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Verbannungs- / Lagerhaft-Bericht von Woldemar Iwanowitsch Ressle

Geboren 1950 in Kargino.

Vater: Iwan Jefremowitsch Ressle, geb. 1907
Mutter: Albina Romanowna Ressle, geb. 1911
Bruder: Igor, geb. 1938, lebt in Deutschland.
Schwestern:
Anna Kraus, geb. 1936, lebt in Deutschland
Klara Jegorowa, geb. 1940, lebt in Moskau

Lebten vor den Repressionsmaßnahmen in der Region Odessa, in der Ortschaft Nowogradowka (Neuburg). Sie hatten ein schönes Haus, eine gesunde Hofwirtschaft und befaßten sich mit der Herstellung von Wein.

Bei Kriegsende trieben die zurückweichenden Deutschen sie zuerst mit bis nach Polen, anschließend nach Deutschland. Sie mußten den Weinkeller, Haus und Hof zurücklassen. Was nur irgend ging, versuchten sie mitzunehmen und brachten es mit ihren eigenen Transportmöglichkeiten nach Polen. Dort mußten sie für Herrschaften arbeiten und bekamen dafür ihr Essen. Als die sowjetischen Truppen einmarschierten, erklärte man ihnen, daß sie nun nach Hause kommen würden, aber in Wirklichkeit schickte man sie nach Sibirien.

Zunächst transportierte man sie bis nach Krasnojarsk; dort verfrachtete man sie auf Lastkähne und brachte sie nach Schirokij Log, denn dort befand sich eine Anlegestelle. Es war bereits Oktober. In Kargino wurden sie bei der Familie von Anna Rytschowa untergebracht, wo sie etwa ein Jahr wohnten. Das Haus war für zwei Familien gedacht.

Der Vater fand Arbeit bei der staatlichen Dampfschifffahrtsgesellschaft, wo er in der Brennholzbeschaffung für die Dampfer tätig war. Sein Arbeitsplatz lag in Schirokij Log; er war hauptsächlich für den Abtransport des Brennholzes aus dem Wald zuständig.

Sein Großvater väterlicherseits war ein hervorragender Schneider. Die Mutter arbeitete bei der Getreidereinigung im Kornspeicher.

Die Kleidung, die sie von zuhause mitgenommen hatten, tauschten sie gegen Kartoffeln und andrer unbedingt nötige Dinge ein.

1947 herrschte schrecklicher Hunger. Die Mutter erkrankte an Malaria, das jüngere Brüderchen starb. Der Vater bedauerte, daß er nicht in Deutschland geblieben, sondern auf den Betrug der sowjetischen Behörden hereingefallen war, die ihnen vorgelogen hatte, daß man sie nach Hause bringen würde.

Heute arbeitet Woldemar Iwanowitsch als Fahrer bei der Feuerwehr. Seiner Schwester und seinem Bruder nach Deutschland folgen will er nicht. Er sagt: „Mir geht es auch hier gut“.

Die Befragung erfolgte durch Anna Tschuruksajewa und Jewgenia Waschtschenko.

(AB – Anmerkungen von Aleksej Babij, Krasnojarsker „Memorial“)
Fünfte Expedition für Geschichte und Menschenrechte, Nowokargino 2008


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