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Emma Alexandrowna Schnaider

Emma Alexandrowna Schnaider (Mädchenname Rudi) wurde am 9. Januar 1942 geboren. Ihre Eltern arbeiteten bis zur Deportation in der Kolchose; ihr Vater hieß Alexander Andrejewitsch Rudi, er wurde 1907 geboren, ihre Mutter war Amalie Jegorowna; sie lebten im Gebiet Odessa, Schewanowsker Bezirk, in dem Dorf Pobotschnoje. Zu der Zeit besaß die Familie Rudi eine große Hofwirtschaft: ein solide gebautes Haus, einen 30/100 Hektar umfassenden Nutzgarten, in dem verschiedene Obstbäume gediehen und Vieh – eine Kuh, einen Erstling, Schweine, Hammel, Hühner. Sie lebten im Wohlstand.

1941 wurden sie nach Sibirien deportiert, in die Region Omsk, Marjanowsker Bezirk, das Dorf Otradnoje. Emma Alexandrowna erzählt: „Aus den Erinnerungen der Verwandten weiß ich, dass sie 24 Stunden Zeit zum Packen hatten, aber niemand konnte das glauben, alle weinten. Alles mussten sie im Stich lassen, nur Kleinigkeiten konnten sie mitnehmen, nur Dinge, die sie mit den Händen tragen konnten“. Die Menschen wurden auf Güterwaggons verladen und abtransportiert. Unterwegs gab man ihnen nichts zu essen, sie waren gezwungen ihre Sachen, die sie mitgenommen hatten, gegen etwas Essbares einzutauschen. Über Sibirien wussten sie nichts und hatten auch keine Vermutungen, wie es dort sein würde.

Anfangs lebten die deutschen Familien in Erdhütten, die sie selber ausgehoben hatten. Bach und nach erlaubte man ihnen ihre eigenen Häuser zu bauen. Bald darauf wurde der Vater in die Arbeitsarmee einberufen, nach Ischim, in die Holzfällerei. Er erzählte oft davon, wie sie bis zum Hals im Schnee ihre Arbeit verrichten mussten, dass sie schlecht verpflegt wurden. Sie brachten Alexander Andrejewitsch im Sterben liegend nach Hause, er hatte eine Lungenentzündung, aber Emma Alexandrownas Mutter pflegte ihn gesund. Und wie es ihr in der damaligen Zeit gelang Aloe, Honig und Tafelbutter zu beschaffen – darüber kann man sich nur wundern. Bald darauf kam Emma Alexandrownas Vater wieder auf die Beine. Er begann als Bauarbeiter zu arbeiten, Amalie Jegorowna in der Kolchose. Der Mensch denkt und Gott lenkt.

Es dauerte nicht lange, da erkrankte Amalie Jegorowna an Typhus: das Krankenhaus lag von der Ortschaft Otradnoje, in der die Familie wohnte, etwa 12 km entfernt. Emma Alexandrowna erinnert sich: „Mama lag furchtbar lange im Krankenhaus, ungefähr 40 Tage, und es schien, als ob sie bereits auf dem Wege der Besserung wäre… Aber in dem Krankenhaus, in dem sie sich befand, gab es breite Ritzen im Fußboden; Mama bekam eine schwere Erkältung, erkrankte an einer Lungenentzündung und verstarb in der Nacht. Papa wusste das nicht, er bat um einen Pferdeschlitten, um die Mama abzuholen. Man übergab ihm ihre Leiche. Ich war damals 4 Jahre alt, und deswegen wollten sie mir nicht sagen, dass die Mama tot war; sie erklärten mir, dass sie lediglich schliefe, aber ich weinte und wollte wissen, warum sie denn nicht atmet und überhaupt nicht aufwacht“. Alexander Andrejewitsch arbeitete viel, um die Familie ernähren zu können. Und die kleine Emma wohnte bei Tante Pauline Koch. Sie hatte selber schon genügend Sorgen (kleine Kinder, der Mann war in der Arbeitsarmee umgekommen), aber sie half trotz allem der Familie ihres Bruders. Bald darauf beschloss der Vater Amalia Lenhartowna Altengold zu heiraten.

Das Schicksal dieser Frau fügte sich äußerst tragisch zusammen. Auf dem Weg nach Sibirien, als sie ebenfalls deportiert wurden, erkrankte ihr Mann und starb. Die Stiefmutter erinnerte sich, dass, als der Zug sich in Bewegung setzte und Geschwindigkeit aufnahm, ihr Hund Nelli hinterher rannte.

Als sie in Sibirien schrecklichen Hunger litten, sammelte Amalie Lenhartowna auf dem Feld ein paar Ähren. Dafür steckte man sie für 6 Monate ins Gefängnis. Anschließend arbeitete sie in einer Molkerei; sie konnte wunderbar nähen und das half ihr zu überleben. Amalia Lenhartowna besaß keine eigenen Kinder und hing deswegen sehr an ihrer Stieftochter Emma.

Emma Alexandrowna begab sich nach er 8. Klasse nach Nowosibirsk, um dort eine Ausbildung als Verputzerin und Anstreicherin zu machen, anschließend fuhr sie nach Kasachstan. Dort lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Alexander Lwowitsch Schnaider kennen. 1967 zogen sie nach Jenisejsk um, wo sie Arbeit im Fleischkombinat fanden. 1980 starb die Stiefmutter, sie ließen den Vater nach Jenisejsk umziehen, wo er gemeinsam mit ihnen bis zu seinem Tode (1989) lebte.

Es fällt Emma Alexandrowna sehr schwer sich an die Vergangenheit zu erinnern, denn sie mussten so viel Schlimmes in Sibirien durchmachen. Eines weiß sie ganz genau: für sie, die Deutschen, gibt es nirgends eine Heimat, aber sie hat ihr Leben lang in Sibirien gewohnt, und hält es daher auch für ihre Heimat.

 

O. Kruschinskaja. Unfreiwillige Sibirjaken


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