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Bericht von Alexander Friedrichowitsch Eisner

Alexander Friedrichowitsch Eisner, geb. 1951.

Alexander Friedrichowitschs Familie wurde im Herbst 1941 aus dem Wolgagebiet in die Region Krasnojarsk verschleppt und geriet im Sommer 1942 zum gewerblichen Fischfang in den Turuchansker Bezirk. Dort wurde auch unser Interview-Partner geboren. Der Vater betrieb Fischfang am Jenissei, die Mutter arbeitete in der Bäckerei. An das Leben der Familie im Norden hat Alexander Friedrichowitsch praktisch keine Erinnerungen, die Eltern erzählten ihm nur wenig über diese Periode.

Mitte der 1950er Jahre zogen sie in den Bezirk Karatus, wo man die große Familie Eisner in einem Viehstall unterbrachte, der sich sieben Kilometer vom Dorf Sagaiskoje entfernt befand. Der Vater hütete die Schafe, die Mutter half ihm – Alexander Friedrichowitschs Schwester und die beiden Brüder dingen in Sagaiskoje zur Schule. „Der Vater hat sie mit dem ferd hingebracht, und zu Fuß sind sie dann zurückgekommen“.

Ende der 1950er Jahre zogen sie nach Sagaoskoje, wo auch Alexander Friedrichowitsch mit dem Lernen begann. Nach Beendigung der Schule besuchte Kurse, um Mechanisator (technische Fachkraft in der sozialistischen Land- und Forstwirtschaft; Anm. d. Übers.) zu werden, anschließend diente er zwei Jahre in der Armee. Nach der Demobilisierung kehrte er in den Bezirk Karatus zurück, heiratete ein Mädchen aus einer deutschen Familie – Rosa Schwabenland. Viele Jahre war er als Traktorist im Dorf Sagaiskoje tätig. Vor einigen Jahren, bei der Beantragung seiner Rente, bemerkte man in der örtlichen Administration: „Sie haben ja nur einen einzigen Eintrag in ihrem Arbeitsbuch – Arbeitseintritt und Austritt wegen Rente“. Bei der Arbeit wurde Alexander Friedrichowitsch viele Male angespornt: man händigte ihm Urkunden aus, Reisegutscheine; als Prämien erhielt er ein Motorrad, später ein Auto der Marke „Moskwitsch“. Die Eisners erinnern sich, dass es unter den Deutschen in ihrer Kolchose zahlreiche Bestarbeiter gab.

In der Familie Eisner sprach man Russisch, denn die Mutter war Russin – sie hatte Friedrich Eisner noch an der Wolga geheiratet.

Alexander Friedrichowitschs Eltern lebten ihr gesamtes restliches Leben in Sagaiskoje. Bereits in den 1990er reiste die Schwester des Vaters nach Deutschland aus und versuchte die Eisners ebenfalls zu einem Umzug dorthin zu überreden. Aber die ältere Generation, ebenso wie Alexander Friedrichowitsch selber, lehnte das ab. Unser Interviewpartner erklärt uns diese Weigerung mit einfachen Worten: „Wir haben uns hier doch an alles gewöhnt, wozu also wegfahren?“.

Mit Alexander Friedrichowitsch Eisner unterhielten sich Marina Konstantinowa und Jelena Sberowskaja.

Dorf Sagaiskoje, Bezirk Karatus, 05.07.2016


Rosa Danilowna mit Ehemann Alexander Friedrichowitschin den 1960er Jahren

Forschungsreise der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astafjew-Universität Krasnojarsk und der Krasnojarsker „Memorial“-Organisation zum Projekt „Anthropologische Wende in den sozial-humanitären Wissenschaften: die Methodik der Feld-Forschung und Praxis der Verwirklichung narrativer Interviews“ (gefördert durch den Michail-Prochorow-Fond).


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