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Und wieder einmal wurde Stalin vom Sockel gestürzt

In der Siedlung Kurejka, im Bezirk Turuchansk, wurde das Denkmal Josef Stalins vom Sockel gerissen. Bei dieser Aktion zerbrach die Statue. Sie wird nicht wieder aufgestellt werden.

Wie der „Krasnojarsker Arbeiter“ bereits mitteilte, kam die Idee zur Aufstellung dieser drei Meter hohen Statue Josef Stalins von einem in Swetlogorsk lebenden Unternehmer. Und in der Tat wurde diese Statue, deren Aussehen nur undeutlich an die unheilbringende, aber dennoch historisch bedeutende Persönlichkeit erinnert, erst unlängst auf einem Sockel errichtet.

Über irgendeinen künstlerischen Wert dieses „Werkes“ muß man nicht lange reden. Übrigens ebenso wenig wie über das touristische Mekka im Turuchansker Bezirk mit seinem Stalin-Denkmal und der weiterhin geplanten Wiedererrichtung des endgültig 1995 bei einem Waldbrand vernichteten Pantheons. Ein vielversprechendes Unternehmen, so der Initiator der Idee, der auf breiter Ebene für sein Projekt Werbung machte. Allerdings wird man allein mit der rein spekulativen Errichtung des Stalin-Denkmals Touristen wohl kaum eine ausreichende Attraktion bieten, um an diese Orte zu fahren. Seitdem die Wasser des Jenisej nicht mehr von dem berühmten Dampfer „Anton Tschechow“ befahren werden, sind erheblich weniger Liebhaber der nördlichen Naturschönheit, besonders aber ausländische Touristen, in diese Gebiete gekommen.

Im August, beispielsweise, besuchte unter der Verantwortung der Zeitung „Krasnojarsker Arbeiter“, mit Genehmigung der Föderalten Migrationsbehörde der Region Krasnojarsk, nur ein einziger Franzose den Bezirk Turuchansk. Es war einer unserer Kollegen, ein Journalist, der eigens zu dem Zweck nach Sibirien gekommen war, um ein Interview mit dem bekannten, jungen, russischen Schriftsteller Michail Tarkowskij abzuhalten, der in Bachta lebt. Ich kenne B. Girard sehr gut und kann mit voller Überzeuger sagen, daß er kaum zusätzliche Zeit und finanzielle Mittel dafür verschwendet hätte, auch noch nach Kurejka zu fahren, um sich dort an dem trostlos in der Taiga stehenden karikaturistischen Abbild Stalins zu ergötzen. So etwas ist für europäische Journalisten einfach schon lange keine Sensation mehr.

Und dennoch werden auch in der turuchansker Taiga, in der tiefen Angeschiedenheit, in der sich die Siedlung Kurejka befindet, die Gesetze eingehalten. Es ist ganz und gar nicht so, daß man dort alles machen kann, was einem gefällt, zum Beispiel wie im vorliegenden Fall: ohne Zuweisung eines bestimmten Areals, ohne Erledigung der entsprechenden Formalitäten, u.ä., einfach eine Statue in die Taiga schleppen (wobei es sich noch nicht einmal unbedingt um eine Stalin-Statue handeln muß, sondern auch jede beliebige andere), sie auf einen Sockel stellen und dann versuchen, damit auch noch Geld zu verdienen. Es wäre schon sehr verwunderlich, wenn das Oberhaupt des Turuchansker Bezirks, Simona Jurtschenko, die sich in der Tat mit ganzem Herzen für die Eintwicklung des Tourismus auf dem ihr anvertrauten Territorium einsetzt, besorgt um die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur, um die Liebhaber der Taiga-Exotik in Empfang zu nehmen, eine andere Entscheidung getroffen hätte, das heißt, wenn sie die illegal errichtete Statue auf ihrem Sockel stehen gelassen hätte.

Es existieren Pläne, nach denen irgendwann einmal in Kurejka ein Museum eröffnet wird, in dem es eine Sammlung von Alltagsgegenständen aus der Zeit geben wird, als Stalin hier seine Verbannungsstrafe verbüßte, sowie eine Reihe von Fotografien. Es gibt bereits ein Programm zur Entwicklung und Unterstützung der Museumsaktivitäten im Bezirk. Möglicherweise wird diese Idee irgendwann einmal verwirklicht. Aber im vorliegenden Fall hat der Unternehmer aus Swetlogorsk sie ganz einfach zu einer Farce verdreht.

Josef Stalin hat heute noch lebende Verwandte. Wenn schon bei der Verwaltung, in deren Zuständigkeitsbereich sich Swetlogorsk, der Heimatort des unternehmenslustigen, findigen Projekturhebers befindet, niemand offiziell um ene Erlaubnis ersucht hat, dann ist es natürlich auch niemandem eingefallen, Stalins Tochter oder die Kinder seines ältesten Sohnes anzurufen, um sich zu erkundigen, ob man sich über das Aussehen des großartigen Führers der Völker lustigmachen darf, um damit ein paar Pluspunkte beim Image zu sammeln ...

Bei der Demontage des Denkmals war ein Mitarbeiter der Miliz anwesend, der auf die Einhaltung der allgemeinen Ordnung achtete. Allerdings regte sich über den Abriß niemand in Kurejka in irgendeiner Form auf. Wie die die Nachrichten-Agentur „Press-Line“ mitteilte, entscheiden die Unternehmer, die für die Wiederaufstellung der Statue Geld investiert hatten, nun darüber, über das Monument erneut aufgestellt werden soll. Wir werden sehen, wie sich die Ereignisse entfalten. Aber mit spekulativen Projekten und Selbstbeweihräucherung vor dem Hintergrund historischer Personen hat sich noch kein Mensch einen guten Ruf verdient.

Die Redaktion dankt der freien Korrespondentin der Fernsehgesellschaft NTW in der Region Krasnojarsk, Tatjana Panichina, für das zur Verfügung gestellte Fotomaterial.

Natalia SANGADSCHIEWA.
„Krasnojarsker Arbeiter“, 15.09.06


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