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Mitteilung von Maria Johannesowna Jakobi (Braun)

Maria Johannesowna Jakobi (Braun) wurde am 26. März 1929 in einer kinderreichen Familie in der Ortschaft Knadelfeld (Gnadenfeld), Bezirk Engels, Gebiet Saratow, in der Wolgadeutschen Republik, geboren. In diesem Dorf hörte man die Menschen überall nur Deutsch sprechen: zu Hause, auf der Straße und sogar in der Schule. Sie wohnten in einem großen, geräumigen Haus; einen Gemüsegarten legten sie nicht an, denn in der Ortschaft hatte man eine Kolchose organisiert, und die Eltern arbeiteten dort gegen Anrechnung von Tagesarbeitseinheiten. An Haustieren besaßen sie eine Kuh, ein Schwein und Hühner.

Maria Johannesowna kann sich noch gut an ihre Mädchenzeit vor dem Kriege erinnern. Sie war das dritte Kind in der Familie, fröhlich, flink und fleißig. Bereits mit 12 Jahren arbeitete sie in der Kolchose beim Ausjäten von Unkraut auf den Feldern. Maria Johannesowna absolvierte vier Klassen an der örtlichen Schule, wo russische Sprache lediglich einmal pro Woche unterrichtet wurde.

Am 28. August 1941 kam der Ukas über die Massen-Deportation der deutschen Bevölkerung an der Wolga heraus. Dieses Jahr wurde für die Familie Braun, ebenso wie für andere Familien, zum Wendepunkt, keiner der Ortsbewohner protestierte gegen diese Anordnung – alle waren der Meinung: was sein muss, muss eben sein. Zum Packen gab man ihnen drei Tage Zeit. Sie nahmen nur das Allernötigste mit (Dokumente, Kleidung, Lebensmittel). Die gesamte Dorfbevölkerung wurde an der Bahnstation Lipinicha in einen Güterzug verfrachtet und nach Krasnojarsk geschickt. Etwa einen Monat waren sie unterwegs. Während dieser Zeit wurden viele Familien auf unterschiedliche Ortschaften verteilt. An den Bahnhöfen, an denen der Zug anhielt, brachten Ortsansässige denjenigen Lebensmittel an den Zug, die noch weiter fahren sollten. Eine Waschgelegenheit war nicht vorhanden. Als sie in Krasnojarsk eintrafen, hieß man die Familie Braun (sowie alle verbliebenen Familien) an Bord eines Lastkahns gehen und schickte sie bis nach Galanino.

Das Schicksal verfügte es so, dass alle Einwohner des wolgadeutschen Dorfes Knadelfeld (Gnadenfeld) in den Kasatschinsker Bezirk gerieten - tausende Kilometer vom heimatlichen Haus entfernt. In Galanino wählten die Kolchosvorsitzenden so viele Leute aus, wie sie in ihren Dörfern unterbringen konnten. Die Familie Braun geriet nach Roschdestwenskoje. Die Umsiedler wurden zu jeweils 2-3 Familien in einem Haus untergebracht, mit der Zeit erhielt dann jede von ihnen ein Haus oder ein Grundstück, auf dem sie ein Haus errichten konnten.

Die älteste Schwester arbeitete in Galanino beim Holzflößen. Im Februar 1942 holte man sie in die Trudarmee nach Burjatien, und ein Jahr später mobilisierten sie auch den Vater. 1953 kehrten sie von dort zurück. Während der gesamten Zeit stand die Familie mit ihnen in Briefkontakt, mitunter schickten sie auch Pakete.

Noch in Roschdestwenskoje wurde 1944 das achte Schwesterchen geboren. Die Eltern arbeiteten in der Kirow-Kolchose, und Maria war auch bei ihnen. Die Roschdestwensker erwiesen sich als gutherzige Menschen und unterstützen die Umsiedler so gut sie konnten. Zu der Zeit lebte in Roschdestwenskoje auch Abram Danilowitsch Denygin, der den Kinderchen der Familie Braun viel Lob spendete, weil sie bis zum Umfallen arbeiteten. Bis zum Alter von zwanzig Jahren erledigte Maria in der Kolchose diverse ungelernte Arbeiten. Danach versetzten sie das fleißige und verantwortungsbewusste Mädchen auf eine Farm, wo sie im Schweinestall und anschließend als Melkerin arbeitete. Ab 1962 bis zum Renteneintritt war sie dann auf der Schweinefarm tätig. 1984 ging Maria in den wohlverdienten Ruhestand. Doch es gab niemanden, der in der Kolchose die Kälber versorgte. Und so bat der Vorsitzende Anatolij Aleksandrowitsch Warygin die frischgebackene Rentnerin, doch noch ein wenig als Kälberhirtin zu arbeiten. Natürlich konnte sie den Wunsch nicht abschlagen, und so war sie danach noch einige Zeit im Kälberstall tätig.

Maria besitzt eine große Anzahl von Ehrenurkunden und Diplomen. Man hat ihr die Ehrenbezeichnung «Meisterin der Viehzucht» verliehen. In den 1980er Jahren erhielt Maria Johannesowna Jakobi einen Ansporn durch einen Reisegutschein nach Leningrad. Als bemerkenswerte Arbeiterin wurde über sie viel in der Bezirkszeitung geschrieben. Ihre erste Ehrenurkunde erhielt sie nach zu Stalins Zeiten. Und sie gab sie ihren Kindern zum Spielen. Na ja, und dabei zerrissen sie sie. Aber alle anderen hat sie aufbewahrt.

1950 heiratete Maria Fjodor Jakobi. Er war aus demselben deutschen Dorf gebürtig wie das Mädchen. 1951 wurde Alexander als erstes Kind der jungen Familie geboren, und zwei Jahre später erblickte Töchterchen Mascha das Licht der Welt. 1957 wurde dann, bereits in dem neuen Haus, Tochter Irma geboren.

Am 26. März wurde Maria Johannesowna 85 Jahre alt. Maria Johannesowna Jakobi hat nie das Stadtleben kennengelernt; die ganzen 85 Jahre hat sie auf dem Lande verbracht. Davon lebte sie 73 Jahre in Roschdestwenskoje. Als es den Deutschen schließlich wieder erlaubt wurde, den Ort ihrer Sonderansiedlung zu verlassen, dachte die Familie Jakobi nicht daran, aus dem Dorf fortzufahren. Roschdestwenskoje wurde für sie zur zweiten Heimat. Auf die Frage, ob sie sich für eine Deutsche halte, antwortete sie mit einem entschiedenen „Nein“!!!

Interview: Darja Bassangowa
(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft ) Neunte Expedition des Krasnjarsker "Memorial“ und des Pädagogischen College in Jenisseisk, Worokowka-Kasatschinskoje-Roschdestwenskoje 2014 .


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