),
Chriostofor Issakowitsch Wassiliadi (geb. ca. 1920 – gest. ca. 1944).
Stilian Issakowitsch Wassiliadi (geb. 1914, lebt in Diwnogorsk) und seine Ehefrau Jekaterina Wassiliadi (geb. ca. 1916) – Kinder hatten sie damals noch nicht.

Im August 1942 wurden die verbannten Griechen nach Krasnojarsk verfrachtet und bald darauf zum Flusshafen geschickt, von wo aus sie mit dem Schiff den Jenissei flussabwärts gebracht wurden. Gerüchten zufolge hatten die Behörden die Absicht einen Teil der Griechen nach Kurejka zu schicken, aber die Familien Lawrentiadi und Wassiliadi wurden bereits viel früher abgesetzt – in der kleinen Siedlung Wachta im Turuchansker Bezirk, zwischen der Mündung der Podkamennaja Tunguska und Wjerchneimbatsk. Insgesamt wurden in Wachta ungefähr 10 griechische Familien abgesetzt.

DIE UKRAINER

Mitteilung von Sofia Fominitschna in Luzk, Lwow.

Die ukrainische Bauernfamilie Smeschko lebte in der Ortschaft Radoschmy, Luzker Bezirk, Gebiet Wolhynien. Die Brüder Nikola Fomitsch Smeschko (1920-1944) und Wolodimir Fomitsch Smeschko (1922-1944) dienten in der Ukrainischen Aufständischen-Armee. Im Sommer 1944 erschoss M. Ch. Smeschko sich, als er sich von allen Seiten von Angehörigen eines Straf-Kommandos umzingelt sah. W. Ch. Smeschko wurde von den Trupps festgenommen und am 16.08.44 von einem Tribunal der NKWD-Truppen im Gebiet Wolhynien verurteilt. Am 28.10.44 wurde sein Todesurteil vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR bestätigt.

Wolodimir Smeschko wurde am 23.11.44 erschossen (wahrscheinlich in Luzk). Am 14.01.92 wurde er posthum durch die Staatsanwaltschaft des Gebietes Wolhynien rehabilitiert.

Das Haus der Familie Smeschko wurde von Straftrupps abgeriegelt, der Vater erkannte die Gefahr rechtzeitig und befahl den Kindern sich zu verstecken. Die Töchter Sofia und Jewgenia sowie der Sohn versteckten sich im Ofen und im Heu. Die Eltern Choma Jefimowitsch Smeschko (1895-1976) und Jefimija Juchimowna Smeschko (1896-1986) wurden verhaftet und ins Gefängnis nach Luzk gebracht. Den Töchtern gelang es sich aus dem Dorf auf und davon zu machen und sich bei Verwandten in den Nachbardörfern zu verstecken, doch der kleine Sohn Odeksa (Aleksej) Chomitsch Smeschko (geb. 1933) geriet in die Hände der Straforgane, die ihn ins Gefängnis brachten, wo bereits Vater und Mutter saßen.

Im Luzker Gefängnis saßen sie etwa einen Monat, dann, Anfang September 1944, trieb man sie zusammen mit anderen Verbannten in Güterwaggons und transportierte sie nach Sibirien ab. In Krasnojarsk wurden sie abgeladen und anschließend in den Suchobusimsker Bezirk, ins Dorf Schilinka geschickt. Dort wurden die Verbannten in einem leeren Lager untergebracht, aus dem man zuvor Gefangene fortgebracht hatte. Ch. M. Smeschko, seine Frau und sein Sohn erhielten gemäß Anordnung eines Sonderkollegoims des NKWD vom 30.09.1944 fünf Jahre Verbannung mit Konfiszierung des gesamten Besitzes.

In Schilinka arbeiteten die Verbannten in der "Sowchose der NKWD-Behörde" (später der Behörde des Innenministeriums). 1949 hätten sie aus der Verbannung entlassen werden müssen, aber das geschah nicht; stattdessen verkündete man ihnen am 04.05.1950, dass sie „für immer dortbleiben müssten". Danach begaben sich die Töchter zu den Eltern nach Schilinka. Sie wurden nicht der Kommandantur unterstellt. 1955 fuhr Jewgenia Smeschko nach Mosyr. Im Sommer 1957 erlaubte man Oleksa Smeschko eine Ausbildung in Krasnojarsk, und am 17.04.1958 entließen sie ihn aus der Verbannung und händigten ihm einen Ausweis aus. Am 20.04.1959 wurden auch die Eltern freigelassen. Auch sie erhielten einen Ausweis. In demselben Jahr fuhren Ch. M. Smeschko und J.J. Smeschko nach Mosyr im Gebiet Gomel. О. Ch. Smeschko lebt heute im Stawropolsker Gebiet.

Er und seine Eltern wurden am 10.10.1996 rehabilitiert (durch die MWD-Behörden des Wolhynsker Gebiets.)

09.12.1996. Aufgezeichnet von W.S. Birger, Krasnojarsk, "Мемориал"-Gesellschaft

Aufbereitet von W. Sirotinin

Friedensplatz 1
9. Mai 2000


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