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Bericht von Wassilij Karlowitsch Maisner

Wassilij Karlowitsch Maisner wurde am 1. November 1954 in der Ortschaft Karatiskoje geboren. Vater – Karl Wilhelmowitsch Maisner (geb. 1929), Mutter – Maria Fedorowna Maisner (Orlowa). Ihre Kinder waren alle Jungen: Alexander Maisner (geb. 1953, Viktor Maisner (geb. 1957), Wladimir Maisner (geb. 1959), Sergej Maisner (geb. 1964).

Wassilij Karlowitsch teilt mit uns seine Erinnerungen an die Erzählungen der Eltern über ihr nicht leichtes Schicksal mit. Im September 1941 wurden die Eltern aus dem Gebiet Saratow, Ortschaft Straub, Kukusker Bezirk ausgesiedelt. Auf Lastkähnen brachte man sie zur Bahnlinie und schickte sie weiter nach Abakan. Dort wurden sie mit Pferden abgeholt. Der Vater wurde mit seiner Familie nach Sosnowka gebracht. Er war elf Jahre alt. Die Schule besuchte er nur für kurze Zeit, er absolvierte vier Klassen, und das war auch noch n der Heimat gewesen, im Gebiet Saratow. Hier war das nicht möglich: es herrschten Krieg, Hunger, die Lebensumstände der Verbannung; deswegen mussten er und sein Bruder in der Schmiede arbeiten.

Deutsch sprach er praktisch überhaupt nicht, nach dem Tod seiner Mutter ging ihm die Praxis ganz und gar verloren.

Sein Sohn, Wassilij Karlowitsch, sprach fließend Deutsch als er klein war.

Im Dorf benahm man sich der nicht sonderlich gut gegenüber der Familie Maisner, wie im Übrigen auch gegenüber den anderen Verbannten. In der Schule rief man sie „Deutschenpack“, „Faschisten“. Und dort lebten sie nun also.

Einen Russen oder eine Russin heiraten war bei den Deutschen nicht verboten. Nur der Großvater mütterlicherseits war unzufrieden, dass Maria Fedorowna einen Deutschen heiratete; ihr Bruder war im Krieg gefallen.

Von den Festtagen wurden besonders das katholische Osterfest und Weihnachten gefeiert. Andere Festtage gab es nicht.

Wassilij Karlowitsch wusste nicht einmal, dass er in den Listen als Repressionsopfer aufgeführt ist, bis nach dem Zerfall der Sowjetunion der Ukas über die Zahlung von Kompensationen an die einstigen Verfolgten herauskam.

In seinem Arbeitsleben war er als Fahrer, Traktorist, Mechaniker und Meister tätig.

Seine Familie wollte nicht nach Deutschland ausreisen, als sich irgendwann diese Möglichkeit ergab.

Gegenüber ihrer damaligen Ausweisung zeigen sie sich ruhig und gelassen, sie hegen keine Gefühle des Zorns. Wassilij Karlowitsch betrachtet diese Angelegenheit aus philosophischer Sicht: „wenn wir dort geblieben wären, wäre es uns vielleicht noch schlechter ergangen“.

Das Interview wurde geführt von Tatjana Nasarez.

 

Forschungsreise der Staatlichen Pädagogischen W.P. Astafjew-Universität Krasnojarsk und der Krasnojarsker „Memorial“-Organisation zum Projekt „Anthropologische Wende in den sozial-humanitären Wissenschaften: die Methodik der Feld-Forschung und Praxis der Verwirklichung narrativer Interviews“ (gefördert durch den Michail-Prochorow-Fond).


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