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Ach, Schicksal, Schicksalchen …

Die Geschichte handelt von der Arbeiterin an der Heimatfront und Arbeitsveteranin der Russischen Föderation Amalie Friedrichowna Wlasjuk (Foto), Амалии Фридриховне Власюк (на снимке), die in der Ortschaft Meschowo lebt.

Geboren wurde sie in der Ortschaft Lugowoje, Rowensker Bezirk, Gebiet Saratow. 1937 wurde ihr Vater verhaftet, ohne jegliche Erklärung, wohin sie ihn brächten und aus welchem Grund. Bei der Mutter blieben zwei Schwestern und ein Bruder zurück. 1941 wurden die Deutschen aus dem Wolgagebiet nach Sibirien ausgesiedelt. Man gab ihnen drei Tage Zeit zum Packen, aber sie durften nur das mitnehmen, was sie mit ihren Händen tragen konnten. All ihr Hab und Gut blieb zurück …

Man brachte sie auf einem Lastkahn nach Juksejewo, setzte sie am Ufer ab, und von dort ginge es mit Pferden weiter bis nach Meschowo.

Folgendes hat Amalie Friedrichowna uns von sich erzählt: «Sie brachten uns im Herbst 1941 nach Meschowo. Drei Familien wurden in einem Haus untergebracht, in dem es völlig leer war; wir bezogen ein kleines Zimmer von 12 qm Größe und schliefen auf dem Fußboden. Dann stellte Mama einen Ofen auf und baute uns Pritschen, wir schleppten Stroh herein und schliefen dann dort. Keine Kolchose gewährte uns Hilfe. Ich war damals 12 Jahre alt, die Schwester 15, der Bruder 10. Mama, meine Schwester und ich gingen in die Kolchose, um dort verschiedene Arbeiten zu verrichten. Den Winter überlebten wir mehr schlecht als recht, und als der Frühling kam, fingen wir an in den Wald zu gehen, um Türkenbundlilien zu sammeln. Ich erinnere mich noch, wie der Brigadier uns mit den Pflanzen erwischte, die wir in einen Sack gestopft hatten. Er riss den Sack auf (er saß oben auf dem Pferd), schüttete alles heraus, und die Pferde traten darauf herum. Wir hatten furchtbar Angst und rannten nach Hause. Wir aßen Melde, alle möglichen Gräser und Kräuter, und als die Kartoffeln hervorkamen, rissen wir die unteren Blätter ab, überbrühten sie mit kochendem Wasser und aßen sie. Ähren durften wir nicht sammeln, wir schlichen umher, holten uns erfrorene Kartoffeln, buken sie zuhause und aßen sie. Die Sachen, die wir von daheim mitgebracht hatten, tauschten wir gegen Lebensmittel ein, und als es nichts mehr zu essen gab, gingen wir in Schestakowo, Perm und Lakino betteln. Manchmal wurden wir mit Stöcken vertrieben oder von Hunden angegriffen … Im Alter von 13 Jahren ging der Bruder in die Kolchose, um Kühe zu hüten, und dabei hatte er nur einen Satz Kleidung, die er bei Regen, Hitze und Frost tragen musste. Er kam nach Hause, trocknete die Sachen auf dem Ofen und zog sie wieder an. Die Schwester mobilisierten sie an die Arbeitsfront, zu dritt blieben wir mit der Mutter zurück. Mit 15 schnitt ich bereits Getreide mit der Sense, wobei ich Ähren entwendete, die ich in meinem Kopftuch verknotete. Ich brachte sie nach Hause, rösteten den Weizen und kochten ihn zusammen mit Kartoffeln. Im Herbst gaben sie uns Weizenkleie, aus der wir saure Suppe kochten. Sie setzten mich auf einen Anhänger, aber ich hatte nicht die Kraft, den Hebel hochzuziehen. Der Traktorist stieg ab, zog den Hebel hoch, und wir fuhren weiter. Потом меня поставили на Später setzten sie mich auf der Farm am Heißwasser-Bereiter ein. Die Leute brachten Brennholz, wir zersägten es mit der Hand und kochten Rüben. Wenn wir die Rüben nach Hause trugen und sie uns dabei erwischten, steckten sie uns für 3 Jahre ins Gefängnis. Morgens standen wir um 3 Uhr auf und gingen zur Arbeit, mussten kochen und Wasser für die Ankunft der Arbeiter erhitzen. Ich arbeitete dort 3 Jahre lang, danach arbeitete ich in einem Schweinestall. 1956 heiratete ich und bekam einen Sohn.

Das Leben schien sich zu bessern. Eines Tages ging mein Mann ging los, um für uns Brennholz zu hacken, aber eine Birke fiel auf ihn und zerquetschte seinen unteren Rücken, so dass er seine Beine nicht mehr bewegen konnte. Er verbrachte 17 Jahre im Bett. Zwei weitere Söhne erstickten im Rauch, sie spielten zu Hause mit Streichhölzern und ihr Bett stand in Flammen. Ich eilte von der Arbeit nach Hause, aber sie waren bereits verbrannt, ich trug sie aus dem Haus und wurde ohnmächtig ...

Später arbeitete ich als Köchin in der Internatsschule, tagsüber kochte ich dort, in der Nacht wusch ich die Bettwäsche. Von dort aus ging ich auch in Rente».

Jetzt lebt sie mit einem Mann in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammen, sie ist oft krank, ihr Herz ist schwach und ihre Augen sehen nicht mehr richtig. Sie Als sie von sich erzählte, konnte sie die Tränen nicht zurückhalten. Hungrigen Kindern Kräuter und erfrorene Kartoffeln wegnehmen – ist das nicht lokaler Faschismus? Für gute Arbeit erhielt sie Ehrenurkunden, Jubiläumsmedaillen, аждалась почётными грамотами, und jetzt möchte sie nicht mehr an die Vergangenheit zurückdenken, denn dafür war ihr Leben viel zu schwer.

Wir wünschen ihr Gesundheit und noch viele glückliche Tage, damit sich ihre Augen nie wieder mit bitteren Tränen füllen.

N. Prochorenko
Foto: N. Ganina
Ortschaft Meschowo

„NEUE ZEIT“, № 111-112, 3.09.2005.


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