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Verbannungs- / Lagerhaftbericht von Lidia Josifowna Leonowa

geb. 18.01.1941
Vater: Josef Josefowitsch Gelzelichter, geb. 1913
Mutter: Anna Matweewna Gelzelichter, geb. 1915
Geschwister: Jekaterina (1937), Rosa (1939), Josef (1942), Anton (1953)
Kinder der L.J.: Pawel, 23.01.1963, lebt in Wechnepaschino; Nikolai, 08.09.1964, lebt in Krasnojarsk; Natalia, 16.08.1965, lebt in Ust-Kem.

Bis zur Deportation lebten sie in der Region Odessa, im Dorf Elsaß. Der Vater kehrte nach dem Krieg nicht nach Hause zurück; er blieb mit einer anderen Familie in Ischewsk (A.B. – aufgrund welcher Umstände gelangte er nach ischewsk? Trudarmee?).

Sie hatten ihre eigene Hofwirtschaft: 3 Kühe, 100 Hühner; außerdem hielten sie Schweine und betrieben Weinanbau.

Die Familie wurde 1944 verschleppt, als Lidia Josifowna drei Jahre alt war. Es gelang ihnen nur das mitzunehmen, was sie auf dem Leib trugen, ferner einen Behälter mit Fett (sie hatten noch rechtzeitig ein Ferkel schlachten können) und selbstgemachte Fadennudeln. Wenn der Zug an den Stationen hielt, kochte die Mutetr eine Suppe.

Sie wurden nach Tschermchowo gebracht. Dort lebten sie eine Zeit lang in einer großen Erdhütte für 8-9 Familien. Einmal erkrankten in dieser Erdhütte einige an Krätze. Daraufhin hob Lidias Onkel eine neue Höhle aus, damit sie von den anderen getrennt wohnten und sich nicht noch ansteckten. Hier lebten von nun an Lidia Josifownas Familie sowie Onkel und Tante. Tante Polina hatte wunderschöne lange Haare. Als die kleine Lidia einmal ein heruntergefallenes Haar fand, wickelte sie es um ihren Daumen, nuckelte daran und versuchte auf diese Weise ihren Hunger zu stillen.

Sie ernährten sich auch von Wegerich und Hirtentäschelkraut. Es war verboten in den Wald zu gehen (außer an Sonntagen). Hauptsächlich gingen sie auf Bärlauch-Suche. Auf dem Basar tauschten sie ein Kissen gegen ein Glas Hafer.

Da der Vater nicht anwesend war, mußte die Mutter die gesamte Familie ernähren. Um irgendwie zu überleben, hielt sie die Scheunen und Lagerräume sauber und arbeitete in der Fabrik – alles für ein Stück Brot.

Später wurden sie ins Dorf Kumora verlegt. Sie fuhren zuerst mit dem Dampfer „Bagrusin“, dann mit einem Lastschiff. In Kumora lebten sie in einer Baracke für 4 Familien. In einer Ecke eine Frau mit Sohn und Tochter, in der anderen Eltern mit vier Kindern, in der dritten Lidia Josifownas Familie, in der vierten – ein alter Mann und eine alte Frau.

Anfangs machten die heimischen Bewohner sich lustig über sie und sagten, daß die Deutschen angeblich ein drittes Auge hätten.

Im Dorf Kumora beendete Lidia Josifowna die 3. Klasse. 1953 brachte Lidia Josifownas Mutter ein Jungen von 5.500 g Gewicht zur Welt; alle dachten, daß sie das nicht überleben würde.

1954 brachte man sie mit Lastkähnen zur freien Ansiedlung nach Nischneangarsk. Dort wohnten sie in einer Baracke mit 16 Wohnungen. In diesem Jahr sind sie nach Ust-Kem umgezogen.

Die Befragung wurde von Kristina Polysalowa, Tatjana Korotkich, Veronika Gimranowa durchgeführt.

(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“)
Vierte Expedition für Geschichte und Menschenrechte, Ust-Kem 2007.


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