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Sibirien-Deutsche, wo ist eure Heimat?

Wie wir bereits mitteilten, findet dieser Tage in Krasnojarsk das Festival des neuen deutschen Kinos statt. Zur Eröffnung des Festivals reiste auf Einladung der Regionalverwaltung für Kultur der Kultur-Attaché aus dem deutschen Generalkonsulat in Nowosibirks, Claudia Huppmaier an. Sie besuchte das Heimatkinde-Museum, das Museums-Zentrum an der Strelka, machte sich mit anderen Kultur-Einrichtungen bekannt. Ganz besonders interessierte sie sich für das Schicksal der Russland-Deutschen, die in der Region Krasnojarsk leben. Dieser Thematik war ihre Begegnung mit der Öffentlichkeit, die am Dienstag stattfand, vorrangig gewidmet.

Unter denen, die zu dem Treffen gekommen waren, befanden sich natürlich vor allem ältere Leute, doch man konnte auch recht junge Gesichter sehen. «Wir beobachten sehr aufmerksam, wie die Deutschen in Sibirien leben, — versicherte Huppmaier, eine attraktive junge Dame, als sie das Wort ergriff. — Und ich möchte Informationen sehr gern von den Bürgern selbst und nicht von den Beamten hören».

Die Bürger folgten gern ihrem Aufruf und begannen mit deutscher Pedanterie und russischer Emotionalität von der national-kulturellen Gesellschaft «Wiedergeburt», dem Klub des alten Menschen, über Arbeitskreise und Kurse, über Begegnungen und gemeinsames Teetrinken, über gemeinsame Lieder und Tänze zu erzählen. Allerdings störte ein junger Mann die Harmonie, der plötzlich, in dem er sich an Frau Huppmaier wandte, verkündete, dass die deutsche Regierung vor den Russland-Deutschen in der Pflicht stehe: «Wir haben hier ihretwegen eine Menge Leid ertragen müssen! Wir sind sowohl bei Ihrer als auch bei unserer Regierung in Vergessenheit geraten...»

Das Gespräch verlor seine Anmut und bekam eine akute Spannung, die Redner erinnerten an die Schrecken der stalinistischen Deportationen, die Sklavenarbeit in der Arbeitsarmee und anderes Unheil, das die Russland-Deutschen in der jüngsten Vergangenheit miterleben mussten. «In diesem Land waren alle betroffen, nicht nur die Deutschen», — bemerkte gerechterweise einer der Teilnehmer des Dialogs. Alle waren sich einig, dass man sich Schmarotzerlaunen nicht unterwerfen und mehr an die Zukunft denken soll. Daran, wie diejenigen auf sibirischem Boden leben können, die einst weilen nicht in ihre historische Heimat zurückkehren wollen (oder können).

Mit einer interessanten Mitteilung trat Natalia Agapowa — Vorsitzende der gerade erst in der Region entstandenen national-kulturellen Autonomie der Russland-Deutschen – auf. Gott sei Dank konnte die Autonomie ihre Schulden abbezahlen und ein neues Büro erhalten (Straße der Schachtarbeiter 4, Tel. 23-82-89). «Wir sind im Besitz einer schönen Bibliothek, in der man lesen, aber auch Bücher für Zuhause ausleihen kann. Ebenso Zeitungen und Zeitschriften in deutscher Sprache, — berichtete Natalia Wladimirowna, — und schon sehr bald werden wir in der Lage sein, regelmäßig (und kostenlos) deutsche Filme zu zeigen. Auch die Tätigkeit der Arbeitskreise und Klubs wird wiederaufgenommen».

Frau Huppmaier ihrerseits versicherte den Deutschen ihre Bereitschaft, mit der Autonomie in ständigem Kontakt zu bleiben und ihr alle erdenkliche Hilfe (nicht nur beratende) zu erweisen. So werden aus dem Konsulat neue Bücher und Filme geliefert und die gute Tradition der Durchführung von deutschen Kono-Festivals fortgesetzt; auch musikalische Projekte sollen realisiert werden.

Für diejenigen, die gern ihre Deutschkenntnisse verbessern möchten, geben wir den Hinweis, dass der deutsche Klub an der pädagogischen Universität Krasnojarsk einmal im Monat seinen Deutschunterricht abhält (Auditorium 1-13).

Also, sehr verehrte Damen und Herren, wählen Sie Ihre Heimat selbst aus. Manch einer wird ausreisen, andere werden vielleicht die alte deutsche Hymne umändern und singen: «Russland, Russland — über alles...!»

Eduard Russakow

„Krasnojarsker Arbeiter“, 4. April 2003
Das Material wurde vom Balachtinsker Heimatkunde-Museum zur Verfügung gestellt.


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