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Verbannungs- / Lagerhaftbericht von Iwan Karlowitsch Zitzer

Geboren am 09.12.1930 in Marxstadt, Gebiet Saratow. Iwan Karlowitsch hatte eine große Familie (Großvater, Großmutter, zwei Onkel, die Eltern und vier Geschwister).

Die Nachricht von ihrer Deportation erhielten sie im Herbst 1941, als Iwan 11 Jahre alt war. Er hat noch ganz klare und lebhafte Erinnerungen an diese Ereignisse: „Ich war noch ein Kind, für mich war das alles ein Spiel ... aber gleichzeitig fühlte ich auch all die Schwere dieser Veränderungen, die Angst und die ständigen Anspannung ... „

Die Familie Zitzer lebte in einem großen, zweigeschossigen Haus und besaß eine große Wirtschaft. Zum Packen ließ man ihnen keine Zeit. Sie erlaubten ihnen nur das mitzunehmen, was sie selbst tragen konnten (sie nahmen Essen, Bettzeug und etwas Kleidung mit).

Bis Saratow transportierte man die Deportierten auf dem Wasserwege (mit Lastkähnen). Die Familie Zitzer gehörte zu den letzten, die abtransportiert wurden (denn Iwan Karlowitschs Vater arbeitete auf einem der Flußschiffe). Ende September 1941 verließen sie die heimatlichen Gefilde. Die Fahrt mit dem Lastkahn bis nach Saratow dauerte einen Tag und eine Nacht.

Danach mußten alle (etwa 12-15 Familien) in einen Zug einsteigen. In „Kälber“-Waggons (Viehwaggons; Anm. d. Übers.) fuhren sie ungefähr einen Monat – unter unmenschlichen Bedingungen. Während der gesamten Reise bekamen sie nicht ein einziges Mal etwas zu essen, sondern aßen nur das, was sie von Zuhause hatten mitnehmen können. Die Wachtposten waren grausam (ihre Zahl war größer, als die der Deportierten) – „Überall waren Leute mit Gewehren. Auf Schritt und Tritt standen sie hinter dir“. Der Zug hielt nur selten an, aber nie in den großen Städten oder wenigstens in kleinen Ortschaften. Er hielt nur in „Sackgassen“ – dort, wo sowieso niemand wohnte. In regelmäßigen Abständen wurden Waggons abgehängt – und die Menschen an verschiedenen Orten „auseinandergeworfen“.

Die Familie Zitzer mußte in der Ortschaft Jelowa, Karatusker Kreis aussteigen. Sie bekamen ein kleines Häuschen zugeteilt. Alle Männer der Familie, außer dem Großvater, wurden in die Armee einberufen. Der Großvater arbeitete in einer Werkstatt. Alle anderen bekamen Arbeit in der Kolchose und in Fischfang-Brigaden. In Jelowa lebten die Zitzers nicht lange, nur eineinhalb bis zwei Monate. 1942 verlegte man sie in die Siedlung Karatus. Ab 1943 fing Iwan Karlowitsch an zu arbeiten wie alle anderen auch. Wo er gerade eine Arbeit bekommen konnte – gegen ein Stückchen Brot.

Leider Konnte Iwan Karlowitsch nicht weiter über seine Vergangenheit sprechen.

Von den Vergünstigungen für Repressionsopfer hat er Kenntnis, nutzt aber nur den Preisnachlaß für Strom. Einmal fuhr er mit seiner Frau nach Deutschland (dort leben seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester) – 50 % bekam er als Zuschuß für die Reise. Er schafft es nicht, seinen Anspruch auf Ermäßigung für Brennholz durchzusetzen. „Sie sagen, die Papiere, die ich habe, reichen dazu nicht aus. Dann möge Gott mit ihnen sein ...“ – meint Iwan Karlowitsch.

1959 wurde er rehabilitiert. Bescheinigungen darüber besitzt er nicht.

Es existiert ein Foto.

Hausadresse: ul. Saretschnaja

Die Befragung wurde durchgeführt von G.W. Ponomarewa (historische Abteilung der Jenisejsker Fachschule für Pädagogik)

Erste Forschungsexpedition für Geschichte und Menschenrechte


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