Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Русский

Maria Bergoldtowna (Bertoldowna?) Jewtuch

Maria Bergoldtowna Jewtuch (geb. 1951). Die Eltern - Anna Jakowlewna Wessel (Mädchenname Sibend, geb. 1917) und Bergoldt (Bertold?) Genrichowitsch Wessel (geb. 1916) – wohnten in einem Vorort von Simferopol, der Vater war Müller, die Mutter Hausfrau. Die Familie besaß ein großes Haus, eine große Hofwirtschaft. 1936 wurde der Vater des Vaterlandsverrats beschuldigt (§ 58) und zusammen mit der ganzen Familie nach Karaganda geschickt. Dort lebten sie auch während des gesamten Krieges und geraume Zeit danach. Man gab ihnen keine Zeit, um sich auf die lange Reise vorzubereiten, so dass sie lediglich ein paar Kleidungsstücke und etwas zu essen mitnehmen konnten.

Maria Bergoldtowna erinnerte sich an die Erzählungen ihrer Eltern darüber, dass sie in der Eile nur einen einzigen Schnürschuh einpackten, weil sie den zweiten nicht so schnell finden konnten. Lange fuhren sie mit dem Zug, und dann wurden die neuen Bewohner Karagandas praktisch auf freiem Feld abgesetzt. Aber die Familie Wessel war sehr fleißig, das Familienoberhaupt verfügte über goldene Hände, und so nahm er eine Arbeit in der zentralen Reparatur-Werkstatt an und baute ein solides Haus. Bergoldt Genrichowitsch war ein Meister zweierlei Handwerks – er konnte schustern und zimmern, und es gelang ihm Arbeit zu finden. Bis heute hält Maria Bergoldtowna sorgsam und voller Liebe eine Schere verwahrt, die ihr Vater einst anfertigte. In der Familie gab es sechs Kinder, sie wurden von den Eltern schon früh an Arbeit, Reinlichkeit und Sich-Bemühen gewöhnt, und der Vater bastelte mit seinen eigenen Händen sogar das Spielzeug für sie – Puppen, Damespiele, Schachspiele, kleine Autos. Das vom Vater gebaute Haus war groß, so dass die ganze Familie bequem darin Platz fand.

Nach und nach lebten sie sich ein. Maria Bergoldtowna erzählt, dass es ihr als Kind immer so vor kam, als wäre das Haus groß, vor den Fenstern hingen wunderschöne Vorhänge aus Plüsch. Mama verdiente als Schneiderin etwas hinzu, sie war eine äußerst geschickte Frau und alles gelang ihr, und so ging ihr die Arbeit immer flink und mit Leichtigkeit von der Hand. Deswegen kamen häufig Frauen zu ihnen ins Haus, die sich zu den Feiertagen gern neue Kleider nähen wollten. Für ein Kleid nahm Anna Jakowlewna einen Rubel, manchmal verdiente sie am Tag zwei Rubel. Ständig hörte man im Haus Lieder in deutscher Sprache, denn mit einem schönen Lied läuft auch die Arbeit gleich viel besser. 1958 zog die Familie Wessel nach Kasachstan um, in die Ortschaft Schachowskoje. In der Anfangszeit lebten sie in einer Erdhütte; die Eltern arbeiteten so viel sie konnten, der Vater fertigte Särge an, während die Mutter, die sich mit den Eigenschaften verschiedener Heilkräuter sehr gut auskannte, im Dorf die Kranken behandelte.

Die Schule besuchte Maria Bergoldtowna mit viel Freude, manches von den neuen Sachen hatte Mama genäht, anderes hatten sie in der Stadt gekauft. Maria Bergoldtowna lernte gut, sie war mutig, und deswegen kränkte oder beleidigte man sie in der Schule auch nicht; aber die kleineren Geschwister wurden von den Kindern der Ortsansässigen gehänselt, weil sie Deutsche waren. Für sie musste sie sich oft einsetzen. Die Eltern verstanden es ihren Kindern Reinlichkeit, Fleiß und die Liebe zu ihrer Nationalität beizubringen.

 

O. Kruschinskaja. Unfreiwillige Sibirjaken


Zum Seitenanfang