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Verbannungs- / Lagerhaftbericht von Olga Antonowna Hahalewa

Geboren 1925 in dem Dorf Chrestenjez, Gebiet Rowno, Ukraine.

Olga Antonownas Familie bestand aus 5 Personen. Vater, Mutter, ihre zwei Schwestern und sie. Die Eltern „arbeiteten“ nicht; sie unterhielten ihre eigene große Landwirtschaft und einen Gemüsegarten. Eines nachts, im Jahre 1944, erschienen Soldaten an der Tür und sagten, dass sie sich zur Umsiedlung bereit halten sollten, aber sie ließen sie nicht wissen wohin. Nach ein paar Stunden trieb man sie in einen Güterwaggon, der schon mit Menschen vollgestopft war, und brachten sie nach Kama. Sie hatten nur ein wenig Brot und Zucker mitgenommen. bei ihrer Ankunft in Kama steckte man sie ins Untersuchungsgefängnis, wo sie einen ganzen Monat festgehalten wurden. Dann schickte man sie zurück in die Ukraine, weil ihre Familie nicht namentlich in der Umsiedlerliste aufgeführt war. Als sie zuhause ankamen, beschlagte man das Haus und ihre gesamte Wirtschaft. Sie wohnten in einer baufälligen Scheune. Dann, als die Behörden wieder dabei waren, Umsiedler zusammenzutreiben, brachte man sie erneut nach Kama. Wieder fand man dort ihren Namen nicht auf der Liste und schickte sie deshalb in die Ukraine zurück. Und so erging es ihnen insgesamt viermal. Als sie dann wieder einmal in Kama ankamen, wurde ihnen gesagt, dass einer der Repressierten eine große Geldsumme bezahlt hätte, damit er nach Hause zurückkönnte, und sie nun an seine Stelle gerückt wären. Mit einem Güterzug wurden sie in ein Waldgebiet gebracht. Im Waggon waren vom Fußboden bis zur Decke Pritschen aufgestellt, der Waggon war vollgestopft mit Menschen, und es gab sehr viele Wanzen. Dann kamen sie in der Taiga an, wo in einer großen Grube eine riesige Baracke errichtet worden war, in der auf dem ganzen Boen Heu ausgebreitet lag. Und dann standen da noch vier Fässer und 2 Eimer für die Notdurft. Die kleinen Kinder weinten und starben an Hunger. Wenn jemand aus der Familie verstarb, dann wurde diese Familie unter Wachbegleitung zu einem Platz geführt, wo sie eine Grube aushoben und den Leichnam begruben. Olga Antonownas Eltern fällten in der Taiga Bäume. Wenn es ihnen gelang, den Produktionsplan zu erfüllen, bekamen sie 500 Gramm Brot und einen Teller Suppe.

Nach Kriegsende transportierte man sie nach Krasnojarsk, damit sie dort anderen Brigaden beim Bäumefällen halfen, und abends arbeiteten sie in den Gemüsegärten, wo sie Kohlköpfe, Kartoffeln und Gurken stahlen. Wenn eine Frau eine Gurke entwendet hatte und die Wachen sie dabei ertappten, wurde sie zu 4 Jahren verurteilt. Nach 3 Monaten wurde ihnen gesagt, dass sie nun nach Fomka verlegt würden. Man brachte sie an den Jenisej und wies sie in eine Baracke ein, damit sie dort auf die Ankunft des Dampfers „Maria Uljanowa“ warten sollten. Sie warteten 3 Tage, und als sie dann auf dem Wasser waren, legte der Kahn an jeden Dorf an, damit die Männer Holz für den Dampfer hackten. Bei ihrer Ankunft in Fomka konnte von Gastfreundschaft keine Rede sein; die Menschen dort beschimpften sie mit den Worten „Schädlinge der Sowjetmacht“ oder „Bandera-Anhänger“. Hier arbeiteten sie bereits so, wie auf den „Stachanow-Revieren“, und später zählten sie bereits zu den Bestarbeitern.

19348 kamen sie nach Jarzewo und lebten dort bis 1950. Dann fuhr sie zusammenmit den Eltern in die Ukraine zurück, um in ihrer Heimat zu leben, dort, wo ihrer Verwandten begraben waren. 1953 wurden Olga und ihre Mutter erneut repressiert und nach Jarzewo zurückgeschickt. Aber der Vater und die zwei Schwestern blieben in der Ukraine. Man hatte sie verfolgt, weil sie noch auf der Umsiedler-Liste stehengeblieben waren.

1956 heiratete Olga Antonowna in Jarzewo einen Russen. Und erhielt einen Paß. Sie führten dort ihre kleine Wirtschaft. 1960, nach der Rehabilitation, fuhr Olga Antonowna zusammen mit ihrem Mann und ihrer Mutterin die Ukraine zum Vater und den beiden Schwestern, aber sie blieb dort nicht, weil ihr Mann meinte, sie sollten lieber nach Jarzewo zurückkehren, denn dort hätten sie ihr Haus und ihre Wirtschaft, und außerdem würde ihre Mama dort leben. Und so lebt Olga Antonowna mit ihrem Ehemann seit 1960 in Jarzewo – und wohnt dort auch heute noch.

Die Befragung wurde durchgeführt von Denis Pisanskij (historische Abteilung der Jenisejsker Fachschule für Pädagogik)

Erste Forschungsexpedition für Geschichte und Menschenrechte


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