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Verbannungs- / Lagerhaftbericht von Emma Jakowlewna Gorodezkaja

Geboren am 24. Oktober 1922. Lebte eine Zeit lang im Gebiet Saratow, Kamensker Kreis, in der Ortschaft Grimm. Die Familie bestand aus 6 Personen: 2 Erwachsenen (der Vater war Schmied im Traktorenwerk, die Mutter Hausfrau), 4 Kinder (2 Brüder, 1 Schwester).

Das Schicksal bescherte Emma Jakowlewna zwei Repressionen. Im Jahre 1932 wurde die Familie Emma Jakowlewnas aufgrund der Kollektivisierung entkulakisiert. Ihre Wirtschaft bestand aus 3 Pferden, 3 Kühen, häuslichen Gerätschaften. All das wurde ihnen fortgenommen. Sie nahmen sogar die Verkleidungen von den Fenstern mit und rissen die Läufer hoch, um festzustellen, ob sie dort nicht etwa Getreide versteckt hatten. Das Jahr 1933 – die allgemeine Hungersnot ereilte auch die Familie Emma Jakowlewnas, schrecklich war der Hunger, tödlich, erbarmungslos. Infolgedessen herrschte im Winter 1933 im Dorf eine unglaublich hohe Sterblichkeitsrate.

„Ein Großmütterchen – die Nachbarin, zündete ihr gesamtes Haus bis zum Dach an. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie dieses Großmütterchen über den Rauch eine schwarze Katze hielt und daran nagte“ – sagte uns Emma Jakowlewna.

„ ... Vor lauter Schwäche und Hunger wurden die Beine gelähmt“, - berichtete Emma Jakowlewna weiter, als sie sich an jene schreckliche Zeit erinnerte. Emma Jakowlewna und ihr Bruder konnten nicht mehr gehen. „ ... Vielleicht schütze ich den Jungen dadurch ja auch, mit Körnchen und Krüstchen“ – sagte der Ehemann von Emma Jakowlewnas Schwester, die ihren 2-jährigen Jungen mitgenommen hatte, aber nach 2 Wochen erfuhr Emma Jakowlewna, dass der Junge vor lauter Hunger das ganze Fleisch von seinen Händen gegessen hatte und dann bald darauf auch an Hunger starb. An diesem Tag, als sie vom Tode ihres Kindes erfuhr, verlor seine Mutter den Verstand und verstarb. In derselben Woche starb auch der letzte Bruder Emma Jakowlewnas im Alter von 9 Jahren. In dieser Zeit kamen in Emma Jakowlewnas Familie 4 Menschen ums Leben.

„ ... In der Ortschaft Grimm blieb fast kein Haus leer, alle wurden von Truppen der UdSSR belegt. Der Berg, der unweit von Grimm gelegen ist, war die ganze Nacht von denen Scheinwerfern der Fahrzeuge erleuchtet – mit Tränen in den Augen erinnert sich Emma Jakowlewna, wie sie angefahren kamen, um die Menschen auszusiedeln. Für die Reisevorbereitungen gab man ihnen keine einzige Sekunde Zeit. Bald befand sich die gesamte Einwohnerschaft der Ortschaft Grimm am Ufer der Wolga. Unter Wachbegleitung brachte man sie auf einen Lastkahn.

„ ... Eines war gut – unterwegs wurden wir nicht schlecht mit Lebensmitteln versorgt, aber auf dem Kahn war es furchtbar eng und stickig“. – erinnert sich Emma Jakowlewna. Während der Fahrt legten sie mehrere Male an.

Später hieß man sie in einen Zug einsteigen. Während der Fahrt waren sie in Güterwaggons untergebracht - bis nach Nischnij Ingasch, wo Emma Jakowlewna einige Monate verbrachte. Unterwegs hielten sie mehrfach an. Während dieser Zeit wurden sie gezwungen, den Zug mit Salz zu beladen. In Nischnij Ingasch brachte man sie im Klubhaus unter, in dem 3-4 Familien wohnten. Dort lebten hauptsächlich nur Deutsche. Die Verpflegung war einigermaßen erträglich. Nach einigen Monaten beförderte man sie auf einem Lastkahn nach Ponomarewo. Hier wurden die Verschleppten Fritze genannt, und Emma Jakowlewnas Familie mußte sich jeden Monat einmal auf der Kommandantur melden und registrieren lassen. Emma Jakowlewna arbeitete in der Fischfang-Brigade. Sie arbeiteten in der Fischfabrik, deswegen konnten sie manchmal etwas Essen mit nach Hause bringen, was sie mit den übrigen Familienmitgliedern teilten.

Am 22. Juni 1944 läuft Emma Jakowlewna in das Dorf Fomka, weil man ihre Familie zur Rettung zweier im Schlamm steckengebliebener Lastkähne dorthin gebracht hatte – sie sollten das Getreide und Metall abladen sowie Ersatzteile, die man Barren nannte.

Emma Jakowlewna bat in dem Dörfchen Fomka um Arbeit. Nach zwei Wochen zog man sie zur Arbeit in der Sowchose ein. Später, im Alter von 27 Jahren, begann sie als Deutschlehrerin zu arbeiten (dort, an der Wolga, hatte sie die Fachschule für Pädagogik abgeschlossen).

Zu jener Zeit heiratete sie Josif Iwanowitsch. Mit ihm lebte sie in benachbarten Baracken, die durch eine verschimmelte Wand abgetrennt waren, durch die sie sich unterhielten und Klopfzeichen gaben.

1956 kam die Rehabilitation – die Wiederherstellung ihrer Rechte. Ihr Neffe besuchte die Heimat des Tantchens uns teilte mit, dass ihr Haus zerstört worden war und an seiner Stelle nun die Eisenbahn verliefe, und das Haus des Onkelchens wäre erhalten geblieben, sei jedoch in einem sehr verfallenen Zustand.

Das Jahr 1962 – Emma Jakowlewna zieht nach Jarzewo um und arbeitet als Buchhalterin. Sie kennt die Sondervergünstigungen für Repressionsopfer und macht von ihnen Gebrauch.

Sie bemüht sich, bislang vergeblich, Geld zu bekommen, das ihrem mann zusteht (der nach Deutschland zwangsdeportiert wurde). Emma Jakowlewna spricht asehr gut Deutsch, sie hat das pädagogische Technikum in Saratow abgeschlossen, die Fakultät für deutsche Sprache, all ihre Familienmitglieder sind Deutsche. Sie korrespondiert mit Ausländern (Schweiz, Deutschland), die sie materiell unterstützen. Emma Jakowlewna brachte 3 Mädchen zuhause die detsche Sprache bei (früher war sie Lehrerin).

Es existiert ein Foto.

Die Befragung wurde durchgeführt von T. Kazupij, W. Moisejew (historische Abteilung der Jenisejsker Fachschule für Pädagogik)

Erste Forschungsexpedition für Geschichte und Menschenrechte


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