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Bericht von Erna Jakowlewna Kostjukowa

Nachname, Vorname, Vatersname: Kostjukowa, Erna Jakowlewna
Mädchenname: Eirich (Airich?)
Geburtsdatum: 13.06.1939
Geburtsort: Ortschaft Knanfeld (Gnadenfeld), Ekimsker Bezirk, Gebiet Saratow
Wohnort: Ortschaft Galanino, Kasatschinsker Bezirk, Region Krasnojarsk, Russland

Erna Jakowlewna Kostjukowa (Mädchenname Eirich/Airich) wurde am 13. Juni 1939 im Dorf Gnadenfeld, Ekimsker Bezirk, Gebiet Saratow, geboren; heute trägt das Dorf den neuen Namen Ortschaft Kirowskoje, Komsomolsker Bezirk, Gebiet Saratow. Die Eltern unserer Gesprächspartnerin waren – Deutsche. Die Mutter, Lydia Alexandrowna (Mädchenname Maier), wurde am 13. August 1917 geboren; sie arbeitete als Kälberhirtin in der Kolchose; sie hatte keine Ausbildung erhalten. Bis zur Deportation konnte sie kein Russisch, sondern sprach nur Deutsch. Der Vater, Jakob Benjaminowitsch Eirich, erblickte am 18. Februar 1918 das Licht der Welt; bis zur Deportation arbeitete er als Mähdrescherfahrer. Schulbildung: 8 Klassen; er konnte Deutsch und Russisch. Erna Jakowlewnas Eltern heirateten 1938. Später wurde ihre erst und älteste Tochter Erna geboren. Die Familie lebte im Dorf Gnadenfeld und war lutherischen Glaubens. Gemeinsam bauten die Eltern ein Haus, in dem sie bis zur Deportation wohnten. Sie hatten ihren eigenen Hof; nach den Worten der Befragten gab es eine Kuh, Land zum Umpflügen und ein kleines Gärtchen.

Von der geplanten Deportation erfuhr der Vater während er auf dem Feld arbeitete. Das war 1941, im September; die Menschen waren gerade dabei die Ernte einzubringen. Sie durften nichts mitnehmen, sondern wurden sogleich auf Fuhrwerke verfrachtet und fort gebracht. Später verschwand der Vater spurlos. Auch die Leute im Dorf wurden nicht vorab benachrichtigt; Haus und Hof, ihr Vieh, mussten sie zurücklassen. Sie nahmen nur das mit, was sie auf dem Leib trugen, sowie die Lebensmittel, die auf dem Tisch standen. „Manche ließen das Brot im Ofen zurück, welches sie gerade buken“ – erzählte Erna Jakowlewna. – Vom Dorf Gnadenfeld gelangten sie mit Fuhrwerken bis zum Zug an der Bahnstation, von dort weiter nach Krasnojarsk, und von Krasnojarsk bis zur Ortschaft Galanino auf dem Wasserweg, mit einem Schiff. Anschließend ging es noch einmal mit dem Fuhrwerk weiter – bis nach Roschdestwenskoje. Später zog die Mutter mit den Kindern nach Tschelnoki um. Dort wohnten sie mit drei weiteren Familien in einem Haus. Jede Familie lebte in einem Zimmer, die Eirichs hausten dort mit Mutter und zwei Kindern.

Nach der Ankunft in Sibirien arbeiteten alle Deutschen in Kolchosen, in der Bäckerei. Ihre geleistete Arbeit wurde in Tagesarbeitseinheiten notiert, und für eine bestimmte Anzahl Einheiten erhielten sie Mehl. Aber es kam selten vor, dass man für seine Arbeit auch etwas bekam, merkte die von uns Befragte an. Die Menschen hungerten. Unsere Gesprächspartnerin berichtete, dass sie und ihre Schwester einmal auf den staatlichen Feldern den Kartoffelacker umgruben, nachdem die Ernte bereits stattgefunden hatte. Sie hatten gehofft, noch ein paar im Boden zurück gelassene Kartoffeln zu finden.
Wir stellten Erna Jakowlena einige Fragen über die Arbeitsarmee: „Wer aus der Familie geriet in die Trudarmee (Arbeitsarmee)?“. „Wohin wurden sie geschickt“?

- Mutter hatte eine Schwester namens Maria; die hatte ein Kind – Töchterchen Tamara, 2 Jahre alt. Tamara wurde krank und starb, und da holten sie Tante Maria in die Trudarmee. Ich weiß allerdings nicht, wohin sie kam. Den Onkel holten sie auch in die Arbeitsarmee, das war Mutters Bruder“.

Über die allgemeinen Lebensbedingungen, Verpflegung und zu leistenden Arbeiten weiß sie nichts. Es gab ein Aufsichtssystem; man gab Acht auf die deportierten Deutschen, damit sie nicht die Rechtsordnung in der Siedlung verletzten, und beobachtete sie, um festzustellen, ob es nicht irgendwelche Verräter unter ihnen gab. Einmal pro Woche mussten sie sich bei der Kommandantur melden; sie durften den Ort nicht ohne Vorankündigung und spezielle Erlaubnis verlassen. Wenn ein Kind geboren wurde oder eine neue Familie auftauchte, musste der Kommandant sofort benachrichtigt werden. Es war erlaubt, Briefe und Pakete zu schicken. Deutsch sprechen war verboten, die russische Sprache sollte benutzt werden. Die jeweilige Nationalität im Umgang der Menschen miteinander spielte keine Rolle; Russen freundeten sich mit Deutschen an und gründeten sogar Familien. Es gab Fälle, dass die ortsansässigen Kinder die Deutschen „Faschisten“ nannten. Erna Jakowlewna erzählt: „Ich konnte kein Russisch, aber das Wort „Faschisten“ kannte ich“. Es war ein Grind zu Prügeleien. Später wurden die Kinder Freunde und die Demütigungen gegenüber der deutschen Bevölkerung unterblieben. Unsere Gesprächspartnerin charakterisierte die Deutschen als fleißiges und Reinlichkeit liebendes Volk.

Das Interview wurde aufgezeichnet von Kristina Fomina und Kristina Batschina,
Schülerinnen des ersten Kurses an der Kunst- und Graphik-Abteilung des Pädagogischen Instituts.

11. volkskundlich-historische-ethnografische Forschungsreise des Pädagogischen Colleges in Jenisseisk


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