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Mitteilung von Alexander Andrejewitsch (Heinrichowitsch) Kaiser

Alexander Heinrichowitsch (Andrejewitsch) Kaiser wurde 1934 geboren.

Er kam im Gebiet Saratow, Bezirk Krasnokut, in dem Dorf Knanfeld (Gnadenfeld, heute Talowka) zur Welt. Eltern: Vater Heinrich Petrowitsch Kaiser, Mutter Katerina Christianowna Kaiser (geb. Zeldreich). Alexander Andrejewitsch hatte noch drei Schwestern: Polina, Katerina und Emma. Zwei weitere Kinder starben in ihrer Kindheit. Die Familie lebte in einem aus selbstgemachten Ziegelsteinen gebauten Haus mit drei Zimmern. An Möbeln besaßen sie hauptsächlich Tische und Betten, und die wichtigste Errungenschaft war – eine Nähmaschine. Die Häuser im Dorf standen auf Grund und Boden, aber im eigentlichen Sinne gab es diesen überhaupt nicht – weder eine Einzäunung, noch ein eigenes Stückchen Land: alle arbeiteten in der Kolchose, Lebensmittel wurden ausgegeben, die Wirtschaft wurde gemeinschaftlich betrieben; wie Alexander Andrejewitsch es ausdrückte: sie bauten den Kommunismus auf. Der Vater arbeitete als Brigadeführer, die Mutter war auf den Plantagen tätig. Die hellsten Eindrücke blieben vom Baden im Teich und dem Feiern des 7. November im Dorf, als alle Lieder sangen und tanzten, in der Erinnerung zurück.

1941, als Alexander Andrejewitsch sieben Jahre alt war, kamen Soldaten ins Dorf. Die Vorbereitungen dauerten eine Woche, und dann fuhr die Familie Kaiser als eine der letzten ab. Im Gepäck hatten sie Kleidung, Bett-Wäsche und Lebensmittel. Zuerst wurden sie mit Fuhrwerken zum Bahnhof gebracht, danach verlud man sie auf Viehwaggons. Dort war es sehr eng, sie schliefen dicht nebeneinander liegend, aßen das, was sie mitgenommen hatten, gekochtes Fleisch und Brot, Diebstahl und Todesfälle kamen nicht vor. Während der Zug-Halte (die mitunter einen halben Tag dauerten) spielte Alexander mit den anderen Kindern und wäre einmal beinahe nicht mehr rechtzeitig in den Zug eingestiegen.

Man bemühte sich, die Menschen mit Bewohnern ihrer ehemaligen Siedlung auf die Dörfer zu verteilen. Fast alle Einwohner Gnadenfelds gerieten nach Tomilowka; es waren hauptsächlich Verwandte, die Brüder von Alexanders Vater, Wassilij, Jakob, sowie die Familien Weber und Kembel, die man in Häusern mit kleineren Familien unterbrachte. Die Ortsansässigen brachten ihnen Verständnis entgegen. Die Wirtin, bei denen die Kaisers unterkamen, stellte für sie sogar ein eigenes Zimmer bereit. Anfangs gab es Schwierigkeiten mit der russischen Sprache, aber sie lebten sich ziemlich schnell ein, sprachen untereinander jedoch häufig in der Muttersprache. Eine Schule gab es im Dorf nicht, und ins Nachbardorf gehen konnten sie nicht; dazu fehlten ihnen die Mittel. Stattdessen arbeiteten die Kinder genauso wie die Erwachsenen. Alexander Andrejewitsch hantierte im Alter von neun Jahren bereits mit Pferd und Egge in der Kolchose. Im Januar 1942 holten sie den Vater in die Stadt Kansk zur Trudarmee, wo er aufgrund der unmenschlichen Bedingungen und schweren körperlichen Arbeit starb. Die Mutter wurde nicht in die Arbeitsarmee einberufen, und das nur deswegen, weil sie mehr als drei Kinder hatte. Als der Vater noch am Leben war, schrieben sie ihm Briefe und schickten Tabak. Bis 1955 mussten sie sich jeden Monat einmal bei der Kommandantur melden.

Festtage begingen sie zusammen mit den Ortsbewohnern im Pferdestall. Ein Klubhaus gab es nicht. Dort begegnete Alexander auch seiner zukünftigen Ehefrau. In die Heimat zog es nicht zurück – die, die dorthin fuhren, sagen, dass in seinem ehemaligen Haus andere Leute wohnen. Das, was geschehen ist, bedauert er nicht besonders – er sieht sich als Russen an.

Wenn du Menschen, die so etwas miterlebt haben, fragst, ob sie das Geschehene bedauern, dann erwartest du eine leidvolle, gekränkte Reaktion, doch sie äußern ihr Verständnis für die „Peiniger“ und sogar ihre Dankbarkeit gegenüber dem Schicksal. Wahrscheinlich haben all die schweren Prüfungen und Herausforderungen sie einfach zu stark gemacht, um sich darüber zu beklagen.

Das Interview wurde geführt von Maria und Sophia Schubina.


Ehefrau

(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft ) Neunte Expedition des Krasnjarsker "Memorial“ und des Pädagogischen College in Jenisseisk, Worokowka-Kasatschinskoje-Roschdestwenskoje 2014 .

 

 


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